Urteil des BGH vom 30.10.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 193/07
vom
24. März 2010
in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HUVÜ 73 Artt. 5, 12; AVAG § 12 Abs. 1; ZPO § 767
Hat das in der Bundesrepublik Deutschland zu vollstreckende (hier: türkische) Urteil
nur den Trennungsunterhalt geregelt, ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren die
Rechtskraft der Ehescheidung als Einwendung im Sinne von § 767 ZPO zu berück-
sichtigen und die Vollstreckbarkeit auf die Zeit bis zur deren Eintritt zu beschränken
(im Anschluss an BGHZ 180, 88).
BGH, Beschluss vom 24. März 2010 - XII ZB 193/07 - OLG Hamm
LG Arnsberg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2010 durch den
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer,
Schilling und Dr. Günter
beschlossen:
1. Dem Antragsgegner wird als Beschwerdeführer für das Verfah-
ren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe bewil-
ligt und Rechtsanwalt Dr. von Plehwe beigeordnet.
2. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Be-
schluss des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom
30. Oktober 2007 unter Zurückweisung der weitergehenden
Rechtsbeschwerde teilweise aufgehoben und insgesamt wie
folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss
des Vorsitzenden Richters der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Arnsberg vom 10. September 2007 unter Zurückweisung der
weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und insge-
samt wie folgt neu gefasst:
Der Unterhaltsausspruch in dem Urteil des Familiengerichts
Karsiyaka vom 27. Januar 2004 in der Fassung des Berichti-
gungsvermerks vom 5.
Oktober 2005 (Geschäftszeichen
2003/48; Urteilsnummer 2004/46) ist mit der deutschen Voll-
streckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner zu
einem monatlichen Vorsorgeunterhalt in Höhe von 500 Mio. TL
(500 YTL) als Trennungsunterhalt für die Zeit vom 8. Juli 2003
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(Eingang der Klage vor dem türkischen Familiengericht) bis zum
23. Juli 2003 (rechtskräftige Ehescheidung) verurteilt worden ist.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Streitwert: 4.680 €
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit eines Unterhaltsurteils des
türkischen Familiengerichts Karsiyaka vom 27. Januar 2004 in der Fassung des
Berichtigungsbeschlusses vom 5. Oktober 2005.
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Die Parteien hatten im April 2002 geheiratet und sich am 6. Mai 2003
endgültig getrennt. Aus ihrer Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorge-
gangen. Auf den am 12. Juni 2003 erhobenen Scheidungsantrag der Antrag-
stellerin wurde die Ehe am 23. Juli 2003 rechtskräftig geschieden (Amtsgericht
Aachen 27 F 233/03). Zuvor hatte der Antragsgegner am 8. Juli 2003 in der
Türkei einen weiteren Scheidungsantrag gestellt. Am 23. Oktober 2003 bean-
tragte die Antragstellerin nachehelichen Ehegattenunterhalt (AG Aachen
27 F 410/03).
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Am 27. Januar 2004 wies das türkische Familiengericht Karsiyaka den
Scheidungsantrag des Antragsgegners mangels hinreichender Scheidungsvor-
aussetzungen als unbegründet zurück. Zugleich verurteilte es den Antragsgeg-
ner, an die Antragstellerin "ab Klagedatum Vorsorgeunterhalt in Höhe von
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500.000.000,- Türkische Lira" zu zahlen. Mit Beschluss vom 5. Oktober 2005
wurde das Urteil dahin berichtigt, dass die mit Wirkung vom Klagedatum zu ent-
richtende vorsorgliche Unterhaltszahlung in Höhe von 500.000.000
TL
(500 YTL) eine "monatliche Unterhaltszahlung ist".
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Mit Urteil vom 15. September 2004 wies das Amtsgericht Aachen die
Klage der Antragstellerin auf nachehelichen Ehegattenunterhalt "wegen ander-
weitiger Rechtshängigkeit" als unbegründet ab. Dabei stützte es sich auf den
vorliegenden türkischen Unterhaltstitel.
Auf Antrag der Antragstellerin hat der Vorsitzende Richter am Landge-
richt den türkischen Unterhaltstitel nebst Berichtigungsvermerk für vollstreckbar
erklärt. Das Oberlandesgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete
Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er weiterhin eine vollständige
Abweisung des Vollstreckbarkeitsantrags begehrt.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach Art. 13 des Haager Übereinkommens
über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom
2. Oktober 1973 (BGBl. 1986 II S. 826; im Folgenden HUVÜ 73) i.V.m. § 15
Abs.
1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom
3. Dezember 2009 (BGBl. I 2009, 3830; im Folgenden AVAG) und § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthaft. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zur Si-
cherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und führt zur Begrenzung
der Vollstreckbarkeit auf die Zeit bis zur rechtskräftigen Ehescheidung.
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1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht den Antrag nach den Vorschriften
des HUVÜ 73 behandelt, das für die Bundesrepublik Deutschland zum 1. April
1987 in Kraft getreten ist und das auch für die Türkei gilt (vgl. Wendl/Dose, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 9 Rdn. 226). Nach
Art. 13 HUVÜ 73 richtet sich das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung
der Entscheidung nach dem Recht des Vollstreckungsstaates, hier also nach
dem deutschen Prozessrecht als lex fori. Zur Ausführung zwischenstaatlicher
Verträge und zur Durchführung von Verordnungen und Abkommen der Europä-
ischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in
Zivil- und Handelssachen hat die Bundesrepublik Deutschland das AVAG erlas-
sen, das nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 c auch für das HUVÜ 73 gilt.
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Das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung
der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom
23. November 2007 ist hingegen nicht anwendbar, weil es nach seinem Art. 60
erst am Tage des Monats in Kraft tritt, der auf einen Zeitabschnitt von drei Mo-
naten nach der Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme- oder Ge-
nehmigungsurkunde durch einen Mitgliedstaat folgt. Diese Voraussetzungen
liegen noch nicht vor, da bislang lediglich die Vereinigten Staaten von Amerika
das Übereinkommen ratifiziert haben. Nach Art. 56 findet das Übereinkommen
nur auf solche Ersuchen Anwendung, die nach seinem Inkrafttreten in den be-
teiligten Ländern eingegangen sind.
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2. Im Ansatz zu Recht hat das Berufungsgericht die Beschwerde des An-
tragsgegners zurückgewiesen und die türkische Entscheidung für vollstreckbar
erklärt, weil sie lediglich den Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunter-
halt erfasst. Deswegen ist die Vollstreckbarkeit aber zugleich auf die Zeit bis zur
rechtskräftigen Ehescheidung zu begrenzen.
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Nach Art. 12 HUVÜ 73 darf eine ausländische Entscheidung im Rahmen
der Vollstreckbarerklärung nicht auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden,
sofern das Übereinkommen nicht etwas anderes bestimmt. Allerdings kann der
Unterhaltspflichtige mit seiner Beschwerde nach § 12 Abs. 1 AVAG auch
rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen im Sinne des § 767
Abs. 1 ZPO gegen den titulierten Anspruch geltend machen, sofern die Rechts-
kraft des ausländischen Urteils unberührt bleibt und die Gründe, auf denen sie
beruhen, erst nach Erlass der ausländischen Entscheidung entstanden sind; ein
Verstoß gegen den Grundsatz des Verbots der révision au fond liegt dann nicht
vor (Senatsbeschlüsse BGHZ 171, 310 = FamRZ 2007, 989 - Tz. 26 ff. und
BGHZ 180, 88 = FamRZ 2009, 858 - Tz. 12 ff.). Das gilt auch, wenn der Unter-
haltsschuldner die rechtsvernichtende Einwendung im Sinne des § 767 ZPO
vorträgt, der Unterhaltstitel erstrecke sich von vornherein nur auf den Tren-
nungsunterhalt und nicht auf den nachehelichen Unterhalt (vgl. Senatsurteil
vom 14. Januar 1981 - IVb ZR 575/80 - FamRZ 1981, 242, 244). Weil der Titel
nach der Einwendung des Unterhaltsschuldners dann schon von Beginn an
entsprechend begrenzt ist, bedarf es keiner nachträglichen Änderung der Ver-
hältnisse, sondern die rechtskräftige Ehescheidung bringt den Titel zum Erlö-
schen (vgl. BGHZ 38, 259, 264 f. = WM 1963, 196). Um eine solche Einwen-
dung handelt es sich hier.
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Darüber hinaus darf eine in der ersten Instanz nach § 6 AVAG ohne An-
hörung des Antragsgegners angeordnete Vollstreckbarerklärung im Rechtsmit-
telverfahren nach § 11 (Beschwerde) und § 15 (Rechtsbeschwerde) AVAG le-
diglich auf Vollstreckungshindernisse nach Art. 5 HUVÜ 73 überprüft werden.
Solche Vollstreckungshindernisse hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage
des eingeschränkten Inhalts der zu vollstreckenden Entscheidung im Ergebnis
zu Recht verneint.
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a) Einer Vollstreckbarkeit des türkischen Unterhaltstitels in Deutschland
steht nicht nach Art. 5 Nr. 3 HUVÜ 73 entgegen, dass zwischen den Parteien
ein denselben Gegenstand betreffendes Verfahren vor einem deutschen Ge-
richt anhängig und als erstes eingeleitet worden war. Auch die Rechtskraft des
deutschen Urteils über den nachehelichen Unterhalt steht der Vollstreckbarkeit
nicht nach Art. 5 Nr. 4 HUVÜ 73 entgegen.
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aa) Das deutsche Verfahren über einen Anspruch auf nachehelichen Un-
terhalt ist erst am 23. Oktober 2003 anhängig geworden, als der Scheidungsan-
trag des Antragsgegners mit dem Unterhaltsantrag der Antragstellerin vor dem
türkischen Familiengericht bereits rechtshängig war. Rechtshängig ist das deut-
sche Unterhaltsverfahren nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe erst am
19. Februar 2004 geworden, als das türkische Familiengericht bereits über den
dortigen Unterhaltsantrag entschieden hatte.
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bb) Zudem betrifft der türkische Unterhaltstitel nicht denselben Streitge-
genstand wie das deutsche Unterhaltsverfahren, was im Vollstreckbarkeitsver-
fahren zu berücksichtigen ist. Das deutsche Unterhaltsverfahren betraf aus-
weislich des vorliegenden Urteils vom 15. September 2004 ausdrücklich nur
den nachehelichen Unterhalt für das erste Jahr ab Rechtskraft der Scheidung.
Demgegenüber regelt das Urteil des türkischen Familiengerichts lediglich den
Trennungsunterhalt bis zur rechtskräftigen Ehescheidung.
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Die davon abweichende Rechtsauffassung des Amtsgerichts Aachen in
dem Urteil vom 15. September 2004, wonach der türkische Unterhaltstitel auch
den nachehelichen Unterhalt erfasst, geht an den festgestellten Tatsachen vor-
bei. Das türkische Familiengericht hatte den Scheidungsantrag des Antrags-
gegners mit Urteil vom 27. Januar 2004 wegen fehlender Scheidungsvoraus-
setzungen als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ging folglich nicht davon
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aus, dass in Deutschland bereits ein Scheidungsverfahren rechtshängig gewe-
sen war und zu dem rechtskräftigen Scheidungsurteil vom 23. Juli 2003 geführt
hatte. Indem das türkische Familiengericht der Antragstellerin in Unkenntnis der
in Deutschland ausgesprochenen Ehescheidung und nach Abweisung des in
der Türkei gestellten Scheidungsantrags rückständigen und laufenden Unterhalt
zugesprochen hat, hat es lediglich über Trennungsunterhalt entschieden.
Der türkische Unterhaltstitel wirkt auch nicht als solcher über den nach-
ehelichen Unterhalt über die Rechtskraft der Ehescheidung fort. Das ergibt sich
aus dem vom türkischen Familiengericht angewandten türkischen Unterhalts-
recht, das - ebenso wie das deutsche Recht (vgl. insoweit Senatsurteil vom
14. Januar 1981 - IVb ZR 575/80 - FamRZ 1981, 242, 243 f.; Senatsbeschluss
vom 21. April 1999 - XII ZB 158/98 - FamRZ 1999, 1497 und Wendl/Pauling
aaO § 4 Rdn. 14) - zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt
unterscheidet. Nach Art. 186 Abs. 3 türkisches ZGB (im Folgenden: ZGB) tra-
gen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, unter Einsatz von
Arbeit und Vermögen zu den Ausgaben der Lebensgemeinschaft bei. Das gilt
auch für die Trennungszeit der Parteien (Rumpf IPRax 1983, 114, 115). Bei
begründeter Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft regelt der Richter
nach Art. 197 Abs. 2 ZGB auf Antrag eines Ehegatten den Unterhaltsbeitrag
eines Ehegatten an den anderen (vgl. Wendl/Dose aaO § 9 Rdn. 195). Dem-
gemäß hat das türkische Familiengericht hier trotz Abweisung des Scheidungs-
antrags der Antragstellerin einen "Vorsorgeunterhalt" zugesprochen. Dabei
handelt es sich nicht um nachehelichen Unterhalt, der sich im weitesten Sinne
aus materiellem Schadensersatz (Art. 174 Abs. 1 ZGB), immateriellem Scha-
densersatz zur Genugtuung (Art. 174 Abs. 2 ZGB) und - falls der Schadenser-
satz nicht ausreicht - aus Bedürftigkeitsunterhalt (Art. 175 ZGB) zusammensetzt
(Wendl/Dose aaO § 9 Rdn. 197 ff.). Dafür, dass der türkische Unterhaltstitel
trotz gleichzeitiger Abweisung des Scheidungsantrags des Antragsgegners
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auch einen solchen Schadensersatz oder Bedürftigkeitsunterhalt umfasst, ist
nichts ersichtlich. Insbesondere ist der zugesprochene Unterhalt auch weder als
materieller oder immaterieller Schadensersatz noch als nachehelicher Bedürf-
tigkeitsunterhalt bezeichnet worden. Auch die vom Amtsgericht Aachen zitierte
Vorschrift des § 169 ZGB lässt einstweilige Maßnahmen zum Unterhalt wäh-
rend der Trennungszeit lediglich für die Dauer des Scheidungsverfahrens und
nicht für die nacheheliche Zeit zu.
Hinzu kommt, dass das Amtsgericht Aachen in dem Urteil vom 15. Sep-
tember 2004 keine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Zwar hat es den
Antrag auf nachehelichen Unterhalt als unbegründet zurückgewiesen und zur
Begründung auf die Rechtshängigkeit des türkischen Verfahrens mit der dort
erstinstanzlich ergangenen Entscheidung abgestellt. Damit hat das Amtsgericht
den Antrag der Antragstellerin auf nachehelichen Unterhalt in der Sache aber
nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abgewiesen, weil die von ihm
angenommene Rechtshängigkeit vor den türkischen Gerichten ein Prozesshin-
dernis darstellt, das zur Unzulässigkeit der Klage über denselben Streitgegens-
tand führt (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 261 Rdn. 8).
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b) Auf der Grundlage des sehr eingeschränkten Regelungsumfangs ver-
stößt die zu vollstreckende Entscheidung auch nicht gegen den deutschen ord-
re public, sodass auch ein Vollstreckungshindernis nach Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73
ausscheidet.
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aa) Die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung darf lediglich
in den in Art. 5 HUVÜ 73 genannten besonders gravierenden Fällen versagt
werden, wobei nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften des Vollstreckungsstaa-
tes zwingend zu einer Verletzung dessen ordre public führt. Selbst eine Verlet-
zung des verfassungsrechtlich geschützten Grundsatzes des rechtlichen Ge-
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hörs zieht nicht zwingend einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre
public im Sinne des Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 nach sich. Denn der Grundsatz des
rechtlichen Gehörs ist dadurch gewährleistet, dass das verfahrenseinleitende
Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden sein muss,
dass der Beklagte sich hinreichend verteidigen konnte. Ihm muss also ausrei-
chend Zeit verbleiben, um seine Verteidigung vorzubereiten und die zur Ver-
meidung einer Versäumnisentscheidung erforderlichen Schritte einzuleiten
(EuGHE 1981, 1573, 1608 f.). Darüber hinaus greift der Vorbehalt des ordre
public nur in Ausnahmefällen ein. Die Vollstreckbarerklärung kann insbesonde-
re nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in
einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des
deutschen Prozessrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann
gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfah-
rens ergangen ist, das von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts
in einem solchen Maße abweicht, dass es nicht als in einem geordneten rechts-
staatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (EuGH Urteil vom
11. Mai 2000 - C-38/98 - NJW 2000, 2185; Senatsbeschlüsse vom 26. August
2009 - XII ZB 169/07 - FamRZ 2000, 1816 Tz. 25 und vom 21. März 1990
- XII ZB 71/89 - FamRZ 1990, 868 Tz. 12).
Das ist hier nicht der Fall. Beide Parteien waren an dem türkischen Ver-
fahren beteiligt und hatten rechtliches Gehör.
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bb) Auch der Umstand, dass die Ehe der Parteien bereits vor dem Ver-
handlungstermin des türkischen Gerichts durch ein deutsches Gericht geschie-
den war, kann keinen entscheidungsrelevanten Verstoß gegen den deutschen
ordre public begründen, da der zu vollstreckende Unterhaltstitel nicht auf der
fehlerhaften Abweisung des weiteren Scheidungsantrags als unbegründet be-
ruht. Weil sich der türkische Unterhaltstitel auf rückwirkenden und laufenden
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Trennungsunterhalt beschränkt, ist er von dem Titel über den Scheidungsantrag
unabhängig (zu Fällen, in denen der zu vollstreckende Unterhaltstitel auf dem
Statusurteil beruht vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 2009 - XII ZB 169/07 -
FamRZ 2000, 1816 Tz. 13; Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - XII ZR 163/05 -
FamRZ 2007, 717 Tz. 17 f. und BGHZ 164, 19, 21 f. = FamRZ 1975, 273, 274).
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cc) Schließlich verstößt der türkische Unterhaltstitel auch sonst nicht ge-
gen den deutschen ordre public. Das türkische Familiengericht hat lediglich
über den Anspruch auf Trennungsunterhalt entschieden und diesen im Hinblick
auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin in der Türkei zu Recht ge-
mäß Art. 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten an-
zuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 (HUÜ 73) nach türkischem Recht be-
urteilt.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Titel über den
Trennungsunterhalt auch hinreichend bestimmt. Ausweislich des Urteils vom
27. Januar 2004 in Verbindung mit dem Berichtigungsvermerk vom 5. Oktober
2005 schuldet der Antragsgegner monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von
500 YTL mit Wirkung vom Klagedatum, also ab dem 8. Juli 2003. Weil sich das
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Urteil auf den Trennungsunterhalt beschränkt, schuldet der Antragsgegner dar-
aus aber lediglich Unterhalt bis zur rechtskräftigen Ehescheidung am 23. Juli
2003. Auf diesen Gegenstand der türkischen Entscheidung ist die Vollstreck-
barkeit deswegen ausdrücklich zu beschränken.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Günter
Vorinstanzen:
LG Arnsberg, Entscheidung vom 10.09.2007 - 1 O 353/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.10.2007 - 29 W 70/07 -