Urteil des BGH vom 17.04.2007

BGH (zpo, hauptforderung, höhe, forderung, gegenstand, erstattung, betrag, ersatz, 1995, zoll)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 22/07
vom
25. September 2007
in dem Verfahren
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2007 durch
die Vizepräsidentin Dr. Müller sowie den Richter Dr. Greiner, die Richterin Die-
derichsen und die Richter Pauge und Zoll
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Coburg vom 17. April 2007 wird auf Kosten des
Klägers als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 606,77 €
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Mietwagenkosten in Höhe von
1.031,98 € nebst Zinsen in Anspruch. Daneben begehrt er Ersatz des auf die
Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teiles der vorprozessualen Geschäfts-
gebühr eines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 77,04 € nebst Zinsen.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Mietwagenkosten in
Höhe von 474,30 € nebst Zinsen sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen An-
waltskosten in Höhe von 27,96 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung hat es
nicht zugelassen. Gegen das Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Beru-
fung eingelegt. Diese hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil die
Berufungssumme von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht sei. Hier-
gegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers, mit
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der er geltend macht, das Landgericht habe seiner Berechnung der Berufungs-
summe nicht nur die über den ausgeurteilten Betrag hinausgehenden restlichen
Mietwagenkosten in Höhe von 557,68 €, sondern auch die weiter begehrten
restlichen Anwaltskosten in Höhe von 49,08 € zugrunde legen müssen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechts-
fragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Be-
rufungsgericht zutreffend entschieden hat.
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Durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2007 (X ZB
7/06, VersR 2007, 1102), dem sich der erkennende Senat mit Beschluss vom
15. Mai 2007 (VI ZB 18/06 - BGHReport 2007, 845) und Urteil vom 12. Juni
2007 (VI ZR 200/06 - zur Veröffentlichung bestimmt) angeschlossen hat, ist ge-
klärt, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im lau-
fenden Verfahren geltend gemachten (restlichen) Hauptanspruchs nicht werter-
höhend wirken. Das gilt unabhängig davon, ob diese Kosten der Hauptforde-
rung hinzugerechnet werden oder neben der im Klageweg geltend gemachten
Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind. Nach § 4 Abs. 1 ZPO,
§ 43 Abs. 1 GKG und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bleiben Früchte, Nutzungen, Zin-
sen und Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Neben-
forderungen geltend gemacht werden. Wie bei Zinsen besteht auch bezüglich
der Kosten das Wesen einer Nebenforderung darin, dass sie vom Bestehen
einer Hauptforderung abhängig und dass diese im selben Rechtsstreit anhängig
gemacht ist. Das ist hier der Fall.
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Einem allgemeinen Grundsatz entsprechend sind die Kosten des laufen-
den Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 18. Januar 1995 - XII ZB 204/94 - NJW-RR 1995, 706, 707), so-
lange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (§ 4 ZPO; vgl. BGH
Großer Senat, BGHZ 128, 85, 92). Zu den Prozesskosten rechnen nicht nur die
durch die Einleitung und Führung eines Rechtsstreits ausgelösten Kosten, son-
dern grundsätzlich auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret
bevorstehenden Rechtsstreits dienen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober
2005 - I ZB 21/05 - NJW-RR 2006, 501; vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - aaO
Rn. 6). Soweit derartige Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von
§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören, können sie im Kostenfestsetzungsverfahren
nach den §§ 103, 104 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend gemacht werden
(vgl. etwa Senat, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/95 - VersR 2006,
521 f.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1986 - III ZR 268/85 - WM 1987, 247,
248); soweit derartige Kosten nicht auf diesem Wege festgesetzt werden kön-
nen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05 - NJW 2006,
2560 f.; Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - VersR 2007, 1098), können
sie auf der Grundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs
Gegenstand einer Klage auf Erstattung dieser Kosten sein.
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Anspruchsvoraussetzung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsbe-
gehrens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage, näm-
lich dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonsti-
gen Rechtsverletzung für den adäquat verursachten Schaden einzustehen hat.
Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforde-
rung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der
Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines An-
spruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des mate-
riell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend gemachten Geschäftsge-
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bühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die
Hauptsache - wie hier - Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dies gilt unabhängig
davon, ob die Kosten der Hauptforderung (in einem einheitlichen Antrag) hinzu-
gerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptfor-
derung Gegenstand eines eigenen, formal selbständigen Antrags sind (vgl. Se-
nat, Beschluss vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - aaO Rn. 6 m.w.N.).
Lediglich im Hinblick auf die Begründung der Rechtsbeschwerde ist noch
darauf hinzuweisen, dass die Höhe der Forderung auf Erstattung der Ge-
schäftsgebühr abhängig ist davon, in welcher Höhe der Geschädigte nicht nur
den Schaden, sondern auch seinen Anspruch auf Erstattung vorprozessualer
Kosten einklagt. Je nachdem, ob ein höherer oder geringerer Teil der Hauptfor-
derung außergerichtlich erledigt ist, ist auch der Erstattungsanspruch hinsicht-
lich der Anwaltsgebühr nach VV-RVG 2300 höher oder niedriger. Diese Abhän-
gigkeit der Forderung auf Erstattung der Anwaltsgebühren von der Forderung
auf Ersatz des geltend gemachten Schadens begründet nach den aufgezeigten
Grundsätzen die Einstufung des Erstattungsanspruchs hinsichtlich der Anwalts-
gebühren als Nebenforderung zum Anspruch auf Ersatz eines Schadens des
Geschädigten. Dagegen spielt es keine Rolle, ob der Geschädigte mit seinem
Klageantrag formal eine Gesamtforderung geltend macht oder ob er bereits im
Antrag seine Forderung in mehrere Posten aufgliedert. Vergleichbar ist etwa bei
Zinsen unerheblich, ob diese in einem Teilbetrag berechnet und der Hauptfor-
derung zugeschlagen werden oder nicht. Stets ist nur der Betrag der Hauptfor-
derung, nicht der um ausgerechnete Zinsen erhöhte Betrag beschwerdewert-
und streitwertbestimmend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 1962 - VII ZR
104/61 - KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2; vom 15. Mai 1992 - II ZR 275/91 - KostRsp.
ZPO § 4 Nr. 72; vom 25. März 1998 - VIII ZR 298/97 - NJW 1998, 2060, 2061;
vom 15.
Februar 2000 -
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ZR 273/99
- NJW-RR 2000, 1015; Musie-
lak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 4 Rn. 14 zu Fn. 46, Rn. 16 zu Fn. 52). Anderes
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mag gelten, wenn die Zinsen einen Berechnungsfaktor für die Hauptforderung
darstellen, wie das bei Hinterlegungszinsen oder bei einem auszukehrenden
Sparkonto der Fall ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 -
VersR 1976, 477, 478; Beschluss vom 3. Dezember 1997 - IV ZR 133/97 -
NJW-RR 1998, 1284), oder wenn vorprozessuale Kosten aus einem ersten
Schadensfall im Rechtsstreit über einen zweiten Schadensfall geltend gemacht
werden. Darum geht es hier jedoch nicht.
Verfehlt ist es demgegenüber, wenn die Rechtsbeschwerde die Einord-
nung einer Forderung als Haupt- oder Nebenforderung von der "Formulierung"
des Antrags abhängig machen will. Die Formulierung eines Antrags ist beliebig
und vermag zu der hier gegebenen Problematik keine Lösungsansätze zu bie-
ten.
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Nach allem weicht das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der
Rechtsbeschwerde - nicht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs ab. Es beachtet im Gegenteil die von der Rechtsprechung entwickel-
ten Regeln, die auch in der Literatur im Wesentlichen anerkannt sind (vgl. Mu-
sielak/Heinrich aaO; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 4 Rn. 13; Baumbach/Lau-
terbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 4 Rn. 18; Hartmann, Kostengeset-
ze, 37. Aufl., § 48 GKG Anhang I § 4 ZPO Rn. 10 ff., 18; Stein/Jonas/H. Roth,
ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn. 26; Wieczorek/Gamp, ZPO, 3. Aufl., § 4 Rn. 45, 68; Tho-
mas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 4 Rn. 8). Die abweichende Ansicht
(Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 4, Rn. 2; Enders JurBüro 2004, 57; Ruess MDR
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2005, 313) ist vereinzelt geblieben und gibt dem erkennenden Senat nach er-
neuter Überprüfung keine Veranlassung, von seiner bereits im Beschluss vom
15. Mai 2007 zum Ausdruck gebrachten Ansicht abzuweichen.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Coburg, Entscheidung vom 18.01.2007 - 11 C 1281/05 -
LG Coburg, Entscheidung vom 17.04.2007 - 33 S 18/07 -