Urteil des BGH vom 15.05.2001

BGH (sicherheitsleistung, zpo, höhe, zwischenurteil, anordnung, rüge, antrag, auslegung, entschuldigung, beschränkung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
ZWISCHENURTEIL
XI ZR 243/00
Verkündet am:
15. Mai 2001
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 15. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe
und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. van Gelder und Dr. Joeres
für Recht erkannt:
Die Anträge der Beklagten zu 1) und 3), eine Sicher-
heitsleistung der Klägerin für die Kosten des Revisi-
onsverfahrens anzuordnen, werden zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die in Südafrika residierende Klägerin nimmt die Beklagten im
W echselprozeß auf Zahlung in Anspruch. Die Klage ist in den Vorin-
stanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren
Klageantrag weiter.
Die Beklagten zu 1) und 3) haben in erster Instanz beantragt, ei-
ne Sicherheitsleistung der Klägerin gemäß § 110 ZPO anzuordnen. Das
Landgericht hat den Antrag der Beklagten zu 1) zurückgewiesen, diese
Entscheidung aber wieder aufgehoben. Eine weitere Entscheidung über
die beantragte Sicherheitsleistung hat das Landgericht nicht getroffen,
nachdem die Beklagten zu 1) und 3) seiner Auffassung zugestimmt
hatten, daß eine Sicherheitsleistung nicht angeordnet werden müsse,
wenn die Klage abgewiesen werde.
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Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zu 1) beantragt, eine Si-
cherheitsleistung der Klägerin gemäß § 110 ZPO anzuordnen, und zur
Begründung unter anderem ausgeführt, es bestehe ein Sicherungsbe-
dürfnis in Höhe der Prozeßkosten der ersten und zweiten Instanz von
42.696,70 DM. Der Beklagte zu 3) hat beantragt, eine Sicherheitslei-
stung der Klägerin gemäß § 110 ZPO in Höhe von 29.000 DM anzuord-
nen. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, bei diesem Be-
trag handele es sich um seine außergerichtlichen Kosten für die erste
und zweite Instanz. Das Berufungsgericht hat daraufhin beschlossen,
daß die Klägerin der Beklagten zu 1) Sicherheit in Höhe von
33.309,40 DM und dem Beklagten zu 3) eine solche von 22.637,40 DM
zu leisten habe. In Ansatz zu bringen seien bei der Berechnung in
Übereinstimmung mit der Auffassung der Parteien die Gebühren, die
sich ohne Ansatz einer Beweisgebühr für die zweite Instanz ergäben.
Im Revisionsverfahren haben die Beklagten zu 1) und 3) bean-
tragt, eine Sicherheitsleistung der Klägerin für die Kosten des Revisi-
onsverfahrens anzuordnen.
Entscheidungsgründe:
Die Anträge der Beklagten zu 1) und 3) sind unbegründet.
I.
Die Rügen der mangelnden Sicherheitsleistung für die Kosten der
Revisionsinstanz sind gemäß §§ 566, 529 Abs. 1, 296 Abs. 3 ZPO ver-
spätet erhoben worden und können nicht zugelassen werden.
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1. Die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozeß-
kosten gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzicht-
baren Rügen und ist gemäß § 282 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor der er-
sten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, zu
erheben (vgl. RGZ 155, 239, 241; BGHZ 37, 264, 267). Da über die
Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten nur einmal
und nicht in jeder Instanz erneut entschieden werden soll, ist in der Re-
visionsinstanz die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Ko-
sten dieser Instanz nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Si-
cherheitsleistung erst in dieser Instanz eingetreten sind oder wenn die
Rüge in den Vorinstanzen ohne Verschulden nicht erhoben worden ist
(BGH, Zwischenurteil vom 1. April 1981 - VIII ZR 159/80, NJW 1981,
2646).
2. Nach diesen Grundsätzen kann die beantragte Sicherheitslei-
stung nicht angeordnet werden.
a) Die Voraussetzungen der Sicherheitsleistung für die Kosten
des Revisionsverfahrens lagen, wie die Beklagten zu 1) und 3) nicht in
Zweifel ziehen, bereits in erster und zweiter Instanz vor.
b) Die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Kosten
des Revisionsverfahrens ist in den Vorinstanzen nicht erhoben worden.
aa) Die Beklagten zu 1) und 3) haben zwar im ersten Rechtszug
die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten uneinge-
schränkt beantragt, also für die Kosten des gesamten Rechtsstreits
einschließlich etwaiger Rechtsmittelzüge (BGH, Zwischenurteil vom
23. November 1989 - IX ZR 23/89, NJW -RR 1990, 378). Sie haben die-
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se Anträge aber wieder zurückgenommen, indem sie, wie im Tatbestand
des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben, der Auffassung des
Landgerichts zugestimmt haben, daß eine Sicherheitsleistung im Falle
der - tatsächlich erfolgten - Klageabweisung nicht angeordnet werden
müsse. Anders kann der Verzicht der Beklagten zu 1) und 3) auf jegli-
che Entscheidung über ihre Anträge auf Anordnung von Sicherheitslei-
stung, falls das Landgericht die Klage abweise, nicht verstanden wer-
den. Die Rücknahme der Anträge als sogenannter Erwirkungshandlun-
gen berührt keine rechtlich geschützten Interessen der Klägerin und ist,
ungeachtet ihrer Abhängigkeit von einer - eingetretenen - innerprozes-
sualen Bedingung, wirksam (vgl. Musielak, ZPO 2. Aufl. Einl. Rdn. 62,
63; Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. vor § 128 Rdn. 18, 20). Die Beklagten
zu 1) und 3) stehen danach so, als seien in erster Instanz keine Anträ-
ge auf Sicherheitsleistung gestellt worden.
bb) Im Berufungsverfahren haben die Beklagten zu 1) und 3) eine
Sicherheitsleistung nur für die Kosten der ersten und zweiten Instanz
beantragt.
Die Beklagte zu 1) beruft sich ohne Erfolg darauf, der Tenor ihres
Antrages enthalte keine Beschränkung auf die Kosten der ersten und
zweiten Instanz. Lediglich in der Antragsbegründung werde ein Siche-
rungsbedürfnis in Höhe der Prozeßkosten der ersten und zweiten In-
stanz geltend gemacht. Die Auslegung einer Prozeßhandlung darf nicht
am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirkli-
chen W illen der Partei zu erforschen (BGH, Beschluß vom
11. November 1993 - VII ZB 24/93, NJW -RR 1994, 568). Für die Ausle-
gung eines Antrages kommt daher der Antragsbegründung wesentliche
Bedeutung zu. Die Beklagte zu 1) hat in ihren Schriftsätzen vom
9. Dezember 1999 und vom 17. Januar 2000 ausdrücklich ein Siche-
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rungsbedürfnis in Höhe der Prozeßkosten der ersten und zweiten In-
stanz geltend gemacht und diese Kosten genau beziffert. Der Beklagte
zu 3) hat in seinem Schriftsatz vom 17. Januar 2000 seine außerge-
richtlichen Kosten in erster und zweiter Instanz detailliert errechnet und
Sicherheitsleistung in Höhe dieser Kosten verlangt. Angesichts dieser
Ausführungen kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Beklagten zu
1) und 3) Sicherheitsleistung nur für die Kosten des ersten und zweiten
Rechtszuges, nicht aber für die in ihren zweitinstanzlichen Schriftsät-
zen nicht erwähnten Kosten des Revisionsverfahrens begehrt haben.
Dieses Verständnis liegt auch dem Beschluß des Berufungsgerichts
über die Anordnung der Sicherheitsleistung zugrunde, gegen den die
Beklagten zu 1) und 3) Einwände nicht erhoben haben. Angesichts der
Beschränkung der Anträge auf Sicherheitsleistung für die außergericht-
lichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) in erster und zweiter Instanz
ist für eine nachträgliche Erhöhung nach § 112 Abs. 3 ZPO wegen der
Kosten der Revisionsinstanz von vornherein kein Raum (BGH, Zwi-
schenurteil vom 23. November 1989 - IX ZR 23/89, W M 1990, 374 f.;
Musielak/Foerste, ZPO 2. Aufl. § 112 Rdn. 3).
c) Die Beklagten zu 1) und 3) haben die verspätete Erhebung der
Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Kosten des Revisi-
onsverfahrens nicht genügend entschuldigt. Der Beklagte zu 3) macht
ohne Erfolg geltend, eine ausreichende Entschuldigung im Sinne des
§ 529 Abs. 1 ZPO liege jedenfalls insoweit vor, als die vom Berufungs-
gericht angeordnete Sicherheitsleistung die Beweisgebühr nicht umfas-
se und deshalb der Höhe nach hinter seinem zweitinstanzlichen Antrag
zurückbleibe. Aufgrund dieser Entscheidung habe er davon ausgehen
müssen, daß das Berufungsgericht eine höhere Sicherheitsleistung
nicht festsetzen werde.
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Diese Ausführungen stellen keine ausreichende Entschuldigung
dar. W eder durch das Land- noch durch das Berufungsgericht sind die
Beklagten zu 1) und 3) veranlaßt worden, ihre in der Berufungsinstanz
gestellten Anträge auf Anordnung von Sicherheitsleistung nur auf die
Kosten der ersten und zweiten Instanz zu erstrecken. Da es an einem
Antrag auf Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Kosten des Re-
visionsverfahrens fehlt, war das Berufungsgericht gehindert, die Kosten
des Revisionsverfahrens bei der Bemessung der Höhe der Sicher-
heitsleistung zu berücksichtigen.
II.
Die Anträge der Beklagten zu 1) und 3) waren daher zurückzu-
weisen. Da es sich um ein Zwischenurteil zwischen den Parteien des
Rechtsstreits handelt, war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen,
sondern der Endentscheidung vorzubehalten (BGH, Zwischenurteil vom
1. April 1981 - VIII ZR 159/80, NJW 1981, 2646, 2647).
Nobbe Siol Bungeroth
van Gelder Joeres