Urteil des BGH vom 08.07.2014

BGH: unrichtigkeit, nebenintervention, zustellung, anwendungsbereich, verkündung, erlass, berufungskläger

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I Z B 7 / 1 3
vom
8. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter Dr. Ellenberger, Maihold,
Dr. Matthias und die Richterin Dr. Derstadt
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Mai 2013
aufgehoben.
Der Antrag der Streithelferin auszusprechen, dass der Beklagte
auch ihre Kosten zu tragen hat, wird zurückgewiesen.
Die Streithelferin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerde-
verfahrens.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.434,85
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die auf An-
trag der Streithelferin erfolgte Berichtigung einer Kostengrundentscheidung.
Das Oberlandesgericht hat in einem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen
Beschluss vom 20. März 2013 eine von dem Beklagten eingelegte Berufung
zurückgewiesen und diesem die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Über die außergerichtlichen Kosten der der Klägerin beigetretenen Streithelferin
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ist dabei nicht entschieden worden. Die Streithelferin, der dieser Beschluss am
28. März 2013 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 19. April 2013 be-
antragt, auszusprechen, dass der Beklagte auch ihre Kosten zu tragen hat. Der
Beklagte hat diesen Antrag für nicht statthaft, jedenfalls aber für verfristet gehal-
ten.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Mai 2013, in dem die
Rechtsbeschwerde zugelassen worden ist, den Zurückweisungsbeschluss vom
20. März 2013 hinsichtlich der Kostenentscheidung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO
analog dahin gehend neu gefasst, dass dem Beklagten die Kosten des Beru-
fungsverfahrens "einschließlich der Kosten der Streithelferin" auferlegt werden.
Gegen diesen ihm am 23. Mai 2013 zugestellten Beschluss hat der Beklagte
mit Schriftsatz vom 17. Juni 2013, eingegangen an diesem Tag, Rechtsbe-
schwerde eingelegt.
II.
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch
im Übrigen zulässige (§§ 574 ff ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, eine Berichtigung
nach § 319 ZPO in analoger Anwendung sei möglich, da in der Kostenent-
scheidung des Senats dessen Wille, dem Beklagten sämtliche Kosten des Be-
rufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen,
infolge eines Versehens keinen Niederschlag gefunden habe. Da Beschlüsse,
durch die eine Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werde, verfah-
rensabschließend seien, habe der Berufungskläger nach § 97 ZPO die Kosten
des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten eines Streithelfers des Be-
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rufungsbeklagten zu tragen. Von dieser auch den Prozessbevollmächtigten der
Parteien bekannten Regel abzuweichen, habe im vorliegenden Fall ersichtlich
kein Anlass bestanden. Die Streithelferin sei zudem im Rubrum der Senatsbe-
schlüsse genannt worden. Damit bestehe aus Sicht aller Beteiligten an einer
versehentlichen Auslassung kein Zweifel, so dass es sich um eine offenbare
Unrichtigkeit handele, die gemäß § 319 ZPO zu korrigieren sei.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Mit einer Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO, der auf Beschlüsse
entsprechend anwendbar ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 329
Rn. 39 mwN), soll eine versehentliche Abweichung des vom Gericht Erklärten
von dem von ihm Gewollten korrigiert werden. Diese Abweichung muss zudem
"offenbar" sein, d.h. sie muss sich aus dem Zusammenhang des Urteils oder
Beschlusses selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder
seiner Verkündung nach außen deutlich ergeben und damit auch für Dritte ohne
weiteres erkennbar sein (BGH, Urteil vom 12. Januar 1984 - III ZR 95/82, NJW
1985, 742; Beschluss vom 9. Februar 1989 - V ZB 25/88, BGHZ 106, 370, 373).
Demgegenüber fällt die fehlerhafte Willensbildung des Gerichts nicht in
den Anwendungsbereich von § 319 ZPO. Deswegen kommt eine Berichtigung
nach § 319 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, wenn die genannten Umstände darauf
hindeuten, dass das entscheidende Gericht einen bestimmten Ausspruch
- auch versehentlich - nicht gewollt hat. In einem solchen Fall kann eine Korrek-
tur lediglich durch eine - allerdings fristgebundene - Ergänzung der Entschei-
dung nach § 321 ZPO erfolgen (BGH, Beschluss vom 16. April 2013 - II ZR
297/11, MDR 2013, 807 Rn. 2).
b) Danach hat das Berufungsgericht den Zurückweisungsbeschluss vom
20. März 2013 im Kostenausspruch zu Unrecht berichtigt. Denn eine offenbare
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Unrichtigkeit im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor, wenn eine Ent-
scheidung über die Kosten der Nebenintervention - wie hier vom Oberlandesge-
richt festgestellt - aus Versehen vollständig unterblieben ist (vgl. BGH, Be-
schluss vom 16. April 2013 - II ZR 297/11, MDR 2013, 807 Rn. 2 und 4).
Ein nach außen getretener Anhaltspunkt dafür, dass der Kostenaus-
spruch nicht dem damaligen Willen des Senats entsprochen hat, wird vom
Oberlandesgericht nicht genannt und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist
die Kostenentscheidung in den Gründen des Zurückweisungsbeschlusses aus-
schließlich auf § 97 Abs. 1 ZPO gestützt worden. Die die Kosten des Streithel-
fers regelnde Vorschrift § 101 Abs. 1 Fall 1 ZPO ist nicht genannt. Allein die
Erwähnung der Streithelferin im Rubrum des Zurückweisungsbeschlusses ge-
nügt nicht, um von einer offenbaren Unrichtigkeit der Kostenentscheidung aus-
gehen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2013 - II ZR 297/11, MDR
2013, 807 Rn. 3).
Zwar kann, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, die Unrich-
tigkeit einer verfahrensbeendenden Entscheidung auch dann offenbar sein,
wenn eine Kostenentscheidung insgesamt unterblieben ist (vgl. BGH, Be-
schlüsse vom 22. September 2009 - IV ZR 128/08, AnwBl. 2010, 68 und vom
8. Juli 1993 - IX ZR 192/91, juris Rn. 3). Dem steht es jedoch nicht gleich, wenn
- wie hier - die Kostenentscheidung nicht vollständig fehlt, sondern lediglich
sachlich unrichtig nicht auf die Kosten der Streithelferin erstreckt worden ist
(vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. April 2013 - II ZR 297/11, MDR 2013, 807
Rn. 3).
3. Eine Ergänzung des Beschlusses nach § 321 Abs. 1 ZPO kommt nicht
in Betracht, da die Streithelferin die Einbeziehung ihrer Kosten in die Kosten-
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entscheidung des Berufungsgerichts erst nach Ablauf einer Frist von zwei Wo-
chen seit Zustellung des Beschlusses an sie beantragt hat (§ 321 Abs. 2 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO.
Wiechers
Ellenberger
Maihold
Matthias
Derstadt
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 29.06.2012 - 30 O 145/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.05.2013 - 13 U 168/12 -
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