Urteil des BGH vom 27.04.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 77/03
vom
27. April 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; BRAGO § 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 5
Dem Rechtsanwalt steht, soweit sich seine Vergütung noch nach der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung richtet, für seine Tätigkeit im Verfahren über
eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde eine Gebühr von 20/10 zu (im
Anschluß an BGH, Beschluß vom 16. Dezember 2004 - IX ZB 463/02, ZIP 2005,
313).
BGH, Beschluß vom 27. April 2005 - VIII ZB 77/03 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert,
und Dr. Wolst
beschlossen:
Auf die Erinnerung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten
zu 1 wird der Beschluß der Urkundsbeamtin der Geschäftstelle
vom 4. März 2005 aufgehoben.
Die dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zu 1 aus der
Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 461,68 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beklagte zu 1 (künftig: Beklagter) hat, vertreten durch seinen ihm am
3. Februar
2004
im
Wege
der
Prozeßkostenhilfe
beigeordneten
Prozeßbevollmächtigten, gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig
Rechtsbeschwerde eingelegt, über die der Senat mit Beschluß vom 4. Februar
2004 entschieden hat. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat zunächst
die Erstattung einer Vergütung von insgesamt 308,21 € beantragt und dabei
eine 13/10-Rechtsbeschwerdegebühr aus einem Gegenstandswert von
2.676,72 € geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die
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zu erstattende Vergütung auf 126,07 € festgesetzt und den weitergehenden
Vergütungsantrag zurückgewiesen. Diese Festsetzung hat der Senat auf
Erinnerung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten mit Beschluß vom
14. September 2004 abgeändert und die Vergütung antragsgemäß auf 308,21 €
festgesetzt.
Unter Berufung auf eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des
IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2004 (IX ZB 463/02,
WM 2005, 380 = ZIP 2005, 313) beantragt der Prozeßbevollmächtigte des
Beklagten nunmehr, die ihm aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung
unter Ansatz einer 20/10-Rechtsbeschwerdegebühr auf insgesamt 461,68 €
festzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dies abgelehnt und
der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 128 Abs. 3 BRAGO zulässige Erinnerung hat Erfolg.
1. Auf die Festsetzung der dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten
zu erstattenden Vergütung und die eingelegte Erinnerung sind die Vorschriften
der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung
anwendbar,
weil
der
Prozeßbevollmächtigte des Beklagten diesem vor dem 1. Juli 2004 beigeordnet
worden ist (§ 61 Abs. 1 Satz 1 RVG).
2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 574 ff. ZPO sind in den
Fällen des § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Gebühren eines
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Rechtsanwalts nach § 2 BRAGO in sinngemäßer Anwendung von § 61a Abs. 3,
§ 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO festzusetzen.
a) Mit Beschluß vom 30. Januar 2004 (IXa ZB 153/03, WM 2004, 494)
hat der IXa-Zivilsenat im einzelnen dargelegt, daß das durch das
Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) neu eingeführte
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde von keinem der Gebührentatbestände der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung
erfaßt
wird.
Diese
planwidrige
Regelungslücke sei gemäß § 2 BRAGO für die Fälle der zugelassenen
Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen durch eine entsprechende
Anwendung der § 66 Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO zu schließen. Danach
steht dem Rechtsanwalt für die zugelassene Rechtsbeschwerde in
Zwangsvollstreckungssachen vor dem Bundesgerichtshof, für die eine eigene
Gebührenvorschrift in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung fehlt, eine
13/10-Gebühr zu. Dem hat sich der erkennende Senat für andere zugelassene
Rechtsbeschwerden angeschlossen (BGH, Beschluß vom 27. April 2004
- VIII ZB 103/02, BGH Report 2004, 1130).
b) In den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in denen die Statthaftigkeit
der Rechtsbeschwerde im Gesetz bestimmt ist, muß dagegen entsprechend
§ 61a Abs. 3 BRAGO die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO (Gebühr
20/10) angewendet werden. Die Begründung, mit der der IX. Zivilsenat dies in
seinem Beschluß vom 16. Dezember 2004 (aaO) für die Rechtsbeschwerde
nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entschieden hat, gelten ebenso für die
- gleichfalls kraft Gesetzes statthafte - Rechtsbeschwerde nach § 522 Abs. 1
Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
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Rechtsbeschwerden nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind nur unter den
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Begründung der
Rechtsbeschwerde muß in diesen Fällen gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eine
Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten.
Außerdem ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 1 und 3 ZPO in
ähnlicher Weise wie die Revision gemäß § 551 Abs. 3 ZPO zu begründen.
Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO ist bewußt revisionsähnlich
ausgestaltet
worden
und
kann
wirksam
nur
durch
einen
beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (BGH,
Beschluß vom 30. Januar 2004 - IXa ZB 153/03 aaO S. 495; vom 21. März
2002 - IX ZB 18/02, NJW 2002, 2181).
Für die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 61a Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr anzusetzen. Dasselbe
gilt für die Revision gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO. Die Prozeßgebühr im
Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird
allerdings auf die Prozeßgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in einem
nachfolgenden Revisionsverfahren erhält (§ 61a Abs. 4 BRAGO).
Bei
einer
Gesamtbetrachtung
von
Verfahrensgegenstand
und
Begründungsaufwand ist es im Falle einer kraft Gesetzes statthaften
Rechtsbeschwerde angemessen und geboten, sie gebührenrechtlich wie eine
Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln und folglich in entsprechender
Anwendung der § 61a, § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr
anzusetzen.
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2. Demzufolge ist der den weitergehenden Vergütungsantrag
zurückweisende
Beschluß
der
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
aufzuheben, und die Vergütung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten ist,
wie von ihm zuletzt beantragt, nach dem Gegenstandswert von 2.676,72 € wie
folgt festzusetzen:
20/10-Gebühr gemäß § 2, § 31 Abs. 1 Nr.1,
§ 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 5, § 123 BRAGO
378,00 €
Pauschale gemäß § 26 Satz 2 BRAGO
20,00 €
398,00 €
16 % Umsatzsteuer
63,68 €
Gesamtsumme
461,68 €.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Ball
Dr. Leimert
Dr. Wolst