Urteil des BGH vom 12.03.2013

BGH: verfügung, akte, eigenes verschulden, anweisung, einspruch, versäumnis, sorgfalt, kenntnisnahme, hauptsache, form

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 42/12
vom
12. März 2013
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger
sowie die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2012
wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 117.000
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die teilweise Rückerstattung
des Kaufpreises für Holzverarbeitungsmaschinen. Das Landgericht hat die
Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat
das Landgericht mit Verfügung vom 8. November 2011, die dem Prozessbe-
vollmächtigten der Klägerin am 14. November 2011 zugestellt worden ist, Ter-
min zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache sowie für die Gü-
teverhandlung auf den 14. Dezember 2011 bestimmt. Im Termin vom
14. Dezember 2011 ist für die Klägerin - erneut - niemand erschienen. Darauf-
hin hat das Landgericht den Einspruch der Klägerin durch zweites Versäumnis-
urteil verworfen.
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Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, ihr
Prozessbevollmächtigter sei ohne eigenes Verschulden am Erscheinen im
Termin vom 14. Dezember 2011 gehindert gewesen. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die form- und
fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzli-
che Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das zweite
Versäumnisurteil des Landgerichts mit Recht als unzulässig verworfen.
Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist nur insoweit statt-
haft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung
nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der
Darlegung hängt schon die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab (BGH, Urteil vom
25. November 2008 - VI ZR 317/07, NJW 2009, 687 Rn. 6 zu § 565 i.V.m. § 514
Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht zutreffend aus-
geführt hat, keine Tatsachen schlüssig vorgetragen, welche die Annahme recht-
fertigen würden, dass ihr Prozessbevollmächtigter den Verhandlungstermin vor
dem Landgericht am 14. Dezember 2011 unverschuldet versäumt hätte. Es ist
deshalb davon auszugehen, dass die Säumnis auf einem Verschulden des Pro-
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zessbevollmächtigten beruht, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zu-
rechnen lassen muss.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Versäumung des Termins beruhe
darauf, dass der Termin nicht im Kalender eingetragen gewesen sei, obwohl ihr
Prozessbevollmächtigter seiner zuverlässigen, seit rund 20 Jahren für ihn täti-
gen Sekretariatsleiterin S. die schriftliche Weisung erteilt habe, den Termin
zu notieren. Diese habe die Weisung jedoch nicht selbst ausgeführt, sondern
sie - weisungswidrig - an die Auszubildende D. weitergegeben, die es ver-
säumt habe, den Verhandlungstermin in den Kalender einzutragen. Frau S.
habe dies nicht kontrolliert. Dieses Vorbringen entlastet den Prozessbevoll-
mächtigten der Klägerin nicht.
a) Im Einzelnen trägt die Klägerin vor, dass ihrem Prozessbevollmächtig-
ten am 14. November 2011 die Ladung zum Termin mit der Aufforderung zuge-
stellt worden sei, bis zum 23. November 2011 mitzuteilen, ob zu dem Termin
ein Dolmetscher für die polnische Sprache geladen werden solle. Am gleichen
Tag habe ihr Prozessbevollmächtigter folgende, sodann zu der Akte genomme-
ne schriftliche Anweisung diktiert:
"Verhandlungstermin auf den 14. Dezember, 14.00 Uhr, notieren.
Prüfen ob eine Terminkollision besteht, ich denke ja, mich ansprechen.
Frist notieren 23.11. Vorfrist 17.11.
Mir den Ordner gleich wieder geben.
14.11. u.d."
Nach Kenntnisnahme von der auf den 17. November 2011 eingetrage-
nen Vorfrist habe er die Mitarbeiterin S. angewiesen, ihm die Akte vorzule-
gen; dies sei allerdings erst am 23. November 2011 geschehen. Nach Einsicht
in die Akte habe er die Mitarbeiterin angesichts des bevorstehenden Fristab-
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laufs und unter Hinweis auf diesen angewiesen, die Notwendigkeit der Bestel-
lung eines Dolmetschers sofort telefonisch mit dem polnischen Korrespon-
denzanwalt zu klären und das Ergebnis dem Gericht anschließend sofort tele-
fonisch mitzuteilen. Frau S. habe jedoch die Erledigung auch dieses Auftrags
versäumt.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Prozessbevollmächtigten der
Klägerin in Anbetracht der dargelegten Umstände, wie das Berufungsgericht
gemeint hat, ein Organisationsverschulden zur Last fällt. Das Vorbringen der
Klägerin ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde jedenfalls nicht
geeignet, ihren Prozessbevollmächtigen von dem vom Berufungsgericht eben-
falls bejahten Vorwurf eigenen Verschuldens zu entlasten.
Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für den
Prozessbevollmächtigten eine weitere Sachbearbeitung bei Wiedervorlage der
Akte am 23. November 2011 ohne Anknüpfung an die Verfügung vom 14. No-
vember 2011 praktisch nicht möglich war. Denn nur aus dieser Verfügung konn-
te der Prozessbevollmächtigte erkennen, aus welchem Grund er die Eintragung
einer Vorfrist auf den 17. November und einer Frist auf den 23. November 2011
verfügt hatte und was daher nun zu tun war. Aus dem Fristenkalender war dies
nicht ersichtlich. Dies wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage ge-
stellt. Somit ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläge-
rin seine Verfügung angesehen hat, als ihm die Akte zur Weiterbearbeitung
wieder vorgelegt wurde.
Gegenteiliges behauptet auch die Klägerin nicht. Sie macht nur geltend,
dass ihr Prozessbevollmächtigter bei Einsicht in die Akte den Erledigungsver-
merk der Auszubildenden "nicht zur Kenntnis genommen" habe. Darin besteht
gerade das dem Prozessbevollmächtigten vorzuwerfende Versäumnis. Mit
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Recht hat das Berufungsgericht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten
damit begründet, dass diesem beim Einblick in seine Verfügung hätte auffallen
müssen, dass der Erledigungsvermerk auf dieser Verfügung nicht das Handzei-
chen der zuständigen Mitarbeiterin S. , sondern (nur) das der Auszubildenden
enthielt. Denn dieser Erledigungsvermerk war nicht zu übersehen. Der Pro-
zessbevollmächtigte hätte sich deshalb vergewissern müssen, ob der Termin
am 14. November 2011 von der dafür nicht zuständigen und von ihm damit
auch nicht beauftragten Auszubildenden tatsächlich eingetragen worden war.
Dies gilt umso mehr, als bereits ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergan-
gen war und deshalb mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten war, dass gegen
die Klägerin kein zweites, nur noch beschränkt anfechtbares Versäumnisurteil
ergehen würde.
Es geht hier also nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, etwa darum,
dass der Prozessbevollmächtigte verpflichtet gewesen wäre, die gesamte Akte
daraufhin durchzusehen, ob und von wem seine Verfügung vom 14. November
2011 ausgeführt worden war. Vielmehr musste er nur in diese Verfügung Ein-
blick nehmen, weil dies unumgänglich war, um die Akte sachgerecht weiterbe-
arbeiten zu können. Dabei hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass seine Ver-
fügung weisungswidrig nicht von der Mitarbeiterin S. , der er die Anweisung
erteilt hatte und die dafür auch allein zuständig war, ausgeführt worden war,
sondern - nach dem Erledigungsvermerk - von der Auszubildenden D. . Das
hätte ihm Anlass zur Nachfrage geben müssen, ob der Verhandlungstermin von
der Auszubildenden tatsächlich eingetragen worden war.
Daran bestanden - für den Prozessbevollmächtigten ersichtlich - Zweifel.
Zum einen ist der Erledigungsvermerk der Auszubildenden nur neben der An-
weisung zur Fristeintragung angebracht, nicht aber (auch) neben der Anwei-
sung zur Eintragung des Verhandlungstermins, so dass unklar ist, ob er sich
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überhaupt auf diese in der Verfügung weiter oben stehende Anweisung bezie-
hen soll. Schon das hätte dem Prozessbevollmächtigten Anlass zur Klärung
geben müssen.
Zum anderen war für ihn aus seiner Verfügung ersichtlich, dass seine
Anweisung bezüglich der Terminseintragung jedenfalls zu einem Teil nicht aus-
geführt worden war. Weil der Prozessbevollmächtigte, wie in der Verfügung
vermerkt, für den 14. Dezember 2011 eine Terminkollision vermutete, hatte er
seine Mitarbeiterin S. ausdrücklich angewiesen, dies zu überprüfen und ihn
darauf anzusprechen. Die Klägerin trägt nicht vor, dass die Mitarbeiterin S.
dies getan hätte. Das liegt auch fern, weil die Mitarbeiterin S. die Ausführung
der Verfügung der Auszubildenden übertragen hatte. Dem Prozessbevollmäch-
tigten hätte deshalb beim Einblick in seine Verfügung bewusst werden müssen,
dass die Frage der Terminkollision (noch) nicht mit ihm besprochen worden
war. Auch aus diesem Grund hatte er Anlass, entweder bei seiner Mitarbeiterin
S. nachzufragen oder selbst im Kalender nachzusehen, ob der Verhand-
lungstermin in dieser Sache mit einem anderen Termin kollidierte. Hätte er dies
getan, wäre ihm selbst oder seiner Mitarbeiterin S. bei Einblick in den Kalen-
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der aufgefallen, dass der Verhandlungstermin von der Auszubildenden nicht
eingetragen worden war.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 14.12.2011 - 4 O 1/11 KfH -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.07.2012 - 8 U 6/12 -