Urteil des BGH vom 09.10.1986

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 15/04
Verkündet am:
13. Januar 2005
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
VOB/B (1992) § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 B; BGB § 208, § 217 a.F.
Wird der Lauf einer nach § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B vereinbarten, gemäß § 13 Nr. 5
Abs. 1 Satz 2 VOB/B verlängerten Verjährungsfrist nach gesetzlichen Bestimmungen
unterbrochen, so wird nach dem Ende der Unterbrechung die vereinbarte Frist erneut
in Gang gesetzt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 - VII ZR 184/85,
BauR 1987, 84 = ZfBR 1987, 37).
BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 - VII ZR 15/04 - OLG Celle
LG Verden
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 2003 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin in
Höhe von 3.732,08 € und Zinsen zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Mängelbeseitigungskosten. Die
Parteien streiten im Revisionsverfahren darüber, ob dieser Anspruch verjährt
ist.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Frühjahr 1994 unter Einbezie-
hung der VOB/B sowie ihrer besonderen und zusätzlichen Vertragsbedingun-
gen mit Tiefbauarbeiten. Bei der Abnahme am 21. Dezember 1994 vereinbarten
die Parteien eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren. Mit Schreiben vom
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23. Oktober 1998 wurde die Beklagte aufgefordert, bis 3. November 1998 einen
in einem Hausanschlußschacht entstandenen Rückstau zu beseitigen. Nach
erneuter Aufforderung vom 16. Dezember 1998 antwortete die Beklagte mit
Schreiben vom 30. Dezember 1998, die Arbeiten hätten witterungsbedingt nicht
ausgeführt werden können, die Mängel würden in der zweiten Januarwoche
beseitigt. Das geschah nicht. In der Folgezeit ließ die Klägerin den Mangel
durch Drittfirmen beseitigen.
Mit der am 12. November 2002 zugestellten Klage hat die Klägerin
5.203,26 € und Zinsen verlangt. Den Hauptsachebetrag hat sie später auf
4.918,57 € ermäßigt. Die Beklagte hat sich auf Verjährung berufen. Das Land-
gericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist erfolglos ge-
blieben. Dagegen richtet sich ihre vom Berufungsgericht "hinsichtlich der Einre-
de der Verjährung" zugelassene Revision, mit der sie ihren Anspruch noch in
Höhe von 3.732,08 € und Zinsen weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2004, 1460 veröffentlicht
ist, meint, der Anspruch der Klägerin sei verjährt. Die ab 21. Dezember 1994
laufende fünfjährige Verjährungsfrist sei durch das Mängelbeseitigungsverlan-
gen der Klägerin vom 23. Oktober 1998 gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B
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"quasi" unterbrochen worden. Die Regelfrist des § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B von
zwei Jahren sei in Lauf gesetzt worden. Diese Frist sei sodann durch das im
Schreiben der Beklagten vom 30. Dezember 1998 enthaltene Anerkenntnis
gemäß § 208 BGB unterbrochen worden. Danach habe gemäß § 217 BGB die-
se Frist von zwei Jahren und nicht die ursprünglich vereinbarte fünfjährige Frist
neu zu laufen begonnen. Das Hinausschieben der Verjährung durch § 13 Nr. 5
Abs. 1 Satz 2 VOB/B sei nach dem Wortlaut der Regelung und der Interessen-
lage der Werkvertragsparteien mit dem Inhalt vereinbart, daß einmalig die ver-
einbarte fünfjährige Verjährungsfrist laufe und ab Verlängerung durch das Män-
gelbeseitigungsverlangen die Regelfrist an deren Stelle trete und sie ersetze.
Hierdurch erhalte der Auftraggeber einen angemessenen Schutz; des erneuten
Laufs der vereinbarten fünfjährigen Frist bedürfe er nicht. Das Urteil des Bun-
desgerichtshofs vom 9. Oktober 1986 - VII ZR 184/85, BauR 1987, 84 = ZfBR
1987, 37 stehe dem nicht entgegen. Der dort entschiedene Fall einer Unterbre-
chung durch ein vom Gläubiger veranlaßtes Beweissicherungsverfahren sei
anders zu beurteilen als ein vom Schuldner abgegebenes Anerkenntnis, das
aus einer Reaktion des Schuldners auf das Mängelbeseitigungsverlangen resul-
tiere.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht
stand. Der Anspruch der Klägerin war bei Klageerhebung nicht verjährt.
1. Das Berufungsgericht hält § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ohne weite-
res für anwendbar. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine von der Kläge-
rin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung. Das Berufungsgericht hat nicht
geprüft, ob die VOB/B als Ganzes vereinbart wurde oder ob die Inhaltskontrolle
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nach § 9 AGBG eröffnet ist und ob die Bestimmung ihr standhalten würde. Die-
se Fragen können offen bleiben. Verjährung ist keinesfalls eingetreten. Denn
die Verjährung wurde durch das Schreiben der Beklagten vom 30. Dezember
1998 gemäß § 208 BGB unterbrochen. Danach begann unabhängig von der
Anwendbarkeit des § 13 VOB/B in jedem Fall die vereinbarte fünfjährige Verjäh-
rungsfrist neu zu laufen.
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts, das Schreiben vom
30. Dezember 1998 enthalte ein Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB, ist ent-
gegen der Ansicht der Revisionserwiderung revisionsrechtlich nicht zu bean-
standen. Ein Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB liegt dann vor, wenn sich
aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger
klar und unzweideutig ergibt, daß dem Schuldner das Bestehen der Schuld be-
wußt ist und angesichts dessen der Berechtigte darauf vertrauen darf, daß sich
der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung
berufen wird (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - VII ZR 136/92, BauR
1994, 103 = ZfBR 1994, 17; st. Rspr.). Diese Grundsätze hat das Berufungsge-
richt beachtet. Die Beklagte bringt in dem Schreiben unzweideutig ihr Wissen
zum Ausdruck, zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein. Eine Einschränkung,
nur aus Kulanz zur Vermeidung weiteren Streits nachbessern zu wollen, ist dem
Schreiben nicht zu entnehmen.
3. Ist § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B nicht anwendbar, ist die Mängelbe-
seitigungsaufforderung der Klägerin vom 23. Oktober 1998 für den Lauf der
vereinbarten fünfjährigen Verjährungsfrist ohne Bedeutung. Diese Frist wurde
durch das Anerkenntnis der Beklagten vom 30. Dezember 1998 gemäß § 208
BGB unterbrochen. Sie begann danach neu zu laufen, § 217 BGB. Bei Klage-
erhebung war sie noch nicht abgelaufen.
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4. Ist § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B anwendbar, ist Verjährung eben-
falls nicht eingetreten.
a) Nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ist der Auftragnehmer zur Män-
gelbeseitigung verpflichtet, wenn es der Auftraggeber vor Ablauf der Verjäh-
rungsfrist schriftlich verlangt. Dieser Anspruch verjährt nach § 13 Nr. 5 Abs. 1
Satz 2 VOB/B mit Ablauf der Regelfristen des § 13 Nr. 4 VOB/B, gerechnet vom
Zugang des schriftlichen Verlangens an, jedoch nicht vor Ablauf der vereinbar-
ten Frist. Das gilt auch dann, wenn die Parteien eine längere als die in § 13
Nr. 4 Abs. 1 VOB/B vorgesehenen Fristen vereinbart haben (BGH, Urteil vom
18. März 1976 - VII ZR 35/75, BGHZ 66, 142). Die Bestimmung bezieht sich auf
alle Gewährleistungsansprüche aus § 13 VOB/B (BGH, Urteile vom
19. September 1985 - IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375, 383 und vom 29. April 1974
- VII ZR 29/73, BGHZ 62, 293).
b) Wird der Lauf einer nach § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B vereinbarten und
nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B verlängerten Verjährungsfrist nach ge-
setzlichen Bestimmungen unterbrochen, so wird gemäß § 217 BGB nach dem
Ende der Unterbrechung die vereinbarte Frist und nicht die Regelfrist des § 13
Nr. 4 Abs. 1 VOB/B erneut in Gang gesetzt. Das hat der Senat wiederholt ent-
schieden (Urteile vom 23. Februar 1989 - VII ZR 89/87, BGHZ 107, 75, 85, 86
und vom 9. Oktober 1986 - VII ZR 184/85, BauR 1987, 84, 86 = ZfBR 1987, 37).
Hieran hält er nach Überprüfung fest. Die Bedenken des Berufungsgerichts
rechtfertigen keine andere Entscheidung:
aa) Ob die Parteien ursprünglich die Regelfrist des § 13 Nr. 4 Abs. 1
VOB/B oder eine andere Frist vereinbart haben, ist ohne Bedeutung. § 13 Nr. 5
Abs. 1 Satz 2 VOB/B ist eine typisierte Regelung, die der Rechtssicherheit dient
und deren Anwendbarkeit nicht davon abhängt, ob im Einzelfall die Erwägun-
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gen zutreffen, die zur Schaffung der Bestimmung geführt haben. Sie gilt unab-
hängig davon, welche Verjährungsfrist zunächst vereinbart wurde und soll Zwei-
fel über die Dauer der Verjährungsfrist möglichst ausschließen (BGH, Urteile
vom 20. Dezember 1971 - VII ZR 97/70, BGHZ 58, 7, 11 ff und vom 18. März
1976 - VII ZR 35/75, BGHZ 66, 142, 145).
bb) Da die Regelung nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls ab-
stellt, ist es auch unerheblich, ob die Unterbrechung der Verjährungsfrist durch
ein Anerkenntnis oder die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens
herbeigeführt wurde.
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigt der Um-
stand, daß nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B der Mängelbeseitigungsan-
spruch "mit Ablauf der Regelfristen" verjährt, nicht den Schluß, daß ab dem
Mängelbeseitigungsverlangen nur noch die Regelfristen und nicht mehr die ver-
einbarte Frist in Betracht kommen. Durch diese Formulierung wird lediglich das
Ende der durch das Mängelbeseitigungsverlangen verlängerten vereinbarten
Frist festgelegt. Sie sagt nichts darüber aus, welche Frist in Gang gesetzt wird,
wenn innerhalb der verlängerten Frist eine Unterbrechung der Verjährung auf-
grund gesetzlicher Vorschriften eintritt. Das Berufungsgericht berücksichtigt
auch hier nicht, daß es sich bei § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B um eine typi-
sierte Regelung handelt, die jedem Auftraggeber zugute kommt. Damit ist eine
Auslegung der Bestimmung nicht zu vereinbaren, die dazu führen kann, daß
der Auftraggeber durch die Einbeziehung der VOB/B hinsichtlich des Laufs der
Verjährungsfrist gegenüber der gesetzlichen Regelung (vgl. oben 3) benachtei-
ligt wird. Das wäre der Fall, wenn nach der Unterbrechung die zweijährige Ver-
jährungsfrist des § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B zu laufen beginnen würde.
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c) Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten
wird von § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B erfaßt. Nach der Unterbrechung durch
das Anerkenntnis der Beklagten am 30. Dezember 1998 begann die ursprüng-
lich vereinbarte Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß § 217 BGB neu zu lau-
fen. Sie war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen.
III.
Da noch Feststellungen zur Höhe des Anspruchs zu treffen sind, war die
Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dressler Hausmann Wiebel
Kniffka Bauner