Urteil des BGH vom 30.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 177/06 Verkündet
am:
30. Juli 2008
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1578 Abs. 1, 1609 Nr. 2 und 3
a) Schuldet der Unterhaltspflichtige sowohl einem geschiedenen als auch einem
neuen Ehegatten Unterhalt, so ist der nach den ehelichen Lebensverhältnissen
(§ 1578 Abs. 1 BGB) zu bemessende Unterhaltsbedarf jedes Berechtigten im We-
ge der Dreiteilung des Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen und beider
Unterhaltsberechtigter zu ermitteln.
b) Ausnahmen von dieser Dreiteilung ergeben sich bei unterschiedlicher Rangfolge
der Ansprüche (§ 1609 Nr. 2, 3 BGB) nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit, wenn
ein Mangelfall vorliegt (§ 1581 BGB).
c) Ist der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten durch den hinzu gekom-
menen Unterhaltsbedarf eines neuen Ehegatten herabgesetzt, ist im Rahmen der
dann gebotenen Dreiteilung das Gesamteinkommen einschließlich des Splitting-
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vorteils aus der neuen Ehe zugrunde zu legen (Aufgabe der Senatsrechtspre-
chung BGHZ 163, 84, 90 f. = FamRZ 2005, 1817, 1819).
d) Das gilt ebenso für einen Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 BBesG
(Aufgabe der Senatsrechtsprechung BGHZ 171, 206, 223 f. = FamRZ 2007, 793,
797 f.).
e) Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach geschiedener Ehe ist nur dann mit
dem Anspruch eines neuen Ehegatten auf Betreuungsunterhalt gleichrangig, wenn
nach langer Ehedauer auch ehebedingte Nachteile i.S. des § 1578 b Abs. 1 Satz 2
und 3 BGB vorliegen (§ 1609 Nr. 2 BGB). Auch insoweit ist darauf abzustellen, in-
wieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind,
für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 177/06 - OLG Oldenburg
AG
Meppen
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juli 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Prof.
Dr.
Wagenitz, die Richterin Dr.
Vézina und die Richter Dose und
Dr. Klinkhammer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats
- 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
vom 26. September 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-
ben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsver-
fahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger und die 1948 geborene Beklagte hatten 1978
die Ehe geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Nachdem die
Parteien sich im Mai 2002 getrennt hatten, wurde die Ehe mit Urteil vom
12. April 2005 rechtskräftig geschieden.
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Zuvor hatten die Parteien im Verbundverfahren einen Vergleich ge-
schlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet hatte, an die Beklagte nacheheli-
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chen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 600 € zu zahlen. Dabei gingen
die Parteien von einem Einkommen des Klägers aus, das sich nach Abzug sei-
ner Krankenversicherungsbeiträge und berufsbedingter Ausgaben auf 2.583 €
monatlich belief. Ein Wohnvorteil in Höhe von 450 € monatlich wurde durch
Zinsbelastungen in gleicher Höhe neutralisiert. Hinsichtlich der Beklagten gin-
gen die Parteien von Einkünften aus, die sich abzüglich berufsbedingter Kosten
auf 1.075 € beliefen. Zuzüglich einer erzielbaren Miete für eine Eigentumswoh-
nung in Polen in Höhe von 100 € ergaben sich anrechenbare Einkünfte in Höhe
von 1.175 € monatlich. Daraus ergab sich eine Einkommensdifferenz in Höhe
von 1.408 € und der im Wege der Differenzmethode (3/7) errechnete Unter-
haltsbetrag in Höhe von ca. 600 €.
Der Kläger ist nach wie vor als Lehrer berufstätig und erzielt Bezüge
nach der Besoldungsgruppe A 12. Auch die Einkünfte der Beklagten, die seit
1992 durchgehend vollschichtig als Verkäuferin tätig ist, belaufen sich nach Ab-
zug berufsbedingter Aufwendungen nach wie vor auf 1.075 € monatlich.
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Der Kläger hat am 15. Oktober 2005 erneut geheiratet. Außerdem er-
bringt er seit dem Einzug in die Ehewohnung am 17. Oktober 2005 auch Unter-
haltsleistungen für die bereits am 1. Dezember 2003 in Polen geborene Tochter
S. Auf diese zusätzlichen Unterhaltspflichten stützt der Kläger nunmehr seinen
Antrag auf Wegfall der Unterhaltspflicht für die Zeit ab Oktober 2005 und auf
Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage gezahlten Un-
terhaltsbeträge.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Oberlandesgericht der Klage teilweise stattgegeben; es hat die
Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf zuletzt 200 € monatlich herabgesetzt
und die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 2.800 € überzahlten Un-
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terhalt zurückzuzahlen. Dagegen richtet sich die - vom Oberlandesgericht zuge-
lassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
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Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in
FamRZ 2006, 1842 veröffentlicht ist, ist die Abänderungsklage ohne die Zeit-
schranke des § 323 Abs. 3 ZPO auch rückwirkend zulässig. Die Klage sei teil-
weise begründet, weil nach Abschluss des Vergleichs weitere vor- oder gleich-
rangige Unterhaltsberechtigte hinzugekommen seien. Der Vergleich sei deswe-
gen nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage an die verän-
derten Umstände anzupassen.
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Die Frage nach einer Befristung oder Kürzung des Unterhaltsanspruchs
gemäß den §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. stelle sich nicht.
Denn die Parteien hätten sich in Kenntnis aller Umstände auf eine unbefristete
Unterhaltszahlung geeinigt, was unverändert Bestand habe.
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Allerdings seien nunmehr die hinzu gekommenen Unterhaltspflichten des
Beklagten gegenüber seinem Kind und seiner neuen Ehefrau zu berücksichti-
gen. Weil das Unterhaltsrecht keine dauernde Lebensstandardgarantie gewähr-
leiste, wirke sich ein sinkendes Einkommen des Unterhaltspflichtigen unmittel-
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bar auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus. Das
sei auf alle sonstigen Veränderungen übertragbar, die das Einkommen des Un-
terhaltsschuldners beeinflussten, wie das Hinzutreten weiterer vor- oder gleich-
rangiger Unterhaltsberechtigter. Weil solche weiteren Ansprüche das Einkom-
men in gleicher Weise beeinflussten wie andere unumgängliche Verbindlichkei-
ten, berührten sie nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern wirkten sich direkt
auf den Unterhaltsbedarf der Beklagten aus.
Dies treffe zweifelsfrei auf den nunmehr zu zahlenden Kindesunterhalt
zu, weil die Tochter S. ausweislich der Geburtsurkunde vom Kläger abstamme.
Unerheblich sei, dass das Kind bereits vor Abschluss des Vergleichs geboren
sei und damals schon ein materiell-rechtlicher Anspruch bestanden habe. Ent-
scheidend sei vielmehr die unstreitige Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt
des Vergleichsschlusses noch nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen wor-
den sei und auch keine Leistungen erbracht habe. Nach ständiger Rechtspre-
chung bleibe ein bestehender Anspruch so lange unberücksichtigt, wie er nicht
geltend gemacht werde. Es sei dem Kläger nicht anzulasten, wenn er einen nur
potentiellen Anspruch nicht in das ursprüngliche Verfahren eingeführt habe.
Dadurch sei er nicht gehindert, diesen Anspruch dem Unterhaltsanspruch der
Beklagten noch nachträglich entgegenzuhalten.
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Dies gelte im Ergebnis auch für den Unterhaltsanspruch der neuen Ehe-
frau des Klägers. Deren Unterhaltsbedarf trete gleichrangig neben den An-
spruch der Beklagten aus § 1573 Abs. 2 BGB. Im Hinblick auf das Alter des
Kindes von weniger als drei Jahren bestehe kein Zweifel, dass der Mutter ein
Anspruch aus § 1570 BGB zustünde. Der sich aus § 1582 Abs. 1 Satz 1 BGB
a.F. ergebende Gleichrang der Ansprüche werde nicht dadurch beseitigt, dass
die bis zur Zustellung des Scheidungsantrags mehr als 24 Jahre andauernde
Ehe als lang im Sinne des § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. zu beurteilen sei. Ein
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solches Normenverständnis würde dem auf Art. 6 GG beruhenden Schutz von
Ehe und Familie nicht gerecht und hätte die Verfassungswidrigkeit der Norm zur
Folge. Es sei nicht gerechtfertigt, jedem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt
allein aufgrund des Zeitablaufs und unabhängig von dessen Stellenwert den
Vorrang vor jedem nachfolgenden Anspruch zuzubilligen. Mit dem durch Art. 6
GG gewährleisteten Schutz der neuen Familie sei es unvereinbar, wenn § 1582
Abs. 1 BGB a.F. in dem Sinne anzuwenden wäre, dass bei einer nur nach dem
Zeitablauf langen Ehe jeder Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten
einen auf Kinderbetreuung gestützten Anspruch verdränge. Dies entspreche
nicht dem Stellenwert, der dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570
BGB sachlich zukomme. Dieser Unterhaltsanspruch eines Kinder betreuenden
Elternteils werde in erster Linie von dem Bedarf des Kindes auf Pflege und Er-
ziehung getragen und sei aus diesem Grunde in jeder Hinsicht privilegiert. Nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung gehöre dieser Anspruch in den Kernbereich
des unverzichtbaren Scheidungsfolgenrechts. Demgegenüber komme einem
Anspruch auf Aufstockungsunterhalt der geringste Stellenwert zu. Er solle dem
Ehegatten den sogenannten vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensver-
hältnissen sichern. Eine daraus folgende Lebensstandardgarantie stehe aller-
dings im Gegensatz zu dem sonst das Unterhaltsrecht beherrschenden Prinzip
der Eigenverantwortung. Um diesem Grundsatz ein stärkeres Gewicht zu ver-
leihen, habe der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Befristung dieses An-
spruchs eingeführt, was auch nach mehr als 20-jähriger Ehe möglich sei. Auch
dies zeige, dass es sich bei dem Anspruch aus § 1573 Abs. 2 BGB um ein ge-
genüber allen anderen Anspruchsgrundlagen deutlich schwächer ausgestalte-
tes Recht handele. Die Ehedauer allein könne kein schützenswertes Vertrauen
auf den unveränderten Bestand dieses Anspruchs begründen und sei deswe-
gen kein geeignetes Kriterium, um den Stellenwert des Betreuungsunterhalts in
Zweifel zu ziehen. Der Stellenwert der verschiedenen Unterhaltsansprüche
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spreche auch dagegen, dass der Ehegatte aus einer nachfolgenden Ehe eher
als der frühere Ehegatte auf die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen verwiesen
werden könne. Im Falle des Aufstockungsunterhalts laufe dies sonst darauf
hinaus, dem geschiedenen Ehegatten dauerhaft ein zusätzliches Einkommen
zur Verfügung zu stellen, das ihm eine bessere Lebensstellung sichere, als er
aus eigener Kraft je hätte erreichen können, während der Betreuungsunterhalt
deutlich stärkeres Gewicht habe.
Dem stehe auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nicht entgegen, weil sie sich mit zwei konkurrierenden Ansprüchen auf Betreu-
ungsunterhalt befasst habe. Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsge-
richt sei nicht geboten, weil das Gesetz eine Möglichkeit zur verfassungskon-
formen Auslegung des § 1582 BGB a.F. eröffne. Eine verfassungsgemäße Aus-
legung sei in der Weise möglich, dass die lange Ehedauer im Sinne des § 1582
Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. nicht im Sinne einer absoluten Zeitgrenze verstanden
werde, sondern auch die durch die Ehe entstandenen wirtschaftlichen Abhän-
gigkeiten und Verflechtungen einzubeziehen seien. Zwar habe der Bundesge-
richtshof in ständiger Rechtsprechung bereits mit Ablauf von 15 Jahren eine
den Vorrang sichernde lange Ehedauer angenommen. Seitdem habe sich das
Verständnis vom Stellenwert verschiedener Unterhaltsansprüche und des der
bestehenden Ehe zukommenden Schutzes aber erheblich gewandelt. Die ge-
schiedene und die bestehende Ehe seien grundsätzlich gleichwertig. Der den
Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB rechtfertigende Betreu-
ungsbedarf minderjähriger Kinder sei nicht geringer zu bewerten, als das Ver-
trauen eines geschiedenen Ehegatten in die Sicherung seines Lebensbedarfs.
Danach sei im vorliegenden Fall nicht von einer langen Ehedauer im Sinne des
§ 1582 BGB a.F. auszugehen. Weil die Ehe der Parteien kinderlos geblieben
und die Beklagte seit 1992 durchgehend vollschichtig erwerbstätig gewesen sei,
sei es der bei Zustellung des Scheidungsantrags knapp 55 Jahre alten Beklag-
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ten zumutbar, sich in ihrer Lebensstellung an den ohne Eheschließung erreich-
ten Lebensstandard anzupassen. Im Verhältnis dazu habe der Anspruch der
neuen Ehefrau auf Betreuungsunterhalt ein so erhebliches Gewicht, dass bei-
den Ansprüchen derselbe Rang zukomme.
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Die Höhe des Unterhaltsanspruchs der neuen Ehefrau des Klägers be-
messe sich nach denselben Grundsätzen wie für einen geschiedenen Ehegat-
ten. Es sei nur konsequent, wenn der Bundesgerichtshof den Anspruch eines
im gleichen Rang hinzutretenden Unterhaltsberechtigten als bedarfsprägend
ansehe. Das Verhältnis mehrerer Ansprüche untereinander folge ausschließlich
aus dem ihnen zugewiesenen Rang. Da die Unterhaltsansprüche der Beklagten
und der neuen Ehefrau bedarfsprägend seien, beeinflussten sie sich wechsel-
seitig in ihrer Höhe. Allerdings lasse sich die Höhe des Bedarfs nicht im Wege
der Dreiteilung ermitteln. Denn dadurch würden die beiderseitigen Unterhaltsin-
teressen dann nicht ausreichend gewährleistet, wenn das Einkommen eines
Berechtigten mehr als die Hälfte des unterhaltsrelevanten Einkommens betra-
ge. Es sei deswegen geboten, die Ansprüche beider Unterhaltsberechtigter zu-
nächst gesondert festzustellen. Auch dabei sei trotz des Gleichrangs beider
Ansprüche der Splittingvorteil nur für Unterhaltsansprüche in der neuen Ehe zu
berücksichtigen. Zur Wahrung eines angemessenen Verhältnisses sei auch im
Rahmen des Familienunterhalts von einer fiktiven Trennung auszugehen und
ein monetärer Unterhaltsanspruch nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus zu
errechnen.
Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten für das Jahr
2005 sei von dem Einkommen des Klägers einschließlich seines Verheirateten-
zuschlags auszugehen. Daraus errechne sich ein unterhaltsrelevantes Netto-
einkommen, das sich nach Abzug des Kindesunterhalts und des Erwerbstäti-
genbonus auf 1.975 € monatlich belaufe. Ein Vorteil mietfreien Wohnens sei
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dem nicht hinzuzurechnen, weil der Nutzungsvorteil mit jedenfalls gleich hohen
Belastungen verbunden sei. Auf Seiten der Beklagten sei nach wie vor von ei-
nem Erwerbseinkommen (nach Abzug berufsbedingter Kosten) in Höhe von
1.075 € und einem zusätzlichen fiktiven Mietertrag in Höhe von 100 € auszuge-
hen. Daraus errechne sich ein Unterhaltsbedarf der Beklagten von 480 € mo-
natlich. Der Bedarf der neuen Ehefrau des Klägers belaufe sich unter Berück-
sichtigung der zusätzlichen Krankenversicherungskosten auf rund 900 € monat-
lich. Bei einem Gesamtbedarf von (480 € + 900 € =) 1.380 € entfalle auf den
Bedarf der Beklagten ein Anteil von (480 € x 100 : 1380 € =) 34 %, so dass sie
(480 € x 34 % =) rund 165 € als Unterhalt beanspruchen könne. Dieses Ergeb-
nis führe in einer Gesamtschau zu einer angemessenen Verteilung des verfüg-
baren Einkommens, zumal der Beklagten - zusammen mit ihrem eigenen Ein-
kommen - 1.340 € zur Verfügung stünden, während der neuen Familie 1.930 €
verblieben.
Ab dem Jahr 2006 sei das Einkommen des Klägers wegen des Kinder-
zuschlags und der Sonderzahlung angestiegen und belaufe sich abzüglich be-
rufsbedingter Kosten auf monatlich rund 2.480 € netto. Bei unverändertem Ein-
kommen der Beklagten errechne sich daraus ein Bedarf in Höhe von 550 € und
im Verhältnis zum Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau von monatlich 960 €
ein Prozentsatz von 36 %, der einen angemessenen Unterhaltsanspruch von
200 € monatlich ergebe.
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Soweit der Kläger in der Vergangenheit einen höheren Unterhalt gezahlt
habe, als er der Beklagten schulde, stehe ihm gemäß § 812 BGB ein Anspruch
auf Rückzahlung zu. Infolge der monatlichen Zahlungen von 600 € und der Un-
terhaltsschuld von lediglich 200 € ergebe sich für die Zeit von März bis Septem-
ber 2006 ein Rückzahlungsanspruch von (7 x 400 € =) 2.800 €.
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Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten in wesentlichen Punk-
ten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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II.
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Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet und führt zur Auf-
hebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits
an das Berufungsgericht.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abänderungsklage allerdings
für zulässig erachtet.
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a) Der Kläger hat mit dem Hinzutreten der Unterhaltspflicht für seine
neue Ehefrau und für sein Kind wesentliche Änderungen der dem Prozessver-
gleich zugrunde liegenden Geschäftsgrundlage vorgetragen (§ 323 Abs. 1 und
4 ZPO). Seine neue Ehefrau hat der Kläger am 15. Oktober 2005, also nach
Abschluss des abzuändernden Vergleichs, geheiratet. Auch die Unterhaltsleis-
tungen für sein Kind hat er erst nach diesem Zeitpunkt aufgenommen. Zwar war
die Tochter bereits am 1. Dezember 2003 geboren. Sie hielt sich zunächst aber
noch mit ihrer Mutter in Polen auf und hatte nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts noch keine Unterhaltsansprüche geltend gemacht. Weil die Klage
damit auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des Pro-
zessvergleichs und somit auf eine geänderte Geschäftsgrundlage im Sinne des
§ 313 BGB gestützt ist, hat das Berufungsgericht sie zu Recht als zulässig er-
achtet.
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b) In zulässiger Weise hat das Berufungsgericht den Prozessvergleich
auch rückwirkend für die Zeit ab Änderung der maßgeblichen Umstände abge-
ändert.
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Bei dem Prozessvergleich vom 22. März 2005 handelt es sich um eine
Urkunde im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in der Leistungen der in § 323
Abs. 1 ZPO bezeichneten Art übernommen worden sind. Der Schuldner, der
eine Herabsetzung seiner in einem Prozessvergleich vereinbarten Unterhalts-
pflicht begehrt, ist an die Beschränkungen des § 323 Abs. 3 ZPO nicht gebun-
den (vgl. Senatsurteil vom 11. April 1990 - XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989
m.w.N.). Denn der Abänderung steht insoweit - im Unterschied zur Abänderung
eines Urteils - keine Rechtskraft entgegen, die den Bestand der Entscheidung
bis zur Erhebung einer Abänderungsklage oder jedenfalls bis zum Verzugsein-
tritt gewährleistet.
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Eine rückwirkende Abänderung des Prozessvergleichs ist - entgegen der
Rechtsauffassung der Beklagten - auch nicht aus Gründen eines Vertrauens-
schutzes ausgeschlossen. Denn einem schutzwürdigen Vertrauen des Titel-
gläubigers wird durch die Regelung des § 818 Abs. 3 BGB hinreichend Rech-
nung getragen (vgl. Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterli-
chen Praxis 7. Aufl. § 10 Rdn. 165d). Danach kann er gegenüber einem An-
spruch auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts die Einrede des Wegfalls der
Bereicherung erheben. Weil diese Einrede nach § 818 Abs. 4 BGB erst für die
Zeit ab Rechtshängigkeit der Rückforderungsklage entfällt, kann der Unter-
haltsschuldner regelmäßig nur den in der Folgezeit überzahlten Unterhalt er-
stattet verlangen. Einer darüber hinausgehenden Einschränkung in dem Sinne,
dass auch die Abänderung des Prozessvergleichs erst ab Rechtshängigkeit der
Klage oder ab Verzug geltend gemacht werden kann, bedarf es nicht. Denn
selbst wenn nach Erfolg einer Abänderungsklage schon für die Zeit vor Rechts-
hängigkeit der Rückforderungsklage Unterhalt ohne Rechtsgrund gezahlt wor-
den wäre, bliebe es dabei, dass der überzahlte Unterhalt regelmäßig erst für die
Zeit ab Rechtshängigkeit zurückverlangt werden kann (Senatsurteil vom
11. April 1990 - XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989, 990).
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2. Unzulässig ist allerdings der Gegenantrag des Klägers im Revisions-
verfahren, das Berufungsurteil in analoger Anwendung des § 36 Nr. 5 und 6
EGZPO aufzuheben und die Sache unter Wiedereröffnung der mündlichen Ver-
handlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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25
Der Kläger hatte gegen das ihm am 11. Oktober 2006 zugestellte Beru-
fungsurteil innerhalb der Revisionsfrist kein Rechtsmittel eingelegt. Auch nach
Zustellung der Revisionsbegründung der Beklagten am 7. März 2007 hat er sich
nicht innerhalb der Monatsfrist des § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Rechtsmittel
angeschlossen. Damit ist der Kläger im Revisionsverfahren darauf verwiesen,
die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels zu beantragen.
Dem steht auch die Übergangsregelung zu dem am 1. Januar 2008 in
Kraft getretenen Unterhaltsrechtsänderungsgesetz in § 36 EGZPO nicht entge-
gen. Nach § 36 Nr. 1 EGZPO können Umstände, die in einem Titel vor dem
1. Januar 2008 nicht berücksichtigt worden sind, später nur berücksichtigt wer-
den, wenn sie durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich
geworden sind, zu einer wesentlichen Änderung der Unterhaltspflicht führen
und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens
in die getroffene Regelung zumutbar ist. Entsprechend können solche Umstän-
de nach § 36 Nr. 5 EGZPO noch in der Revisionsinstanz vorgetragen werden
und bei Erheblichkeit zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Be-
rufungsgericht führen. Eine vor dem 1. Januar 2008 geschlossene mündliche
Verhandlung ist unter den gleichen Voraussetzungen nach § 36 Nr. 6 EGZPO
wieder zu eröffnen.
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Die Übergangsregelung zum Unterhaltsrechtsänderungsgesetz stellt da-
bei allerdings stets auf Tatsachen ab, die erst durch das neue Unterhaltsrecht
erheblich geworden sind. Nur in solchen Fällen ist eine vor dem 1. Januar 2008
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geschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen oder das Verfahren
auf entsprechenden Vortrag in der Revisionsinstanz an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Soweit der Kläger die Feststellung des unterhaltsrelevan-
ten Einkommens der Beklagten und insbesondere die Nichtberücksichtigung
eines Personalrabatts rügt, sind dies keine Tatsachen, die nach neuem Unter-
haltsrecht anders zu bewerten sind, als nach dem bis Ende 2007 geltenden Un-
terhaltsrecht. Schon deswegen scheidet eine Berücksichtigung dieser im Beru-
fungsverfahren nicht rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen aus.
Im Übrigen enthält § 36 EGZPO lediglich eine Überleitungsvorschrift zum
neuen materiellen Unterhaltsrecht. Sowohl § 36 Nr. 1 als auch § 36 Nr. 5 und 6
EGZPO schränken die Präklusionswirkung wegen verspäteten Sachvortrags
ein, sofern dieser Sachverhalt erst durch das neue Unterhaltsrecht relevant ge-
worden ist. Auf den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, der sich aus den
rechtzeitig gestellten Anträgen ergibt, hat dies keine Auswirkung. Insoweit ent-
hält die gesetzliche Vorschrift entgegen der Auffassung des Klägers auch keine
Regelungslücke, zumal er neuen Sachvortrag, der nach allgemeinen Regelun-
gen oder der Übergangsregelung nicht präkludiert ist, in einem Abänderungs-
verfahren nach § 323 ZPO geltend machen kann.
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3. Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Denn das Berufungs-
gericht hat schon ihren Unterhaltsbedarf nicht zutreffend ermittelt.
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Im Ansatz zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-
gen, dass der Unterhaltsbedarf der Beklagten durch später hinzugekommene
weitere Unterhaltspflichten beeinflusst werden kann. Nach der neueren Recht-
sprechung des Senats sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens
grundsätzlich bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen
Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu berücksichtigen, und zwar
30
- 15 -
unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Minderungen oder
Verbesserungen handelt oder ob die Veränderung auf Seiten des Unterhalts-
pflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist. Die Berücksichti-
gung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet
ihre Grenze erst in der nachehelichen Solidarität. Nur bei unterhaltsrechtlich
vorwerfbarem Verhalten ist deswegen von einem fiktiven Einkommen auszuge-
hen. Im Hinblick auf diese Betrachtungsweise sind auch sonstige Veränderun-
gen der maßgeblichen Verhältnisse zu berücksichtigen, wenn sie Einfluss auf
das dem Unterhaltspflichtigen verfügbare Einkommen haben (Senatsurteil vom
6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008, 968, 972).
Treten weitere Unterhaltsberechtigte hinzu, wirkt sich auch das auf den
Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten aus, ohne dass es insoweit auf
den Rang der Unterhaltsansprüche ankommt (Fortführung des Senatsurteils
vom 6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008, 968, 972 f.; vgl. auch
Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl.
§ 4 Rdn. 306). Die Berücksichtigung einer dadurch bedingten Einkommensmin-
derung findet ihre Grenze ebenfalls erst in einem vorwerfbaren Verhalten, das
- ähnlich wie bei der fiktiven Anrechnung vorwerfbar nicht erzielten Einkom-
mens - unterhaltsbezogen sein muss. Das ist nicht der Fall, wenn ein geschie-
dener Unterhaltsschuldner eine neue Familie gründet. Auch in solchen Fällen
wäre es verfehlt, die Unterhaltspflicht für ein neu hinzugekommenes Kind bei
der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines früheren Ehegatten unberücksich-
tigt zu lassen. Das gilt in gleicher Weise für einen neuen Ehegatten (vgl. auch
Senatsurteil BGHZ 166, 351, 362 = FamRZ 2006, 683, 686). Denn das würde
dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten das
dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung seiner weiteren Unterhalts-
pflicht für den eigenen Unterhalt verbleibende Einkommen übersteigen würde,
was nur im Rahmen des Selbstbehalts korrigiert werden könnte. Eine weitere
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Unterhaltspflicht, die den Unterhaltsbedarf eines vorrangig Unterhaltsberechtig-
ten nicht beeinflussen würde, würde zwangsläufig gegen den Halbteilungs-
grundsatz verstoßen (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 351, 362 f. = FamRZ 2006,
683, 686).
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a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts leistet der Kläger seit
dem Einzug in eine gemeinsame Wohnung am 17. Oktober 2005 auch seinem
Kind Unterhalt. Die seit diesem Zeitpunkt im gemeinsamen Zusammenleben
tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen wirken sich deswegen auch auf den
Unterhaltsbedarf der Beklagten nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus
und zwar unabhängig davon, dass die Unterhaltspflicht erst nach Rechtskraft
der Ehescheidung begonnen hat (Senatsurteil vom 6. Februar 2008 - XII ZR
14/06 - FamRZ 2008, 968, 972). Vor der Bemessung des Unterhaltsanspruchs
der Beklagten ist deswegen der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebende
Unterhaltsanspruch des Kindes vom Einkommen des Klägers abzusetzen.
b) Im Ansatz ist das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend davon ausge-
gangen, dass der Kläger seit dem 15. Oktober 2005 seiner neuen Ehefrau Fa-
milienunterhalt schuldet. Auch dieser neu hinzugekommene Anspruch auf Fa-
milienunterhalt beeinflusst nach den vorstehenden Ausführungen den Unter-
haltsbedarf der Beklagten nach den fortgeschriebenen ehelichen Lebensver-
hältnissen. Denn auch dadurch wird das dem Kläger verbleibende Einkommen
ohne unterhaltsbezogenes Verschulden gemindert. Ließe man dies unberück-
sichtigt, erhielte die Beklagte höheren Unterhalt, als dem Kläger selbst von sei-
nem Einkommen verbliebe, was mit dem Halbteilungsgrundsatz nicht vereinbar
wäre (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 351, 360 ff. = FamRZ 2006, 683, 685 f.).
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Der Anspruch auf Familienunterhalt lässt sich zwar nicht ohne weiteres
nach den zum Trennungsunterhalt oder nachehelichen Unterhalt entwickelten
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Grundsätzen bemessen. Denn er ist nicht auf die Gewährung einer - frei ver-
fügbaren - laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten, sondern
vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, dass jeder
von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem
individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet. Seinem Umfang nach
umfasst der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360 a BGB alles, was für
die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehe-
gatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber
ebenfalls nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so dass § 1578 BGB als
Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Es begegnet deshalb keinen
Bedenken, den Anspruch auf Familienunterhalt im Falle der Konkurrenz mit an-
deren Unterhaltsansprüchen auf die einzelnen Familienmitglieder aufzuteilen
und in Geldbeträgen zu veranschlagen. Daher kann der anzusetzende Betrag
insoweit in gleicher Weise wie der Unterhaltsbedarf eines getrennt lebenden
oder geschiedenen Ehegatten ermittelt werden (Senatsurteile vom 25. April
2007 - XII ZR 189/04 - FamRZ 2007, 1081, 1083 und vom 19. Februar 2003
- XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 864).
aa) Weil deswegen grundsätzlich sowohl eine schon bestehende als
auch eine neu hinzu gekommene Unterhaltspflicht bei der Bemessung des Un-
terhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§§ 1361 Abs. 1, 1578
Abs. 1 BGB) zu berücksichtigen ist, beeinflussen sich die verschiedenen Unter-
haltsansprüche wechselseitig.
35
Zwar ist im Rahmen der Unterhaltsansprüche eines geschiedenen und
eines neuen Ehegatten im Ansatz ein unterschiedlicher Bedarf nach den jewei-
ligen ehelichen Lebensverhältnissen denkbar. Nach der neueren Rechtspre-
chung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen gleicht
sich der höhere Bedarf eines früheren Ehegatten aber zwangsläufig dem unter
36
- 18 -
Berücksichtigung mehrerer Unterhaltspflichten geringeren Bedarf eines neuen
Ehegatten an. Denn der ursprünglich höhere Bedarf eines geschiedenen Ehe-
gatten verringert sich schon deswegen, weil mit einem neuen Ehegatten ein
weiterer Unterhaltsberechtigter hinzukommt, der das verfügbare Einkommen
und damit auch den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten nach den
ehelichen Lebensverhältnissen vermindert (Senatsurteile BGHZ 166, 351, 361
f. = FamRZ 2006, 683, 685 f. und vom 6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ
2008, 968, 972 f.). Auf diese Weise gleicht sich der Unterhaltsbedarf eines ge-
schiedenen Ehegatten zwangsläufig an denjenigen eines neuen Ehegatten an.
bb) Außerdem ist bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs einer ge-
schiedenen und einer neuen Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen
stets der Halbteilungsgrundsatz zu beachten. Dieser Grundsatz gebietet es bei
der Bedarfsermittlung nur eines unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem Unter-
haltspflichtigen einen die Hälfte seines verteilungsfähigen Einkommens sogar
maßvoll übersteigenden Betrag anrechnungsfrei zu belassen (Senatsurteil
BGHZ 166, 351, 362 f. = FamRZ 2006, 683, 686).
37
Ist der Unterhaltspflichtige - wie hier - neben einem geschiedenen Ehe-
gatten auch einem neuen Ehegatten unterhaltspflichtig, kann dem Grundsatz
der Halbteilung aber nicht entnommen werden, dass ihm stets die Hälfte seines
eigenen Einkommens verbleiben muss, während sich die beiden Unterhaltsbe-
rechtigten die weitere Hälfte teilen müssten. Halbteilung im Sinne einer gegen-
seitigen Solidarität der jeweiligen Ehegatten bedeutet nicht, dass dem Unter-
haltsschuldner stets und unabhängig von der Anzahl der Unterhaltsberechtigten
die Hälfte seines eigenen unterhaltsrelevanten Einkommens verbleiben muss.
Dies ist lediglich dann die Folge des Halbteilungsgrundsatzes, wenn das unter-
haltsrelevante Einkommen nach Abzug des Kindesunterhalts auf den Unter-
haltspflichtigen und einen geschiedenen Ehegatten aufzuteilen ist. Grund für die
38
- 19 -
Halbteilung ist vielmehr der Gedanke, dass der Unterhaltsbedarf eines Unter-
haltsberechtigten den Betrag nicht überschreiten darf, der dem Unterhaltspflich-
tigen verbleibt.
39
Ist nach Abzug des Kindesunterhalts neben einem früheren Ehegatten
auch ein neuer Ehegatte unterhaltsberechtigt, führt der so verstandene "Halbtei-
lungsgrundsatz" deswegen dazu, dass dem Unterhaltspflichtigen ein Drittel sei-
nes unterhaltsrelevanten Einkommens verbleiben muss, während sich der Un-
terhaltsbedarf eines jeden unterhaltsberechtigten Ehegatten ebenfalls mit 1/3
bemisst (vgl. Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 390 ff.; Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der fami-
lienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 305 ff.; Gutdeutsch FamRZ 2006, 1072
ff.; Gerhardt/Gutdeutsch FamRZ 2007, 778, 779; Gutdeutsch FamRZ 2008,
661, 663; Borth Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 298, 301; s. auch OLG
Düsseldorf FamRZ 2008, 1254, 1255 und Nr. 15.5 der am 19. Mai 2008 neu
gefassten Leitlinien des Oberlandesgerichts Frankfurt FamRZ 2008, 1504).
cc) Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist die Drei-
teilung des verfügbaren Einkommens auch dann geboten, wenn - wie hier - ei-
ner oder beide unterhaltsberechtigte Ehegatten eigene Einkünfte erzielen und
damit ihren Unterhaltsbedarf teilweise selbst decken. Auch dann kann das ei-
gene Einkommen eines Unterhaltsberechtigten nicht ohne Verstoß gegen den
Halbteilungsgrundsatz unberücksichtigt bleiben. Sonst erhielte der Unterhalts-
berechtigte mehr, als dem Unterhaltspflichtigen nach seinen Unterhaltsleistun-
gen an den geschiedenen und den neuen Ehegatten verbliebe.
40
Der den beiden unterhaltsberechtigten (früheren) Ehegatten zustehende
Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall - ebenso wie der dem Unterhalts-
pflichtigen zu belassende Anteil seines eigenen Einkommens - aus einem Drit-
41
- 20 -
tel aller verfügbaren Mittel (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1254, 1255
f.). Diese Berechnung schließt einen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz
aus, weil dem Unterhaltspflichtigen stets ein Betrag verbleibt, der dem Bedarf
jedes Unterhaltsberechtigten entspricht. Die Dreiteilung aller vorhandenen Ein-
künfte führt andererseits auch nicht etwa dazu, den Unterhaltsbedarf eines ein-
kommenslosen Ehegatten zu Lasten der Einkünfte eines früheren Ehegatten
auf unzulässige Weise zu erhöhen. Zwar lässt das eigene Einkommen eines
unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten mittelbar auch den Unterhalts-
bedarf des neuen Ehegatten anwachsen, wie sich aus der folgenden Ver-
gleichsberechnung ergibt:
Bedarfsbemessung ohne Einkommen der Unterhaltsberechtigten:
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Pflichtigen:
3.000 €
Bedarf des früheren und des neuen Ehegatten (je 1/3):
1.000 €
Bedarfsbemessung mit Einkommen eines Unterhaltsberechtigten:
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Pflichtigen:
3.000 €
Eigenes Einkommen eines Unterhaltsberechtigten: 600
Unterhaltsrelevantes Gesamteinkommen:
3.600 €
Bedarf des früheren und des neuen Ehegatten (je 1/3):
1.200 €
Diese Erhöhung des Unterhaltsbedarfs auch des nicht erwerbstätigen
Ehegatten ergibt sich in solchen Fällen allerdings nur vordergründig aus dem
eigenen Einkommen des anderen Unterhaltsberechtigten. Denn isoliert würde
sich der Unterhaltsbedarf jedes unterhaltsberechtigten Ehegatten aus der
Summe seines eigenen Einkommens und des unterhaltsrelevanten Einkom-
mens des Unterhaltspflichtigen ergeben. In dem oben angegebenen Fall betrü-
ge er also für den erwerbslosen Ehegatten (3.000 € : 2 =) 1.500 € und für den
teilweise erwerbstätigen Ehegatten (3.600 € : 2 =) 1.800 €. Nur weil der Unter-
haltspflichtige einem weiteren (geschiedenen) Ehegatten unterhaltspflichtig ist,
42
- 21 -
geht die Höhe dieses Unterhaltsbedarfs bis auf ein Drittel des verfügbaren Ge-
samteinkommens zurück. Ist der Bedarf eines unterhaltsberechtigten Ehegatten
aber wegen seiner eigenen Einkünfte teilweise gedeckt, kann sein ungedeckter
Unterhaltsbedarf den Unterhaltsbedarf des nicht erwerbstätigen Ehegatten auch
nur in diesem geringeren Umfang mindern. Das beim Unterhaltspflichtigen noch
verfügbare Einkommen kann dann bis zur Grenze der Halbteilung für eine Er-
höhung des Unterhaltsanspruchs des weiteren Ehegatten verwendet werden.
Das eigene Einkommen eines (früheren) Ehegatten erhöht deswegen nicht et-
wa den Unterhaltsbedarf eines neuen Ehegatten, sondern es führt dazu, dass
der Unterhaltsbedarf nach dem Halbteilungsgrundsatz nur in geringerem Um-
fang bis zur Dreiteilung des gesamten verfügbaren Einkommens herabgesetzt
wird (so auch OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1254, 1255).
dd) Die Gründe, mit denen das Oberlandesgericht eine Dreiteilung des
verfügbaren Gesamteinkommens abgelehnt hat, vermögen auch sonst nicht zu
überzeugen. Das Verhältnis des Unterhaltspflichtigen zu zwei unterhaltsberech-
tigten (früheren) Ehefrauen ließe es zwar im Ansatz auch zu, das Einkommen
einer der Ehefrauen nur isoliert im Verhältnis zu dieser Unterhaltsberechtigten
zu berücksichtigen. Würde man die Unterhaltsansprüche der geschiedenen und
der zweiten Ehefrau in solchen Fällen getrennt berechnen, ergäbe sich im Ver-
hältnis des Unterhaltspflichtigen zu der Ehefrau mit dem eigenen Einkommen
- wie schon ausgeführt - zwar ein höherer Unterhaltsbedarf, der aber teilweise
durch das eigene Einkommen gedeckt wäre. Dem Ehemann verbliebe dann von
seinem Einkommen mehr als 1/3, weil er der Ehefrau mit eigenem Einkommen
lediglich die Differenz bis zu ihrem Unterhaltsbedarf erstatten müsste. Das zeigt
folgendes Berechnungsbeispiel mit einem - um den Erwerbstätigkeitsbonus be-
reinigten - Einkommen des Unterhaltspflichtigen in Höhe von 3.900 € und einem
ebensolchen Einkommen einer Unterhaltsberechtigten in Höhe von 600 €. Wür-
de die Unterhaltspflicht gegenüber dem anderen unterhaltsberechtigten Ehegat-
43
- 22 -
ten lediglich als pauschale Unterhaltslast mit 1/3 des Einkommens des Unter-
haltspflichtigen berücksichtigt, wäre der Unterhaltsbedarf jedes Ehegatten wie
folgt zu errechnen:
Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau:
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Unterhaltspflichtigen: 3.900 €
Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen unter
Berücksichtigung 1/3 als weitere Unterhaltspflicht
([3.900 € x 2/3 =] 2.600 € + 600 € eigenes Einkommen):
3.200 €
Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau (3.200 € x 1/2): 1.600 €
abzüglich des eigenen Einkommens - 600 €
verbleibender Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau: 1.000 €
Unterhaltsbedarf der zweiten Ehefrau:
Unterhaltsrelevantes Einkommen des Unterhaltspflichtigen: 3.900 €
Unterhaltsbedarf der zweiten Ehefrau neben einer
geschiedenen Ehefrau (3.900 € x 1/3)
1.300 €
Diese isolierte Betrachtung würde also dazu führen, dass dem Unter-
haltspflichtigen von seinen unterhaltsrelevanten 3.900 € (- 1.000 € - 1.300 €)
1.600 € verblieben, während auch die teilerwerbstätige geschiedene Ehefrau
einen Bedarf von (600 € + 1.000 € =) 1.600 € hätte. Der Bedarf der nicht er-
werbstätigen zweiten Ehefrau wäre hingegen bei getrennter Berechnung und
nur pauschaler Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehe-
frau auf 1.300 € begrenzt. Diese Lösung ließe unberücksichtigt, dass der Un-
terhaltspflichtige dem geschiedenen erwerbstätigen Ehegatten nicht in Höhe
des vollen Bedarfs, sondern nur in Höhe des ungedeckten Unterhaltsbedarfs
von monatlich 1.000 € unterhaltspflichtig wäre. Die isolierte Berechnung des
Unterhaltsbedarfs einer geschiedenen und einer neuen Ehefrau würde also zu
einer ungerechtfertigten Entlastung des Unterhaltspflichtigen führen. Denn die-
se Lösung liefe darauf hinaus, die Unterhaltspflicht gegenüber einem geschie-
44
- 23 -
denen Ehegatten unabhängig davon zu berücksichtigen, in welcher Höhe über-
haupt Unterhalt an ihn gezahlt wird. Wie beim Vorwegabzug des Kindesunter-
halts (vgl. insoweit Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ
2008, 963, 967) entspricht die Bedarfsbemessung aber nur dann dem Halbtei-
lungsgrundsatz, wenn nicht die abstrakte Unterhaltspflicht, sondern der Betrag
berücksichtigt wird, der tatsächlich als Unterhalt geschuldet ist.
ee) Ausnahmen von dieser Dreiteilung sind bei unterschiedlicher Rang-
folge der Ansprüche (§ 1609 Nr. 2, 3 BGB) nicht schon im Rahmen der Be-
darfsbemessung, sondern erst im Rahmen der Leistungsfähigkeit geboten und
wirken sich nur dann aus, wenn ein Mangelfall vorliegt (§ 1581 BGB; vgl. auch
Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
7. Aufl. § 4 Rdn. 400). Denn auch wenn das unterhaltsrelevante Einkommen
des Unterhaltspflichtigen nach Abzug des Kindesunterhalts - wie hier - weniger
als 3.000 € beträgt, muss ihm als Ehegattenselbstbehalt stets mindestens ein
Betrag verbleiben, der zwischen dem notwendigen und dem angemessenen
Selbstbehalt liegt und den die Oberlandesgerichte zurzeit mit 1.000 € bemes-
sen (Senatsurteil BGHZ 166, 351, 356 ff. = FamRZ 2006, 683, 684; zur Erspar-
nis infolge gemeinsamer Haushaltsführung vgl. auch Senatsurteil vom 9. Januar
2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594, 597 f.). Während der Unterhaltsbe-
darf eines vorrangig unterhaltsberechtigten Ehegatten (§ 1609 Nr. 2 BGB) in
Höhe eines Drittels des unterhaltsrelevanten Einkommens dann vorab zu be-
friedigen ist, ist der Unterhaltsanspruch des nachrangigen Ehegatten bis zu
dem Betrag zu kürzen, der dem Unterhaltspflichtigen seinen Selbstbehalt be-
lässt (Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
7. Aufl. § 5 Rdn. 122 ff., 131; Gutdeutsch FamRZ 2008, 661, 662). Erzielt ein
unterhaltspflichtiger Ehegatte beispielsweise unterhaltsrelevante Einkünfte, die
sich auf monatlich 2.400 € belaufen, ergeben sich im Mangelfall für eine nach-
45
- 24 -
rangige frühere Ehefrau (§ 1609 Nr. 3 BGB) und eine wegen Kindererziehung
vorrangige neue Ehefrau (§ 1609 Nr. 2 BGB) folgende Unterhaltsansprüche:
Unterhaltsrelevante Einkünfte des Unterhaltspflichtigen:
2.400 €
Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen: 1.000
Unterhaltsanspruch des vorrangigen Ehegatten
(2.400 € : 3 =)
800 €
Unterhaltsanspruch des nachrangigen Ehegatten
(2.400 € - 1.000 € - 800 € =)
600 €
4. Auch soweit das Berufungsgericht den Unterhaltsbedarf der Beklagten
ohne Berücksichtigung des Splittingvorteils des Klägers aus seiner neuen Ehe
errechnet hat, hält dies unter Berücksichtigung der - nach Erlass des Beru-
fungsurteils ergangenen - neueren Rechtsprechung des Senats der revisions-
rechtlichen Prüfung nicht stand.
46
a) Allerdings hatte der Senat zuletzt in ständiger Rechtsprechung ent-
schieden, dass bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs eines geschiede-
nen Ehegatten der Splittingvorteil eines wieder verheirateten Unterhaltspflichti-
gen außer Betracht zu lassen und eine fiktive Steuerberechnung anhand der
Grundtabelle vorzunehmen ist (Senatsurteil BGHZ 163, 84, 90 f. = FamRZ
2005, 1817, 1819). An dieser Rechtsprechung, die auf der isolierten Betrach-
tung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten
beruhte, hält der Senat nicht fest.
47
b) Der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist
grundsätzlich auf der Grundlage des konkret verfügbaren Einkommens zu be-
messen (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008,
968, 971 f.). Nacheheliche Entwicklungen bleiben nur dann unberücksichtigt,
wenn sie nicht in der Ehe angelegt waren oder, im Falle eines Rückgangs des
verfügbaren Einkommens, unterhaltsrechtlich vorwerfbar sind. Damit wirkt sich
auch das Hinzutreten eines weiteren Unterhaltsberechtigten unabhängig von
48
- 25 -
dessen Rangstellung auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten
aus. Die sich daraus unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes er-
gebende Dreiteilung des Gesamteinkommens führt dazu, dass künftig nicht
mehr ein ungekürzter Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten einem ge-
ringeren Unterhaltsbedarf des neuen Ehegatten gegenübersteht. Die Unter-
haltsansprüche beeinflussen sich vielmehr wechselseitig und gleichen sich so-
mit einander an.
Die Berücksichtigung des Splittingvorteils der neuen Ehe im Rahmen des
Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten führt auf dieser Grundlage
nicht mehr zu verfassungsrechtlich unzulässigen Ergebnissen (vgl. dazu
BVerfG FamRZ 2003, 1821, 1823 f.). Insbesondere wird dadurch der neuen
Ehe nicht der ihr zustehende steuerrechtliche Vorteil entzogen. Denn mit der
neuen Ehe steigt zwar in Folge des Splittingvorteils das Nettoeinkommen des
Unterhaltspflichtigen an; zugleich führt der hinzu gekommene Unterhaltsbedarf
aber zu einer Kürzung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten. Der
im Verhältnis zum neuen Ehegatten zu berücksichtigende Splittingvorteil nimmt
deswegen im Ergebnis lediglich die Kürzung des Unterhaltsanspruchs des ge-
schiedenen Ehegatten teilweise zurück (vgl. auch Gerhardt/Gutdeutsch FamRZ
2007, 778, 779 und Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterli-
chen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 592b [für gleichrangige Ansprüche]). Soweit dem
geschiedenen Ehegatten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts kein höherer Unterhaltsanspruch zustehen darf, als er ohne die neue Ehe
des Unterhaltspflichtigen hätte (BVerfG FamRZ 2003, 1821, 1823 f.), ist dies in
besonders gelagerten Fällen, in denen der neue Ehegatte wegen eigener Ein-
künfte keinen oder nur einen sehr geringen Unterhaltsbedarf hat, durch eine
Kontrollberechnung sicherzustellen (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2008,
1254, 1256). Einem geschiedenen Ehegatten steht danach Unterhalt allenfalls
in der Höhe zu, wie er sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht neu ge-
49
- 26 -
heiratet hätte und deswegen weder ein Splittingvorteil noch ein neuer unter-
haltsberechtigter Ehegatte vorhanden wären.
50
Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Falle einer
Unterhaltspflicht für einen geschiedenen und einen neuen Ehegatten dem Split-
tingvorteil aus der neuen Ehe nach den §§ 26, 32 a Abs. 5 EStG der steuerliche
Vorteil des begrenzten Realsplittings aus den Unterhaltszahlungen an den frü-
heren Ehegatten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder der Vorteil des § 66 a EStG
im Rahmen einer Unterhaltszahlung nach § 1615 l Abs. 2 BGB gegenübersteht
(vgl. auch Senatsurteile vom 23. Mai 2007 - XII ZR 245/04 - FamRZ 2007,
1232, 1234 f. und vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05 - zur Veröffentlichung be-
stimmt).
Für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Beklagten im Wege der
Dreiteilung wird das Berufungsgericht deswegen hier von dem unterhaltsrele-
vanten Einkommen des Klägers unter Einschluss seines Splittingvorteils aus-
gehen müssen.
51
c) Wenn schon der Splittingvorteil aus der neuen Ehe bei der Bemes-
sung des Unterhaltsbedarfs der neuen und der geschiedenen Ehefrau zu be-
rücksichtigen ist, gilt dies erst recht für den Familienzuschlag der Stufe 1 nach
§ 40 Abs. 1 BBesG. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht diesen Ein-
kommensbestandteil des Klägers deswegen bei der Unterhaltsbemessung in
voller Höhe berücksichtigt.
52
Einen Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 BBesG erhalten
Beamte, Richter oder Soldaten u.a., wenn sie verheiratet oder wenn sie ge-
schieden und aus der geschiedenen Ehe mindestens in Höhe des Familienzu-
schlags zum Unterhalt verpflichtet sind. Der Familienzuschlag ist deswegen
- anders als der Splittingvorteil in der neuen Ehe - schon nicht stets der neuen
53
- 27 -
Ehe vorbehalten und soll auch nicht nur deren Belastung mildern. Nach § 40
Abs. 1 Nr. 3 BBesG wird er vielmehr auch bewilligt, um die Unterhaltslasten aus
einer geschiedenen Ehe abzumildern. In solchen Fällen entsteht durch die neue
Ehe des Unterhaltspflichtigen keine finanzielle Veränderung. Der Familienzu-
schlag wird dann nicht erst durch die neue Ehe ausgelöst, weil er schon zuvor
wegen der fortdauernden Unterhaltspflicht aus erster Ehe gewährt wurde. Ei-
nem unterhaltsberechtigten ersten Ehegatten kann der Anteil des Familienzu-
schlags deswegen nicht nachträglich durch Eingehung der zweiten Ehe voll-
ständig entzogen werden. Andererseits ergibt sich aus der Begründung des
Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, mit dem der bis Juni 1997
geltende Ortszuschlag durch den neuen Familienzuschlag ersetzt wurde, dass
damit die Funktion des "familienbezogenen Bezahlungsbestandteils" verdeut-
licht werden sollte. Sinn und Zweck des Familienzuschlags ist es danach, den
unterschiedlichen Belastungen des Familienstands Rechnung zu tragen.
Diesen Funktionen des Familienzuschlags ist durch die neue Rechtspre-
chung des Senats zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs einer geschiedenen
und einer neuen Ehefrau in vollem Umfang genügt. Schon die wechselseitige
Angleichung dieser Unterhaltsansprüche im Wege der Dreiteilung sorgt dafür,
dass der Einkommensvorteil beiden Ehegatten in gleichem Umfang zugute
kommt. An der entgegenstehenden früheren Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil
BGHZ 171, 206, 223 f. = FamRZ 2007, 793, 797 f.) hält der Senat deswegen
nicht mehr fest.
54
5. Auch soweit das Berufungsgericht einen Gleichrang der Unterhaltsan-
sprüche der Beklagten und der neuen Ehefrau des Klägers angenommen hat,
hält dies der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
55
- 28 -
Dabei ist wegen der Änderung der gesetzlichen Grundlagen allerdings
zwischen der nach § 36 Nr. 7 EGZPO für Unterhaltsansprüche bis Ende 2007
anwendbaren früheren Rechtslage und dem durch das Unterhaltsänderungsge-
setz für Unterhaltsansprüche ab dem 1. Januar 2008 geschaffenen neuen Un-
terhaltsrecht zu unterscheiden.
56
57
a) Die bis Ende 2007 fällig gewordenen Unterhaltsansprüche der Beklag-
ten sind nach § 36 Nr. 7 EGZPO noch nach dem früheren Unterhaltsrecht zu
bemessen. Der Kläger schuldet der Beklagten Aufstockungsunterhalt nach
§ 1573 Abs. 2 BGB und daneben seiner neuen Ehefrau Betreuungsunterhalt
nach § 1360 BGB i.V.m. § 1570 BGB a.F.
Nach § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ging dem Unterhaltsanspruch eines
neuen Ehegatten der Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten stets
vor, wenn dieser auf § 1570 oder § 1576 BGB gestützt war oder die Ehe mit
dem geschiedenen Ehegatten von langer Dauer war. Diesen grundsätzlichen
Vorrang des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten hatte das Bun-
desverfassungsgericht für Fälle, in denen auch der neue Ehegatte durch die
Pflege und Erziehung eines Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert war, als
mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar erachtet (BVerfG FamRZ 1984,
346, 349 f.). Ebenso hatte es auch der Gesetzgeber für unbedenklich erachtet,
den Ehegatten aus einer nachfolgenden Ehe eher als den früheren Ehegatten
auf die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen zu verweisen, selbst wenn aus der
neuen Ehe Kinder hervorgegangen sind (BT-Drucks. 6/650 S. 143). Der Senat
hat die für den Vorrang des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau
nach § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ausschlaggebende "lange Ehezeit" in
ständiger Rechtsprechung mit mehr als 15 Jahren bemessen (Senatsurteil vom
1. Juni 1983 - IVb ZR 389/81 - FamRZ 1983, 886, 888). Daran hält der Senat
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fest, zumal die Vorschrift des
58
- 29 -
§ 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. schon vom Wortlaut her lediglich auf die Dauer
der Ehe abstellt und den Vorrang nicht, wie die frühere Regelung zur Befristung
des Aufstockungsunterhalts in § 1573 Abs. 5 BGB a.F., zusätzlich von einer
umfassenden Billigkeitsabwägung abhängig macht.
59
aa) Es kann dahinstehen, ob über diesen eindeutigen Wortlaut des
§ 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. eine verfassungskonforme Auslegung möglich
und notwendig war, wie das Berufungsgericht meint. Denn mit dem Inkrafttreten
des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes zum 1. Januar 2008 ist der Rang meh-
rerer unterhaltsberechtigter (früherer) Ehegatten neu geregelt (§ 1609 Nr. 2 und
3 BGB). Dabei haben auch die vom Berufungsgericht aus Art. 6 GG hergeleite-
ten Umstände Berücksichtigung gefunden, insbesondere die Betreuungsbedürf-
tigkeit minderjähriger Kinder. Der Betreuungsunterhalt steht deswegen stets
nach dem Unterhalt der minderjährigen und privilegierten volljährigen Kinder im
zweiten Rang.
Im Hinblick auf diese gesetzliche Neuregelung ist die vom Wortlaut ein-
deutige Regelung in § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. für Unterhaltsansprüche bis
Ende 2007 hinzunehmen. Insoweit ist keine andere Beurteilung geboten, als es
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das den Betreu-
ungsunterhalt nach gescheiterter Ehe einerseits und den Betreuungsunterhalt
des Elternteils eines nichtehelich geborenen Kindes andererseits wegen Ver-
stoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG für verfassungswidrig erachtet hat, für die Fort-
geltung dieser gesetzlichen Regelungen der Fall ist. Denn auch jener verfas-
sungswidrige Zustand war nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts bis zum Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Januar 2008 (Art. 4 des
Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 BGBl. I
S. 3189, 3193) hinzunehmen (vgl. BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965, 973).
60
- 30 -
bb) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts wäre eine
verfassungsgemäße Auslegung des § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. für die Un-
terhaltsansprüche bis Ende 2007 im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich.
Denn der Unterhaltsanspruch der Beklagten könnte - entgegen der Rechtsauf-
fassung des Berufungsgerichts - auch jetzt noch befristet werden, weil der Klä-
ger mit den dafür ausschlaggebenden Umständen bislang nicht präkludiert ist
(§ 1573 Abs. 5 BGB a.F. und § 1578 b BGB).
61
Der Unterhaltsvergleich vom 22. März 2005 wurde abgeschlossen, als
die Frage der Befristung des Aufstockungsunterhalts noch nicht den Stellenwert
hatte, den sie nach der neueren Rechtsprechung des Senats hat. Erst infolge
der geänderten Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung der Haus-
haltstätigkeit und Kindererziehung, die zu einer späteren Bedarfsdeckung durch
eigenes Einkommen führt, hat der Senat dem Umstand der zeitlichen Befristung
des Aufstockungsunterhalts größere Bedeutung beigemessen und dabei seine
frühere Rechtsprechung geändert (vgl. Senatsurteile vom 12. April 2006
- XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007 f. und vom 25. Oktober 2006
- XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 203 f.). Diese neuere Rechtsprechung des
Senats kommt einer wesentlichen Änderung der den früheren Unterhaltstiteln
zugrunde liegenden Verhältnisse gleich (vgl. Senatsurteile vom 5. September
2001 - XII ZR 108/00 - FamRZ 2001, 1687, 1690 [für die Abänderung eines
Vergleichs nach geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung] und vom
5. Februar 2003 - XII ZR 29/00 - FamRZ 2003, 848, 851 f. [für die Abänderung
eines Urteils nach geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung]). Weil die
frühere Rechtsprechung des Senats zur Befristung des Aufstockungsunterhalts
vornehmlich auf die Dauer der Ehe abgestellt hatte und danach wegen der
deutlich mehr als 20-jährigen Ehe keine Befristung in Betracht gekommen wäre,
steht diese Änderung der Rechtsprechung des Senats einer Präklusion der jetzt
für eine Befristung sprechenden Umstände nicht entgegen (vgl. Dose FamRZ
62
- 31 -
2007, 1289, 1294 ff.). Erst durch die neuere Senatsrechtsprechung und die ge-
setzliche Neuregelung des § 1578 b BGB sind die weiteren Umstände, insbe-
sondere das Fehlen ehebedingter Nachteile, überhaupt relevant geworden, was
eine Präklusion ausschließt (vgl. Senatsurteile BGHZ 171, 206, 227 f. = FamRZ
2007, 793, 798 f. und vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1008).
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b) Unterhaltsansprüche, die ab Januar 2008 fällig geworden sind, richten
sich hingegen nach der durch das Unterhaltsrechtsreformgesetz in § 1609 BGB
neu geregelten Rangfolge.
aa) Danach stehen als Unterhaltsberechtigte stets allein die minderjähri-
gen, unverheirateten und die privilegierten volljährigen Kinder im ersten Rang.
Im zweiten Rang stehen gemäß § 1609 Nr. 2 BGB alle Ansprüche auf Betreu-
ungsunterhalt. Dazu zählt hier der Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des
Beklagten, weil sie ihr gemeinsames Kind betreut und erzieht, das im Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht noch keine drei
Jahre alt war.
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Während des Gesetzgebungsverfahrens zum Unterhaltsrechtsreformge-
setz ist § 1609 Nr. 2 BGB allerdings noch dadurch ergänzt worden, dass auch
die Unterhaltsansprüche von Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten nach
einer Ehe von langer Dauer im zweiten Rang stehen. Allerdings ist dabei nach
§ 1609 Nr. 2 BGB nicht mehr allein auf die Dauer der Ehe abzustellen. Vielmehr
sind "bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer ... auch Nachteile i.S. des
§ 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu berücksichtigen". Zu berücksichtigen ist
im Rahmen der Rangfolge deswegen insbesondere, inwieweit durch die Ehe
Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Un-
terhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der
Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung
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von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der
Dauer der Ehe ergeben (BT-Drucks. 16/6980 S. 10).
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bb) Im Verhältnis der Parteien ist hier zwar ebenfalls - wie oben zum frü-
heren Recht ausgeführt - von einer langen Ehedauer auszugehen. Die gesetzli-
che Neuregelung in § 1609 Nr. 2 BGB stellt für den Vorrang gegenüber anderen
(geschiedenen) Ehegatten allerdings - wie die Begrenzung des nachehelichen
Unterhalts nach § 1578 b BGB (vgl. insoweit BGHZ 174, 195 = FamRZ 2008,
134, 136) - zusätzlich darauf ab, ob ehebedingte Nachteile vorliegen (BT-
Drucks. 16/6980 S. 10; vgl. auch Wendl/Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 5 Rdn. 114 ff.; FAKomm-FamR/Klein
3. Aufl. § 1609 Rdn. 17; Schnitzler/Grandel Münchener Anwaltshandbuch
2. Aufl. § 8 Rdn. 125). Der Anspruch der Beklagten auf Aufstockungsunterhalt
nach § 1573 Abs. 2 BGB bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen
und will somit nicht nur ehebedingte Nachteile ausgleichen. Dieser Unterhalts-
anspruch steht deswegen nur dann im zweiten Rang, wenn solche ehebeding-
ten Nachteile positiv festgestellt werden können. Die Darlegungs- und Beweis-
last für Tatsachen, die über eine gleichrangige weitere Unterhaltspflicht zu einer
Leistungsunfähigkeit führen können, trägt zwar der Unterhaltspflichtige (Se-
natsurteil vom 27. April 1988 - IVb ZR 58/87 - FamRZ 1988, 930, 931; vgl. auch
Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 6
Rdn. 712). Hat dieser allerdings Tatsachen vorgetragen, die einen Wegfall ehe-
bedingter Nachteile nahe legen, wie hier den Umstand, dass die Beklagte seit
1992 in ihrem erlernten Beruf als Verkäuferin vollschichtig arbeitet, obliegt es
dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die für
fortdauernde ehebedingte Nachteile und somit für einen Rang des Unterhalts-
anspruchs nach § 1609 Nr. 2 BGB sprechen (zum ehebedingten Nachteil im
Rahmen der Befristung des nachehelichen Unterhalts vgl. Senatsurteil vom
14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134, 136). Nach den Fest-
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stellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien - auf der Grundlage des
früheren Rechts - solches nicht vorgetragen. Die Aufhebung des Berufungsur-
teils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gibt den
Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag, soweit es im Rahmen der
Rangvorschriften darauf ankommt.
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cc) Wenn das Berufungsgericht auch nach ergänzendem Vortrag der
Parteien keine ehebedingten Nachteile der Beklagten feststellen kann, wären
ihre Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Januar 2008 auf der Grundlage der
gesetzlichen Neuregelung in § 1609 Nr. 2 und 3 BGB gegenüber dem Anspruch
der neuen Ehefrau des Beklagten auf Betreuungsunterhalt also nachrangig.
Sollte das Einkommen des Klägers dann nicht ausreichen, neben dem vorran-
gigen Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes unter Wahrung des Ehe-
gattenselbstbehalts (vgl. insoweit BGHZ 166, 351, 356 ff. = FamRZ 2006, 683,
684 f.) die im Wege der "Drittelmethode" errechneten Unterhaltsansprüche der
neuen Ehefrau des Klägers und der Beklagten abzudecken, würde sich der An-
spruch der Beklagten bis auf die verbleibende Leistungsfähigkeit reduzieren,
wenn nicht schon eine Befristung dieses Anspruchs nach § 1578 b BGB in Be-
tracht kommt.
6. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts zum Rückzahlungsan-
spruch des Klägers entspricht nicht in allen Punkten der Rechtsprechung des
Senats.
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Zwar steht dem Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich ein
Anspruch auf Rückzahlung geleisteten Unterhalts zu, soweit seine Abände-
rungsklage zu einem geringen Unterhalt führt, als er in der Vergangenheit be-
reits gezahlt hat. Das wäre hier dann der Fall, wenn der Kläger an die Beklagte
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für die Zeit von März bis September 2006 geringeren Unterhalt zahlen müsste
als die monatlich gezahlten 600 €.
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Dem Rückzahlungsanspruch für den Monat März 2006 steht allerdings
die Vorschrift des § 818 Abs. 3 BGB entgegen. Diese Vorschrift dient dem
Schutz des gutgläubig Bereicherten, der das rechtsgrundlos Empfangene im
Vertrauen auf das Fortbestehen des Rechtsgrundes verbraucht hat und daher
nicht über den Betrag der bestehen gebliebenen Bereicherung hinaus zur Her-
ausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet werden soll. Bei einer Überzahlung
von Unterhalt kommt es daher darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos
für seinen Lebensbedarf verbraucht oder sich noch in seinem Vermögen vor-
handene Werte - auch in Form anderweitiger Ersparnisse, Anschaffungen oder
Tilgung eigener Schulden - verschafft hat. Für den Berechtigten, der den Weg-
fall der Bereicherung zu beweisen hat, hat die Rechtsprechung hierbei aller-
dings Beweiserleichterungen geschaffen, wenn aus der Überzahlung in der
fraglichen Zeit keine besonderen Rücklagen oder Vermögensvorteile gebildet
wurden. Insbesondere bei unteren und mittleren Einkommen spricht dann nach
der Lebenserfahrung eine Vermutung dafür, dass das Erhaltene für die Verbes-
serung des Lebensstandards ausgegeben wurde, ohne dass der Bereicherte
einen besonderen Verwendungsnachweis erbringen müsste (Senatsurteil
BGHZ 143, 65, 69 = FamRZ 2000, 751).
Eine verschärfte Haftung des Bereicherungsschuldners nach § 818
Abs. 4, 819 BGB, die einem Wegfall der Bereicherung entgegenstehen könnte,
tritt nach der Rechtsprechung des Senats nicht bereits mit Rechtshängigkeit
einer Abänderungsklage oder einer Klage auf Feststellung der entfallenen Un-
terhaltspflicht ein. Vielmehr knüpft die verschärfte Haftung gemäß § 818 Abs. 4
BGB konkret an die Rechtshängigkeit der Klage auf Herausgabe des Erlangten
(§ 812 BGB) oder auf Leistung von Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) an; für eine
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erweiternde Auslegung dieser Ausnahmevorschrift ist kein Raum (Senatsurteil
vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 49/85 - FamRZ 1986, 793). Seinen Rückzahlungsan-
trag hat der Kläger hier erst mit einem am 30. März 2006 eingegangenen
Schriftsatz erhoben, weswegen dadurch hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs
für März 2006 keine verschärfte Haftung mehr eintreten konnte. Eine Rückzah-
lung kommt deswegen allenfalls für überzahlte Unterhaltsleistungen in der Zeit
von April bis September 2006 in Betracht.
7. Das Berufungsurteil ist deswegen auf die Revision der Beklagten auf-
zuheben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil
das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen ehebedingter
Nachteile getroffen hat. Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit,
insoweit mit Blick auf den Rang des Unterhaltsanspruchs der Beklagten und auf
die Möglichkeit zur Befristung des Aufstockungsunterhalts ergänzend vorzutra-
gen. Das Berufungsgericht wird sodann über das Abänderungsbegehren und
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den Rückzahlungsanspruch des Klägers unter Berücksichtigung der zum
1. Januar 2008 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung und der neuen
Rechtsprechung des Senats erneut zu entscheiden haben.
Hahne Wagenitz Vézina
Dose
Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Lingen (Ems), Entscheidung vom 21.06.2006 - 19 F 133/06 UE -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 26.09.2006 - 12 UF 74/06 -