Urteil des BGH vom 12.11.2009

BGH (rechtliches gehör, zpo, vollmacht, mangel, berufungskläger, haftung, empfänger, rüge, beweiserhebung, zulassung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 76/09
vom
12. November 2009
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. November 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom
2. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
(§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt
127.861,70 €.
Gründe:
1. Das Berufungsgericht hat keine Beweisangebote der Beklagten zu der
Behauptung übergangen, dass die Erblasserin mit der Erteilung der Vollmacht
ihr eine Schenkung habe machen wollen. Die gerügte Verletzung des
Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt schon deshalb
nicht vor, weil es an einem Beweisangebot in der Berufungsinstanz dazu fehlt.
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Da die Berufungsverhandlung nicht mehr eine Fortsetzung der
Verhandlung der ersten Instanz ist, sondern der Kontrolle und Beseitigung von
Fehlern in der erstinstanzlichen Entscheidung dient, hat der Berufungskläger
den Rechts- oder Verfahrensfehler in der Berufungsbegründung aufzuzeigen;
ein globaler Hinweis auf erstinstanzliches Vorbringen und Beweisantritte (hier
zu den behaupteten Intentionen der Erblasserin im Hinblick auf die Erteilung der
Vollmacht) genügt nicht den in §
520 Abs.
3 Satz
2 ZPO bestimmten
Anforderungen an eine Berufungsbegründung (HK/Wöstmann, ZPO, 3. Aufl.,
§ 520 Rdn. 22; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rdn. 41 m.w.N.).
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Der Berufungskläger muss zumindest deutlich machen, dass nach seiner
Ansicht den Beweisantritten aus der ersten Instanz noch nachgegangen werden
muss. Daran fehlt es hier, weil die Beklagte in der Berufungsbegründung zwar
umfänglich ihre -
von der Entscheidung des Berufungsgerichts in dem
Rechtstreit der Schwester gegen die Beklagte ergangenen Urteil - abweichende
Rechtsauffassung dargelegt, aber - im Unterschied zu dem Antrag, den zur
Verjährungseinrede benannten Zeugen F. L. noch zu vernehmen - keine
Beweiserhebung zu einer in der Berufungsbegründung im Übrigen so nicht vor-
getragenen Schenkungsvereinbarung zwischen der Erblasserin und ihr verlangt
hat.
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2. Richtig ist zwar die Rüge, dass der Obersatz zu § 819 Abs. 1 BGB im
Berufungsurteil unrichtig ist, da die verschärfte Haftung voraussetzt, dass der
Empfänger nicht nur die den Mangel des Rechtsgrunds begründenden
Tatsachen, sondern auch den Mangel des Rechtsgrunds selbst kennt (BGHZ
118, 383, 392; Senat, BGHZ 133, 246, 250). Das rechtfertigt jedoch nicht die
Zulassung der Revision; denn die Entscheidung ist im Ergebnis richtig, weil
einem sittenwidrig handelnden Bereicherungsschuldner die Berufung auf seine
Unkenntnis vom Mangel des Rechtsgrunds versagt ist, wenn er diejenigen
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Tatsachen kennt, aus denen sich die Rechtsgrundlosigkeit seines Erwerbs
aufdrängt (Senat, BGHZ 133, 246, 250 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 6. November
2008, III ZR 129/08, NJW-RR 2009, 345, 346 zu § 819 Abs. 2 BGB).
So ist es hier, da auch einem Laien bei einfachsten Überlegungen
bewusst wird, dass eine Vollmacht allein nicht dazu berechtigt, das unter
Ausnutzung der Vollmacht erlangte Vermögen auf sich zu übertragen und für
eigene Rechnung zu verwerten. Eine etwaige besondere Unempfindlichkeit des
Rechtsbewusstseins der Beklagten gegenüber rechtlichen und sittlichen
Geboten stünde ihrer verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB nicht
entgegen.
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3. Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird nach § 544
Abs. 2 Satz 2 ZPO abgesehen.
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Krüger Klein
Stresemann
Czub
Roth
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 11.06.2008 - 1 O 318/06 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.04.2009 - 6 U 118/08 -