Urteil des BGH vom 12.02.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 39/08 Verkündet
am:
12. Februar 2009
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 768 Abs. 1 Satz 1
a) Die Verpflichtung eines Bauunternehmers in Allgemeinen Geschäftsbedin-
gungen des Bestellers, diesem eine selbstschuldnerische, unbefristete Ver-
tragserfüllungsbürgschaft nach einem zum Vertrag gehörenden Muster zu
stellen, und der in diesem Bürgschaftsmuster erklärte Verzicht des Bürgen
auf die Einreden nach § 768 BGB, sind sprachlich und inhaltlich trennbare
Teile der Sicherungsvereinbarung, die einer gesonderten Wirksamkeitsprü-
fung zugänglich sind.
b) Die Unwirksamkeit der Verpflichtung zum Verzicht des Bürgen auf die Einre-
de nach § 768 BGB führt nicht zur Unwirksamkeit der Sicherungsvereinba-
rung im Übrigen.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - VII ZR 39/08 - OLG Köln
LG Köln
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die
Richter Bauner, Dr. Eick, Halfmeier und Leupertz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Köln vom 9. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten aufer-
legt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beauftragte die inzwischen insolvente I. GmbH (im Folgen-
den: Hauptschuldnerin) gemäß Auftragsschreiben vom 9. Juli 2003 nach Maß-
gabe eines zur Vertragsgrundlage erhobenen Verhandlungsprotokolls vom
25. Juni 2003 als Nachunternehmerin mit der Ausführung von Hohlraum- und
Doppelbodenarbeiten an einem Bauvorhaben in B. Nach Ziffer 15.1 des von der
Klägerin formularmäßig verwendeten Verhandlungsprotokolls war die Haupt-
schuldnerin verpflichtet, eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 30.000,00 €
zzgl. Umsatzsteuer zu stellen. Zu Art und Inhalt der Bürgschaft heißt es dort
weiter:
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"Es hat sich um selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaften
einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Kreditversicherung
(ausschließlich nach unserem Muster) zu handeln."
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Dem Verhandlungsprotokoll war als Anlage ein Muster (Vordruck) für die
vorerwähnte Vertragserfüllungsbürgschaft beigefügt.
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Die Beklagte stellte der Klägerin auf Veranlassung der Hauptschuldnerin
eine selbstschuldnerische und unbefristete Vertragserfüllungsbürgschaft über
den Höchstbetrag von 15.728,00 €. Die dem Muster der Klägerin entsprechen-
de Bürgschaftsurkunde enthält folgende Regelung:
"Auf die Einrede gemäß § 768 BGB, soweit diese nicht den Be-
stand der Hauptverbindlichkeit oder ihre Verjährung betrifft, sowie
die Einrede des § 771 BGB wird verzichtet. Ebenso wird auf das
Recht zur Hinterlegung des Bürgschaftsbetrages verzichtet, sowie
auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gemäß $ 770
BGB, es sei denn, die zur Aufrechnung gestellte Forderung ist
rechtskräftig festgestellt oder unbestritten."
Weil die Hauptschuldnerin die geschuldeten Werkleistungen zu einem
wesentlichen Teil nicht fertigstellte, hat die Klägerin die Beklagte wegen der
Ersatzvornahmekosten auf Zahlung der Bürgschaftssumme von 15.728,00 € in
Anspruch genommen. Trotz der zuletzt unstreitigen Hauptforderung hat die Be-
klagte die Zahlung verweigert, weil die Sicherungsabrede im Nachunterneh-
mervertrag der Inhaltskontrolle nicht standhalte und deshalb unwirksam sei.
Das Landgericht ist dem nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Die Be-
rufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich ihre vom
Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der sie weiterhin die Abweisung
der Klage erstrebt.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte könne der Inanspruchnah-
me durch die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die formularmäßige
Sicherungsabrede im Nachunternehmervertrag die Hauptschuldnerin unange-
messen benachteilige und deshalb gemäß § 307 BGB insgesamt nichtig sei.
Unwirksam sei lediglich der Teilverzicht auf die Einrede des § 768 BGB, was
sich indes nicht in entscheidungserheblicher Weise auswirke.
Die in Ziffer 15.1 des Verhandlungsprotokolls niedergelegte Sicherungs-
abrede umfasse nach ihrer textlichen Gestaltung die in dem als Anhang beige-
fügten Bürgschaftsformular enthaltenen Regelungen zu Art und Inhalt der Bürg-
schaftsverpflichtung. Dementsprechend seien auch der Verzicht auf die Einre-
den der Vorausklage nach § 771 BGB und der Aufrechenbarkeit nach § 770
Abs. 2 BGB sowie die teilweise Abbedingung des § 768 BGB Inhalt der Siche-
rungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin geworden.
Letzteres halte der Inhaltskontrolle in Anlehnung an die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit formularmäßig vereinbarter Bürgschaf-
ten auf erstes Anfordern nicht stand. Denn die auch für den Rückforderungs-
prozess geltende Abbedingung des § 768 BGB nähere die Bürgschaft einer
garantiemäßigen Haftung an, die für den Sicherungsgeber noch nachteiliger
sein könne als eine Bürgschaft auf erstes Anfordern. Ob dies zur Unwirksamkeit
der Sicherungsvereinbarung führe, sei zweifelhaft. Die entsprechende Klausel
könnte durch Streichung des den § 768 BGB betreffenden Satzes teilbar sein.
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Dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Weil davon auszu-
gehen sei, dass die Parteien des Nachunternehmervertrages in Kenntnis der
obigen Zusammenhänge und bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen
Interessen eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft ohne einen Ver-
zicht auf die Einreden des § 768 BGB vereinbart hätten, müsse die Sicherungs-
abrede unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
formularmäßig unwirksamen Vereinbarungen über die Stellung von Vertragser-
füllungsbürgschaften auf erstes Anfordern dementsprechend ergänzend ausge-
legt werden. Die Hauptschuldnerin habe sich also wirksam verpflichtet, der Klä-
gerin eine selbstschuldnerische, unbefristete Vertragserfüllungsbürgschaft zu
stellen. Die Beklagte habe diese Bürgschaft übernommen. Sie habe den Eintritt
des Sicherungsfalles und die Höhe der gesicherten Forderung unstreitig ge-
stellt.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
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1. Die Beklagte verteidigt sich gegen die Inanspruchnahme aus der von
ihr übernommenen Bürgschaft ausschließlich mit dem Einwand, die der Bürg-
schaft zugrunde liegende Sicherungsvereinbarung im Nachunternehmervertrag
sei insgesamt unwirksam. Das ist grundsätzlich möglich. Dem Bürgen stehen
gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einwendungen des Schuldners aus der
Sicherungsabrede mit dem Gläubiger zu. Hat der Bürge eine Sicherung ge-
währt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger
unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubi-
gers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des
Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bür-
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gen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietäts-
gedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu
leisten hat als der Hauptschuldner (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR
210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.; Urteil vom 10. Februar 2000 - IX ZR
397/98, BGHZ 143, 381, 384 f.).
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2. Die von der Beklagten erhobene Einrede ist jedoch unbegründet. Die
der Bürgschaft zugrunde liegende Klausel unter Ziffer 15.1 des Nachunterneh-
mervertrages ist jedenfalls hinsichtlich der dort niedergelegten Verpflichtung der
Hauptschuldnerin wirksam, eine selbstschuldnerische, unbefristete Vertragser-
füllungsbürgschaft beizubringen. Nur darauf kommt es für die Entscheidung an.
a) Zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsge-
richt die Sicherungsvereinbarung im Nachunternehmervertrag dahingehend
ausgelegt, dass die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische, unbefristete
Bürgschaft mit teilweisem Verzicht des Bürgen auf die Einreden nach §§ 768,
770 Abs. 2 BGB zu stellen hatte. Das Erfordernis eines solchen Einredever-
zichts ergibt sich aus dem von der Klägerin zur Verwendung vorgeschriebenen
Bürgschaftsvordruck. Dieses Muster, welches als eine der unter Ziffer 20 des
Verhandlungsprotokolls vom 25. Juni 2003 bezeichneten und dem Vertrag bei-
gefügten Anlagen Bestandteil des Vertrages ist, gehört kraft Bezugnahme in der
Bürgschaftsklausel unter Ziffer 15.1 des Verhandlungsprotokolls zum Inhalt der
Sicherungsvereinbarung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR
265/03, BauR 2005, 539, 540 = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255).
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b) Die formularmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingung von der Kläge-
rin gestellte Sicherungsvereinbarung ist entgegen der von der Beklagten im
Rechtsstreit vertretenen Auffassung nicht intransparent. Die Hauptschuldnerin
konnte keinem Zweifel darüber unterliegen, eine selbstschuldnerische, unbefris-
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tete Bürgschaft nach Maßgabe des zum Vertragsgegenstand erhobenen Mus-
ters der Klägerin stellen zu müssen. Damit ist zugleich hinreichend bestimmt
festgelegt, welcher Art die Bürgschaft zu sein hat. Aus dem Umstand, dass das
Muster für die Bürgschaftsurkunde seinem Wortlaut nach einen Verzicht auf die
Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB enthält, wohingegen der Teil der
Sicherungsvereinbarung, der auf das Muster verweist, die Hauptschuldnerin
verpflichtet, eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen, folgt nichts Gegen-
teiliges. Beides meint im Ergebnis dasselbe, wie sich zwanglos aus § 773
Abs. 1 Nr. 1 BGB ergibt. Klar und eindeutig ist auch die Regelung des Verzichts
auf die Einrede gemäß § 768 BGB. Dass dieser nicht umfassend ist, macht die
Regelung ebenso wenig intransparent wie der Umstand, dass der Bestand der
Hauptforderung nach dem allgemeinen Grundsatz der Akzessorietät zwischen
Bürgschaftsschuld und Hauptschuld Voraussetzung für die Verpflichtung des
Bürgen ist.
c) Die Sicherungsvereinbarung ist unbedenklich, soweit sie die Verpflich-
tung der Hauptschuldnerin enthält, eine selbstschuldnerische, unbefristete
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Kreditversicherung zu
stellen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, 234 ff.;
Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 458/97, BauR 2000, 1498, 1499 f. = NZBau
2000, 424 = ZfBR 2000, 477).
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d) Auf die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob die in der Siche-
rungsvereinbarung enthaltene Verpflichtung, die Bürgschaft mit einem teilwei-
sen Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB zu versehen, unwirksam ist,
kommt es nicht an. Denn diese Verpflichtung ist in einer Weise geregelt, die die
Wirksamkeit der Verpflichtung, eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürg-
schaft zu stellen, unberührt lässt.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich
voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten
Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusam-
menhang mit anderen - unwirksamen - Regelungen stehen. Nur wenn der als
wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll,
insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschnei-
dender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig
abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Un-
wirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH, Urteil vom 10. Oktober
1996 - VII ZR 224/95 m.w.N., BauR 1997, 302, 303 = ZfBR 1997, 73).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat die Vereinbarung, eine selbstschuld-
nerische, unbefristete Bürgschaft zu stellen, auch dann Bestand, wenn die Ver-
pflichtung, die Bürgschaft mit einem teilweisen Verzicht auf die Einrede gemäß
§ 768 BGB zu versehen, unwirksam ist.
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(1) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Sicherungsvereinba-
rung so formuliert, dass die Verpflichtungen zu den Verzichtserklärungen inhalt-
lich und sprachlich von der Verpflichtung getrennt sind, eine selbstschuldneri-
sche, unbefristete Bürgschaft zu stellen. Die Verzichtserklärungen sind in der
Sicherungsvereinbarung nicht enthalten, sondern in dem Muster der Bürg-
schaftserklärung. Sie sind ein sprachlich und inhaltlich trennbarer Teil dieses
Musters, das wiederum durch den Klammerzusatz "ausschließlich nach unse-
rem Muster" Gegenstand der Sicherungsvereinbarung ist.
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(2) Der Fortfall der Verpflichtung, einen teilweisen Verzicht des Bürgen
auf die Einrede gemäß § 768 BGB herbeizuführen, ist nicht von so einschnei-
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dender Bedeutung, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig
abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss.
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Allerdings wird in der Literatur (Schmitz, Sicherheiten für die Bauver-
tragsparteien, Rdn. 129; Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 17
Nr. 4 VOB/B Rdn. 40; Hildebrandt, BauR 2007, 210 jeweils m.w.N.; a.A. May,
BauR 2007, 201) und der Rechtsprechung (LG Hamburg, Urteil vom 3. März
2006 - 420 O 75/04; LG Wiesbaden, Urteil vom 21. März 2007 - 11 O 70/07;
jeweils in ibr-online; a.A. OLG Frankfurt, Urteil vom 25. März 2008 - 10 U
147/07, veröffentlicht in juris, dort Rz. 19 ff.) die Auffassung vertreten, die Ge-
samtgestaltung der Sicherungsvereinbarung, mit der eine selbstschuldnerische
Bürgschaft und der Verzicht des Bürgen auf die Einrede nach § 768 BGB ge-
fordert werden, sei als konzeptionelle Einheit zu verstehen, mit der eine garan-
tieähnliche Haftung des Bürgen verwirklicht werden solle. Es verbiete sich, die-
se konzeptionelle Einheit dadurch zu zerstören, dass lediglich die Verpflichtung
für unwirksam gehalten werde, einen Verzicht des Bürgen auf die Einrede nach
§ 768 BGB zu verlangen. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
Sie kann sich nicht auf die Entscheidungen des Senats zur Unwirksam-
keit von Sicherungsklauseln berufen, in denen geregelt ist, dass ein Bareinbe-
halt zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen durch eine Bürgschaft auf
erstes Anfordern abgelöst werden kann (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2007
- VII ZR 210/06, BauR 2007, 1575, 1576 = NZBau 2007, 583 = ZfBR 2007, 671;
Urteil vom 9. Dezember 2004 - VII ZR 265/03, BauR 2005, 539, 540 = NZBau
2005, 219 = ZfBR 2005, 255; Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 208/00
m.w.N., BauR 2002, 463, 464 f. = NZBau 2002, 151 = ZfBR 2002, 249; ebenso:
BGH, Urteil vom 8. März 2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99, 104). Diese Ent-
scheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Vereinbarung eines an
sich unzulässigen Bareinbehalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des
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Auftraggebers nur dann als wirksam angesehen werden kann, wenn dem Auf-
tragnehmer ein angemessener Ausgleich zugestanden wird (BGH, Urteil vom
5. Juni 1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27, 30 f.). In einer Regelung, die ver-
sucht, diesen Vorgaben gerecht zu werden, liegt eine geschlossene Konzepti-
on. Sicherungseinbehalt und Ablösungsrecht sind untrennbar miteinander ver-
knüpft, was zu einer einheitlichen, die wirtschaftlichen Interessen der Vertrags-
parteien berücksichtigenden Gesamtbeurteilung des die Sicherungsvereinba-
rung betreffenden Regelungsgefüges zwingt (BGH, Urteil vom 22. November
2001 - VII ZR 208/00, BauR 2002, 463, 464 f. = NZBau 2002, 151 = ZfBR 2002,
249; Urteil vom 8. März 2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99, 104). Eine solche
konzeptionelle Einheit besteht nicht, wenn die Stellung einer selbstschuldneri-
schen, unbefristeten Bürgschaft verlangt wird und zudem vorgesehen ist, dass
der Bürge auf die Einrede gemäß § 768 BGB teilweise verzichtet. Diese Rege-
lungen sind nicht untrennbar miteinander verknüpft. Die Stellung einer selbst-
schuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft ist - im Gegenteil - gerade ohne den
Verzicht auf die Einrede gemäß § 768 BGB unbedenklich.
Der Annahme einer konzeptionellen Einheit in dem Sinne, dass durch
den Wegfall der unwirksamen Vereinbarung der Verpflichtung zum Verzicht des
Bürgen auf die Einrede nach § 768 BGB die gesamte Sicherungsvereinbarung
fallen müsse, stehen auch die Interessen der Parteien des Bauvertrages entge-
gen. Die Sicherungsvereinbarung dient dazu, dem allgemein als schützenswert
anerkannten Interesse des Auftraggebers auf Absicherung des Vertragserfül-
lungsanspruchs Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteile vom 18. April 2002
- VII ZR 192/01, BGHZ 150, 299, 303 f., und vom 20. April 2000 - VII ZR
458/97, BauR 2000, 1498, 1499 f. = NZBau 2000, 424 = ZfBR 2000, 477). Die-
ses Interesse ist nicht auf eine Vertragsgestaltung fixiert, die dem Bürgen nur
teilweise die Einrede nach § 768 BGB gestattet. Die selbstschuldnerische, un-
befristete Bürgschaft verliert demgemäß ihre Bedeutung für die Vertragspartei-
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en nicht dadurch, dass der Einredeverzicht wegfällt. Denn letztlich kommt es
dem Auftraggeber bei einer derartigen Sicherungsvereinbarung in erster Linie
darauf an, eine Bürgschaft zur Sicherung der Vertragserfüllung zu erhalten.
Mag er in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Sicherung abwei-
chend von den gesetzlichen Regelungen durch den teilweisen Verzicht auf die
Einrede nach § 768 BGB noch verstärken wollen, so ist die Vereinbarung für ihn
und den Auftragnehmer auch dann sinnvoll und gewollt, wenn diese Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen unwirksam sind.
Von ähnlichen Erwägungen beeinflusst ist im Übrigen die Rechtspre-
chung des Senats, wonach die durch die Unwirksamkeit einer formularmäßig
vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern entstehende
Vertragslücke grundsätzlich in der Weise geschlossen werden kann, dass der
Auftragnehmer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung verpflichtet ist,
eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft zu stellen (Urteil vom 4. Juli
2002 - VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229, 234 f.). Sie entkleidet die Sicherungs-
vereinbarung im Ergebnis von dem Teil, dessen Realisierung zu einer unange-
messenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen wür-
de, ohne diesen - ebenso wenig interessengerecht - von der Verpflichtung zur
Stellung einer Vertragserfüllungssicherheit vollständig zu befreien.
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e) Die Erwägungen unter c) gelten ebenso für den von der Revision al-
lerdings ohnehin nicht mehr aufgegriffenen Einwand, der Verzicht auf die Einre-
de der Aufrechenbarkeit nach § 770 Abs. 2 BGB sei ebenfalls unwirksam.
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III.
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Da die Beklagte keine weiteren Einwendungen gegen ihre Inanspruch-
nahme aus der selbstschuldnerischen, unbefristeten Bürgschaft erhebt, war die
Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Bauner Eick
Halfmeier Leupertz
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2007 - 18 O 617/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 09.01.2008 - 11 U 116/07 -