Urteil des BGH vom 24.11.2000

BGH (geld, zeuge, aufnehmen, betrag, aufnahme, anfang, zahlung, schuldspruch, rechtsmittel, untreue)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 384/00
vom
24. November 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betrugs u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 24. November 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Meiningen vom 31. Mai 2000 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten im Fall II, 1 wegen Betrugs und die
Angeklagte K. S. im Fall II, 8 wegen Untreue
verurteilt wurden,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwie-
sen.
3. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten E. S. wegen Betrugs
und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen zu der Gesamtfrei-
heitsstrafe von neun Monaten mit Bewährung verurteilt, die Angeklagte K.
S. wegen Betrugs, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen,
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Unterschlagung sowie Untreue in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und acht Monaten mit Bewährung. Die Angeklagten rügen mit ihren
Revisionen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel
haben in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen
sind sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Schuldspruch wegen gemeinschaftlichen Betrugs hat keinen Be-
stand, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist und den
angenommenen Betrugsvorsatz nicht trägt.
a) Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
Die Angeklagten betrieben in Meiningen eine Rechtsanwaltskanzlei. Bis
1997 war die Auftragslage gut, 1998 ging die Zahl der Mandate erheblich zu-
rück. 1999 wurden nur noch wenige neue Mandate übernommen. Im Spätsom-
mer 1997 sprach der Zeuge M. die Angeklagten an, ob er bei ihnen anwalt-
lich tätig werden könne. Sie erklärten, sie wollten keinen angestellten Anwalt,
sondern eine weiteren Sozius in die Kanzlei aufnehmen. Für die Aufnahme
sollte M. 55.000 DM zahlen. M. kündigte daraufhin sein bisheriges Be-
schäftigungsverhältnis und nahm zur Finanzierung des Sozietätsanteils einen
Kredit auf. Da die Angeklagten den Tätigkeitsbeginn von der Zahlung des ver-
einbarten Betrags abhängig machten, überwies M. am 25. November 1997
55.000 DM auf das von dem Angeklagten genannte Konto mit dem Zusatz:
"Absprache Anteil M. S. ". Nachdem der Zeuge M. diese Zahlung
- wie von den Angeklagten verlangt - nachgewiesen hatte, nahm er am selben
Tag seine Tätigkeit in der Kanzlei auf. Wegen der Sozietätszusage wurde über
seine Beschäftigung nicht weiter gesprochen. In der Folge erklärten ihm die
Angeklagten, daß vor seiner Aufnahme in die Sozietät insbesondere noch
steuerliche Fragen zu klären seien. Deshalb wurde vereinbart, den Zeugen
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übergangsweise ab 1. November 1997 rückwirkend als angestellten Rechtsan-
walt zu beschäftigen. Als Vergütung wurden ihm bis April 1998 monatlich
1.500 DM in bar ausbezahlt. Der Zeuge arbeitete bis Juli 1998 bei den Ange-
klagten, erhielt aber ab Mai kein Gehalt mehr. Im Januar 1998 äußerte der
Zeuge seinen Verdruß über das Hinhalten der Angeklagten und erklärte, wenn
er nicht in die Sozietät aufgenommen werde, wolle er sein Geld zurück. Die
Angeklagten erwiderten, sie wollten an dem Eintritt des Zeugen in die Sozietät
festhalten, es gehe nur noch um Formalitäten.
In Wirklichkeit wollten die Angeklagten den Zeugen M. von Anfang
an nicht in die Sozietät aufnehmen. Ihnen kam es auf den Erhalt der
55.000 DM an, um darüber zur eigenen Verwendung frei verfügen zu können.
Dementsprechend haben sie den überwiesenen Betrag alsbald verbraucht.
Eine Rückzahlung an den Zeugen M. ist nicht erfolgt. Dieser erstritt bereits
am 9. Februar 1998 ein Versäumnisurteil über 55.000 DM und im Oktober 1998
ein weiteres Versäumnisurteil wegen nichtgezahlten Gehalts.
Den Betrugsvorwurf stützt das Landgericht darauf, die Angeklagten hät-
ten dem Zeugen M. wahrheitswidrig die feste Absicht vorgespiegelt, ihn als
Sozius aufzunehmen. Außerdem hätten sie ihn im Unklaren darüber gelassen,
daß sein Geld angesichts ihrer finanziellen Situation auch dann verloren sei,
wenn er nicht in die Sozietät aufgenommen werde. Die Angeklagten hätten von
M. Geld erlangen wollen, um Schulden bezahlen zu können.
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist unklar und lückenhaft. Sie
trägt nicht die Feststellung, die Angeklagten hätten den Zeugen M. von
vornherein nicht in die Sozietät aufnehmen, sondern nur den vereinbarten
Geldbetrag erlangen wollen, um eigene Schulden zu bezahlen.
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Die Angeklagten haben sich dahin eingelassen, der Zeuge M. habe
von sich aus 55.000 DM als "Anschubfinanzierung, Darlehen oder good will"
auf das Privatkonto des Angeklagten überwiesen. Man habe ihn als Angestell-
ten beschäftigen und eine mögliche Aufnahme in die Sozietät prüfen wollen.
Für den Fall, daß er nicht in die Sozietät aufgenommen würde, hätte er sein
Geld zurückbekommen sollen. M. habe gesagt, über das eingezahlte Geld
könne verfügt werden. Später habe man festgestellt, daß wegen des Verhal-
tens des Zeugen seine Mitarbeit als Sozius nicht in Frage gekommen sei. Das
Geld sei nicht zurückgezahlt worden, weil als sicher angesehene Honorarforde-
rungen nicht hätten beigetrieben werden können.
Diese Einlassung hält das Landgericht für widerlegt durch die Angaben
des Zeugen M. , der sich glaubhaft im Sinne der Feststellungen geäußert
habe. Die Richtigkeit seiner Aussage werde durch die Kreditaufnahme und den
angegebenen Verwendungszweck auf dem Einzahlungsbeleg bestätigt. Außer-
dem habe der frühere Mandant H. angegeben, die Angeklagten hätten gewußt,
daß er das im April 1998 versprochene Honorar von 120.000 DM nur zahlen
könne, wenn er seinerseits Geld von Dritten erhalte. Die Angeklagten verfügten
daher nach Ansicht des Landgerichts zu keinem Zeitpunkt über Mittel, die Ent-
nahme des von M. gezahlten Betrags auszugleichen.
Ein Betrugsvorsatz in Bezug auf die Zahlung der 55.000 DM am
25. November 1997 ist damit nicht hinreichend belegt. Der Zeuge M.
konnte aus eigenem Wissen keine beweiskräftigen Angaben dazu machen,
daß die Angeklagten ihn von Anfang an nicht in die Sozietät aufnehmen woll-
ten. Auch die vom Landgericht erörterten Indizien tragen den Schluß auf einen
solchen Betrugsvorsatz nicht. Das Landgericht stellt zunächst fest, 1997 sei die
Auftragslage der Kanzlei gut gewesen, erst 1998 sei die Zahl der Mandate zu-
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rückgegangen. Die Absprache über den Eintritt des Zeugen M. wurde somit
bei guter Auftragslage getroffen. Das Privatkonto des Angeklagten war bei der
Einzahlung des Zeugen M. zwar mit 101 DM überzogen, Feststellungen zu
den Kanzleikonten und der sonstigen finanziellen Situation der Angeklagten
hat das Landgericht jedoch nicht getroffen. Auch aus dem alsbaldigen Ver-
brauch des eingezahlten Betrags läßt sich ein Betrugsvorsatz nicht ohne weite-
res herleiten. Wurden die 55.000 DM als Entgelt für den Sozietätsanteil be-
zahlt, konnten die Angeklagten hierüber verfügen, sofern sie die Absicht, den
Zeugen M. in die Sozietät aufzunehmen, nicht nur vorgetäuscht hatten. Et-
was anderes käme nur dann in Betracht, wenn der Betrag als Einlage oder
Darlehen für die Sozietät bestimmt war. Gerade dies hat das Landgericht aber
auf Grund des auf dem Zahlungsbeleg angegebenen Verwendungszwecks
ausgeschlossen, zumal der Betrag auf das Privatkonto des Angeklagten einge-
zahlt wurde. Der Verbrauch des Geldes belegt daher nicht, daß die Angeklag-
ten den Zeugen nicht in die Sozietät aufnehmen wollten.
Ohne erkennbare Bedeutung für einen möglichen Betrugsvorsatz im
Oktober/November 1997 sind die vom Landgericht festgestellten Honorarver-
einbarungen vom April 1998 mit den Mandanten H. und E. über jeweils 120.000
DM sowie der Umstand, daß diese Honorare später nicht gezahlt wurden. Hier-
aus lassen sich keine tragfähigen Schlußfolgerungen auf einen möglicherweise
sechs Monate zuvor gefaßten Betrugsvorsatz ziehen. Vielmehr ist zu besorgen,
daß das Landgericht den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung des Be-
trugsvorsatzes verkannt hat. Hierfür spricht auch, daß das Landgericht nicht
auf den Einwand der Angeklagten eingeht, sie hätten sich schließlich wegen
des Verhaltens des Zeugen gegenüber Mandanten und dem Ausbleiben in
Aussicht gestellter Beraterverträge gegen seine Aufnahme in die Sozietät ent-
schieden.
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Insgesamt bleibt somit unklar, worauf das Landgericht seine Schlußfol-
gerung stützt, die Angeklagten hätten den Zeugen M. von Anfang an nicht
in die Sozietät aufnehmen wollen, sondern es sei ihnen schon im Okto-
ber/November 1997 allein darum gegangen, von ihm Geld zu erlangen.
Diese Unklarheit hat offenbar auch das Landgericht erkannt und den
Betrugsvorwurf in seiner rechtlichen Würdigung außerdem darauf gestützt, die
Angeklagten hätten den Zeugen M. im unklaren gelassen, daß sein Geld
angesichts der finanziellen Situation der Kanzlei auch dann verloren sei, wenn
er nicht als Sozius aufgenommen werde. Auch mit dieser Erwägung läßt sich
hier der Schuldspruch nicht begründen, weil nicht festgestellt ist, daß die finan-
zielle Situation trotz guter Auftragslage bereits im Oktober/November 1997 so
angespannt war, daß die Angeklagten schon damals hierauf hätten hinweisen
müssen.
Nachträgliche betrugsrelevante Täuschungshandlungen, etwa ab Januar
1998, sind zwar nicht ausgeschlossen, sie können sowohl im Hinhalten des
Zeugen als auch im Verschweigen der negativen Entwicklung der Kanzlei lie-
gen. Auch insoweit fehlen aber bisher hinreichende Beweise und nähere Fest-
stellungen, insbesondere dazu, ab wann ein solcher Hinweis der Angeklagten
geboten gewesen wäre und ob der Rückzahlungsanspruch des Zeugen bei
einem rechtzeitigen Hinweis der Angeklagten noch mit Aussicht auf Erfolg hätte
geltend gemacht werden können.
2. Keinen Bestand hat auch der Schuldspruch gegen die Angeklagte
K. S. wegen Untreue im Fall II, 8. Das Landgericht legt der Ange-
klagten zur Last, sie habe den Kosten(Honorar)vorschuß einer Mandantin in
Höhe von 1.083 DM nicht auf einem Anderkonto verwahrt, von dem sie den die
festgesetzte Anwaltsvergütung von 722,20 DM übersteigenden Betrag hätte
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zurückzahlen können. Stattdessen habe sie den gesamten Betrag selbst ver-
braucht und den Differenzbetrag später nicht zurückgezahlt. Das Landgericht
hat insoweit verkannt, daß ein Kosten- oder Honorarvorschuß nicht als Fremd-
geld anzusehen ist, das auf einem Anderkonto verwahrt werden muß. Allein
hiermit kann ein tatbestandsmäßiges Treueverhältnis in Bezug auf den Kosten-
vorschuß daher nicht begründet werden. Der Senat sieht davon ab, die Ange-
klagte insoweit freizusprechen, weil nicht auszuschließen ist, daß sich bei einer
weiteren Aufklärung des Sachverhalts aus anderen Gründen ein strafbares
Verhalten der Angeklagten ergibt.
Der neue Tatrichter wird bei der Bildung der Gesamtstrafen verdeutli-
chen müssen, daß er die Möglichkeit gesehen hat, auf Geldstrafe auch geson-
dert zu erkennen (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB).
Jähnke Bode Rothfuß
Fischer Elf