Urteil des BGH vom 16.10.2007

BGH (stpo, rechtsmittel, freiheitsstrafe, verhandlung, sache, schwere, vorrang, zweck, frist, beleg)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 329/07
vom
16. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gefährlicher Körperverletzung
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerde-
führer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. Okto-
ber 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Oldenburg vom 8. Mai 2006 in den Strafaussprüchen
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel
und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen
Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu-
rückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat wegen gefährlicher Körperverletzung den Angeklag-
ten H. W. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
und die anderen Angeklagten zu Jugendstrafen zwischen zwei Jahren und drei
Monaten und drei Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der
Angeklagten, die das Verfahren beanstanden und die Verletzung des materiel-
len Rechts rügen. Die Rechtsmittel sind, soweit sie den Schuldspruch betreffen,
aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet
im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; hingegen halten die Strafaussprüche rechtli-
cher Nachprüfung nicht stand.
1
- 3 -
Die gegen den Angeklagten H. W. verhängte Freiheitsstrafe
muss aufgehoben werden, weil - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen
zutreffend ausgeführt hat - das Recht des Angeklagten auf Verhandlung seiner
Sache in angemessener Frist gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK nach Ablauf der Revi-
sionsbegründungsfrist verletzt worden ist. Angesichts der seit dem Urteil ver-
strichenen Zeit kommt eine Entscheidung des Senats nach § 354 Abs. 1 a
StPO nicht in Betracht.
2
Die gegen die anderen Angeklagten verhängten Jugendstrafen müssen
ebenfalls neu zugemessen werden. Es ist zu besorgen, dass der das Strafmaß
mitbestimmende Erziehungsgedanke (§ 18 Abs. 2 JGG), der als beherrschen-
der Zweck des Jugendstrafrechts bei der Strafbemessung auch dann Vorrang
hat, wenn Jugendstrafe - wie hier - allein wegen der Schwere der Schuld ver-
hängt wird, unbeachtet geblieben ist (BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8 und
9). Die durchweg sehr knappen, teilweise auf wenige Zeilen beschränkten Fest-
stellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklag-
ten enthalten keine Angaben dazu, wie sich diese nach der im Urteilszeitpunkt
bereits knapp drei Jahre zurückliegenden Tat entwickelt haben. Die jeweils für
die Höhe der Jugendstrafe gegebene Begründung, diese sei zur erzieherischen
Einwirkung erforderlich, bleibt damit ohne Beleg.
3
- 4 -
Für die Berücksichtigung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 MRK ver-
weist der Senat auf seinen Beschluss vom 23. August 2007 (3 StR 50/07).
4
Tolksdorf Pfister von Lienen
Hubert Schäfer