Urteil des BGH vom 20.01.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 278/04
Verkündet am:
20. Januar 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
Ist für eine Streitigkeit (hier: Einwendungen gegen die Kostenberechnung des
Notars) nicht die vom Kläger angerufene ordentliche streitige Gerichtsbarkeit,
sondern die freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig, so hat das angerufene Pro-
zeßgericht die Sache von Amts wegen an das zuständige Gericht zu verwei-
sen. Haben die Instanzgerichte statt dessen die Klage als unzulässig abge-
wiesen, so nimmt das Revisionsgericht - auch ohne entsprechende Verfah-
rensrüge - die Verweisung durch Urteil vor.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - III ZR 278/04 - LG Berlin
AG Charlottenburg
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren auf-
grund der bis zum 16. Dezember 2004 eingereichten Schriftsätze durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden die Urteile des Amtsge-
richts Charlottenburg vom 17. September 2003 und der Zivil-
kammer 52 des Landgerichts Berlin vom 10. Mai 2004 aufgeho-
ben.
Der beschrittene Weg zum Prozeßgericht ist unzulässig.
Die Sache wird an die für Einwendungen gegen die Kosten-
berechnung des Notars (§ 156 KostO) zuständige Kammer des
Landgerichts Berlin verwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin schloß am 7. Oktober 1999 mit der J.
GmbH & Co. KG (im folgenden: Vermieterin) einen Mietvertrag über
ein Geschäftsgrundstück in B. . In dem Vertrag verpflichtete sich die Vermie-
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terin, zugunsten der Klägerin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an
dem Mietgegenstand nach Maßgabe eines dem Vertrag beigefügten Muster-
textes zu bestellen und die Eintragung der Dienstbarkeit "auf Kosten des Mie-
ters" zu besorgen. Im Auftrag der Vermieterin beglaubigte der beklagte Notar
am 31. Januar 2001 die Namensunterschriften der Vertreter der Vermieterin
unter der Dienstbarkeitsbestellungsurkunde (UR-Nr. A 21/2001). Seine Kosten-
rechnung vom 1. Februar 2001, in der - unter Zugrundelegung eines Ge-
schäftswerts von 123.308.000 DM - eine "Entwurfs-/Beglaubigungsgebühr" von
26.107,50 DM angesetzt wird und die sich auf insgesamt (einschließlich Mehr-
wertsteuer) 30.311,38 DM beläuft, stellte der Beklagte zunächst auf die Ver-
mieterin aus und übersandte sie dieser. Die Vermieterin gab ihm mit Schreiben
vom 5. Februar 2001 die Rechnung zurück, verwies auf die vertragliche Ver-
pflichtung der Klägerin zur Kostentragung und bat um Rechnungslegung ge-
genüber der Klägerin, wobei sie eine Kopie dieses Schreibens an die Klägerin
zu Händen ihres Rechtsanwalts schickte.
Der Beklagte erstellte daraufhin eine gleichlautende Kostenberechnung
auf die Klägerin und sandte diese Rechung mit Schreiben vom 8. Februar 2001
an den Rechtsanwalt der Klägerin mit der Bitte um Weiterleitung an diese. Der
Rechtsanwalt der Klägerin beanstandete in einem an die Vermieterin gerichte-
ten - dem Beklagten in Kopie übersandten - Schreiben vom 19. März 2001 den
Ansatz einer Entwurfsgebühr und fügte hinzu, er könne der Klägerin nicht emp-
fehlen, die Kostenrechnung zu begleichen. Mit Schreiben vom 15. September
2002 bat die Buchhaltung der Klägerin, die offenbar die Rechnung von Februar
2001 nicht erhalten hatte, um Erstellung einer an die Klägerin gerichteten
Rechnung. Daraufhin erteilte der Beklagte der Klägerin eine weitere, auf den
26. August 2002 datierte, auf Euro (15.497,96 €) umgestellte Rechnung. Im
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September 2002 leistete die Klägerin hierauf eine Abschlagszahlung in Höhe
von 5.000 €.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten die
Rückzahlung dieses Betrages unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten
Bereicherung. Sie macht geltend, der Ansatz einer Entwurfsgebühr sei nicht
berechtigt, überhaupt sei die Klägerin im Verhältnis zum Notar nicht Kosten-
schuldnerin.
Amtsgericht und Landgericht haben die Klage als unzulässig abgewie-
sen. Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision
der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die - zulässige, nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehinderte (vgl. BGHZ
121, 367, 370 ff; Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. § 17a GVG Rn. 18 m.w.N.) -
Revision führt zur Verweisung der Sache an das zuständige Gericht der freiwil-
ligen Gerichtsbarkeit (§ 156 KostO).
1.
Die Vorinstanzen haben mit Recht den von der Klägerin mit der Klage
beschrittenen Weg zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit als unzulässig
angesehen. Der gegen den beklagten Notar geltend gemachte Anspruch auf
Rückerstattung gezahlter Notarkosten kann nicht in einem Zivilprozeß verfolgt
werden, sondern nur mit der für "Einwendungen gegen die Kostenberechnung"
vorgesehenen Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 156
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KostO; vgl. auch § 157 Abs. 1 Satz 1 KostO; BGH, Urteile vom 30. Januar 1961
- III ZR 215/59 - MDR 1961, 395, 22. November 1966 - VI ZR 39/65 - NJW
1967, 931, 933 und vom 22. Oktober 1987 - IX ZR 175/86 - NJW 1988, 563 f;
Hartmann, Kostengesetze 34. Aufl. § 156 KostO Rn. 3, 5, 6 ff; Bengel/Tiedke,
in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 15. Aufl. § 156 Rn. 6; Rohs, in
Rohs/Wedewer, KostO 2. Aufl. [August 2004] § 156 Rn. 17, 17a).
a) Das Berufungsgericht meint, der Weg, Einwendungen gegen die Ko-
stenberechnung des Beklagten im Verfahren nach §§ 156 ff KostO geltend zu
machen, stehe der Klägerin deshalb offen, weil sie Kostenschuldnerin des Be-
klagten nach § 3 Nr. 2 KostO sei. Nach dieser Vorschrift ist Kostenschuldner
des Notars (auch) derjenige, der die Kosten durch eine vor dem Notar abge-
gebene oder diesem "mitgeteilte" Erklärung übernommen hat (vgl. SchlHOLG
JurBüro 1982, 894 f; BayObLG DNotZ 1985, 563 f). Allein die Verpflichtung in
einem Vertrag, (Notar-)Kosten zu übernehmen, wirkt allerdings, wie das Beru-
fungsgericht nicht verkannt hat, nur zwischen den Vertragspartnern (Hartmann
aaO § 3 KostO Rn. 5 m.w.N.). Das Berufungsgericht nimmt indes im Ansatz mit
Recht an, daß eine Kostenübernahmeerklärung im Sinne des § 3 Nr. 2 KostO
auch in der Weise erfolgen könnte, daß der Vertrag, in dem ein Teil - zunächst
im Innenverhältnis - die notariellen Kosten übernimmt, mit dem Wissen und
Wollen dieses Vertragspartners dem Notar mitgeteilt wird (Hartmann aaO § 3
KostO Rn. 4).
aa) Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Begründung des Berufungsgerichts
für die Annahme, ein solcher Tatbestand liege hier vor, trägt. Das Berufungs-
gericht führt hierzu aus, die Klägerin habe ihre Zustimmung - gemeint ist: zu
dem Hinweis der Vermieterin gegenüber dem Notar auf die Kostenübernahme-
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verpflichtung der Klägerin im Mietvertrag - dadurch zum Ausdruck gebracht,
"daß sie der alsbald an sie gerichteten Kostenrechnung nur wegen eines Ge-
bührentatbestandes widersprochen hat, ohne sich darauf zu berufen, daß sie
selbst nicht Kostenschuldnerin sei und deshalb überhaupt nicht in Anspruch
genommen werden könne".
bb) Zwar sind an den Inhalt der Kostenübernahmeerklärung keine zu
hohen Anforderungen zu stellen, sie muß aber mit Deutlichkeit hervorhe-
ben, daß die Übernahme gegenüber dem Notar gewollt ist (BayObLG aaO;
BayObLG MittBayNot 1994, 467, 468; Waldner, in Rohs/Wedewer aaO [Sept.
2000] § 3 Rn. 12)
Vorliegend dürfte es, wie der Revision zuzugeben ist, im Zusammen-
hang mit dem Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom
19. März 2001, das an die Vermieterin gerichtet und dem Beklagten zur Kennt-
nisnahme übersandt worden war, an einer (positiven) Erklärung der Klägerin
bzw. ihres Rechtsanwalts in Richtung Notar fehlen, durch die - etwa im Sinne
eines "Anerkenntnisses dem Grunde nach" - die Verpflichtung, gegenüber dem
Notar eine Zahlungspflicht eingehen zu wollen, zum Ausdruck kam.
Eine andere - vom Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht
geprüfte - Frage ist die, ob die Klägerin durch ihr Gesamtverhalten, einschließ-
lich der weiteren Vorgänge im August und September 2002, die Kostentra-
gungspflicht gegenüber dem Beklagten übernommen hat.
Das kann letztlich offenbleiben.
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b) Denn die Beschwerdebefugnis (§ 20 Abs. 1 FGG) der Klägerin für
eine gegen die Kostenberechnung des Beklagten gerichtete Beschwerde im
Sinne des § 156 Abs. 1 KostO folgt schon daraus, daß der Beklagte eine an
die Klägerin gerichtete Kostenberechnung erstellt, die Klägerin hieraus in An-
spruch genommen hat und auch im gerichtlichen Verfahren die Klägerin nach
wie vor als seine Kostenschuldnerin ansieht (vgl. Hartmann aaO § 156 KostO
Rn. 15; Bengel/Tiedke aaO § 156 Rn. 9, 13). Damit ist genau die Situation ge-
geben, für die das Gesetz die (ausschließliche) funktionelle Zuständigkeit des
Gerichts der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Beschwerdeinstanz zur Überprü-
fung der Kostenberechnung des Notars vorsieht; in diesem Verfahren ist unter
anderem zu klären, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht als Kostenschuldne-
rin herangezogen hat. Soweit gemeinhin gesagt wird, wer nicht Kostenschuld-
ner sei, sei nicht beschwerdeberechtigt (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1990, 40),
betrifft dies die Beschwerdeeinlegung durch Dritte.
2.
Die Vorinstanzen hätten jedoch, statt die Klage als unzulässig zu ver-
werfen, die Streitigkeit entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts we-
gen an das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das zur Entscheidung über
die Notarbeschwerde nach § 156 KostO zuständig ist, verweisen müssen.
a) Die §§ 17 bis 17b GVG sind im Verhältnis der streitigen ordentlichen
Gerichtsbarkeit zur freiwilligen Gerichtsbarkeit - jedenfalls soweit es sich, wie
hier, um echte Streitsachen handelt - entsprechend anwendbar (vgl. Senatsbe-
schluß vom 5. April 2001 - III ZB 48/00 - NJW 2001, 2181; Kissel/Mayer, GVG
4. Aufl. § 17 Rn. 55 f m.w.N.).
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b) Den betreffenden Mangel im Verfahren der Instanzgerichte muß der
Senat im Revisionsverfahren auch ohne Rüge der Revision berücksichtigen
(vgl. § 557 Abs. 3; siehe Zöller/Gummer aaO § 557 Rn. 8 m.w.N.). Eine Klage-
abweisung als unzulässig mangels Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs
ist nämlich seit der Neufassung der Vorschriften über die Rechtswegverwei-
sung durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) nicht mehr vorgesehen (BGH, Urteil
vom 19. März 1993 - V ZR 247/91 - LM DDR-ZGB § 66 Nr. 1; vgl. Begründung
zu §§ 17 und 17a GVG, BT-Drucks. 11/7030 S. 37; Kissel/Mayer aaO Rn. 35)
und von der Rechtsprechung nur in einzelnen Ausnahmefällen als möglich an-
erkannt worden (vgl. BGH, Beschluß vom 19. November 1992 - V ZB 37/92 -
NJW 1993, 332 ; Musielak/ Wittschier ZPO 4. Aufl. § 17a GVG Rn. 5 m.w.N.).
c) Die gebotene Verweisungsentscheidung hat der Senat selbst zu tref-
fen. Hat ein oberster Gerichtshof des Bundes - wie hier - auf das gegen eine
inhaltlich unrichtige (hier: die Klage als unzulässig abweisende) Instanzent-
scheidung eingelegte Rechtsmittel über die Rechtswegfrage zu entscheiden,
so folgt daraus die Kompetenz auch zur Verweisung an das Gericht des zuläs-
sigen Rechtsweges (BSG NVwZ-RR 2000, 648). Die Entscheidung ergeht, da
mit der Verweisung zugleich die angefochtenen Prozeßurteile aufgehoben
werden und die Aufhebung eines Urteils wiederum grundsätzlich in Urteilsform
geschieht, in Form eines Urteils (vgl. BSG aaO; Senatsbeschluß vom
26. Februar 1998 - III ZB 25/97 - NJW 1998, 2745). Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 4. März 1998 (VIII ZB 25/97 - NJW 1998, 2057,
2058), in der nicht beanstandet wurde, daß das Berufungsgericht ein erstin-
stanzliches Urteil in Beschlußform aufgehoben und den Rechtsstreit an das
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zuständige Arbeitsgericht verwiesen hatte, steht nicht entgegen. Es handelte
sich dort um die (erstmalige)
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Entscheidung eines Oberlandesgerichts im Vorabverfahren gemäß § 17a
Abs. 2 bis 4 GVG. Um eine solche Vorabentscheidung geht es hier nicht.
Schlick
Streck
Kapsa
Galke
Herrmann