Urteil des BGH vom 27.06.2008

BGH (allgemeine versicherungsbedingungen, treu und glauben, zuteilung, satzung, höhe, verwaltungsrat, zivilrechtliche ansprüche, vorschlag, verwendung, stufenklage)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 169/08
Verkündet
am:
24. März 2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Felsch und
Dr. Karczewski auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2010
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2008 wird auf Kos-
ten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
(VBL) hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr betei-
ligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher
Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinter-
bliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom
22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte
ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 um-
gestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffent-
lichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002
(ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarif-
vertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endge-
haltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf
einem Punktemodell nach versicherungsmathematischen Grundsätzen
beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.
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II. In dem eingeführten Betriebsrentensystem beruht die Berech-
nung der monatlichen Betriebsrente auf der Summe der bis zum Beginn
der Betriebsrente erworbenen Versorgungspunkte, die sich unter ande-
rem für das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, für soziale Komponen-
ten und als Bonuspunkte ergeben können. In Versorgungspunkte umge-
rechnet wurden auch die bis zur Systemumstellung erworbenen Renten-
anwartschaften der Versicherten, die die Beklagte wertmäßig festgestellt
und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten
der Versicherten übertragen hat.
Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) lautet auszugsweise wie
folgt, wobei § 68 VBLS im Wesentlichen mit § 19 ATV übereinstimmt:
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§ 68 Überschussverteilung
(1) Die VBL stellt jährlich bis zum Jahresende für das vo-
rangegangene Geschäftsjahr fest, ob und in welchem
Ausmaß aus verbleibenden Überschüssen (Absatz 3) Bo-
nuspunkte vergeben werden können (…). Über die Zutei-
lung von Bonuspunkten entscheidet der Verwaltungsrat
auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars.
(2) Grundlage für die Feststellung und Entscheidung nach
Absatz 1 ist eine auf anerkannten versicherungsmathema-
tischen Grundsätzen beruhende und durch den Verant-
wortlichen Aktuar erstellte fiktive versicherungstechnische
Bilanz (…).
(3) Ergibt die fiktive versicherungstechnische Bilanz einen
Überschuss, wird dieser Überschuss um den Aufwand für
soziale Komponenten nach § 37 und um die Verwaltungs-
kosten der VBL (…) vermindert und nach Maßgabe des
Absatzes 1 verwendet (…). Einzelheiten werden in den
Ausführungsbestimmungen geregelt (…).
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§ 69 Rückstellung für Überschussverteilung
(1) Der Überschuss, der sich entsprechend der versiche-
rungstechnischen Bilanz ergibt, wird (…) in die Rückstel-
lung für Überschussverteilung eingestellt. Über die Zufüh-
rung des verteilungsfähigen Überschusses (…) zur Rück-
stellung für Überschussverteilung entscheidet der Verwal-
tungsrat.
(2) Diese Rückstellung dient der Verbesserung oder Erhö-
hung von Leistungen, insbesondere zur Gewährung von
Bonuspunkten (…). Über die Verwendung der Rückstel-
lung entscheidet der Verwaltungsrat auf Vorschlag des
Verantwortlichen Aktuars.
X Ausführungsbestimmungen zu § 68 Abs. 3 Satz 3
- Überschussverteilung -
(…)
(6) Eine Verwendung der Rückstellung für Überschussbe-
teiligung zur Vergabe von Bonuspunkten oder sonstigen
Erhöhung von Leistungen nach § 69 Abs. 2 Satz 1 ist
höchstens so zu bemessen, dass die hierfür zu ermitteln-
de zusätzliche Nettodeckungsrückstellung (…) die Rück-
stellung für Überschussverteilung nicht übersteigt. Der
Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars zur Verwendung
der Rückstellung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 hat zudem die
Entstehung des Überschusses und künftige Risiken an-
gemessen zu berücksichtigen."
III. Die bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin hat so ge-
nannte Versicherungsnachweise erhalten, aus denen sich die Höhe der
von der Klägerin insgesamt erworbenen Anwartschaft auf Betriebsrente
wegen Alters einschließlich desjenigen Teils der Anwartschaft ergibt, der
von ihr bis zur Systemumstellung erworben und als Startgutschrift dem
Versorgungskonto gutgeschrieben wurde. Bonuspunkte sind in den Ver-
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sicherungsnachweisen nicht ausgewiesen. Der Verwaltungsrat der Be-
klagten hat für die Geschäftsjahre 2002 bis 2004 entschieden, dass dem
das Versorgungskonto I betreffenden Abrechnungsverband, dem die
Klägerin angehört, keine Bonuspunkte zugeteilt werden.
Die Klägerin meint, ihr stehe ein Anspruch auf Zuteilung und Gut-
schrift von Bonuspunkten für die genannten Geschäftsjahre zu; im Wege
der Stufenklage (§ 254 ZPO) verlangt sie Auskunft über die von der Be-
klagten in den Kalender- bzw. Geschäftsjahren 2002 bis 2004 erzielten
Überschüsse durch Vorlage der (fiktiven) versicherungstechnischen Bi-
lanzen.
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Das Amtsgericht hat dem Auskunftsantrag durch Teilurteil stattge-
geben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Teilurteil
des Amtsgerichts geändert und die Stufenklage insgesamt abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die von
der Klägerin erhobene Stufenklage zu Recht insgesamt abgewiesen.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe der gel-
tend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Ein solcher ergebe sich aus
den Satzungsbestimmungen der Beklagten weder bei unmittelbarer noch
bei entsprechender Anwendung und folge auch nicht aus dem Gesetz zur
Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG; BGBl. I 2005,
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2722). Zudem könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf § 55 Abs. 3
oder § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes berufen. Im Übrigen
könne sie die begehrte Auskunft nicht aus den Grundsätzen von Treu
und Glauben gemäß § 242 BGB verlangen. Hierfür sei erforderlich, dass
ein dem Grunde nach feststehender Leistungsanspruch existiere. Ein
solcher Anspruch der Klägerin auf Bonuspunkte bestehe (derzeit) nicht.
Zivilrechtliche Ansprüche auf Bonuspunkte entstünden für die Versicher-
ten erst, wenn ihnen von der Beklagten Bonuspunkte zugeteilt bzw. im
Versicherungsnachweis ausgewiesen werden. Die systematische Stel-
lung der §§ 68 f. VBLS und die Bestimmung über das Ob und das Aus-
maß der Gewährung von Bonuspunkten machten deutlich, dass sich ein
berechenbarer Anspruch des einzelnen Pflichtversicherten hieraus nicht
herleiten lasse. Nach den genannten Regelungen und den zugehörigen
Ausführungsbestimmungen X zu § 68 Abs. 3 Satz 3 VBLS bleibe es den
zuständigen Gremien der Beklagten letztlich unbenommen, Rückstellun-
gen zu bilden statt Bonuspunkte zu gewähren. Ein Anspruch auf Über-
schussbeteiligung könne sich (derzeit) auch nach § 153 VVG jedenfalls
aus dem Grunde nicht ergeben, dass die Regelung bei Altverträgen erst
ab dem 1. Januar 2008 gelte und daher für den hier maßgeblichen Zeit-
raum 2002 bis 2004 nicht anwendbar sei.
Da damit nicht nur dem geltend gemachten Auskunftsanspruch,
sondern zugleich dem angekündigten Leistungsbegehren die Grundlage
fehle, sei auch das Berufungsgericht als Rechtsmittelgericht befugt, die
Stufenklage insgesamt abzuweisen.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zutei-
lung und Gutschrift von Bonuspunkten für die Geschäftsjahre 2002 bis
2004. Schon daraus folgt, dass ein zur Vorbereitung eines solchen An-
spruchs geltend gemachter Anspruch auf Auskunft über die von der Be-
klagten in den genannten Jahren erzielten Überschüsse durch Vorlage
der (fiktiven) versicherungstechnischen Bilanzen entfällt (vgl. BGHZ 128,
54, 58; 87, 346, 352 f., 358).
a) Für das genannte Leistungsbegehren der Klägerin besteht nach
der insoweit allein maßgeblichen Satzung der Beklagten keine rechtliche
Grundlage. Die Auslegung der Satzung ergibt, dass für die Versicherten,
die - wie die Klägerin als Pflichtversicherte - für die Zuteilung von Bo-
nuspunkten in Betracht kommen (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2-4 VBLS), ein
solcher Anspruch auf Überschussbeteiligung lediglich dem Grunde nach
besteht. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wird dagegen
ein Anspruch auf Zuteilung und Gutschrift von Bonuspunkten in bestimm-
ter Höhe nicht gewährt.
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aa) (1) Die Satzungsbestimmungen der Beklagten finden als All-
gemeine Versicherungsbedingungen (AVB) auf die Gruppenversiche-
rungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Ver-
sicherungsnehmern mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der be-
zugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen wer-
den (st. Rspr.; vgl. BGHZ 142, 103, 106 f.; Senatsurteil vom 14. Juni
2006 - IV ZR 55/05 - VersR 2006, 1248 Tz. 8). Für die Auslegung der
Satzungsbestimmungen kommt es auf das Verständnis und Interesse
des durchschnittlichen Versicherten an (vgl. Senatsurteile vom 3. De-
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zember 2008 - IV ZR 104/06 - VersR 2009, 201 Tz. 13; vom 14. Februar
z. 10; vom 14. Juni 2006 aaO
m.w.N.).
(2) Nach diesem Maßstab ist vom Wortlaut der Satzung auszuge-
hen. Der Versicherte wird dabei zunächst die Regelung des § 36 Abs. 1
Satz 1 c VBLS in den Blick nehmen, die lediglich den Hinweis darauf
enthält, dass sich Versorgungspunkte, die nach § 35 Abs. 1 VBLS der
Betriebsrente zugrunde liegen, auch als Bonuspunkte ergeben können
und deren Feststellung und Gutschrift jeweils zum Ende des folgenden
Kalenderjahres erfolgt (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 VBLS). Für Wei-
teres nimmt die Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 c VBLS auf die mit
"Überschussverteilung" überschriebene Regelung des § 68 VBLS Bezug.
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Auch aus dieser Regelung lässt sich keine bestimmte Höhe der
Überschussbeteiligung entnehmen. Die Regelung stellt vielmehr einlei-
tend in Absatz 1 Satz 1 klar, dass die Beklagte jährlich feststellt, "ob"
und "in welchem Ausmaß" Bonuspunkte vergeben werden können, wobei
die Entscheidung über die Zuteilung der Bonuspunkte durch den Verwal-
tungsrat der Beklagten auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars zu
treffen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 6 VBLS).
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Wie sich für den Versicherten im Weiteren aus § 69 VBLS und Ab-
satz 6 der Ausführungsbestimmungen X zu § 68 Abs. 3 Satz 3 VBLS er-
gibt, liegt der Überschussbeteiligung ein im Einzelnen geregeltes Verfah-
ren zugrunde, für das indes keine konkreten Vorgaben zur Höhe der
Überschussbeteiligung vorgesehen sind, sondern im Grundsatz ein ge-
wisser Spielraum belassen wird. So erschließt sich für den Versicherten
zunächst aus der Regelung des § 69 Abs. 1 Satz 1 VBLS, dass ein nach
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§ 68 Abs. 2 und 3 VBLS ermittelter verteilungsfähiger Überschuss in die
Rückstellung für Überschussverteilung einzustellen ist. Diese dient, wor-
auf § 69 Abs. 2 Satz 1 VBLS hinweist, der Verbesserung und Erhöhung
von Leistungen, und zwar insbesondere, aber nicht ausschließlich zur
Gewährung von Bonuspunkten. Die Entscheidung darüber, wie die Rück-
stellung zu verwenden ist, hat nach § 69 Abs. 2 Satz 3 VBLS der Verwal-
tungsrat der Beklagten auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars zu
treffen. Aus Absatz 6 der Ausführungsbestimmungen X zu § 68 Abs. 3
Satz 3 VBLS lässt sich insoweit ergänzend entnehmen, dass die Ver-
wendung der Rückstellung für Überschussverteilung zur Vergabe von
Bonuspunkten höchstens so zu bemessen ist, dass die hierfür zu ermit-
telnde zusätzliche Nettodeckungsrückstellung die Rückstellung für Über-
schussverteilung nicht übersteigt. Zudem hat der Vorschlag des Verant-
wortlichen Aktuars die Entstehung des Überschusses und künftige Risi-
ken angemessen zu berücksichtigen.
(3) Ist danach bereits nach dem Wortlaut der §§ 68 f. VBLS klar,
dass die Höhe der Überschussbeteiligung letztlich von der Entscheidung
der Beklagten durch ihren Verwaltungsrat abhängt, wird der Versicherte
in diesem Verständnis der Regelungen durch deren systematische Stel-
lung in der Satzung der Beklagten bestätigt. Die Regelungen zur Über-
schussbeteiligung finden sich - worauf das Berufungsgericht zu Recht
hingewiesen hat - nicht in einem die Leistungsverpflichtung der Beklag-
ten bestimmenden, sondern im mit "Finanzierung und Rechnungswesen"
überschriebenen Fünften Teil der Satzung bzw. in den Ausführungsbe-
stimmungen X zu § 68 Abs. 3 Satz 3 VBLS. Das ist anders bei den Rege-
lungen der §§ 36 Abs. 2 und 3, 37 und 82a Abs. 2 VBLS zur Bestimmung
der übrigen Versorgungspunkte i.S. des § 36 Abs. 1 Satz 1 VBLS, die
konkrete Berechnungsvorgaben enthalten und im Zweiten Teil, Abschnitt
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III der Satzung mit der Überschrift "Betriebsrente aufgrund einer Pflicht-
versicherung nach dem Punktemodell" bzw. im Sechsten Teil unter
"Sonderbestimmungen" enthalten sind.
bb) Dass den Versicherten danach kein Anspruch auf Überschuss-
beteiligung in bestimmter Höhe zusteht, ist hinzunehmen. Einen solchen
Anspruch konnte und musste die Beklagte nicht einräumen.
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(1) Als Allgemeine Versicherungsbedingungen unterliegen die Sat-
zungsbestimmungen der Beklagten regelmäßig der richterlichen Inhalts-
kontrolle nach den Abs. 1 und 2, ,t dieser
nicht ihrerseits Schranken gesetzt sind (aaO 109 f.; Senatsurteil
vom 14. Ja - er I 2 a). Sol-
che Schranken könnten sich hier bereits deshalb ergeben, weil es sich
bei den §§ 68 f. VBLS lediglich um eine Leistungsbeschreibung handeln
könnte, die nach dem Sinn und Zweck des § 307 BGB einer gerichtlichen
Kontrolle entzogen wäre (vgl. BGHZ 128, 54, 59; Senatsurteil vom
24. März 1999 - IV ZR 90/98 - VersR 1999, 710 unter A I 2 a m.w.N.). Ob
das zutrifft oder davon auszugehen ist, dass die Regelungen das Haupt-
leistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modi-
fizieren mit der Folge, dass eine Inhaltskontrolle nicht ausgeschlossen
wäre (BGHZ aaO; Senatsurteil vom 24. März 1999 aaO), ist zweifelhaft.
Letztlich bedarf die Frage der Kontrollfähigkeit keiner Entscheidung.
Dass die §§ 68 f. VBLS keine bestimmte Höhe der Überschussbeteili-
gung vorsehen, hält einer Inhaltskontrolle stand. Anhaltspunkte für eine
unangemessene Benachteiligung der Versicherten i.S. des § 307 Abs. 1
Satz 1 VBLS, auf deren Interesse vorrangig abzustellen ist (BGHZ 103,
370, 383), sind nicht gegeben.
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(2)
Eine
unangemessene Benachteiligung der Versicherten kann
schon deshalb nicht gegeben sein, weil es der weitgehend unternehme-
rischen Entscheidung des Versicherers überlassen bleiben muss, in wel-
cher Höhe er ermittelte Überschüsse in den jeweiligen Geschäftsjahren
zuteilt. Diese Notwendigkeit ergibt sich vor dem Hintergrund, dass der
Versicherer die spätere Erfüllbarkeit der Verbindlichkeiten aus der Über-
schussbeteiligung zu gewährleisten hat (vgl. zur Lebensversicherung
§ 11a Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 VAG). Diesem obersten, im Interesse al-
ler Beteiligten liegenden Gebot widerspräche es, dem einzelnen Versi-
cherten einen konkreten Anspruch auf Gutschrift von Bonuspunkten zu-
zubilligen, denn dies könnte zu Lasten der wirtschaftlichen Substanz der
Beklagten oder zu Lasten der Überschussbeteiligung anderer Versicher-
ter gehen. Diese Grundgedanken liegen bereits den Urteilen des Senats
vom 8. Juni 1983 (BGHZ 87, 346, 354 f., 356 f.) und vom 9. Mai 2001
(BGHZ 147, 354, 371 f.) sowie den Urteilen des Bundesverfassungsge-
richts vom 26. Juli 2005 zur Bestandsübertragung und zur Überschuss-
beteiligung in der Lebensversicherung zugrunde (VersR 2005, 1109 und
VersR 2005, 1127). Das Urteil zur Überschussbeteiligung stellt den
Grundsatz unternehmerischer Eigenverantwortung der Versicherungsun-
ternehmen ausdrücklich nicht in Frage und betont den Vorrang der Inte-
ressen der Risikogemeinschaft vor Einzelinteressen von Versicherten
(aaO 1131 f; 1134). Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte ein ande-
rer Ansatz gelten müsste, sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Ins-
besondere spielt es keine Rolle, dass der Überschussbeteiligung im Be-
reich der Pflichtversicherung ganz überwiegend keine tatsächlichen,
sondern rein fiktiv ermittelte Überschüsse zugrunde liegen. Entscheidend
ist, dass die Zuteilung bzw. Gutschrift von Bonuspunkten auf den Ver-
sorgungskonten der Versicherten nach § 36 Abs. 1 Satz 2 VBLS eine
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Leistungserhöhung und damit eine tatsächliche künftige Leistungsver-
pflichtung der Beklagten zur Folge hat.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsrat der
Beklagten, der - wie ausgeführt - über die Verwendung der Rückstellung
für Überschussverteilung und die Zuteilung von Bonuspunkten zu ent-
scheiden hat, paritätisch besetzt ist (vgl. § 11 Abs. 1 VBLS). Die Versi-
cherten sind daher über ihre Vertreter an den genannten Entscheidungen
des Verwaltungsrats beteiligt, dem die für die Überschussbeteiligung
maßgebenden Informationen, insbesondere der Vorschlag des Verant-
wortlichen Aktuars zur Verwendung der Rückstellung für Überschussver-
teilung, zugänglich sind.
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(3)
Eine
unangemessene Benachteiligung der Versicherten folgt
schließlich nicht aus dem Hinweis der Revision darauf, dass die Zutei-
lung bzw. Gutschrift von Bonuspunkten, die eine Dynamisierung der An-
wartschaften der Versicherten dadurch bewirkt, dass die jeweils erwor-
benen Versorgungspunkte einschließlich der Startgutschriften um einen
Prozentsatz erhöht werden (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese,
BAT Teil VII - ATV 179. ErgL Stand Oktober 2002 Erl. 19.1; 19.6), auch
eine nach dem früheren Gesamtversorgungssystem erdiente Dynamik
(verändert) aufrechterhalten soll. Wie der Senat zu den Übergangsrege-
lungen für die so genannten rentenfernen und rentennahen Pflichtversi-
cherten in den Urteilen vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 - BGHZ
174, 127 Tz. 81) und vom 24. September 2008 (IV ZR 134/07 - BGHZ
178, 101 Tz. 50) entschieden hat, ist die von den Tarifvertragsparteien
gewählte und von der Beklagten in ihre Satzung übernommene Form der
Dynamisierung der erteilten Startgutschriften i.S. des § 78 Abs. 1 Satz 2
VBLS durch die in den §§ 68 f. VBLS geregelte Überschussbeteiligung
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(vgl. §§ 33 Abs. 7 ATV, 79 Abs. 7 VBLS) nicht zu beanstanden. Im Übri-
gen enthalten die nach der Systemumstellung erworbenen entgeltbezo-
genen Versorgungspunkte - wie die Revision nicht verkennt - über den
Altersfaktor nach § 36 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VBLS eine Verzinsung.
b) Nach allem lässt sich aus der Satzung der Beklagten kein An-
spruch der Versicherten auf Überschussbeteiligung durch Zuteilung und
Gutschrift von Bonuspunkten in bestimmter Höhe begründen. Anders als
die Revision meint, sind die Versicherten dadurch nicht rechtlos gestellt.
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Auch wenn die Versicherten von der Beklagten keine Überschuss-
beteiligung in bestimmter Höhe verlangen können, haben sie gleichwohl
den Anspruch darauf, entsprechend den satzungsgemäßen Vorgaben an
Überschüssen beteiligt zu werden. Soweit die Beklagte diesen Vorgaben
nicht nachgekommen sein sollte, bleibt es den Versicherten grundsätz-
lich unbenommen, die gerichtliche Feststellung zu begehren, dass die
ihnen erteilten Versicherungsnachweise in Bezug auf die (nicht) ausge-
wiesenen Bonuspunkte unverbindlich oder unwirksam sind. Darum geht
es hier jedoch nicht. Die Klägerin macht den genannten Anspruch auf
Beteiligung an Überschüssen entsprechend den satzungsgemäßen Vor-
gaben weder ausdrücklich geltend noch lässt es sich aus ihrem Vorbrin-
gen entnehmen. Ihr Tatsachenvortrag bietet auch keinen Anhaltspunkt
dafür, dass ein darauf bezogener Auskunftsanspruch (vgl. dazu das Se-
natsurteil vom heutigen Tage in der Sache IV ZR 296/07) Gegenstand
des Rechtsstreits sein soll. Vielmehr macht sie auch im Revisionsverfah-
ren unmissverständlich deutlich, mit Hilfe der beantragten Auskunft den
- nach Ansicht des Senats nicht gegebenen - Anspruch auf konkrete
Gutschrift von Bonuspunkten verfolgen zu wollen.
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2. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, durfte das
Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf
Auskunft verneinen. Dabei war es in seiner Entscheidung nicht darauf
beschränkt, nur diesen auf der ersten Stufe geltend gemachten Anspruch
abzuweisen, sondern konnte gleichzeitig über den auf der zweiten Stufe
angekündigten Leistungsantrag entscheiden. Es ist in der Rechtspre-
chung anerkannt, dass das Rechtsmittelgericht befugt ist, die gesamte
Stufenklage durch einheitliches Endurteil abzuweisen, wenn dem Haupt-
anspruch - wie hier - die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (vgl. dazu
BGHZ 94, 268, 275; 30, 213, 215; BGH, Urteil vom 22. November 2000
- VIII ZR 40/00 - NJW 2001, 821 unter II 3; OLG Celle NJW-RR 1995,
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1021
f.; Zöller/Greger, ZPO 28.
Aufl. §
254 Rdn.
9, 14; a.A.
MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. § 254 Rdn. 31; Musielak/
Foerste, ZPO 7. Aufl. § 254 Rdn. 8).
Seiffert Wendt Dr. Kessal-Wulf
Felsch Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 16.10.2007 - 2 C 315/07 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.06.2008 - 6 S 49/07 -