Urteil des BGH vom 15.01.2013

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 589/12
vom
15. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Bad Kreuznach vom 28. Juni 2012, soweit es ihn betrifft,
aufgehoben
a) in den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe mit den zugehöri-
gen Feststellungen und
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-
mitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Handel-
treiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen bewaffneten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu
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einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Au-
ßerdem hat es den Wertersatzverfall in Höhe von 20.315,30 Euro angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, die auf die Rügen der Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützt ist, hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen
Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führten der Angeklagte
und seine Ehefrau, die nicht revidierende Mitangeklagte, in 17 Fällen Marihua-
na im Kilobereich aus den Niederlanden nach Deutschland ein und verkauften
es hier jeweils gewinnbringend weiter. Das in den Fällen 14 bis 17 der Urteils-
gründe eingeführte Marihuana lagerten sie zunächst in der gemeinsam genutz-
ten 4-Zimmerwohnung, bevor sie es außerhalb der Wohnung weiterverkauften.
Im Schlafzimmer der Wohnung verwahrte der Angeklagte, ein Jäger mit Waf-
fenbesitzkarte, in einer unverschlossenen Schrankwand mehrere geladene Pis-
tolen und Revolver auf. Auf dem Nachttisch lag eine Pistole. Der Angeklagte
war sich im Gegensatz zu seiner Ehefrau der Verfügbarkeit der Waffen be-
wusst.
2. Die getroffenen Feststellungen tragen in den Fällen 14 bis 17 der Ur-
teilsgründe die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG)
nicht.
a) Die im Schlafzimmer des Angeklagten in einer unverschlossenen
Schrankwand deponierten geladenen Pistolen und Revolver hat das Landge-
richt zwar zu Recht als Schusswaffen im Sinne der genannten Vorschrift ange-
sehen. Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt aber weiter voraus,
dass der Täter die Schusswaffe beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit
sich führt. Ein Mitsichführen liegt nur dann vor, wenn er die Schusswaffe be-
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wusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit
bedienen kann. Am eigenen Körper muss die Waffe dabei nicht getragen wer-
den; es genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet. Auch ist es nicht erforder-
lich, dass der Täter gewillt ist, die Waffe gegebenenfalls einzusetzen. Setzt sich
die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, reicht es zur Tatbestandserfül-
lung aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht
ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8, 10;
Beschluss vom 25. Juni 1999 - 3 StR 372/98).
b) Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe nicht in ausrei-
chender Weise, dass sich der Angeklagte in den genannten vier Fällen des
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
schuldig gemacht hat. Die Strafkammer hat dazu, wo die Betäubungsmittel als
Einzelakt des Handeltreibens gelagert wurden, überhaupt nur im Fall 17 der
Urteilsgründe Feststellungen getroffen. In diesem Fall wurde das Marihuana in
einem als Büro genutzten Raum sowie eine kleine Menge im Wohnzimmer
verwahrt. Dass das Marihuana in den übrigen drei Fällen anderswo, etwa im
Schlafzimmer aufbewahrt wurde, ist nicht ersichtlich. Damit kann aber selbst im
Fall 17 nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte
während der Lagerung der Betäubungsmittel in seiner Wohnung Schusswaffen
mit sich führte. Befindet sich die Schusswaffe in einem Behältnis und in einem
anderen Raum als die Betäubungsmittel, so ist dies in der Regel hierfür nicht
ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000,
433; Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09; Beschluss vom 23. Juni 2010
- 2 StR 203/10, NStZ 2011, 99). Auch die allgemein gehaltene Wendung des
Landgerichts, der Angeklagte habe "die Waffen offen in der Wohnung in unmit-
telbarer Nähe zu den Betäubungsmitteln aufbewahrt", belegt für sich genom-
men nicht das Merkmal des Mitsichführens. Es hätte vielmehr der konkreten
Darlegung bedurft, wo die Betäubungsmittel gelagert wurden und wie die räum-
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lichen Verhältnisse im Einzelnen waren, die es dem Angeklagten nach Ansicht
der Strafkammer ermöglichten, sich jederzeit der in einer Schrankwand im
Schlafzimmer befindlichen Pistolen und Revolver zu bedienen.
Bei dieser Beurteilung kann auch nicht auf die auf dem Nachttisch gela-
gerte Pistole abgestellt werden, da Feststellungen dazu, ob diese Pistole gela-
den war bzw. überhaupt entsprechende Munition vorhanden war, fehlen und
von daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich um eine, wie
von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vorausgesetzt, verwendungsfähige Schusswaffe
handelte (vgl. Körner, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 64 mwN).
3. Dieser Mangel des Urteils führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in
den Fällen 14 bis 17 der Urteilsgründe nebst den zugehörigen Feststellungen.
Der Wegfall der insoweit in Ansatz gebrachten Einzelstrafen entzieht dem Ge-
samtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Appl Berger
Eschelbach Ott
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