Urteil des BGH vom 26.02.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 13/06 Verkündet
am:
26. Februar 2007
Boppel
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1004
a) Die unbefugte Befüllung eines in fremdem Eigentum stehenden Flüssiggas-
behälters ist auch dann eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S. von § 1004
BGB, wenn der Behälter nicht mit einer auf den Eigentümer hinweisenden
Beschriftung oder sonstigen Kennzeichnung versehen ist.
b) Wird nach Abgabe einer auf gekennzeichnete Tanks beschränkten Unterlas-
sungserklärung das Eigentum erneut dadurch beeinträchtigt, dass ein nicht
gekennzeichneter Tank befüllt wird, wird hierdurch die Wiederholungsgefahr
begründet, sofern die Erklärung nicht ausnahmsweise dahin auszulegen ist,
dass der Eigentümer die Fremdbefüllung seiner nicht gekennzeichneten La-
gerbehälter dulden will.
BGH, Urteil vom 26. Februar 2007 - II ZR 13/06 - OLG München - Zivilsenate in Augsburg
LG
Augsburg
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Der II.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 26.
Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn, Caliebe und
Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 30. Zivil-
senats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg,
vom 20.
Dezember 2005 aufgehoben und das Urteil der
9. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 7. Juli 2005 ab-
geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass das Ordnungsgeld
nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer
der Komplementärin der Beklagten, zu unterlassen, ohne Ein-
willigung der Klägerin in deren Eigentum stehende Flüssig-
gasbehälter zu befüllen und/oder befüllen zu lassen, es sei
denn, dass dem jeweiligen Besitzer (nach Maßgabe der mit
der Klägerin getroffenen Abreden) im konkreten Fall die
Fremdbefüllung gestattet ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Kosten des ersten Rechtszuges hat die Klägerin zu 1/7, die
Beklagte zu 6/7 zu tragen. Die Kosten des zweiten und dritten
Rechtszuges werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht - soweit im Revisionsverfahren noch von Be-
deutung - gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung
ihres Eigentums an einem Flüssiggastank geltend.
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Beide Parteien sind Lieferanten von Flüssiggas. Die Beklagte be-
füllte ohne Einwilligung der Klägerin am 7. Januar 2003, am 24. Februar 2003
und am 4. November 2003 im Auftrag der Firma H. GmbH einen bei die-
ser Kundin aufgestellten Gaslagerbehälter, der - wie zwischen den Parteien
unstreitig ist - auch ohne ausdrückliche Kennzeichnung im Eigentum der Kläge-
rin steht. Am 1. November 2003 hatte sich die Beklagte in einer Unterlassungs-
und Verpflichtungserklärung gegenüber der Klägerin verpflichtet, ohne Einwilli-
gung der Klägerin kein Flüssiggas in Behälter zu füllen oder füllen zu lassen,
die sich im Eigentum der Klägerin befinden und mit deren Firmenbezeichnung
versehen sind, sofern dem Besitzer eine Befüllung durch Dritte nicht gestattet
ist, und hatte für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung die Zahlung einer
Vertragsstrafe versprochen.
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Die Klägerin hat die Beklagte in erster Instanz aus dem Vertrags-
strafenversprechen in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie die Verurteilung
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der Beklagten begehrt, die Befüllung aller in ihrem - der Klägerin - Eigentum
stehenden Flüssiggasbehälter zu unterlassen, ohne Beschränkung auf solche
Behälter, die als ihr Eigentum gekennzeichnet sind.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die - allein gegen die
Abweisung des Unterlassungsbegehrens gerichtete - Berufung der Klägerin
blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der - von dem erken-
nenden Senat zugelassenen - Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt unter Aufhe-
bung des angefochtenen Urteils zur Abänderung der landgerichtlichen Ent-
scheidung und zur Verurteilung der Beklagten.
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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt:
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Der Klägerin stehe derzeit kein "unbeschränkter" Unterlassungs-
anspruch zu, da keine Wiederholungsgefahr bestehe. Diese sei durch die - auf
gekennzeichnete Tanks beschränkte - Unterlassungs- und Verpflichtungserklä-
rung der Beklagten vom 1. November 2003 ausgeräumt worden, mit der sich
die Klägerin begnügt habe. Eine neuerliche rechtswidrige Beeinträchtigung der
Eigentumsrechte der Klägerin sei nicht ersichtlich, zumal die Befüllung vom
4. November 2003 schon zwei Jahre zurückliege.
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II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht
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stand.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Kläge-
rin ein - uneingeschränkter - Unterlassungsanspruch zu (§ 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB). Die Beklagte hat Eigentum der Klägerin in anderer Weise als durch Be-
sitzentziehung oder -vorenthaltung beeinträchtigt, als sie den Gasbehälter bei
der Firma H. GmbH befüllte. Diese Beeinträchtigung musste die Klä-
gerin nicht dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB). Die Beklagte hat die aus ihrem Verstoß
gegen § 1004 Abs. 1 BGB folgende Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt.
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1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist das Berufungsgericht al-
lerdings davon ausgegangen, dass die unbefugte Befüllung eines in fremdem
Eigentum stehenden Flüssiggasbehälters eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.
von § 1004 BGB ist, weil dieses Vorgehen die Sachherrschaft des Eigentümers
auch dann verletzt, wenn ein Tank seiner technischen Bestimmung entspre-
chend befüllt wird (st.Rspr. z.B. Sen.Urt. v. 10. Oktober 2005 - II ZR 323/03,
WM 2006, 333 m.w.Nachw.).
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2. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht je-
doch verkannt, dass die Beklagte mit der am 4. November 2003 - ohne Einwilli-
gung der Klägerin - vorgenommenen Befüllung eines im Eigentum der Klägerin
stehenden Flüssiggastanks auch dann deren Eigentum i.S. von § 1004 BGB
beeinträchtigt hat, wenn der Behälter nicht mit einer auf das Eigentum der Klä-
gerin hinweisenden Beschriftung oder sonstigen Kennzeichnung versehen war
(vgl. Sen.Urt. v. 10. Oktober 2005 - II ZR 323/03, WM 2006, 333; v. 9. Februar
2004 - II ZR 131/03, BGHReport 2004, 972, 973; v. 15. September 2003 - II ZR
367/02, WM 2004, 733, 735; Beschl. v. 4. Juli 2005 - II ZR 74/04, nicht veröf-
fentlicht, Umdruck S. 2). Darauf, ob die Beklagte als unmittelbare (Hand-
lungs-)Störerin erkennen konnte, dass der von ihr befüllte Tank Eigentum der
Klägerin war, kommt es nicht an. Der Tatbestand der Eigentumsbeeinträchti-
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gung i.S. von § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt ebenso wenig wie der Unterlas-
sungsanspruch ein Verschulden voraus (Sen.Urt. v. 9. Februar 2004 aaO; v.
15. September 2003 aaO). Ein Zumutbarkeitskriterium besteht nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofes nur für den mittelbaren Störer (vgl. BGHZ
106, 229, 235; 148, 13, 17). Von diesen Grundsätzen Abweichendes kann den
von der Revisionserwiderung herangezogenen Senatsentscheidungen nicht
entnommen werden, auch nicht dem Beschluss vom 22. März 2004 (- II ZR
76/03 - nicht veröffentlicht).
3. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts war die Eigen-
tumsbeeinträchtigung vom 4. November 2003 rechtswidrig. Die Klägerin ist
nicht deshalb verpflichtet, eine Befüllung der nicht als ihr Eigentum gekenn-
zeichneten Flüssiggasbehälter durch die Beklagte zu dulden (§ 1004 Abs. 2
BGB), weil sie - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - von der Be-
klagten ursprünglich nur eine auf gekennzeichnete Behälter beschränkte Unter-
lassungserklärung gefordert und entgegengenommen hat. Daraus lässt sich
nicht entnehmen, dass die Klägerin - wie die Revisionserwiderung offenbar
meint - die Verpflichtung eingehen wollte, die Befüllung der in ihrem Eigentum
stehenden, nicht gekennzeichneten Behälter durch die Beklagte zu dulden.
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4. Ebenso rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine Wie-
derholungsgefahr verneint.
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Die festgestellte Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin
begründet die tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr (Sen.Urt.
v. 24. Oktober 2005 - II ZR 56/06, WM 2006, 334; v. 15. September 2003 aaO;
BGHZ 140, 1, 10). Die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der Beklag-
ten vom 1. November 2003 war nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr auszu-
räumen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte erklärt hätte,
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sie wolle künftig das Alleinbefüllungsrecht der Klägerin hinsichtlich aller in deren
Eigentum stehenden Flüssiggasbehälter respektieren. Die Unterlassungserklä-
rung vom 1. November 2003 bleibt hinter diesem Erfordernis zurück, weil sie
sich nur auf solche Behälter bezieht, die mit der Firmenbezeichnung, dem Fir-
menlogo der Klägerin oder mit einem Eigentumsaufkleber versehen sind.
Es kann dahinstehen, ob - wie die Revisionserwiderung meint -
durch die Zusage, künftig in der genannten Weise gekennzeichnete Gasbehäl-
ter der Klägerin nicht mehr zu befüllen, die Wiederholungsgefahr dennoch
- zunächst - entfallen ist, weil die Klägerin von der Beklagten nur eine derart
eingeschränkte Unterlassungserklärung gefordert und entgegengenommen hat.
Jedenfalls hat die am 4. November 2003 - nach Abgabe der Unterlassungser-
klärung - vorgenommene Befüllung eines im Eigentum der Klägerin stehenden
Gastanks eine neue Wiederholungsgefahr begründet (Hefer-
mehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. § 12 UWG Rdn. 1.157).
Diese konnte nur durch eine weitere - alle, auch nicht besonders gekennzeich-
nete Gastanks der Klägerin - umfassende Unterlassungserklärung beseitigt
werden.
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5. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist entgegen der Auf-
fassung der Revisionserwiderung auch nicht verwirkt.
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Ein Recht ist nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht
geltend gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des
Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte,
dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird
(st.Rspr., vgl. z.B. BGHZ 105, 290, 298).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Umstände, die das
Vertrauen der Beklagten darauf hätten rechtfertigen können, dass die Klägerin
ihren Unterlassungsanspruch nicht mehr geltend machen würde, sind nicht er-
sichtlich. Der - seit der letzten Befüllung bis zur Geltendmachung des Unterlas-
sungsanspruchs - verstrichene Zeitraum von etwa neunzehn Monaten, auf den
sich die Revisionserwiderung beruft, genügt hierfür nicht. Zudem hatte die Klä-
gerin schon mit der Einforderung der Vertragsstrafe deutlich gemacht, dass sie
die erneute Beeinträchtigung ihres Eigentums durch die Beklagte nicht hinzu-
nehmen gewillt war.
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Goette Gehrlein Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 07.07.2005 - 9 O 258/05 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 20.12.2005 - 30 U 536/05 -