Urteil des BGH vom 14.04.2008

BGH (einführung in das recht, antragsteller, vergabe, beschwerde, notar, antrag, rüge, besuch, unterlassen, vertretung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 1/08
vom
14. April 2008
in dem Verfahren
wegen Bestellung zum Notar
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat am 14. April 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den Richter
Dr. Herrmann, die Notarin Dr. Doyé und den Notar Dr. Ebner
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 30.
November 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfah-
rens zu tragen und die dem Antragsgegner und dem weiteren Be-
teiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Geschäftswert: 50.000 €
Gründe:
I.
Der Antragsteller bewarb sich ebenso wie der weitere Beteiligte um eine
im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. April 2006
(JMBl. NRW S. 88) ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk A. .
Das Auswahlverfahren wurde gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Jus-
tizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom
8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November
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2004 (JMBl. NRW S. 256) durchgeführt. Für den Antragsteller wurde eine Ge-
samtpunktzahl von 164,75 und für den weiteren Beteiligten eine solche von
166,10 ermittelt. Nachdem die mit der höchsten Punktzahl bewertete Mitbewer-
berin ihre Bewerbung zurückgenommen hatte, teilte der Antragsgegner dem
Antragsteller mit Schreiben vom 24. Mai 2007 mit, dass er beabsichtige, die
Stelle dem zweitplatzierten weiteren Beteiligten zu übertragen.
Dagegen hat der Antragsteller, der sich insbesondere gegen die Vergabe
von 1,8 Sonderpunkten an den weiteren Beteiligten wendet, Antrag auf gericht-
liche Entscheidung gestellt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückge-
wiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit
der er sein Begehren, ihm die ausgeschriebene Notarstelle zu übertragen, wei-
terverfolgt.
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II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42
Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentschei-
dung des Antragsgegners erweist sich unter Berücksichtigung der beschränkten
Nachprüfbarkeit durch die Gerichte (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 124, 327,
330 f und vom 14. März 2005 - NotZ 27/04 - NJW-RR 2006, 55, 56) als rechts-
fehlerfrei.
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1.
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats bestehen
auch unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
vom 20. April (BVerfGE 110, 304) und 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50) keine
Bedenken dagegen, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung auf
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der Grundlage des in § 17 AVNot näher geregelten Punktesystems getroffen
hat (siehe nur Beschlüsse vom 26. März 2007 - NotZ 38/06 - NJW-RR 2007,
1130, 1131 und NotZ 39/06 - ZNotP 2007, 234, 235, jeweils Rn. 9 f.). Der An-
tragsteller erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Vergabe von 1,8
Sonderpunkten an den weiteren Beteiligten gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d
AVNot nicht zu beanstanden.
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a) Es trifft schon nicht zu, dass, wie der Antragsteller meint, eine Verga-
be von Sonderpunkten nur für den "Ausnahmefall" in Betracht kommt, bei dem
ein "hervorragender, über das übliche Maß hinausgehender Sachverhalt" gege-
ben ist.
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Sonderpunkte sind schon dann zu vergeben, wenn Merkmale vorliegen,
die nicht zu den in § 17 Abs. 2 Nr. 1-5 AVNot aufgeführten Kriterien Examens-
note, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung und praktische
Beurkundungserfahrung gehören, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um
die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu
erfassen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP
2006, 392, 394 Rn. 15). Ob es sich hierbei um ein seltenes, nur für überragend
befähigte Rechtsanwälte erreichbares oder aber - wie etwa beim Erwerb einer
Fachanwaltsqualifikation (Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 -
ZNotP 2006, 435, 437 Rn. 16 f) - um ein Qualifikationsmerkmal handelt, das
eine Vielzahl von mehr oder weniger durchschnittlich befähigten Rechtsanwäl-
ten aufweisen kann, ist dabei ohne Belang.
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b) Die Praxis des Antragsgegners, an Rechtsanwälte, die längerfristig,
nämlich mindestens sechs Wochen, eine Notarvertretung oder Notarverwaltung
übernommen haben, nach § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d AVNot Sonderpunkte zu
vergeben, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt dar-
in keine unzulässige Doppelbewertung der bereits nach § 17 Abs. 2 Nr. 4
AVNot punktemäßig veranschlagten Beurkundungen. Mit den Sonderpunkten
wird nicht die Beurkundungstätigkeit als solche honoriert, sondern die mit der
Leitung eines Notariats verbundene Führungsverantwortung in organisatori-
scher, personeller und technischer Hinsicht. Wenn dabei auch die Größe des
Notariats nicht vernachlässigt werden darf, so ist doch eine direkte Proportiona-
lität der zu vergebenden Sonderpunkte mit dem Urkundsaufkommen des vertre-
tenen Notariats nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. April 2008
- NotZ 119/07 und NotZ 121/07).
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c) Es unterliegt weiterhin keinen Bedenken, dass die berücksichtigten
Vertretungszeiten zum Teil lange zurückliegen (insbesondere Vertretung Notar
S. 1997). Eine andere Sichtweise wäre hier allenfalls dann geboten,
wenn es der weitere Beteiligte unterlassen hätte, die hierbei gewonnenen
Kenntnisse und Erfahrungen durch nachfolgende Vertretungs- oder Beurkun-
dungstätigkeit aufzufrischen und weiterzuentwickeln (vgl. Senatsbeschluss vom
14. April 2008 - NotZ 121/07). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
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3.
Die Rüge des Antragstellers, der Antragsgegner habe den zweifachen
Besuch der Fortbildungsveranstaltung "Einführung in das Recht des Bauträger-
vertrages", die jeweils derselbe Dozent durchgeführt hat, bei der Vergabe von
Punkten nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 AVNot nur einmal berücksichtigen dürfen, greift
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nicht durch. Ein "Themenverbrauch" wäre insoweit nur dann anzunehmen,
wenn beide Veranstaltungen zeitnah durchgeführt worden wären (vgl. Senats-
beschluss vom 16. März 1998 - NotZ 25/97 - BGHR BNotO § 6 Abs. 3 Satz 2
- Vorbereitungskurse 6). Dies ist indes bei einer zeitlichen Differenz von nahezu
drei Jahren in Übereinstimmung mit der Auffassung des Oberlandesgerichts zu
verneinen.
Hinsichtlich der Vergabe weiterer Fortbildungspunkte an den weiteren
Beteiligten, die der Antragsteller mit der Beschwerde nicht mehr angreift, nimmt
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausfüh-
rungen des Oberlandesgerichts Bezug.
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4.
Soweit der Antragsteller hinsichtlich seiner Teilnahme an der Fortbil-
dungsveranstaltung "Mediation" einen weiteren Punkt für sich in Anspruch
nimmt, teilt der Senat die insoweit vom Oberlandesgericht mit Blick auf § 6b
Abs. 4 BNotO geäußerten Bedenken. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben,
da der Antragsteller auch bei Anrechnung eines weiteren Punktes - wenn auch
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knapp - die dem weiteren Beteiligten zuerkannte Gesamtpunktzahl verfehlen
würde.
Schlick Kessal-Wulf
Herrmann
Doyé
Ebner
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 30.11.2007 - 2 VA (Not) 13/07 -