Urteil des BGH vom 30.11.2005

BGH (strafkammer, betrug, beihilfe, verhandlung, fälschung, sache, durchsuchung, stpo, polizei, besitz)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 431/05
vom
30. November 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. November 2005
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Meiningen vom 21. März 2005 mit den Feststellungen aufgeho-
ben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Erfurt zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 6. März 2003 we-
gen gemeinschaftlichen Betrugs in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit gemein-
schaftlicher Fälschung technischer Aufzeichnungen, gemeinschaftlicher Fäl-
schung technischer Aufzeichnungen in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit ver-
suchtem gemeinschaftlichen Betrug und wegen Beihilfe zum Betrug in neun-
zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur Fälschung technischer Auf-
zeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die
Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 26. November
2003 - 2 StR 302/03 - dieses Urteil wegen Mängeln in der Beweiswürdigung
und wegen der rechtsfehlerhaften Anwendung des § 268 StGB auf die dem
Angeklagten vorgeworfenen Tachomanipulationen aufgehoben und die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht hat
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neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht hat
den Angeklagten nunmehr wegen Betrugs in neun Fällen, davon in einem Fall
versucht, sowie wegen Beihilfe zum Betrug in neunzehn Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und ihn im Übri-
gen freigesprochen.
Die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision
des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge, ein Hilfsbeweisantrag der Vertei-
digung sei rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden, Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte
einen Gebrauchtwagenhandel zunächst in S. , später in B.
. In den Jahren 1998 und 1999 verkaufte er in neunzehn Fällen gebrauch-
te Leasingfahrzeuge mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 150.000 km
zu einem angemessenen Preis unter Angabe des wahren Kilometerstandes an
den bereits verurteilten Gebrauchtwagenhändler
St. .
Vor
Übergabe der Fahrzeuge hatte der Angeklagte im Einvernehmen mit St. mit-
tels eines Tachojustiergerätes die Kilometerstände um durchschnittlich
100.000 km reduziert. St. verkaufte die Fahrzeuge zu - angesichts der tatsäch-
lichen Laufleistung - weit überhöhten Preisen überwiegend an Autohäuser wei-
ter.
Nach Beendigung der Zusammenarbeit mit St. kauften der Angeklagte
und der gesondert verurteilte Sch. Pkw's mit einem Kilometerstand von meist
mehr als 150.000 km an, manipulierten den Kilometerstand und verkauften die
Fahrzeuge mit von ihnen gefälschten Serviceheften unter falschem Namen in
neun Fällen zu überhöhten Preisen vorwiegend an Privatpersonen weiter, wobei
es in zwei Fällen beim Versuch blieb.
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b) Ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten stützt die
Strafkammer ganz wesentlich auf die Aussage der damaligen Freundin des
Sch. , M. , zu den Geschehnissen nach der vorläufigen Fest-
nahme Sch. s und der sich anschließenden Durchsuchungsmaßnahme auf
dem Betriebsgelände des Angeklagten:
"Die gegenseitige Kontaktaufnahme wegen des Nichtmeldens des
Sch. führte letztlich dazu, dass man sich dahingehend absprach, dass die
Zeugin M. zum Angeklagten auf dessen Verkaufsplatz wegen des weiteren
Vorgehens kommen würde, was diese dann auch getan hätte. Kurz nach ihrem
Zusammentreffen mit dem Angeklagten in dessen Verkaufsbüro sei ein schwar-
zer Jeep mit S. er Kennzeichen auf den Verkaufsplatz gefahren, wobei der An-
geklagte ihr gegenüber geäußert hätte, dass dies die 'Kripo' sei und ihr die Pkw-
Schlüssel für seine dunkle Audi A6 Limousine mit der Aufforderung, schnell
wegzufahren, übergeben hätte. Sie sei damals sehr aufgeregt gewesen; sie sei
aber vom Platz heruntergefahren, ohne dass sie angehalten worden sei. Sie sei
dann Richtung L. und sodann nach I. unmittelbar zu den El-
tern des anderweitig verfolgten Sch. gefahren. An dem Fahrzeug des An-
geklagten habe sich damals nach ihrer Erinnerung ein rotes Kennzeichen be-
funden. Sch. hätte damals einen älteren dunkelblauen Audi A6 TDI
Kombi, Baujahr vermutlich 1995, gefahren. Im Auto des Angeklagten hätte sie
dann Gegenstände, u.a. einen Rucksack mit Scheckheften, Stempeln, Kraft-
fahrzeugbriefen und Kraftfahrzeugschlüsseln und auch im Kofferraum das Ge-
rät in dem schwarzen Koffer zur Tachomanipulation vorgefunden. Das Fahr-
zeug sei dann zur Schwester des Sch. in I. verbracht worden" (UA
41).
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Diese von der Strafkammer als glaubhaft angesehenen Bekundungen
führten zu korrespondierenden Tatsachenfeststellungen im Urteil (UA 12 f.). Der
Verbleib des Fahrzeugs nebst Inhalt konnte nicht geklärt werden.
2. Der die Tat bestreitende Angeklagte hat sich hingegen eingelassen,
die Zeugin M. habe das Betriebsgelände bereits eine Stunde vor dem Ein-
treffen der Polizei mit dem Pkw des Sch. verlassen, ein Tachomanipulati-
onsgerät und Fälschungsunterlagen habe er nie besessen und demzufolge
auch nicht der Zeugin M. mitgegeben, um sie so dem Zugriff der Polizei zu
entziehen.
Im Rahmen seines Schlussvortrages stellte ein Verteidiger des Ange-
klagten den Hilfsbeweisantrag, die zwei Polizeibeamten, die mit dem Jeep als
erste bei der Durchsuchung auf das Betriebsgelände des Angeklagten gefahren
waren, zeugenschaftlich zu vernehmen. Gegenstand des Beweisantrags war
u.a. die in das Wissen der Zeugen gestellte Behauptung, die durchsuchenden
Polizeibeamten hätten bei dem Auffahren auf das Betriebsgelände beide Ein-
fahrten zugleich benutzt, unmittelbar vor dem Firmengebäude gestoppt, dabei
den Angeklagten allein angetroffen und könnten deshalb verlässlich ausschlie-
ßen, dass eine weibliche Person bei Erscheinen der Beamten auf dem Gelände
den Verkaufspavillon hätte verlassen, in ein Kraftfahrzeug steigen und das Ge-
lände ohne Überprüfung verlassen können.
Das Landgericht hat diesen Hilfsbeweisantrag in den Urteilsgründen zu-
rückgewiesen, indem es die Beweisbehauptungen als wahr unterstellt und
gleichzeitig für bedeutungslos erklärt hat (UA 50).
3. Diese Zurückweisung des Beweisbegehrens hält rechtlicher Nachprü-
fung nicht stand. Abgesehen davon, dass die gleichzeitige Ablehnung eines
Beweisantrags durch Wahrunterstellung und wegen Bedeutungslosigkeit nicht
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möglich ist, weil eine Wahrunterstellung nur bei erheblichen Tatsachen in Be-
tracht kommt (BGH NStZ-RR 2003, 268, 269; NStZ 2004, 51), begegnen beide
Ablehnungsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
a) Die als wahr unterstellten Umstände zum Ablauf der Durchsuchung
sind mit den im Urteil getroffenen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich nicht
in Einklang zu bringen. Die Kammer wäre deshalb gehalten gewesen, in den
Urteilsgründen auf die als wahr unterstellten Tatsachen ausdrücklich einzuge-
hen und näher zu erläutern, wie sie trotz der Wahrunterstellung zu den Sach-
verhaltsfeststellungen gelangt ist (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzu-
reichende, 11; BGH NStZ-RR 2001, 261).
b) Ebenso wenig begründet die Strafkammer in ihrem Urteil, warum es
die unter Beweis gestellten Behauptungen für bedeutungslos hält. Dies stellt
einen bedeutsamen Rechtsfehler dar, weil es hier keineswegs auf der Hand
liegt, dass eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatumstände für die
Sachverhaltsannahme des Landgerichts ohne Bedeutung gewesen wäre. Im
Gegenteil wäre die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei am Tag
der Durchsuchung im Besitz eines Tachomanipulationsgerätes sowie von Fäl-
schungsunterlagen gewesen und habe diese belastenden Gegenstände mit
Hilfe der Zeugin M. beim Eintreffen der Polizeibeamten deren Zugriff entzo-
gen, so nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen.
c) Der Senat kann das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht
ausschließen. Die lückenhafte Beweiswürdigung des Landgerichts tangiert nicht
nur die Glaubwürdigkeit der Zeugin M. , auf deren Aussagen die Strafkam-
mer ihre Beweiswürdigung maßgeblich stützt, sondern betrifft unmittelbar die
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Feststellungen zum Besitz und zur Beseitigung den Angeklagten belastender
Beweismittel.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt.
StPO Gebrauch gemacht und die Sache an eine Strafkammer des Landgerichts
Erfurt zurückverwiesen. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf
hin, dass im Fall III B Nr. 3 der Urteilsgründe - "Komplex Sch. " - nach den
bisher getroffenen Feststellungen eine Verurteilung nur wegen versuchten (statt
vollendeten) Betruges in Betracht kommt.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl