Urteil des BGH vom 14.07.1992

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 268/05 Verkündet
am:
12. Januar 2007
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 875, 959;
EGBGB Art. 233 § 2b
a) Die für die Einstellung eines Bodenordnungsverfahrens gegebene Begründung der
Flurneuordnungsbehörde, selbständiges Gebäudeeigentum eines Beteiligten liege
nicht vor, bindet die Zivilgerichte nicht. Diese haben vielmehr, wenn es weder zu
einem Grundbuchverfahren nach Art. 233 § 2b Abs. 3 Satz 4 EGBGB noch zu ei-
ner Feststellung der zuständigen Zuordnungsbehörde nach Art. 233 § 2b Abs. 3
Satz 1 EGBGB kommt, selbst zu prüfen, ob Gebäudeeigentum besteht.
b) Selbständiges Gebäudeeigentum konnte auch vor dem Inkrafttreten des Zweiten
Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) am 21.
Juli 1992 nicht durch schlichte Vereinbarung der Parteien aufgegeben werden,
sondern nur durch Aufgabe nach § 875 BGB, durch Dereliktion nach § 959 BGB
oder durch Wiederherstellung des Bestandteilverbunds mit dem Grundstück im
Wege der Übereignung an den Grundstückseigentümer nach § 929 Satz 2 BGB.
c) Seitdem ist die Aufgabe nur durch Abgabe einer Verzichtserklärung und Löschung
des Gebäudeeigentums im Gebäudegrundbuch nach § 875 BGB oder, bei Fehlen
eines Gebäudegrundbuchs, durch Einreichung einer notariell beurkundeten Auf-
gabeerklärung bei dem Grundbuchamt möglich.
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BGH, Urt. v. 12. Januar 2007 - V ZR 268/05 - OLG Celle
LG
Lüneburg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 9. November 2005 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Lüneburg vom 2. Februar 2005 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die R. GmbH (fortan: Schuldnerin), für die der Klä-
ger als Insolvenzverwalter handelt, erwarb von der (als Rechtsträger von Volks-
eigentum eingetragenen) LPG E. am 11. Januar 1991 ein Grund-
stück und ein Werkstattgebäude, das die LPG 1971 auf dem Grundstück errich-
tet hatte. 1998 schloss die Schuldnerin für das Gebäude eine Gebäudeversi-
cherung ab. Im selben Jahr wurde sie als Eigentümerin des Grundstücks in das
Grundbuch eingetragen. 1999 bestellte sie der Rechtsvorgängerin der Beklag-
ten eine erstrangige Grundschuld an dem Grundstück.
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Das Grundstück war seit 1996 in ein Bodenordnungsverfahren einbezo-
gen, welches die zuständige Flurneuordnungsbehörde am 1. Februar 2000 in
Ansehung des verkauften Grundstücks mit der Begründung einstellte, dass
selbständiges Gebäudeeigentum an dem Werkstattgebäude nicht bestehe.
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Am 4. Juli 2000 wurde das Werkstattgebäude durch einen Brand zer-
stört. Am 7. August 2002 zahlte der Gebäudeversicherer für das zerstörte Ge-
bäude umgerechnet 114.983,92 € als Versicherungsleistung an die Beklagte
aus. Diesen Betrag will der Kläger zur Masse des zwischenzeitlich eröffneten
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ziehen.
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Das Landgericht hat die Beklagte zur Auskehrung des Betrags an den
Kläger und zur Erteilung von Auskunft über weitere Leistungen des Versiche-
rers verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die
Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revi-
sion des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung der Verurteilung der Be-
klagten durch das Landgericht erreichen möchte. Diese beantragt die Zurück-
weisung der Revision.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht nimmt an, die Grundschuld der Beklagten habe
sich auf die Versicherungsforderung erstreckt (§§ 1127 Abs. 1, 1192 Abs. 1
BGB). Es meint, selbständiges Gebäudeeigentum an dem Werkstattgebäude
habe nicht bestanden. Dies stehe aufgrund des Bescheids des Amts für Land-
wirtschaft und Flurneuordnung mit Bindungswirkung für die Parteien fest. Je-
denfalls hätten die Parteien Grundstück und Gebäude in ihrem Kaufvertrag als
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Einheit angesehen. Aufgrund dieser Vereinbarung sei etwa entstandenes
selbstständiges Gebäudeeigentum untergegangen, ohne dass dazu ein Ver-
zicht nach Maßgabe vom Art. 233 § 4 Abs. 6 EGBGB habe herbeigeführt wer-
den müssen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
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1. Die Beklagte ist dem Kläger nach § 816 Abs. 2 BGB zur Herausgabe
der eingezogenen Versicherungssumme verpflichtet. Die Zahlung des Gebäu-
deversicherers an die Beklagte hat diesen zwar nicht befreit, weil die Beklagte
weder Gläubigerin der Versicherungsforderung noch zu deren Einziehung er-
mächtigt war. In der Erhebung der Klage liegt aber eine stillschweigende Ge-
nehmigung der Zahlung an die Beklagte. Eine solche Genehmigung führt nach
§ 185 BGB zur Wirksamkeit der Zahlung und verpflichtet den Empfänger nach §
816 Abs. 2 BGB zur Herausgabe, wenn ihm die Forderung nicht zustand
(st. Rspr. BGHZ 85, 267, 272 f.; BGH, Urt. v. 27. Januar 2005, I ZR 119/02,
NJW 2005, 2698, 2699).
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2. Die eingezogene Versicherungsforderung stand der Beklagten als
Grundschuldgläubigerin nach §§ 1192, 1127 Abs. 1 BGB nur zu, wenn die
Grundschuld als Gesamtgrundschuld auch das Gebäudeeigentum belastete
oder selbständiges Eigentum an dem versicherten Gebäude vor dem Eintritt
des Versicherungsfalls nicht oder nicht mehr bestand. Diese Voraussetzungen
liegen hier nicht vor.
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a) Eine Gesamtgrundschuld an Grundstück und Gebäudeeigentum wäre
zwar nach §§ 1192, 1132 BGB, Art. 233 §§ 2b Abs. 4, 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB
rechtlich möglich gewesen. Sie setzte aber nach § 873 BGB, Art. 233 § 2b
Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Eintragung der Grundschuld nicht nur in
das Grundbuch des Grundstücks, sondern auch in ein dazu nach Art. 233 § 2b
Abs. 2 Satz 1 EGBGB anzulegendes Grundbuch für das Gebäudeeigentum
voraus. Daran fehlt es.
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b) Das Fehlen selbständigen Gebäudeeigentums lässt sich entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts nicht daraus ableiten, dass die Flurneuord-
nungsbehörde mit ihrem Bescheid vom 1. Februar 2000 das eingeleitete Bo-
denordnungsverfahren für das Grundstück mit der Begründung eingestellt hat,
es bestehe mangels von dem Grundeigentum unabhängigen Gebäudeeigen-
tums kein Neuordnungsbedarf. Diese Entscheidung bindet die Zivilgerichte nicht
und enthebt sie auch nicht der Notwendigkeit, das Bestehen selbständigen Ge-
bäudeeigentums eigenständig zu prüfen.
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aa) Ein Verwaltungsakt entfaltet zwar im Zivilrechtsstreit Tatbestandwir-
kung (Senat, BGHZ 159, 179, 182; BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003, IXa ZA 5/03,
BGH-Report 2003, 1258, 1259). Das bedeutet aber zunächst nur, dass der Er-
lass des Bescheids als solcher (Senat, BGHZ 103, 30, 35; 122, 1, 6) und sein
Ausspruch (Senat, Urt. v. 19. Juni 1998, V ZR 43/97, NJW 1998, 3055) von den
Zivilgerichten hinzunehmen sind. Die Begründung eines Verwaltungsakts nimmt
dagegen an der Tatbestandswirkung nicht teil (BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003,
IXa ZA 5/03, aaO). Weitergehende Wirkungen entfaltet ein Verwaltungsakt im
Zivilrechtsstreit nur, wenn er, wie ein Restitutionsbescheid (dazu Senat, BGHZ
159, 179, 182 f.; Urt. v. 19. Juni 1998, V ZR 43/97, NJW 1998, 3055, 3056) o-
der ein Bescheid über ein Vorkaufsrecht (dazu: Senat, Urt. v. 14. März 1997, V
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ZR 129/95, VIZ 1997, 346 f.) nach dem Vermögensgesetz, kraft Gesetzes Ges-
taltungswirkung hat oder, wie ein Zuordnungsbescheid (dazu: Senat, Urt. v. 14.
Juli 1995, V ZR 39/94, VIZ 1995, 592, 593; Urt. v. 18. Januar 2002, V ZR
104/01, VIZ 2002, 422, 423 f.), kraft Gesetzes dazu bestimmt ist, die Rechtsla-
ge zwischen den am Verwaltungsverfahren Beteiligten auch zivilrechtlich ab-
schließend zu klären.
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Flurneuordnungs-
behörde hat in ihrem Bescheid nur die teilweise Einstellung des Bodenord-
nungsverfahrens angeordnet, hingegen keine förmliche Feststellung über das
Bestehen oder Nichtbestehen von Gebäudeeigentum getroffen. Zu einer sol-
chen Feststellung wäre sie auch nicht berechtigt gewesen. Eine Flurneuord-
nungsbehörde hat zwar nach Einleitung eines Bodenordnungsverfahrens ge-
mäß §§ 56 Abs. 2, 57, 64 LwAnpG festzustellen, welche Grund- und Gebäude-
eigentümer an dem Verfahren beteiligt sind. Sie wäre auch nicht verpflichtet,
von der eigenständigen Feststellung des Gebäudeeigentums von Beteiligten
abzusehen und eine Entscheidung der dazu nach Art. 233 § 2b Abs. 3 Satz 1
EGBGB berufenen Zuordnungsstellen - seit dem 1. Januar 2006 des Bundes-
amts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen - herbeizuführen
(BVerwGE 107, 177, 184), weil das Verfahren vor den Zuordnungsstellen nach
Art. 233 § 2b Abs. 3 Satz 5 EGBGB nachrangig ist. Das gilt aber nur, wenn ein
Bodenordnungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird. Wird das Bodenord-
nungsverfahren nicht durchgeführt und kommt es auch weder zu einem Grund-
buchverfahren nach Art. 233 § 2b Abs. 3 Satz 4 EGBGB oder einem anderen
Verfahren, so obliegt es nach Art. 233 § 2b Abs. 3 Satz 1 EGBGB allein der
zuständigen Zuordnungsbehörde, das Bestehen oder Nichtbestehen von Ge-
bäudeeigentum mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten festzustellen (Stau-
dinger/Rauscher, BGB [2003], Art. 233 § 2b EGBGB Rdn. 54 a.E. für Grund-
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buchverfahren). Da es an einer solchen Feststellung fehlt, hatte das Berufungs-
gericht selbst zu prüfen, ob das geltend gemachte selbständige Gebäudeeigen-
tum vor dem Brandfall (noch) bestand.
b) Das ist entgegen der Hilfserwägung, die das Berufungsgericht ange-
stellt hat, der Fall.
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aa) Das Werkstattgebäude wurde mit seiner Errichtung nicht Bestandteil
des Grundstücks; an ihm entstand vielmehr selbständiges Gebäudeeigentum
der LPG E. . Das ergibt sich aus § 13 Abs. 2 LPG-Gesetz 1959.
Danach wurden Gebäude unabhängig von Eigentum an Grund und Boden ge-
nossenschaftliches Eigentum, welche die LPG aufgrund eines Nutzungsrechts
an ihr übergebenem Boden errichtete. So liegt es hier. Nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts wurde das Werkstattgebäude im Jahre 1971 von der
LPG E. errichtet. Zu diesem Zeitpunkt war das ursprünglich Pri-
vateigentümern gehörende Grundstück enteignet, in Volkseigentum überführt
und der LPG in Rechtsträgerschaft übergeben worden. Damit war nach § 9
Abs. 3 LPG-Gesetz 1959 i. V. m. §§ 2 Abs 1 Buchstabe c, 9 der Anordnung ü-
ber die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken (vom 7. Juli 1969,
GBl. II S. 433) ein Nutzungsrecht der LPG E. an diesem Grund-
stück im Sinne von § 13 Abs. 2 LPG-Gesetz 1959 entstanden (BVerwG VIZ
1995, 354, 355; 2000, 162, 163 für den inhaltsgleichen § 18 LPG-Gesetz 1982).
Das berechtigte sie nach § 10 Abs. 1 Buchstabe d LPG-Gesetz 1959 zur Errich-
tung eines neuen Gebäudes, an dem sie selbständiges Gebäudeeigentum er-
langte.
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bb) Dieses hat die Schuldnerin durch den Kaufvertrag mit der LPG vom
11. Januar 1991 erworben (§ 929 Satz 2 BGB, Art. 233 § 2b Abs. 6 Sätze 1 und
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2 EGBGB). Es ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht
durch die Vereinbarungen in diesem Kaufvertrag oder später aufgegeben wor-
den.
(1) Das Berufungsgericht entnimmt diesem Vertrag die Vereinbarung,
dass das Gebäudeeigentum aufgegeben werden sollte. Dem kann nicht gefolgt
werden.
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(a) Die Auslegung einer Willenserklärung kann im Revisionsverfahren
nur beschränkt überprüft werden (st. Rspr., Senat, Urt. v. 30. September 2005,
V ZR 197/04, BGH-Report 2006, 4, 5), nämlich dahin, ob der Tatrichter die ge-
setzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Auslegungsgrundsätze, die
Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrun-
de liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt hat (st. Rspr., vgl.
BGHZ 135, 269, 273; BGH, Urt. v. 29. März 2000, VIII ZR 257/98, NJW 2000,
2508, 2509). Diesen Anforderungen genügt die Auslegung des Kaufvertrags der
Schuldnerin mit der LPG durch das Berufungsgericht nicht. Das Berufungsge-
richt hat nicht beachtet, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung von ih-
rem Wortlaut auszugehen ist (st. Rspr., vgl. BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urt. v. 27.
November 1997, IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901; v. 28. Januar 2002, II ZR
385/00, ZfIR 2004, 170 [Ls]; Senat, Urt. v. 30. September 2005, V ZR 197/04,
aaO). Außerdem hat es verkannt, dass an die Annahme eines Rechtsverzichts
strenge Anforderungen zu stellen sind und ein solcher in der Regel eine inso-
weit eindeutige Willenserklärung erfordert, weil ein Rechtsverzicht niemals zu
vermuten ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 20. Dezember 1983, VI ZR 19/82, NJW
1984, 1346, 1347; v. 16. November 1993, XI ZR 70/93, NJW 1994, 379, 380; v.
22. Juni 1995, VII ZR 118/94, WM 1995, 1677, 1678 f.). Der Senat ist deshalb
an die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gebunden. Er kann sie, da weite-
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re Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, selbst vornehmen. Sie führt zu dem Er-
gebnis, dass die Schuldnerin mit der LPG keinen Verzicht auf das Gebäudeei-
gentum vereinbart hat.
(b) Der gleichzeitige Erwerb von Gebäude- und Grundeigentum lässt,
was das Berufungsgericht übergeht, nach § 889 BGB den Bestand des Gebäu-
deeigentums rechtlich unberührt. Gerade deshalb ist der Erwerber eines
Grundstücks im Beitrittsgebiet nach § 78 Abs. 1 Satz 3 SachenRBerG ver-
pflicht, das ihm zustehende oder gleichzeitig erworbene selbständige Eigentum
an einem Gebäude auf dem Grundstück aufzugeben. Eine solche Aufgabe
könnte der Erwerber zwar auch in dem Grundstückskaufvertrag erklären. Der
Kaufvertrag der Schuldnerin mit der LPG vom 11. Januar 1991 enthält aber ei-
ne solche Erklärung nicht und verhält sich auch sonst nicht zum weiteren
Schicksal des Gebäudeeigentums. Die Annahme, die Schuldnerin habe das
Gebäudeeigentum aufgeben wollen, wird auch der zu berücksichtigenden (Se-
nat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054) Interessen-
lage der Vertragsparteien nicht gerecht. Die LPG war nämlich rechtlich nicht in
der Lage, der Schuldnerin das Eigentum am Grundstück zu verschaffen, weil
die ihr bis dahin zustehende Rechtsträgerschaft an dem ehemals volkseigenen
Grundstück mit dem Wirksamwerden des Beitritts durch die Umwandlung des
Volkseigentums in bürgerlich-rechtliches Eigentum (Art. 233 § 2 Abs. 1
EGBGB) kraft Gesetzes entfallen war (Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung,
Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 19) und
ihr fortan nicht mehr ermöglichte, über das Grundstück zu verfügen. Dies war
nach § 3 3. DVO z. THG der damals noch als Treuhandanstalt bezeichneten
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgabe (BvS) zugefallen, die
an dem Vertrag nicht beteiligt war. Die Schuldnerin war zudem nicht durch
Vormerkung gesichert und hat das Eigentum auch nicht aufgrund des Kaufver-
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trags, sondern, Jahre später, aufgrund des Restitutionsbescheids des Amts zur
Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises S. erworben. Bei
erfolgter Aufgabe wäre das Werkstattgebäude mit dem Grundstück der BvS
zugefallen. Das Gelingen des Erwerbs wäre auch hinsichtlich dieses wesentli-
chen Teils allein von dem Erfolg des Restitutionsverfahrens abhängig gewesen.
Weshalb die Schuldnerin bei dieser Sachlage das Eigentum an dem Werkstatt-
gebäude und damit die einzige Sicherheit und Gegenleistung hätte aufgeben
sollen, erschließt sich nicht.
(2) Unabhängig hiervon scheiterte eine Aufgabe des Gebäudeeigentums
der Schuldnerin, was dem Berufungsgericht entgangen ist, auch daran, dass
dafür eine bloße Einigung der Kaufvertragsparteien darüber nicht ausreichte.
Hierfür kann offen bleiben, ob sich die Aufgabe von nutzungsrechtlosem Ge-
bäudeeigentum bei Abschluss des Kaufvertrags Anfang 1991 nach Mobiliar-
oder nach Immobiliarsachenrecht richtete (vgl. dazu BGH, Urt. v. 5. Januar
1995, IX ZR 214/93, DtZ 1995, 169, 171). Denn zu einer wirksamen Aufgabe
des Gebäudeeigentums ist es im einen wie im anderen Fall nicht gekommen.
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(a) Richtete sich die Aufgabe nach Immobiliarsachenrecht, war nach
§ 875 BGB die Abgabe einer Aufgabeerklärung und die Löschung des Rechts
im - dazu anzulegenden - Gebäudegrundbuch erforderlich. Daran fehlt es. Auch
die später eingeführte Möglichkeit des Verzichts nach Art. 233 § 2b Abs. 4
i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 2 EGBGB haben die Beteiligten nicht genutzt. Denn dazu
hätte die Erklärung, das Recht aufzugeben, notariell beurkundet und bei dem
Grundbuchamt eingereicht werden müssen. Hierfür ist nichts vorgetragen oder
sonst ersichtlich.
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(b) Richtete sich die Aufgabe des Gebäudeeigentums nach Mobiliarsa-
chenrecht, war sie nur durch Dereliktion nach Maßgabe von § 959 BGB oder
durch Wiederherstellung des Bestandsverbunds mit dem Grundstück zu errei-
chen, die entsprechend § 929 Satz 2 BGB möglich ist (Senat, BGHZ 23, 57, 59
f.; 165, 184, 188). An beidem fehlt es. Eine Dereliktion setzt außer der Absicht,
das Eigentum aufzugeben, die Besitzaufgabe voraus. Die Schuldnerin hat aber
im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag den Besitz an dem Werkstattgebäude
nicht aufgegeben, sondern dieses im Vorgriff auf den Kaufvertrag in Besitz ge-
nommen. Die Wiederherstellung des Bestandteilverbunds mit dem Grundstück
erforderte die Mitwirkung des Grundstückseigentümers. Das waren aber weder
die LPG noch die Eheleute T. , von deren Zustimmung der Vertrag abhän-
gen sollte, sondern die an dem Vertrag nicht beteiligte BvS.
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cc) Das Gebäudeeigentum der Schuldnerin ist entgegen der Ansicht der
Revisionserwiderung auch nicht dadurch entfallen, dass ihr das Eigentum an
dem Grundstück (offenbar aufgrund einer Abtretung ihres Rückübertragungs-
anspruchs durch die Eheleute T. nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG) durch
einen Restitutionsbescheid übertragen worden ist. Gegenstand des Restituti-
onsverfahrens kann hier nur das Grundstück, nicht aber das selbständige Ei-
gentum an dem nach Entziehung des Grundstücks durch die LPG errichteten
Gebäude gewesen sein. Dieses Gebäudeeigentum konnte im Restitutionsver-
fahren auch nicht nach § 16 Abs. 3 VermG aufgehoben werden. Es ist nicht,
was § 16 Abs. 3 VermG aber voraussetzt, mit einem dinglichen Nutzungsrecht
unterlegt und stünde, anders als mit einem Nutzungsrecht unterlegtes Gebäu-
deeigentum natürlicher Personen, einer Restitution nach § 4 Abs. 2 VermG
nicht entgegen. Sein Fortbestand bleibt vielmehr nach § 16 Abs. 2 und 4
VermG von der Restitution unberührt und richtet sich allein nach dem Sachen-
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und dem Sachenrechtsbereinigungsrecht, das zudem für den unredlichen Er-
werb in § 30 SachenRBerG eine vorrangige Sonderreglung bereithält.
dd) Die Beklagte kann sich auch nicht auf Grundsätze des Gutglaubens-
schutzes stützen. Zwar ist das Gebäudeeigentum der Schuldnerin bislang nicht
nach Maßgabe von Art. 233 § 2c Abs. 1 EGBGB wie eine Belastung des
Grundstücks in das Grundbuch für das Grundstück eingetragen. Es gilt deshalb
nach Art. 231 § 5 Abs. 4 Satz 1 EGBGB gegenüber gutgläubigen Erwerbern
von Belastungen an dem Grundstück als dessen Bestandteil. Voraussetzung
dafür ist aber, dass der Erwerb des Rechts an dem Grundstück nach dem 31.
Dezember 2000 erfolgt. Daran fehlt es hier, weil die Grundschuld für die Be-
klagte am 21. Januar 1999 eingetragen wurde.
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3. Der Kläger ist auch aktivlegitimiert. Nach dem 31. Dezember 2000
sind zwar noch weitere Grundpfandrechte an dem Grundstück eingetragen
worden, bei denen die Voraussetzungen des Art. 231 § 5 Abs. 4 EGBGB gege-
ben sein können. Bei Entstehen der Versicherungsforderung am 4. Juli 2000
war das aber nicht der Fall. Diese steht daher der Schuldnerin und damit dem
Kläger zu.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 02.02.2005 - 3 O 302/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.11.2005 - 4 U 38/05 -