Urteil des BGH vom 20.11.2012

BGH: gesellschafterversammlung, gesellschaftsvertrag, ablauf der frist, unrichtige auskunft, schlussabrechnung, auflösung, liquidator, minderheit, publikumsgesellschaft, bilanz

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 148/10
Verkündet am:
20. November 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Dr. Drescher und Born
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres wei-
tergehenden Rechtsmittels das Urteil des 7. Zivilsenats des Bran-
denburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Juni 2010 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als es - mit Ausnahme des An-
spruchs auf Zinsen für den Zeitraum vor dem 28. September
2008 - die Klage abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom
1. September 2009 zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tra-
gen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wurde im Jahr 1992 zu dem Zweck gegrün-
det, in B. mehrere Wohnhäuser zu errichten und zu bewirtschaf-
ten. Die Beklagten traten der Gesellschaft im Dezember 1992 mit einem Betrag
von 769.400 DM zuzüglich Agio bei. Zuletzt betrug ihre Beteiligungsquote
1,2109 %.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) der Klägerin enthält unter
anderem folgende Bestimmungen:
§ 8
Haftung/Nachschüsse
1. Die Gesellschafter haften gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft mit
dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner.
2. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie den Gläubigern der Gesellschaft
nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesell-
schaft, in der Höhe jedoch unbegrenzt.
4. Die Gesellschafter sind verpflichtet, Unterdeckungen im Rahmen der Finan-
zierung des Bauvorhabens (§ 3 Ziff. 2 und 4) sowie der Bewirtschaftung des
gesellschaftseigenen Bauvorhabens einschließlich der Kosten der Gesell-
schaft anteilig zu tragen und auf Anforderung der Geschäftsführung Nach-
schüsse zu leisten …
5. Die Gesellschaft ist berechtigt, Nachschussleistungen mit Ansprüchen des
Gesellschafters auf Auszahlung von Überschüssen … zu verrechnen.
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§ 16
Gesellschafterversammlung
- Beschlussgegenstände -
Die Gesellschafterversammlung beschließt über
e) die Änderung des Gesellschaftsvertrages,
g)
die Auflösung der Gesellschaft …
h) alle sonstigen Angelegenheiten, die ihr nach diesem Gesellschaftsvertrag
zugewiesen sind …
§ 17
Gesellschafterversammlung
- Beschlussfassung, Stimmrechte -
3. Sämtliche Beschlüsse werden mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen
Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz oder dieser Vertrag ausdrücklich
eine andere Mehrheit vorschreibt. Bei Abstimmung über Gegenstände im
Sinne von [§] 16 e) und g) ist eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen, min-
destens aber von 51 % aller Gesellschafterstimmen erforderlich und ausrei-
chend.
5. Beschlüsse der Gesellschafter können außer in der Gesellschafterversamm-
lung auch durch schriftliche Abstimmung gefasst werden. Zur Wirksamkeit
solcher schriftlichen Beschlüsse genügt die in der Satzung oder im Gesetz
vorgeschriebene Mehrheit.
Die Klägerin geriet in eine wirtschaftliche Schieflage, weil ihre Einnah-
men nicht ausreichten, um die Wohnanlage zu bewirtschaften und den Kapital-
dienst gegenüber der finanzierenden Bank zu tragen. Die Gesellschafterver-
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sammlung der Klägerin fasste aufgrund einer Beschlussvorlage vom 30. März
2007, über die die Gesellschafter bis zum 25. April 2007 abstimmen konnten,
im schriftlichen Verfahren den Beschluss, die Fondsimmobilie zu einem Kauf-
preis von mindestens 9.000.000
€ zu veräußern. Mit Datum des dem notariellen
Kaufvertrag nachfolgenden Tages sollte die Klägerin als aufgelöst gelten. Zum
Liquidator wurde die B. GmbH bestellt. Der Be-
schluss wurde mit 98,4726 % der abgegebenen und 67,3886 % aller möglichen
Stimmen angenommen. 1,5274 % der abgegebenen Stimmen richteten sich
gegen die Beschlussvorlage oder enthielten sich.
Am 26. Oktober 2007 wurde die Immobilie zu einem Kaufpreis von
9.320.000
€ verkauft. Zum 27. Oktober 2007 wurden eine Liquidationsbilanz
sowie eine „Vermögensübersicht zur Liquidationseröffnung“ erstellt. Diese wie-
sen ein „negatives Kapital“ von 13.415.303,24 € aus. Zur Ermittlung des ersten
vorläufigen Liquidationsverlusts wurde voraussichtlichen Ausfällen von Gesell-
schaftern Rechnung getragen und das „negative Kapital“ dementsprechend um
2.400.000
€ auf einen Betrag von 15.815.303,24 € erhöht. In der Liquidationsbi-
lanz ist hierzu erläutert, dass bei bestimmten - namentlich genannten - Gesell-
schaftern „die Bonität aufgrund vorliegender Erklärungen der Gesellschafter
bzw. von deren Anwält
en als schlecht zu bewerten“ sei. Auf dieser Grundlage
und der Berücksichtigung einer Beteiligungsquote von 1,2109 % wurde eine
Ausgleichszahlung der Beklagten in Höhe von 159.143,33
€ ermittelt.
Mit Schreiben vom 23. November 2007 forderte die Klägerin die Beklag-
ten unter Fristsetzung bis zum 10. Dezember 2007 vergeblich zur Leistung ih-
res auszugleichenden Fehlbetrags auf.
Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte - nach Erhebung
der Klage im vorliegenden Verfahren - im Umlaufverfahren in der mit Schreiben
vom 12. September 2008 gesetzten Frist zur Stimmabgabe bis zum 27. Sep-
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tember 2008 mit 51,14 % aller möglichen und 86,2253 % aller abgegebenen
Stimmen dafür, die mit Schreiben vom 23. November 2007 versandte Vermö-
gensübersicht zur Liquidationseröffnung zum 27. Oktober 2007 als Schlussbi-
lanz zu genehmigen. Gleichzeitig wurde der Liquidator angewiesen, auf der Ba-
sis des ausgewiesenen Fehlbetrags der Gesellschaft in Höhe von
15.815.303,24
€ die erforderlichen Nachschüsse einzufordern und die Ausei-
nandersetzung zwischen den Gesellschaftern zu betreiben.
Der zunächst geschlossene Kaufvertrag vom 26. Oktober 2007 über die
Immobilie konnte nicht durchgeführt werden. Nachdem daraufhin im Umlaufver-
fahren beschlossen worden war, das Grundstück zu einem Kaufpreis von min-
destens 7.000.000
€ zu veräußern, schloss die Klägerin Anfang 2010 einen
neuen Kaufvertrag zu einem Kaufpreis von ca. 7.800.000
€.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 159.143,30
€ nebst Zinsen seit
dem 11. Dezember 2007 gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Be-
klagten führte zur Abweisung der Klage. Hiergegen richtet sich die vom erken-
nenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg und führt unter teilwei-
ser Aufhebung des angefochtenen Urteils - bis auf die Entscheidung über den
Zinsbeginn - zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
I. Das Berufungsgericht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil
vom 23. Juni 2010 - 7 U 167/09, veröffentlicht in juris) hat zur Begründung sei-
ner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Es könne dahinstehen, ob der Beschluss vom 12. September 2008 be-
reits deshalb unwirksam sei, weil er - nur - mit einfacher Mehrheit gefasst wor-
den sei. Der Klageforderung stehe jedenfalls entgegen, dass sich die Mehrheit
mit der Feststellung der Schlussrechnung treupflichtwidrig über beachtenswerte
Belange der Minderheit hinweggesetzt habe. Denn die Schlussrechnung enthal-
te Rückstellungen für den Ausfall von Nachschussforderungen, die auf einer
bloßen Prognose beruhten. Hierfür sei in einer Schlussbilanz kein Raum, weil
die Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 BGB erst eingreife, wenn von einem Ge-
sellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden könne. Deshalb
könne auch offen bleiben, ob die Mehrheit zudem nicht berücksichtigt habe,
dass die Beklagten geltend gemacht hätten, sie könnten ihrer Inanspruchnahme
durch die finanzierende Bank Ansprüche wegen Pflichtwidrigkeiten entgegen-
halten.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Die Beklagten sind gemäß dem Beschluss der Gesellschafterversamm-
lung der Klägerin, der im Umlaufverfahren mit Ablauf der im Schreiben vom
12. September 2008 gesetzten Frist für die Stimmabgabe am 27. September
2008 zustande gekommen ist, in Verbindung mit § 735 BGB zur Zahlung des
von der Klägerin geforderten anteiligen Verlustausgleichs verpflichtet. Ein An-
spruch auf Zinsen steht der Klägerin allerdings erst ab dem 28. September
2008 zu.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte der Beschluss der
Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 27. September 2008, die mit
Schreiben vom 23. November 2007 versandte Vermögensübersicht zur Liquida-
tionseröffnung zum 27. Oktober 2007 als Schlussbilanz zu genehmigen und
den Liquidator anzuweisen, auf der Basis des ausgewiesenen Fehlbetrags der
Gesellschaft in Höhe von 15.815.303,24 € die erforderlichen Nachschüsse ein-
zufordern, mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Dies hat der Senat bereits
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mit Urteil vom 15. November 2011 (II ZR 266/09, BGHZ 191, 293) zu einem
Beschluss entschieden, der auf der Grundlage eines in den hier erheblichen
Bestimmungen identischen Gesellschaftsvertrags gefasst worden war.
a) Beschlüsse in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind einstimmig
zu fassen (vgl. § 709 Abs. 1 BGB). Es steht den Gesellschaftern jedoch grund-
sätzlich frei, im Gesellschaftsvertrag das nach dem Gesetz geltende Einstim-
migkeitserfordernis durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen (vgl. § 709 Abs. 2
BGB). Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält für die Beschlussfassung
über die Feststellung einer Auseinandersetzungsbilanz, die zur Ermittlung des
zur Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden im Sinne von § 733 Abs. 1,
§ 735 BGB von den Gesellschaftern benötigten Betrags aufgestellt worden ist
(im Folgenden nur: Auseinandersetzungsbilanz), eine solche Regelung.
§ 17 Nr. 3 Satz 1 GV bestimmt, dass sämtliche Beschlüsse der Gesell-
schafterversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, soweit nicht das
Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich eine abweichende Mehrheit
vorschreiben. Danach genügt für die Beschlussfassung über die Feststellung
der Auseinandersetzungsbilanz die einfache Mehrheit, da weder das Gesetz
noch der Gesellschaftsvertrag für diesen Beschlussgegenstand ausdrücklich
eine andere Mehrheit vorschreiben.
b) Zwar wird im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht ausdrücklich
ausgesprochen, dass für die Beschlussfassung über die Auseinandersetzungs-
bilanz die einfache Mehrheit genügt. Für die formelle Legitimation einer auf die
Mehrheitsklausel gestützten Mehrheitsentscheidung ist es aber ausreichend,
dass sich - wie hier - durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags eindeutig
ergibt, dass der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung
unterworfen sein soll; einer Aufzählung der von der Mehrheitsklausel erfassten
Beschlussgegenstände im Einzelnen bedarf es hierfür grundsätzlich nicht, und
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zwar auch dann nicht, wenn es sich um ein früher so genanntes „Grundlagen-
geschäft“ handelt (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, BGHZ 170,
283 Rn. 6, 9 - OTTO; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179,
13 Rn. 15 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011
- II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 16).
c) Die Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, die der Senat,
da es sich um eine Publikumsgesellschaft handelt, selbständig und objektiv
vornehmen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06,
ZIP 2007, 812 Rn. 8; Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322
Rn. 12 jeweils mwN), ergibt, dass die Gesellschafter auch über die Feststellung
der Auseinandersetzungsbilanz nicht einstimmig, sondern mit einfacher Mehr-
heit der Stimmen entscheiden.
aa) Dieser Beschlussgegenstand ist - anders als beispielsweise die Än-
derung des Gesellschaftsvertrags und die Auflösung der Gesellschaft - in § 16
GV nicht gesondert aufgeführt. Er ist auch in der Bestimmung des § 17 Nr. 3
Satz 2 GV nicht genannt, nach der für die Entscheidung, ob die Gesellschaft
aufgelöst wird, eine (qualifizierte) Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen,
mindestens aber 51 % aller Gesellschafterstimmen ausreicht. Daraus ergibt
sich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, dass für Entscheidungen bei
der Durchführung der beschlossenen Auflösung einschließlich der Feststellung
der Auseinandersetzungsbilanz das Einstimmigkeitserfordernis gleichfalls ab-
bedungen sein soll. Angesichts der klaren gesellschaftsvertraglichen Regelun-
gen sowie der unterschiedlichen Bedeutung der Auflösungsentscheidung als
solcher einerseits und der Abwicklung der aufgelösten Gesellschaft anderer-
seits spricht ferner nichts dafür, dass das ausschließlich für die Änderung des
Gesellschaftsvertrags und die Auflösung der Gesellschaft angeordnete qualifi-
zierte Mehrheitserfordernis des § 17 Nr. 3 Satz 2 GV auch für die Beschluss-
fassung über die Auseinandersetzungsbilanz gelten sollte.
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bb) Nimmt man zudem den Charakter der Klägerin als Publikumsgesell-
schaft mit einer Vielzahl untereinander nicht persönlich verbundener Gesell-
schafter in den Blick, steht außer Zweifel, dass die allgemeine Mehrheitsklausel
des § 17 Nr. 3 Satz 1 GV die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz ein-
schließt. Der nach dem Gesetz geltende Einstimmigkeitsgrundsatz wird in Pub-
likumsgesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern regelmäßig durch
das Mehrheitsprinzip ersetzt, um die Handlungsfähigkeit solcher Gesellschaften
zu gewährleisten (vgl. MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 709 Rn. 94
mwN). Dieses Erfordernis besteht nach Auflösung der Gesellschaft in der Ab-
wicklungsphase unverändert fort. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,
dass § 17 Nr. 3 Satz 1 GV lediglich die Beschlussfassung in der werbenden
Gesellschaft erleichtern sollte, während für Beschlüsse in der Liquidationsphase
einschließlich solcher über die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz
- mangels einer anderslautenden Mehrheitsregelung im Gesellschaftsvertrag -
das Einstimmigkeitsprinzip gelten sollte. Hiervon konnten beitretende Gesell-
schafter vor dem Hintergrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht
ausgehen.
d) Die Beschlussfassung über die Feststellung der Auseinanderset-
zungsbilanz ist auch nicht deshalb aus dem Geltungsbereich der Mehrheits-
klausel des § 17 Nr. 3 Satz 1 GV auszunehmen, weil es sich um eine einer
nachträglichen Beitragserhöhung vergleichbare Entscheidung handele, die wie
jene der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedürfe (vgl. BGH, Urteil
vom 19. Oktober 2009 - II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 Rn. 12 mwN). Zwar ist für
Mehrheitsentscheidungen über eine nachträgliche Erhöhung der Beitragspflich-
ten im Sinn von § 707 BGB eine entsprechende eindeutige Legitimationsgrund-
lage im Gesellschaftsvertrag erforderlich, die Ausmaß und Umfang einer mögli-
chen zusätzlichen Belastung der Gesellschafter erkennen lassen muss, weil es
sich hierbei um eine antizipierte Zustimmung handelt (st. Rspr., vgl. nur BGH,
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Urteil vom 23. Januar 2006 - II ZR 306/04, ZIP 2006, 562 Rn. 18 ff.; Urteil vom
5. März 2007 - II ZR 282/05, ZIP 2007, 766 Rn. 13; Urteil vom 9. Februar 2009
- II ZR 231/07, ZIP 2009, 864 Rn. 14 f.). Die Feststellung der Auseinanderset-
zungsbilanz als Grundlage der hier in Rede stehenden Verlustausgleichspflicht
nach Auflösung der Gesellschaft steht jedoch einer Belastung der Gesellschaf-
ter mit zusätzlichen Beitragspflichten in der werbenden Gesellschaft nicht
gleich. Während die nachträgliche Begründung einer Nachschusspflicht in der
werbenden Gesellschaft von der gesetzlichen Regelung in § 707 BGB ab-
weicht, dass ein Gesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft nicht
ohne seine Zustimmung nachträglich mit zusätzlichen Beitragspflichten belastet
werden darf, stellt die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz - auch in der
Form des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom
27. September 2008 - lediglich eine Voraussetzung für die Geltendmachung der
sich nach Auflösung der Gesellschaft aus dem Gesetz selbst (§ 735 BGB) er-
gebenden und - anders als die Verpflichtung zur Nachschusszahlung in der
werbenden Gesellschaft - unabhängig von der Zustimmung des einzelnen Ge-
sellschafters bestehenden (MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 735
Rn. 1) Verlustausgleichspflicht dar und konkretisiert diese.
e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass mit der Feststellung
der Auseinandersetzungsbilanz darüber entschieden wird, ob die Gesellschaft
von den Gesellschaftern Nachschüsse anfordert oder ob sie es auf die Inan-
spruchnahme einzelner Gesellschafter durch die Gläubiger der Gesellschaft
ankommen lässt. Die Gesellschafter haben sich bereits mit dem Beschluss, die
Gesellschaft aufzulösen, dafür entschieden, die Verbindlichkeiten der Klägerin
aus deren Aktivvermögen und - soweit dieses nicht ausreicht - durch Nach-
schusszahlungen der Gesellschafter zu tilgen (§§ 733, 735 BGB).
Die Möglichkeit, dass die Gläubiger einzelne Gesellschafter unmittelbar
in Anspruch nehmen, wird hierdurch nicht berührt.
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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beschluss
auch nicht deshalb materiell unwirksam, weil sich die Mehrheit der Gesellschaf-
ter mit der getroffenen Entscheidung unter Verstoß gegen die gesellschafterli-
che Treuepflicht über beachtenswerte Belange der Minderheit hinweggesetzt
hätte. Das vom Berufungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ent-
scheidung herangezogene Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts (NZG
2010, 223) hat der Senat mit seinem Urteil vom 15. November 2011
(II ZR 266/09, BGHZ 191, 293) aufgehoben.
a) Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von einer Mehr-
heitsklausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist allerdings auf einer zweiten
Stufe zu prüfen, ob sie sich als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht
gegenüber der Minderheit mit der Folge darstellt, dass sie inhaltlich unwirksam
ist (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 10
- OTTO; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 17
- Schutzgemeinschaftsvertrag II). Dies trifft für den Beschluss der Gesellschaf-
terversammlung der Klägerin vom 27. September 2008 über die Feststellung
der Auseinandersetzungsbilanz jedoch nicht zu.
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht es für unzulässig erachtet,
in der Auseinandersetzungsbilanz zu berücksichtigen, dass ein Teil der Gesell-
schafter nicht in der Lage sein wird, die jeweiligen Nachschussforderungen der
Klägerin zu erfüllen. Die Berechnung der zur Erfüllung der Gesellschaftsver-
bindlichkeiten nach § 733 BGB erforderlichen Nachschüsse der Gesellschafter
auf der Grundlage der Prognose, dass in Höhe von 2.400.000
€ Nachschüsse
nicht zu erlangen sein werden, führt unter den festgestellten Umständen nicht
zur Treuwidrigkeit des Beschlusses vom 27. September 2008. Die Berücksich-
tigung von voraussichtlichen Ausfällen verletzt auch nicht das gesetzliche Leit-
bild des § 735 Satz 2 BGB.
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aa) Nach § 735 Satz 2 BGB haften die übrigen Gesellschafter subsidiär,
wenn der auf einen Mitgesellschafter nach § 735 Satz 1 BGB entfallende Ver-
lustausgleichsbetrag nicht erlangt werden kann. Der Verlustausgleichsbetrag
kann von einem Gesellschafter nicht erlangt werden, wenn er zahlungsunfähig
oder die Forderung gegen ihn aus sonstigen Gründen nicht durchsetzbar ist
(vgl. MünchKommBGB/Bydlinski, 6. Aufl., § 426 Rn. 36).
bb) Die Klägerin muss nicht darlegen, dass und gegebenenfalls in wel-
cher Höhe sie mit Nachschussforderungen gegen Gesellschafter konkret aus-
gefallen ist. Eine solche Darlegung ist zwar erforderlich, wenn im Zuge der
Schlussabrechnung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern der
Umfang der Nachschusspflicht der einzelnen Gesellschafter unter Berücksichti-
gung der subsidiären Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 BGB endgültig festge-
stellt werden soll. Dies trifft hier aber nicht zu. Bei dem Beschluss der Gesell-
schafterversammlung vom 27. September 2008 geht es noch nicht um die (auf
den Zeitpunkt der Vollbeendigung der Gesellschaft bezogene) endgültige Ab-
rechnung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Soweit in der mit
dem Beschluss vom 27. September 2008 mehrheitlich gebilligten Liquidations-
bilanz bei der Ermittlung des zur Berichtigung der Gesellschaftsverbindlichkei-
ten benötigten Betrages berücksichtigt worden ist, dass in Höhe von
2.400.000
€ voraussichtlich keine Zahlung zu erlangen sein wird, ist damit die
Höhe des auf die einzelnen Gesellschafter nach § 735 Satz 1 und 2 BGB entfal-
lenden Verlustausgleichs trotz de
r Bezeichnung als „Schlussbilanz“ ersichtlich
nur vorläufig festgestellt worden. Diese Verfahrensweise unterliegt bei einer
Publikumsgesellschaft weder unter dem Blickwinkel der gesellschafterlichen
Treuepflicht noch im Hinblick auf die Regelung des § 735 BGB rechtlichen Be-
denken (BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293
Rn. 28).
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cc) Die in diesem Stadium der Abwicklung der Gesellschaft erstellte Aus-
einandersetzungsbilanz dient dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktiv-
vermögens mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft einschließlich der Ge-
sellschaftereinlagen festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Überschuss ver-
teilt werden kann oder von den Gesellschaftern Nachschüsse benötigt werden,
um die Verbindlichkeiten begleichen und die Einlagen zurückerstatten zu kön-
nen. Dabei ist das Aktivvermögen zu bewerten. Bestehen bei Aufstellung der
Bilanz ernsthafte Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen der Gesell-
schaft, ist diesem Umstand in der Bilanz in angemessener Weise Rechnung zu
tragen. Auch bei den Ansprüchen gegen die Gesellschafter auf Zahlung von
Verlustausgleich, die in eine zu dem genannten Zweck erstellte Bilanz einge-
stellt werden, handelt es sich um Forderungen der Gesellschaft (Münch-
KommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 735 Rn. 5; Soergel/Hadding/Kießling,
BGB, 13. Aufl., § 735 Rn. 6; K. Schmidt, ZHR 153 (1989), 270, 296; Münch-
KommHGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 149 Rn. 27, 29; Staub/Habersack, HGB,
5. Aufl., § 149 Rn. 31 für die Personenhandelsgesellschaft), die das - zur Be-
gleichung der Verbindlichkeiten und gegebenenfalls Rückerstattung von Einla-
lung dieser Auseinandersetzungsbilanz greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der
ermittelte Fehlbetrag durch die Anforderung von Nachschüssen in gleicher Hö-
teilweise nicht in der Lage sein werden, die auf sie entfallenden Nachschüsse
zu leisten, kann die Gesellschafterversammlung mit der nach dem Gesell-
schaftsvertrag erforderlichen Mehrheit beschließen, dass diesem Umstand be-
reits bei der Festlegung der Höhe der von den Gesellschaftern anzufordernden
Nachschusszahlungen Rechnung getragen wird, und den Liquidator zur Einfor-
derung der entsprechenden Beträge anweisen (BGH, Urteil vom 15. November
2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 30).
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dd) Davon, dass der dem Beschluss vom 27. September 2008 zugrunde
gelegte Ausfall von voraussichtlich 2.400.000
€ auf unzutreffenden Grundlagen
beruht oder unrealistisch ist, kann nicht ausgegangen werden. Zu Unrecht
macht die Revisionserwiderung der Beklagten geltend, es sei nicht ersichtlich,
worauf die Annahme einer Ausfallquote von 20 % beruhe. Der prognostizierte
Ausfallbetrag basiert - wie vom erkennenden Senat in dem Urteil vom 15. No-
vember 2011 (aaO) gefordert - auf greifbaren Anhaltspunkten. In der Liquidati-
onsbilanz zum 27. Oktober 2007 ist ausgeführt, dass bei verschiedenen Gesell-
schaftern die Bonität als schlecht zu bewerten sei. Der Ansatz des Ausfallbetra-
ges beruht nach den Erläuterungen in einem nicht näher dargelegten Umfang
auf Erfahrungswerten der Gläubigerbank und dieser vorliegenden Selbstaus-
künften der Gesellschafter. Bezüglich der einzelnen in die Liquidationsbilanz
eingestellten namentlich benannten Gesellschafter beruht die Prognose auf Er-
klärungen der Gesellschafter bzw. ihrer Anwälte. Die Eigenauskunft des Gesell-
schafters bzw. seines Anwalts, dass er nicht über ausreichende Mittel verfügt,
Zahlungen zu leisten, ist regelmäßig, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte
vorliegen, als Grundlage einer Ausfallprognose geeignet. Denn durch eine un-
richtige Auskunft würden sich die betreffenden Gesellschafter selbst schädigen,
weil jede Mehrung des prognostizierten Ausfallbetrags zugleich den von allen
Gesellschaftern zu zahlenden vorläufigen Verlustausgleich erhöht und der Li-
quidator grundsätzlich verpflichtet ist, den Anspruch auch gegenüber denjeni-
gen Mitgesellschaftern geltend zu machen, die bekundet haben, sie seien zur
Zahlung nicht in der Lage.
Aus einer Anlage zur Liquidationsbilanz ergibt sich, dass bei der Ermitt-
lung des Ausfallbetrags von einer Gesamtforderung von 3.728.778,95
€ ausge-
gangen worden war, die Gesellschafter betraf, die sich als vermögenslos be-
zeichnet hatten. Die tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeit wurde teils mit 75 %,
teils mit 100 % und teils mit null bewertet. In der Summe wurde ein Ausfall von
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2.400.000
€ prognostiziert. Bei diesem Umfang wird die Prognose nicht dadurch
untauglich, dass ein Gesellschafter doppelt, nämlich mit 94.707,24
€ (100 %)
und mit 71.030,43
€ (75 %) berücksichtigt wurde.
ee) Es ist nicht ersichtlich, dass unter diesen Umständen durch die von
der Mehrheit gebilligte Berücksichtigung des zu erwartenden Ausfalls eines
Teils der Gesellschafter in der Auseinandersetzungsbilanz berechtigte Interes-
sen der Minderheit, die ihr nicht zugestimmt hat, treuwidrig beeinträchtigt wer-
den. Die gewählte Verfahrensweise führt dazu, dass die Liquidation der Gesell-
schaft rascher abgeschlossen werden kann und die Verbindlichkeiten der Ge-
sellschaft durch frühzeitigen Ausgleich der voraussichtlich uneinbringlichen
Nachschusszahlungen schneller getilgt werden können, so dass weitere finan-
zielle Belastungen der Gesellschaft durch anfallende Zinsen vermieden werden
und zudem das Risiko einer unmittelbaren Inanspruchnahme der Gesellschafter
durch die Gläubiger der Gesellschaft verringert wird. Diese gerade für die Ab-
wicklung von Publikumsgesellschaften bedeutsamen Vorteile kommen allen
Gesellschaftern gleichermaßen zu Gute. Die Gesellschafter haften nach § 735
Satz 2 BGB ohnehin entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft für den
Ausfall anderer Gesellschafter. Sollte sich herausstellen, dass zunächst zu ho-
he Beiträge eingefordert worden sind, weil sich die Ausfälle geringer als erwar-
tet darstellen, ist dies (spätestens) im Rahmen der endgültigen Schlussabrech-
nung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern zu berücksichtigen.
Der Umstand, dass Beiträge möglicherweise entgegen der Prognose nicht in
voller Höhe zur Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeiten und Rückerstat-
tung der Einlagen benötigt werden, führt wegen der den Gesellschaftern inso-
weit zustehenden Ansprüche auf Rückerstattung zuviel geleisteter Zahlungen
zu keinem schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Minderheit, der die Be-
rücksichtigung des zu erwartenden Zahlungsausfalls in der Liquidationsbilanz
als treuwidrig erscheinen lassen könnte.
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c) Anders als die Beklagten meinen, verletzt der Beschluss über die
Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz nicht deshalb treupflichtwidrig ihre
Rechte, weil die Darlehensforderung gegenüber der finanzierenden Bank vor
ihrem Gesellschaftsbeitritt begründet worden sei und der vorgesehene Schuld-
beitritt der beitretenden Gesellschafter unwirksam gewesen sei. Die im Innen-
verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bestehende Verpflichtung
zum Verlustausgleich nach § 735 BGB bleibt davon unberührt. Die geltend ge-
machten Nachschüsse sind erforderlich, um die Liquidität der Gesellschaft her-
zustellen, damit gemäß § 733 Abs. 1 Satz 1 BGB die Schulden der Gesell-
schaft, zu denen auch die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Bank aus
der Objektfinanzierung zählen, berichtigt werden können. Die Beklagten haben
deshalb kein berechtigtes Interesse daran, dass die Gesellschaft ihre Darle-
hensverbindlichkeiten mit der Folge zusätzlicher Zins- und Kostenlasten nicht
bedient, obwohl ihr selbst gegen die Forderungen der Bank keine Einwendun-
gen zustehen. Vielmehr folgt aus der in § 733 Abs. 1 und 2 BGB geregelten
Reihenfolge, dass die Schulden der Gesellschaft vorrangig zu tilgen sind (BGH,
Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 24).
d) Die Beklagten können dem Klagebegehren auch nicht mit Erfolg ent-
gegen halten, mit der beschlossenen (vorläufigen) Schlussabrechnung solle
auch eine interne Ausgleichung der Gesellschafter untereinander erfolgen, die
nicht Gegenstand des Abwicklungsverhältnisses sei. Das insoweit von der Re-
visionserwiderung in Bezug genommene Vorbringen der Beklagten betrifft die
Einbeziehung der in der beschlossenen „Schlussbilanz“ ausgewiesenen „Ge-
sellschafterdarlehen
“ zuzüglich der darauf entfallenden Zinsen, bei denen es
sich nach dem Vortrag der Beklagten um in Gesellschafterdarlehen gekleidete
Nachschüsse anderer Gesellschafter handeln soll.
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob wegen des engen Zusammen-
hangs zwischen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens (vgl. § 730 Abs. 1
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BGB) und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern für die Gesell-
schaft bürgerlichen Rechts überhaupt daran festzuhalten ist, dass der Konten-
ausgleich zwischen den Gesellschaftern nicht mehr als Gegenstand der Ab-
wicklung und damit nicht als Aufgabe der Abwickler anzusehen ist, wenn er
ihnen nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag übertragen ist (vgl. z.B. BGH,
Urteil vom 14. April 1966 - II ZR 34/64, WM 1966, 706; Urteil vom 21. Novem-
ber 1983 - II ZR 19/83, ZIP 1984, 49, 53, jeweils zur Personenhandelsgesell-
schaft; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 730 Rn. 3 mwN). Jedenfalls
bei einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts sind in die von den Ab-
wicklern zu erstellende Auseinandersetzungsbilanz auch ohne besondere Re-
gelung im Gesellschaftsvertrag die zu unselbständigen Rechnungsposten ge-
wordenen, auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Ansprüche der Gesell-
schafter untereinander und gegen die Gesellschaft einzustellen (BGH, Urteil
vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 34 mwN). Dies gilt
zumindest dann, wenn die Gesellschafterversammlung durch einen - mit der
nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen und hier erreichten Mehrheit ge-
fassten - Beschluss diese Ansprüche in die Schlussabrechnung einbezogen
hat. Andernfalls wäre bei der für solche Massengesellschaften typischen Viel-
zahl von Gesellschaftern, die untereinander nicht persönlich verbunden sind,
der erforderliche Ausgleich unter den Gesellschaftern nicht gewährleistet, je-
denfalls aber würde er in unzumutbarer Weise erschwert. Ist wie hier der In-
nenausgleich in die von der Gesellschafterversammlung festgestellte Schluss-
abrechnung einbezogen, ist auch der Liquidator zur Geltendmachung der sich
daraus ergebenden Ansprüche ermächtigt, selbst wenn diese Ermächtigung
anders als im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich ausgesprochen wird (BGH,
Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 34).
Nach diesen Maßstäben kann der Liquidator nicht nur die Verbindlichkei-
ten gegenüber der finanzierenden Bank, sondern auch die von den Gesell-
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schaftern - nach Anforderung von Nachschüssen - an die Klägerin geleisteten
Zahlungen in die der (vorläufigen) Schlussabrechnung dienende Bilanz auf-
nehmen und auf dieser Grundlage den auf jeden Gesellschafter entfallenden
Fehlbetrag errechnen. § 735 BGB bestimmt, dass die Gesellschafter zur Leis-
tung von Nachschüssen verpflichtet sind, wenn die im Zuge der Schlussab-
rechnung noch offenen Gesellschaftsverbindlichkeiten und die zurückzuerstat-
tenden Einlagen das Aktivvermögen der Gesellschaft übersteigen. Gemein-
schaftliche Verbindlichkeiten der Klägerin im Sinn von § 735 BGB sind nicht nur
Verbindlichkeiten gegenüber dritten Gläubigern, sondern auch Sozialverbind-
lichkeiten der Gesamthand gegenüber den Gesellschaftern (Münch-
KommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 735 Rn. 3, § 733 Rn. 7; Habersack in
Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 149 Rn. 24 für die OHG). Um solche handelt es
sich bei den Erstattungsansprüchen von Gesellschaftern, die vor Auflösung der
Gesellschaft ohne wirksame Nachschussklausel Nachschusszahlungen geleis-
tet haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191,
293 Rn. 35; Beschluss vom 9. März 2009 - II ZR 131/08, ZIP 2009, 1008
Rn. 11).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Geltendmachung der sich
aus der Schlussabrechnung gegen die einzelnen Gesellschafter entsprechend
ihrer Verlustbeteiligung ergebenden der Klägerin zustehenden Ansprüche auf
Zahlung eines Nachschusses gemäß § 735 BGB als Teil der Abwicklung Auf-
gabe des Liquidators (MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 730 Rn. 45;
Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 149 Rn. 31; MünchKommHGB/K. Schmidt,
3. Aufl., § 149 Rn. 27). Dieser hat die jeweils geschuldeten Nachschusszahlun-
gen grundsätzlich von allen Gesellschaftern einzufordern, hat diese gegebenen-
falls zu verklagen und einen sich abweichend vom prognostizierten Ausfall er-
gebenden Überschuss an die Gesellschafter zu verteilen (BGH, Urteil vom
15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 36).
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3. Das angefochtene Urteil war allerdings insoweit zu korrigieren, als
Verzugszinsen ab dem 11. Dezember 2007 zugesprochen wurden. Der An-
spruch auf Nachschuss nach § 735 BGB wird im vorliegenden Fall erst mit dem
Beschluss über die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz fällig (vgl.
Henssler/Strohn/Kilian, Gesellschaftsrecht, § 735 BGB Rn. 3; Palandt/Sprau,
BGB, 71. Aufl., § 735 Rn. 2; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 735
Rn. 5 und § 730 Rn. 61). Der Beschluss ist hier mit Ablauf der Frist zur Stimm-
abgabe am 27. September 2008 nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage
gefasst worden. Zinsen schulden die Beklagten demnach aus § 291 Satz 1
Halbs. 2 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar
1990 - VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519) erst ab dem 28. September
2008.
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 01.09.2009 - 3 O 130/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 23.06.2010 - 7 U 167/09 -
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