Urteil des BGH vom 06.12.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 15/12
Verkündet am:
6. Dezember 2012
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 195, § 307 Bf, Cj
Eine vom Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellte Allgemeine Geschäftsbedin-
gung, mit der die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch des Auftragnehmers auf
zwei Jahre abgekürzt wird, ist unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 15/12 - LG Berlin
AG Berlin-Tiergarten
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die
Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier, den Richter Prof. Leupertz
und den Richter Dr. Kartzke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 50
des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte vom 11. November 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Restvergütung aus einem
Werkvertrag vom 9. November 2004 über die Ausführung von Elektroarbeiten
an einem Bauvorhaben in B., den die Rechtsvorgänger der Parteien (im Fol-
genden: Klägerin und Beklagte) geschlossen haben. Die VOB/B und C in den
seinerzeit gültigen Fassungen sind Vertragsbestandteil.
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Teil B Ziffer VIII 4 des Vertrags lautet:
"Die Gewährleistungsfrist beträgt abweichend von § 13 Nr. 4 VOB
5 Jahre; ansonsten verbleibt es bei den Regelungen der VOB."
Teil B Ziffer IX des Vertrags lautet:
"1.) Die Ansprüche des AN auf Werklohn verjähren in zwei Jah-
ren."
Bei diesen beiden Bestimmungen handelt es sich um von der Beklagten
gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Mit ihrer bei Gericht am 18. Juni 2009 eingegangenen Klage, die der Be-
klagten am 4. August 2009 zugestellt worden ist, verlangt die Klägerin den Be-
trag von 2.041,20
€ nebst Zinsen.
Die Beklagte hat vorsorglich gegenüber der Restvergütungsforderung
der Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.041,20
€ aufge-
rechnet und die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Amtsgericht hat die Restvergütungsklage abgewiesen. Das Beru-
fungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kläge-
rin ihren Restvergütungsanspruch weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Verkürzung
der Verjährungsfrist für Werklohnforderungen auf zwei Jahre in der AGB-
Klausel in Ziffer IX des Werkvertrags begegne keinen Bedenken.
Damit habe die Frist für die Verjährung der in der Schlussrechnung vom
1. Juni 2006 geltend gemachten Vergütungsforderung gemäß § 199 Abs. 1
BGB spätestens am 1. Januar 2007 zu laufen begonnen. Infolge der Hemmung
durch die nachfolgenden Verhandlungen der Parteien bis zum 5. März 2007
habe die Verjährungsfrist faktisch erst am 6. März 2007 zu laufen begonnen.
Die Verjährung sei am 6. März 2009 eingetreten. Die am 18. Juni 2009 bei dem
Amtsgericht eingegangene Klage sei daher nicht mehr geeignet gewesen, die
am 6. März 2009 eingetretene Verjährung zu hemmen.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts benachteiligt die Verkürzung der Verjährungsfrist
für den Werklohnanspruch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftrag-
gebers den Auftragnehmer unangemessen, denn sie verstößt gegen das ge-
setzliche Leitbild des § 195 BGB und es sind keine Interessen des Auftragge-
bers erkennbar, die eine derartige Verkürzung rechtfertigen könnten (vgl. OLG
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München, NJW-RR 2008, 1233, 1234; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl.,
§ 202 Rn. 13; Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 202 Rn. 13;
MünchKommBGB/Grothe, 6. Aufl., § 202 Rn. 10).
Darauf kommt es indessen für die Entscheidung des Senats nicht an,
nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die
Einrede der Verjährung verzichtet hat. Der Schuldner kann durch einseitige Er-
klärung auf die Einrede der Verjährung unabhängig von deren Eintritt auch noch
in der Revisionsinstanz verzichten (BGH, Urteil vom 15. April 2010
- III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 17).
III.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Beru-
fungsgericht keine hinreichenden Feststellungen zur Berechtigung des Rest-
vergütungsanspruchs sowie zur Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem
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Schadensersatzanspruch getroffen hat. Das Berufungsurteil war daher aufzu-
heben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen.
Kniffka
Safari Chabestari
Halfmeier
Leupertz
Kartzke
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tiergarten, Entscheidung vom 25.02.2010 - 10 C 147/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.11.2011 - 50 S 72/10 -