Urteil des BGH vom 29.05.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 6/08
vom
29. Mai 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1365
Eine Vollstreckungsunterwerfungserklärung unterliegt nicht dem Zustimmungserfor-
dernis des § 1365 BGB.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 6/08 - LG Hagen
AG Hagen
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der
3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 30. November 2007
aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss
des Amtsgerichts Hagen vom 3. Januar 2007 wird zurückgewie-
sen.
Die Schuldner tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt
306.775,13 €.
Gründe:
I.
Mit notarieller Erklärung vom 20. September 1999 räumte
E. R. der während des Verfahrens verstorbenen Schuldnerin gegen
Zahlung von 120.000 DM ein (Gesamt-) Erbbaurecht an mehreren Grundstü-
cken ein. Am selben Tag bestellte er, bezeichnet als „Eigentümer/Besteller“, mit
einer weiteren notariell beurkundeten Erklärung der Gläubigerin an den
Grundstücken und Erbbaurechten eine (Gesamt-) Grundschuld über
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600.000 DM. Die Schuldnerin war an dieser Grundschuldbestellung als „zukünf-
tige Erbbauberechtigte…und als persönlicher Schuldner“, ihr Vater ebenfalls
„als persönlicher Schuldner“, beteiligt. Wegen des Grundschuldbetrages und
der Zinsen unterwarf sich E. R. der Zwangsvollstreckung in den be-
lasteten Grundbesitz in der Weise, dass die Vollstreckung „gegen den jeweili-
gen Eigentümer/Erbbauberechtigten“ zulässig sein sollte. Die Schuldnerin und
ihr Vater übernahmen als Gesamtschuldner die persönliche Haftung für „einen
Geldbetrag in Höhe des Grundschuldbetrages“ und unterwarfen sich der sofor-
tigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom
9. März 2006 die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts angeordnet. Die Erin-
nerung der Schuldnerin hat es zurückgewiesen, nachdem der Urkundsnotar die
Erklärung über die Vollstreckungsunterwerfung in den Grundbesitz im Wege der
Berichtigung um den Zusatz „sowie der zukünftige Erbbauberechtigte“ ergänzt
hatte. Das Landgericht hat den Anordnungsbeschluss aufgehoben. Dagegen
wendet sich die Gläubigerin mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Erben der Schuldnerin beantra-
gen.
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II.
Das Beschwerdegericht meint, das Zwangsversteigerungsverfahren sei
nicht durch den Tod der Schuldnerin unterbrochen worden. Es werde vielmehr
entsprechend § 779 ZPO in den Nachlass fortgesetzt. Die Anordnung der
Zwangsversteigerung sei aber aufzuheben, weil es an einer wirksamen Voll-
streckungsunterwerfung fehle. Nach dem Wortlaut der Urkunde habe sich nur
„der Besteller“ der Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz unterworfen. Das
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sei nach der Bezeichnung der Beteiligten im Rubrum der Urkunde nur
E. R. , nicht aber auch die Schuldnerin. Zwar sei unstreitig, dass auch
die Schuldnerin der Gläubigerin eine Grundschuld habe bestellen wollen. Dar-
aus ergebe sich aber nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit, dass diese sich
auch der sofortigen Zwangsvollstreckung habe unterwerfen wollen. Daran än-
dere die vorgenommene Berichtigung der Urkunde nichts. Denn diese sei unzu-
lässig.
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis nicht
stand.
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1. Zu Recht ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen,
dass das Zwangsversteigerungsverfahren durch den Tod der Schuldnerin nicht
unterbrochen worden ist. Eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des
Schuldners bereits begonnen hat, wird nämlich nach § 779 Abs. 1 ZPO in des-
sen Nachlass fortgesetzt. Diese Regelung gilt für jede Zwangsvollstreckung
(MünchKomm-ZPO/Schmidt, 3. Aufl., § 779 Rdn. 2; Zöller/Stöber, ZPO,
26. Aufl., § 779 Rdn. 2; Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteige-
rung und Zwangsverwaltung, Rdn. 3.45) und damit nach § 869 ZPO auch für
das Zwangsversteigerungsverfahren (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 15 Anm. 30.4;
Zöller/Stöber, aaO, § 779 Rdn. 2). Die Voraussetzungen lagen vor, weil die
Zwangsversteigerung durch den Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom
9. März 2006 angeordnet worden war und damit vor dem Todesfall begonnen
hatte. Die Erinnerung der früheren Schuldnerin gegen die Anordnung ändert
daran nichts. Begonnen hat die Zwangsvollstreckung nämlich mit der ersten
Vollstreckungshandlung (Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 779 Rdn. 2).
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2. Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht aber an, es fehle an einer
wirksamen Unterwerfung der Schuldnerin unter die Zwangsvollstreckung in das
Erbbaurecht.
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a) Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist „der Besteller“, der sich in
der Grundschuldbestellungs- und Unterwerfungsurkunde vom 20. September
1999 der Vollstreckung unter anderem in das Erbbaurecht unterworfen hat, nur
der als solcher bezeichnete Eigentümer des Erbbaugrundstücks, nicht aber
auch die Schuldnerin als Erbbauberechtigte. Eine solche Auslegung ist im
Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich da-
hin, ob der Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Aus-
legungsgrundsätze, die Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und die
der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festge-
stellt hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 131, 136, 138; 135, 269, 273; 137, 69, 72; 150,
32, 37; BGH, Urt. v. 29. März 2000, VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509). In
diesem Rahmen ist sie aber zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat zwar
erkannt, dass eine Unterwerfungserklärung, wenn auch in Grenzen, ausle-
gungsfähig ist (Senat, Urt. v. 23. November 1979, V ZR 123/76, NJW 1980,
1050, 1051; Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 4/05, DNotZ 2005, 845, 846;
MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 794 Rdn. 182; Zöller/Stöber aaO,
§ 794 Rdn. 29; Wolfsteiner, Die Vollstreckbare Urkunde, 2. Aufl., Rdn. 11.37).
Es hat aber die anerkannte Auslegungsregel nicht beachtet, dass der Tatrichter
bei der Auslegung jedenfalls den aus der Urkunde hervorgehenden Zweck
(BGHZ 109, 19, 22), die daraus ersichtliche Interessenlage der Parteien (BGH,
Urt. v. 13. März 2003, IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236; Senat, Urt. v.
9. Mai 2003, V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054) und ihre sprachlichen
Gepflogenheiten zu berücksichtigen hat (Senat, Urt. v. 2. Februar 2007, V ZR
34/06, juris).
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b) Der Zweck des Rechtsgeschäfts und die Interessenlage der Parteien
ergeben sich aus der Vorbemerkung der Urkunde. Danach sollte der Gläubige-
rin eine Gesamtgrundschuld an dem Erbbaugrundstück und an dem Erbbau-
recht bestellt werden, das der Eigentümer des Erbbaugrundstücks der Schuld-
nerin mit einer am selben Tage beurkundeten Erklärung bestellt hatte. Da das
Erbbaurecht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG an erster Rangstelle zu be-
gründen war, konnte nur so eine ausreichende Absicherung der Gläubigerin
erreicht werden. Diese Form der dinglichen Absicherung konnte nicht allein
E. R. als Eigentümer des Erbbaugrundstücks herbeiführen. Sie setzte
vielmehr eine Mitwirkung der Schuldnerin als künftiger Erbbauberechtigter vor-
aus. Denn nur sie war formell- wie materiellrechtlich in der Lage, das im Entste-
hen begriffene Erbbaurecht in der nach der Vorbemerkung der Urkunde vorge-
sehenen Weise mitzubelasten. Dass die Schuldnerin nicht nur wegen der eben-
falls vorgesehenen Übernahme der persönlichen Haftung, sondern auch als
künftige Erbbauberechtigte an dem Rechtsgeschäft beteiligt werden sollte,
weist das Rubrum der Urkunde ausdrücklich aus.
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c) Allerdings wird, das ist dem Beschwerdegericht und der Rechtsbe-
schwerdeerwiderung zuzugeben, allein der Eigentümer des Erbbaugrundstücks
E. R. als „Besteller“ bezeichnet. Diese Bezeichnung lässt auf den ers-
ten Blick erwarten, dass im Text der Urkunde mit „Besteller“ allein
E. R. angesprochen wird. Dem entspricht aber der weitere Text der Ur-
kunde nicht. In deren - einem Formularmuster der Gläubigerin - folgenden Ab-
schnitten I. bis IV. werden sämtliche Erklärungen ausschließlich von dem „Be-
steller“ abgegeben. Das gilt auch für sämtliche Erklärungen, die sich auf die
Belastungen des Erbbaurechts und die Durchführung der Urkunde insoweit be-
ziehen. Solche Erklärungen konnte E. R. nicht abgeben. Er sollte das
nach der Urkunde auch nicht. Vielmehr sollten diese Erklärungen von der
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Schuldnerin in ihrer Eigenschaft als künftiger Erbbauberechtigter abgegeben
werden. Nur so ließ sich der in der Vorbemerkung beschriebene Zweck errei-
chen. Das ist offensichtlich und wird auch von dem Beschwerdegericht nicht in
Zweifel gezogen.
d) Die Beteiligten haben damit den nach Rubrum und Vorbemerkung, die
dem Formular der Gläubiger als selbständig formulierter Text vorgeheftet sind,
zu erwartenden Sprachgebrauch aufgegeben und sind in dem anschließenden
Teil der Urkunde, der dem Formular der Gläubigerin entspricht, wieder in den
Sprachgebrauch des Formulars zurückgefallen. Danach ist Besteller nicht allein
E. R. als Eigentümer des Erbbaugrundstücks, sondern jeder, der eine
Belastung bestellen soll. Das war hier auch die Schuldnerin. Denn sie sollte ei-
ne Grundschuld auf ihrem seinerzeit entstehenden Erbbaurecht einräumen.
Dieser vom Rubrum abweichende Sprachgebrauch betrifft nicht nur die eigentli-
che Grundschuldbestellung, sondern sämtliche Erklärungen, die in diesem Zu-
sammenhang abgegeben wurden. Der Sprachgebrauch des verwandten For-
mulars ist insoweit einheitlich und konsequent. Anhaltspunkte dafür, dass die
Beteiligten ihm gerade in dem letzten Absatz des Abschnitts über die Bestellung
der Grundschuld, der sich mit der dinglichen Vollstreckungsunterwerfung be-
fasst, nicht folgen wollten, sind nicht ersichtlich. Die daran anschließenden Ab-
schnitte der Urkunde erfassen im Gegenteil ebenso offensichtlich sowohl den
Eigentümer des Grundstücks als auch die Schuldnerin. Das gilt entgegen der
Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung auch für die Erklärung in Abschnitt II
der Urkunde, die Grundschuld solle erst auf dem Erbbaugrundstück eingetra-
gen werden. Auch dieser Abschnitt spricht inhaltlich nicht nur den Eigentümer
des Grundstücks, sondern auch die Schuldnerin an. Er befasst sich nämlich mit
der Frage, wie angesichts der vorgesehenen Gesamtgrundschuld an Erbbau-
grundstück und Erbbaurecht verfahren werden soll, wenn die Eintragungsvor-
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aussetzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten. Diese Frage konnten
der Eigentümer und die Schuldnerin als künftige Erbbauberechtigte nur ge-
meinsam mit der Gläubigerin vereinbaren. Damit liegt eine wirksame Unterwer-
fung auch der Schuldnerin unter die Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht
vor.
e) Auf die von dem Urkundsnotar vorgenommene Berichtigung der Ur-
kunde und die Frage, ob sie zulässig war, kommt es nicht an.
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3. Der Anordnung der Zwangsversteigerung steht, anders als die
Rechtsbeschwererwiderung meint, auch nicht entgegen, dass das zu belasten-
de Erbbaurecht seinerzeit mangels Eintragung in das Grundbuch, die am
20. Mai 2003 nachfolgte, noch nicht entstanden war. Für die Wirksamkeit einer
dinglichen Unterwerfungserklärung reicht es nach unbestrittener Ansicht aus,
wenn der sich Unterwerfende bei Eintragung des Grundpfandrechts Eigentümer
des Grundstücks, bei der Belastung eines Erbbaurechts dessen Inhaber, ist
(Senat, BGHZ 108, 372, 376; RGZ 132, 6, 8; BayObLG DNotZ 1987, 216; OLG
Saarbrücken, NJW 1977, 1202, 1203; KG NJW-RR 1987, 1229; OLG Naum-
burg NotBZ 2001, 114; LG Erfurt NotBZ 2003, 478, 479; Musielak/Lackmann,
aaO, § 800 Rdn. 4, 6; Zöller/Stöber, aaO, § 800 Rdn. 5; Wolfsteiner, Die voll-
streckbare Urkunde, aaO, Rdn. 28.37). So liegt es hier.
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4. Unbegründet ist schließlich auch der Einwand der Schuldnerin, die
Verpfändung des Erbbaurechts und die Vollstreckungsunterwerfung hätten als
Verfügung über das Vermögen der Schuldnerin als Ganzes nach § 1365 BGB
der Zustimmung ihres Ehemanns bedurft. Eine Vollstreckungsunterwerfungser-
klärung unterliegt nach unbestrittener Ansicht dem Zustimmungserfordernis des
§ 1365 BGB nicht, weil sie eine prozessuale Willenserklärung ist und eine Ver-
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fügung über das Vermögen im Ganzen oder Teile davon nicht enthält (LG Lü-
beck, SchlAnz 1959, 79; ebenso BayObLGE (NF) XIV (1914), 499, 503 für Ge-
samtgut; Bamberger/Roth/Mayer, BGB, 2. Aufl., § 1365 Rdn. 19 a. E.; Er-
man/Gamillscheg, BGB, 12. Aufl., § 1365 Rdn. 20; MünchKomm-BGB/Koch,
4. Aufl., § 1365 Rdn. 50, Staudinger/Thiele, BGB [2007], § 1365 Rdn. 55). Dass
die Vollstreckungsunterwerfung die Zwangsvollstreckung in ein Erbbaurecht
auch eröffnet, wenn es das gesamte Vermögen des Ehegatten darstellt, ändert
daran nichts. Das Zustimmungserfordernis des § 1365 BGB schützt den Ehe-
gatten nicht umfassend und hindert den anderen Ehegatten insbesondere nicht
an der Eingehung von Verbindlichkeiten, die ihn zwar nicht zu einer Verfügung
über sein ganzes oder nahezu ganzes Vermögen verpflichten, die dessen Be-
stand aber gleichwohl nachhaltig gefährden und es einem Zugriff seiner Gläubi-
ger im Wege der Zwangsvollstreckung aussetzen (BGHZ 143, 356, 361, BGH,
Beschl. v. 20. Dezember 2005, VII ZB 50/05, NJW 2006, 849, 850; OLG Ros-
tock, FamRZ 1995, 1583, 1584).
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, der im
Streit um die Anordnung der Zwangsversteigerung anwendbar ist, weil sich die
Beteiligten hier wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüberstehen
(Senat, BGHZ 170, 378, 381).
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Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hagen, Entscheidung vom 03.01.2007 - 31 K 28/06 -
LG Hagen, Entscheidung vom 30.11.2007 - 3 T 79/07 -