Urteil des BGH vom 10.01.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 94/06 Verkündet
am:
10. Januar 2008
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO §§ 36, 80; SGB I § 54
a) Der Streit zwischen Schuldner und Verwalter über die Zugehörigkeit einer
Forderung zur Masse ist vor dem Prozessgericht, nicht vor dem Insolvenzge-
richt auszutragen.
b) Das Recht des Mitglieds eines Rechtsanwaltsversorgungswerks, die Mit-
gliedschaft zu beenden und die Erstattung gezahlter Beiträge zu verlangen,
ist unpfändbar und geht nicht in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
des Insolvenzverwalters über.
BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - IX ZR 94/06 - OLG Dresden
LG
Leipzig
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Dr. Kayser, Vill und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Dresden vom 12. Mai 2005 wird auf Kosten des Be-
klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Klägers. Dieser, ein ehemaliger Rechtsanwalt, war Pflichtmitglied im Ver-
sorgungswerk der Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen. Nachdem ihm die Zu-
lassung als Rechtsanwalt entzogen worden war, beantragte er die Aufrechter-
haltung der Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 der
Satzung des Versorgungswerks ist eine freiwillige Mitgliedschaft möglich. Der
Beklagte hat die Mitgliedschaft des Klägers mit Schreiben vom 17. Februar
2004 gekündigt, um die nach § 18 Abs. 1 der Satzung bei Ende der Mitglied-
schaft zu erstattenden Beiträge zur Masse zu ziehen.
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Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger die Feststellung, dass
der Beklagte die Mitgliedschaft nicht wirksam beendet hat und die Erstattung
eingezahlter Beiträge nicht verlangen kann. In den Vorinstanzen hatte die Klage
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Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklag-
te, der vorsorglich den Antrag des Klägers auf freiwillige Fortsetzung der Mit-
gliedschaft nach §§ 129 ff InsO angefochten hat, weiterhin die Abweisung der
Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob das
Recht, die freiwillige Mitgliedschaft im Versorgungswerk zu beenden, als un-
selbständiges Nebenrecht zum Beitragserstattungsanspruch pfändbar und da-
mit Teil der Masse sei oder es wie die Mitgliedschaft selbst nicht der Pfändung
unterliege. Im vorliegenden Fall sei schon der Beitragserstattungsanspruch
nicht pfändbar. § 35 Satz 2 der Satzung des Versorgungswerks verweise we-
gen der Pfändbarkeit der Ansprüche auf Leistungen auf § 54 SGB I. Nach § 54
Abs. 2 SGB I könnten Ansprüche auf einmalige Geldleistungen nur gepfändet
werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Ein-
kommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des
beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der
Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspreche. Dem Kläger könne eine
Beendigung der Mitgliedschaft nicht zugemutet werden. Er habe 147.000 DM
an Beiträgen eingezahlt; weitere 130.000 DM seien von einem früheren Arbeit-
geber nachentrichtet worden. Der Wert der Rentenanwartschaften übersteige
den Beitragserstattungsanspruch von 60 % der geleisteten Beiträge erheblich.
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Überdies sei der Kläger nicht mehr in der Lage, erneut eine adäquate Alters-
und Hinterbliebenenversorgung für sich und seine Familie zu schaffen. Würde
er - wie der Beklagte befürchte - nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens den
Beitragserstattungsanspruch geltend machen, wäre gegebenenfalls eine Nach-
tragsverteilung anzuordnen.
Die Anfechtung des Antrags auf freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft
sei unabhängig davon unbegründet, ob der Beklagte als Insolvenzschuldner
überhaupt tauglicher Anfechtungsgegner sein könne; denn der Antrag auf frei-
willige Fortsetzung der Mitgliedschaft habe die Insolvenzmasse nicht betroffen.
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II.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung
stand.
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1. Die Klage ist zulässig. Der Streit zwischen Schuldner und Verwalter
über die Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse ist vor dem Prozessgericht
und nicht dem Insolvenzgericht auszutragen (vgl. BGHZ 92, 339, 340; BGH,
Urt. v. 25. Oktober 1984 - IX ZR 110/83, ZIP 1984, 1501, 1502). Das erforderli-
che rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung (§ 256
Abs. 1 ZPO) ist gegeben, zumal das Versorgungswerk seine Auffassung teilt.
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2. Der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Klägers
hat die Mitgliedschaft des Klägers im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im
Freistaat Sachsen nicht wirksam beenden können, weil das Recht, über den
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Fortbestand der Mitgliedschaft zu entscheiden, nicht dem Verwaltungs- und
Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO) unterfällt.
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a) Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen
zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters ist also auf die Insol-
venzmasse beschränkt. Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen,
das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er
während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 InsO). Nicht zur Insolvenzmasse
gehören Vermögensgegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterlie-
gen (§ 36 Abs. 1 InsO).
b) Das Recht, die freiwillige Mitgliedschaft im Versorgungswerk der
Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen zu beenden, kann weder zusammen mit
dem Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Beiträge noch isoliert gepfän-
det werden.
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aa) Grundlage des zwischen den Parteien streitigen Rückerstattungsan-
spruchs ist § 18 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechts-
anwälte im Freistaat Sachsen in der am 17. Februar 2004 geltenden Fassung
[GA I 20]:
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"Endet die Mitgliedschaft im Versorgungswerk, ohne dass das Mitglied
das Recht zur Weiterversicherung (§ 10 Abs. 2) ausübt, sind sechzig vom Hun-
dert seiner bisher geleisteten Beiträge auf Antrag zu erstatten."
Die Pfändbarkeit dieses Anspruchs richtet sich nach § 54 SGB I, auf den
§ 35 Satz 2 der Satzung verweist. Gemäß § 54 Abs. 2 SGB I dürfen Ansprüche
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auf einmalige Geldleistungen gepfändet werden, soweit nach den Umständen
des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der
Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit
entspricht. § 12 Abs. 1 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechts-
anwälte im Freistaat Sachsen vom 16. Juni 1994 (GVBl. S. 1107 ff, 1108), wo-
nach Ansprüche auf Leistungen nicht abgetreten werden können, steht trotz
§ 851 ZPO nicht entgegen, wie das Berufungsgericht zutreffend unter Hinweis
auf die in BGHZ 160, 197 ff veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichts-
hofs begründet hat (vgl. auch BGH, Beschl. v. 28. März 2007 - VII ZB 43/06,
WM 2007, 1033, 1034). Nach Maßgabe des § 54 Abs. 2 SGB I gehört ein Rück-
erstattungsanspruch folglich auch zur Insolvenzmasse (vgl. BGH, Urt. v. 25. Ok-
tober 1984, aaO S. 1502 f).
bb) § 54 SGB I erlaubt jedoch nur die Pfändung des Leistungsanspruchs.
Das Stammrecht - etwa eine Rentenanwartschaft - kann nicht gepfändet wer-
den (BGH, Urt. v. 24. November 1988 - IX ZR 210/87, ZIP 1989, 110, 116;
Beschl. v. 21. November 2002 - IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457, 1458; BSG
SozR 3 - 1200 § 52 SGB I Nr. 1 S. 6; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 1 Rn. 144;
Schlegel/Voelzke, SGB I § 54 Rn. 23; Mrozynski, SGB I 3. Aufl. § 54 Rn. 5;
Hauck, SGB I § 54 Rn. 6; für die Abtretung ebenso BSGE 48, 159, 163). Auch
im Übrigen bleibt das Sozialrechtsverhältnis von der Pfändung unberührt
(Schlegel/Voelzke, aaO; Mrozynski, aaO; für die Abtretung ebenso BSGE 68,
144, 147). Der Pfändungsgläubiger erlangt ebenso wie der Abtretungsempfän-
ger nur das gepfändete Recht aus dem Gesamtkomplex der Rechtsbeziehun-
gen, ohne dass sich dessen Inhalt verändert; es bleibt in das Gesamtgefüge
des Sozialrechtsverhältnisses eingebunden und mit allen Einwendungen und
Risiken belastet, die sich daraus ergeben (BSG, aaO).
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cc) Ob und wie weit Gestaltungsrechte von der Pfändung eines Leis-
tungsanspruchs erfasst werden, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht
abschließend geklärt. Das gilt etwa für das Recht, einen Leistungsantrag zu
stellen (für einen Übergang des Antragsrecht auf den Pfändungsgläubiger etwa
SG Wiesbaden, NJW-RR 1996, 59; Mrozynski, aaO; dagegen z.B. SG Frank-
furt, NJW-RR 2002, 1213, 1214; Schlegel/Voelzke, aaO). Ernsthaft diskutiert
wird die Frage einer Abtretbarkeit oder Pfändbarkeit des Antragsrechts jedoch
nur dann, wenn es sich bei diesem um eine rein formelle Voraussetzung für den
Bezug von Leistungen handelt. Für einen Antrag auf Erstattung rechtmäßig ge-
zahlter Versicherungsbeiträge nach Ende der Versicherungspflicht gilt das
nicht. Das Recht, die Beitragserstattung zu beantragen, stellt vielmehr eine für
das Sozialrechtsverhältnis zentral bedeutsame Befugnis dar, deren Ausübung
über das Bestehen des Versicherungsschutzes entscheidet. Auch im vorliegen-
den Fall bedeutet der Antrag auf Beitragserstattung zugleich den Verlust jegli-
chen Anspruchs auf Altersruhegeld. Für die vergleichbare Vorschrift des § 1303
Abs. 1 Satz 1 RVO hat das Bundessozialgericht den Übergang des Antrags-
rechts auf den Abtretungsgläubiger des Zahlungsanspruchs mit folgender Be-
gründung verneint (BSGE 68, 144, 146):
"Das Gesetz gibt dem Bürger die in der Antragstellung und deren Rück-
nahme liegende Dispositionsbefugnis, damit er nach seinen Bedürfnissen ent-
scheiden kann, welche Gestaltungsmöglichkeit für ihn die günstigste ist. Dabei
steht im Vordergrund der Sicherungszweck; dieser kommt vor allem in der
Pflichtversicherung zum Ausdruck, die eingeführt wurde, um eine Invaliditäts-,
Alters- und Hinterbliebenenversicherung für Arbeitnehmer zu gewährleisten.
Wenn vor diesem Hintergrund eine die soziale Sicherung vernichtende Bei-
tragserstattung auf Antrag zugelassen wird, so wird damit lediglich dem Um-
stand Rechnung getragen, dass es für den Versicherten unter Umständen sinn-
voller erscheinen kann, mit den eingezahlten Beträgen anderweitig Sicherungen
aufzubauen, wenn Umstände eintreten, die einen weiteren Ausbau des Versi-
cherungsschutzes nach der RVO zumindest auf absehbare Zeit nicht ermögli-
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chen. Dies ist aber eine Entscheidung, die allein der Versicherte für sich treffen
kann, weil sie unter Umständen mit erheblichen Risiken für sein weiteres Leben
behaftet ist und nur er beurteilen und verantworten kann, inwieweit dies im
Rahmen seiner Lebensplanung vertretbar oder sinnvoll ist."
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Diese Überlegungen, deren Richtigkeit von Rechtsprechung und Literatur
zu § 1303 RVO und der Nachfolgevorschrift des § 210 SGB VI, soweit ersicht-
lich, nicht in Zweifel gezogen wird (vgl. etwa Krukebohm/Grintsch, SGB VI
2. Aufl. § 210 Rn. 11; GK-SGB VI/Krukebohm, § 210 Rn. 9; KG OLGZ 1986,
471, 475; zu § 21 Abs. 1 der Satzung des niedersächsischen Rechtsanwalts-
versorgung ebenso Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20. Juni 2007 - 8 PA
49/07, n.v., Rn. 8 f), treffen auch den vorliegenden Fall. Das Versorgungswerk
der Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen hat die Aufgabe, seinen Mitgliedern
und deren Hinterbliebenen Versorgung zu gewähren (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes
über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Freistaat Sachsen,
SächsGVBl. 1994, S. 1107, fortan: SächsRAVG). Die Pflichtmitgliedschaft im
Versorgungswerk dient deshalb dazu, die wirtschaftliche Lage des Anwalts und
seiner Familie nach der Beendigung der Berufsausübung zu sichern (vgl. auch
BVerfGE 10, 354, 362 zur Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversor-
gung). Ausnahmen sind folgerichtig nur bei Bestehen einer anderen gleichwer-
tigen auf Gesetz beruhenden Versorgung oder im Fall einer anderweitigen Be-
freiung von der gesetzlichen Versicherungs- oder Versorgungspflicht vorgese-
hen (§ 6 Abs. 4 SächsRAVG). Nach dem Ende seiner Tätigkeit als Rechtsan-
walt endete zwar die Pflichtmitgliedschaft des Klägers. Die Entscheidung über
die freiwillige Fortführung der Mitgliedschaft und den damit verbundenen Erhalt
der erworbenen Anwartschaften obliegt auch hier jedoch allein dem Kläger.
dd) Nur dieses Ergebnis steht schließlich auch im Einklang mit den Zie-
len, welche der Gesetzgeber mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der Alters-
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vorsorge vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 368) verfolgt. In der Begründung die-
ses Gesetzes heißt es (BT-Drucks. 16/886, S. 7):
"Der Schutz des Vorsorgevermögens von Personen, die am Ende ihrer
Verdienstfähigkeit keine oder keine ausreichenden Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung erhalten, ist insbesondere bei Selbständigen erforderlich
und insofern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Zweck des
Pfändungsschutzes von Alters- oder Berufungsunfähigkeitsrenten ist der Erhalt
existenzsichernder Einkünfte, da der Schuldner seinen Lebensunterhalt in aller
Regel aus solchen Einkünften zu bestreiten hat. Ein an Artikel 1 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 GG) ausgerich-
tetes Vollstreckungsrecht gebietet es, dem Schuldner zumindest so viel zu be-
lassen, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt. Dies würde
jedoch vereitelt, wenn er durch eine extensive Anwendung der Vollstreckungs-
gewalt von öffentlicher Fürsorge abhängig würde. Durch einen wirksamen
Pfändungsschutz wird der Eintritt der Sozialhilfebedürftigkeit infolge Zwangs-
vollstreckung verhindert und dadurch der Staat dauerhaft von Sozialleistungen
entlastet."
In der vorliegenden Fallgestaltung geht es nicht um Pfändungsschutzbe-
stimmungen, sondern um die Auslegung des § 54 SGB I. Die Vorschrift trägt mit
ihrem Pfändungsschutz für das Rentenstammrecht dem Umstand Rechnung,
dass die gesetzliche Pflichtversicherung des Vollstreckungs- oder Insolvenz-
schuldners in einem berufsständischen Versorgungswerk - wie hier - auch dann
nicht durch den Vollstreckungszugriff eines Gläubigers oder eine Verwertungs-
handlung des Insolvenzverwalters aufgelöst werden darf, wenn der Schuldner
nach deren Ende ein solches Recht mit der Folge einer (teilweisen) Erstattung
seiner Pflichtbeiträge hat. Dadurch unterscheidet sich die öffentlich-rechtliche
Pflichtversicherung insbesondere von einer noch nicht auszahlungsreifen Le-
bensversicherung, bei welcher der Vollstreckungsgläubiger nach Pfändung und
Überweisung der Ansprüche und der Insolvenzverwalter des Versicherten vor-
behaltlich des neu eingefügten § 851c ZPO auch die Kündigung erklären und
sich aus dem Rückkaufswert der Versicherung befriedigen können, wodurch
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das im Anwartschaftsstadium befindliche Rentenstammrecht erlischt. Handelt
es sich, wie im Streitfall, um Versorgungsanwartschaften, die teils auf einer
Pflichtmitgliedschaft, teils auf ihrer freiwilligen Fortsetzung beruhen, so muss
das Rentenstammrecht im Ganzen unpfändbar sein, weil es sich nicht in einen
pfändbaren und einen unpfändbaren Teil aufspalten lässt (BGH, Urt. v. 24. No-
vember 1988, aaO). In seiner gegenwärtigen Ausformung verwirklicht § 54
SGB I damit bereits den sozialstaatlich gebotenen Vollstreckungsschutz in der
öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, ohne dass weitere allgemeine
Vollstreckungs- oder Verwertungsbeschränkungen hinzutreten müssten.
ee) Entgegen der in den Vorinstanzen geäußerten Ansicht des Beklagten
steht es nicht im Belieben des Klägers, nach Aufhebung des Insolvenzverfah-
rens selbst die Mitgliedschaft im Versorgungswerk zu beenden und den Erstat-
tungsbetrag für eigene Zwecke zu verbrauchen. Nach der derzeit geltenden
Fassung der Satzung des Versorgungswerkes kommt ein Erstattungsanspruch
nur noch dann in Betracht, wenn die Mitgliedschaft im ersten Jahr ihres Beste-
hen endet (§ 18 Abs. 1 in der Fassung der Bekanntmachung über die Sat-
zungsänderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Freistaat Sach-
sen vom 27. September 2004, SächsABl. 2004, 1104).
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3. Ob die Entscheidung des Klägers, nach dem Entzug der Zulassung
und dem Ende der Pflichtmitgliedschaft freiwillig Mitglied im Versorgungswerk
zu bleiben, nach den Vorschriften der §§ 129 ff InsO anfechtbar gewesen wäre,
braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden. Als Anfech-
tungsgegner wäre nur das Versorgungswerk in Betracht gekommen, nicht der
Schuldner; denn nur jenes könnte die Gläubigerbenachteiligung - die fortgesetz-
te Mitgliedschaft und den damit verbundenen Verlust des Erstattungsan-
spruchs - rückgängig machen und die Beiträge nach Maßgabe des § 18 Abs. 1
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der Satzung in der seinerzeit geltenden Fassung zum Stichtag der Beendigung
der Pflichtmitgliedschaft zurückerstatten. Entgegen der Ansicht des Beklagten
kann die Anfechtbarkeit der Erklärung über die Fortsetzung der Mitgliedschaft
auch nicht dem Kläger gegenüber eingewandt werden. In den Tatsacheninstan-
zen hat der Beklagte weder die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anfech-
tungsanspruchs gegen das Versorgungswerk dargelegt noch dazu vorgetragen,
ob die Anfechtung erklärt und innerhalb der Verjährungsfrist (§ 146 InsO a.F.)
gerichtlich geltend gemacht worden ist.
4. Ist der Kläger nach wie vor Mitglied des Versorgungswerks, kann der
Beklagte auch nicht einen - für sich genommen ohne weiteres pfändbaren und
damit zur Insolvenzmasse gehörenden - Anspruch auf Erstattung gezahlter Bei-
träge geltend machen.
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Fischer Raebel Kayser
Vill Lohmann
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 14.10.2004 - 3 O 4458/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 12.05.2005 - 13 U 2131/04 -