Urteil des BGH vom 29.04.2003

BGH (treu und glauben, treuhänder, rechtskräftiges urteil, begründeter anlass, wirtschaftliche einheit, zwangsvollstreckung, auszahlung, auslegung, urkunde, darlehensnehmer)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 204/03 Verkündet
am:
21. März 2006
Herrwerth,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 21. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Ellenberger und Prof. Dr. Schmitt
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Ein-
zelrichters des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 29. April 2003 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzel-
richterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt
am Main vom 17. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Rückzahlungsanspruch der kla-
genden Bank aus einer Immobilienfinanzierung. Dem liegt folgender
Sachverhalt zugrunde:
1
Der Beklagte, ein türkischer Staatsangehöriger und gelernter
Schweißer mit einem damaligen monatlichen Nettogehalt von 2.450 DM,
2
- 3 -
wurde Ende 1990 von einem Versicherungsvertreter zu Hause besucht
und auf die Möglichkeit angesprochen, ohne eigene Aufwendungen Geld
zu verdienen. Beide suchten daraufhin die Geschäftsräume der K.
Grundbesitz GmbH (nachfolgend: Anlagevermittlerin) auf. Im Verlauf des
dort geführten Gesprächs entschloss sich der Kläger zum kreditfinanzier-
ten Kauf einer Eigentumswohnung in G. . Zu diesem Zweck erteil-
te er dem Vertriebsmitarbeiter Gr. (nachfolgend: Treuhänder) ei-
ne umfassende notarielle Vollmacht zum Abschluss aller dazu erforderli-
chen Verträge.
Am 30. Oktober 1990 unterzeichnete der Beklagte auf Vermittlung
des Treuhänders einen von der Klägerin vorbereiteten Antrag auf Ge-
währung eines Vorausdarlehens über 121.500 DM, der von ihr am
2. November 1990 angenommen wurde. Nach dem Vertragsinhalt sollte
der Kredit mit Hilfe noch anzusparender Bausparverträge getilgt werden.
Mit notariellem Vertrag vom 10. Dezember 1990 kaufte der Treuhänder,
der über keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügte, im
Namen des Beklagten die Eigentumswohnung zum Preis von
116.844 DM. Ferner bestellte der Beklagte - vertreten durch die von dem
Treuhänder unterbevollmächtigte Notariatssekretärin S. - der Klä-
gerin in notarieller Urkunde vom selben Tage eine Sicherungsgrund-
schuld über 135.000 DM an der Immobilie, übernahm insoweit die per-
sönliche Haftung und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung
in sein gesamtes Vermögen. Die Kreditsumme wurde, wie von der Nota-
riatsangestellten namens des Beklagten in der notariellen Urkunde be-
stimmt, auf Notaranderkonto überwiesen.
3
- 4 -
Nachdem der Beklagte Ende März 1998 die nach Konditionenan-
passungen geänderten Zahlungen eingestellt hatte, kündigte die Klägerin
den Darlehensvertrag fristlos. Der Beklagte wandte sich daraufhin mit
einer Vollstreckungsgegenklage gegen die von der Klägerin aus der no-
tariellen Urkunde vom 10. Dezember 1990 betriebene Zwangsvollstre-
ckung. Zudem ließ er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. November
1999 seine Darlehensvertragserklärung nach dem Haustürwiderrufsge-
setz widerrufen.
4
Durch rechtskräftiges Urteil vom 25. Oktober 2000 erklärte das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Zwangsvollstreckung der Klä-
gerin für unzulässig. Aus den aus diesem Verfahren resultierenden Kos-
tenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Hanau vom 2. August
2001 über 23.727,58
DM und vom 19.
September 2001 über
5.718,80 DM betreibt der Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen die
Klägerin. Sie hat gegen die Kostenforderungen mit der Begründung auf-
gerechnet, dass ihr nach Widerruf des Kreditvertrages ein Rückzah-
lungsanspruch zumindest in gleicher Höhe zustehe. Der Beklagte hält
dem vor allem entgegen, die auf das Notaranderkonto überwiesene Dar-
lehensvaluta mangels wirksamer Anweisung nicht empfangen zu haben
und nach den Regeln über das verbundene Geschäft zur Kreditrückzah-
lung nicht verpflichtet zu sein.
5
Das Landgericht hat die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin
abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von ihm
zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
6
- 5 -
Entscheidungsgründe:
7
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
8
Die
Zwangsvollstreckung aus den beiden Kostenfestsetzungsbe-
schlüssen sei unzulässig, da die Kostenerstattungsansprüche des Be-
klagten durch die von der Klägerin erklärte Aufrechnung mit ihrem Rück-
zahlungsanspruch aus § 3 HWiG erloschen seien. Die Regeln über das
verbundene Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG oder nach dem Abzah-
lungsgesetz bzw. dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben
stünden dem nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes stellten Immobilienerwerb und Darlehensvertrag
grundsätzlich keine wirtschaftliche Einheit dar, weil auch der rechtsun-
kundige und unerfahrene Laie wisse, dass Verkäufer und Kreditgeber
verschiedene Personen seien.
9
Der Beklagte habe die Darlehensvaluta mit der Auszahlung an den
Treuhänder auch gemäß § 3 HWiG "empfangen". Die hierfür erforderli-
che Weisung habe der Beklagte konkludent schon in seinem Darlehens-
antrag erteilt. Nach dem Willen beider Parteien habe das Anlagemodell
so verwirklicht werden sollen, wie es von der Anlagevermittlerin geplant
10
- 6 -
gewesen sei. Dazu habe von Anfang an auch die Auszahlung des Darle-
hens an den Treuhänder gehört, dessen Beauftragung zur Wahrung der
Interessen aller Beteiligten vorgesehen und vom Beklagten gewollt ge-
wesen sei. Er selbst habe kein Interesse daran gehabt, die freie Verfü-
gungsmacht über den Darlehensbetrag zu erlangen, sondern diesen zur
Verwirklichung des Wohnungskaufs verwenden wollen. Die in dem später
geschlossenen Kaufvertrag enthaltene Zahlungsanweisung sei somit nur
eine Wiederholung und Konkretisierung der bereits bei der Kreditauf-
nahme erteilten Anweisung, so dass es auf die Wirksamkeit des Kaufver-
trages nicht entscheidend ankomme.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats sind
die Parteien allerdings im Falle eines wirksamen Widerrufs eines Real-
kreditvertrages zur Finanzierung des Kaufs einer Immobilie grundsätzlich
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG jeweils verpflichtet, dem anderen Teil die
empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Darlehensnehmer ist
nicht lediglich zur Herausgabe der mit dem Realkredit finanzierten Im-
mobilie und der Vergütung zwischenzeitlicher Nutzungen verpflichtet
(Senatsurteile BGHZ 152, 331, 335, vom 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00,
ZIP 2003, 1741, 1744, vom 28. Oktober 2003 - XI ZR 263/02, WM 2003,
2410 und vom 18. November 2003 - XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 31).
Die finanzierende Bank hat daher gegen den Darlehensnehmer einen
Anspruch auf Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages sowie auf
12
- 7 -
dessen marktübliche Verzinsung (vgl. Senatsurteile BGHZ 152, 331, 336,
338, vom 26. November 2002 - XI ZR 10/00, WM 2003, 64, 66, vom
15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1744, vom 28. Oktober
2003 - XI ZR 263/02, WM 2003, 2410 und vom 18. November 2003 -
XI ZR 322/02, WM 2004, 172, 176). Die hieran zum Teil (zum Meinungs-
stand siehe Bungeroth WM 2004, 1505, 1507 f. m.umfangr.Nachw.) ge-
übte Kritik gibt dem Senat keinen Anlass, diese Rechtsprechung auf-
zugeben. Der Umstand, dass der Verbraucher das Darlehen gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 HWiG wie bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwick-
lung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (vgl. § 819 BGB) ohne
Rücksicht auf sein finanzielles Leistungsvermögen "auf einen Schlag"
zurückzahlen muss und ein Widerruf des Darlehensvertrages deshalb für
ihn im Allgemeinen wirtschaftlich wenig oder gar nicht interessant ist, ist
auch nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
vom 25. Oktober 2005 (Rs C-350/03, WM 2005, 2079, 2084 ff. - Schulte)
kein Grund, um die Rückzahlungspflicht auszuschließen oder einzu-
schränken. Auch ist es - wie der Gerichtshof der Europäischen Gemein-
schaften ausdrücklich betont hat (aaO S. 2085 Nr. 84 f.) - weder unge-
wöhnlich, dass die Darlehensvaluta zweckgebunden eingesetzt wird,
noch fehlt es an einer Valutierung, wenn der Darlehensnehmer selbst
Weisung zur Auszahlung an den Veräußerer gegeben hat.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte
aber die Darlehensvaluta nicht empfangen und ist daher nach § 3 Abs. 1
Satz 1 HWiG zur Rückzahlung nicht verpflichtet.
13
a) Eine Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 HWiG besteht nur dann, wenn er den Kredit empfangen
14
- 8 -
hat. Ein Empfang des Darlehens ist ebenso wie im Bereich des § 607
Abs. 1 BGB a.F. und des § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 3 VerbrKrG zu
bejahen, wenn der Darlehensgegenstand aus dem Vermögen des Darle-
hensgebers ausgeschieden und dem Vermögen des Vertragsgegners in
der vereinbarten Form endgültig zugeführt wurde (vgl. etwa BGH, Urteil
vom 7. März 1985 - III ZR 211/83, WM 1985, 653). Wird die Darlehensva-
luta auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten ausgezahlt, so
hat der Darlehensnehmer regelmäßig den Darlehensbetrag im Sinne des
§ 607 Abs. 1 BGB a.F. empfangen, wenn der von ihm als Empfänger
namhaft gemachte Dritte das Geld vom Darlehensgeber erhalten hat, es
sei denn, der Dritte ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehens-
nehmers, sondern sozusagen als "verlängerter Arm" des Darlehensge-
bers tätig geworden (BGHZ 152, 331, 337; BGH, Urteile vom 17. Januar
1985 - III ZR 135/83, WM 1985, 221, 233, insoweit in BGHZ 93, 264 nicht
abgedruckt, vom 7. März 1985 - III ZR 211/83, WM 1985, 653, vom
25. April 1985 - III ZR 27/84, WM 1985, 993, 994 und vom 12. Juni 1997
- IX ZR 110/96, WM 1997, 1658, 1659). Dementsprechend gilt ein Darle-
hen auch dann als "empfangen" im Sinne des § 7 VerbrKrG, wenn der
Kreditgeber es vereinbarungsgemäß an einen Dritten ausgezahlt hat
(§ 362 Abs. 2 BGB i.V. mit § 185 BGB; siehe die amtliche Begründung
zum VerbrKrG BT-Drucks.
11/5462 S.
22; BGHZ
152, 331, 337
m.w.Nachw.).
b) Gemessen daran hat der Beklagte die Darlehensvaluta mangels
wirksamer Auszahlungsanweisung nicht empfangen. Die Begründung,
mit der das Berufungsgericht im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB)
zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bereits der Darlehensantrag des
Beklagten vom 30. Oktober 1990 eine konkludente Anweisung zur Aus-
15
- 9 -
zahlung der Kreditsumme an seinen damaligen Treuhänder enthält, ist
rechtsfehlerhaft. Zwar ist die Auslegung individualvertraglicher Erklärun-
gen im Grundsatz dem Tatrichter vorbehalten und daher in der Revisi-
onsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Die Auslegung ist jedoch für das
Revisionsgericht nicht bindend, wenn sie gesetzliche oder allgemein an-
erkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt.
Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört auch der
Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung
(siehe nur BGHZ 150, 32, 37 ff.; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004
- III ZR 119/04, NJW 2005, 753, 756, insoweit in BGHZ 161, 349 nicht
abgedruckt).
Diesen
Maßstäben
wird die Auslegung des Berufungsgerichts - wie
die Revision zu Recht rügt - schon deshalb nicht gerecht, weil die Darle-
hensvaluta von der Klägerin - vom Berufungsgericht übersehen - nicht an
seinen früheren Treuhänder überwiesen worden ist, sondern entspre-
chend der von der Notariatssekretärin namens des Beklagten in der no-
tariellen Urkunde vom 10. Dezember 1990 erteilten Weisung auf Notar-
anderkonto. Für die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Auszah-
lung des Darlehensbetrages an den Treuhänder zu dem Anlagemodell
gehört und auch sonst dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entspro-
chen habe, fehlt danach jede Grundlage. Davon abgesehen enthält der
Darlehensvertrag der Parteien nicht den geringsten Hinweis darauf, dass
die Kreditsumme an einen Dritten ausgezahlt werden sollte. Der Um-
stand, dass der Beklagte zusammen mit seinem Kreditantrag vom
30. Oktober 1990 ein Konto mit der Nummer ... bei der Klägerin
eröffnet hat und diese Nummer oben rechts auf dem Darlehensantrag
16
- 10 -
angegeben ist, spricht bei lebensnaher Betrachtung vielmehr dafür, dass
er selbst die Verfügungsgewalt über das Geld erhalten wollte.
III.
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
17
1. An die von der Notariatssekretärin als seine Vertreterin in der
notariellen Urkunde vom 10. Dezember 1990 abgegebene Zahlungsan-
weisung ist der Beklagte wegen Nichtigkeit der umfassenden Vollmacht
des Treuhänders und der von ihm nicht wirksam erteilten Untervollmacht
nicht gebunden.
18
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche
Abwicklung eines Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen
des Steuersparmodells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach
Art. 1 § 1 RBerG. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Treuhand-
vertrag, der so umfassende rechtliche Befugnisse wie hier erhält, ist
nichtig. Die Nichtigkeit erfasst nach dem Schutzgedanken des Art. 1 § 1
RBerG i.V. mit § 134 BGB auch die dem Treuhänder zur Durchführung
des Vertrages erteilte Abschlussvollmacht (st.Rspr., siehe etwa Senats-
urteile vom 11. Januar 2005 - XI ZR 272/03, WM 2005, 327, 328, vom
15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830 und vom 21. Juni
2005 - XI ZR 88/03, WM 2005, 1520, 1521 sowie BGH, Urteile vom
19
- 11 -
8. Oktober 2004 - V ZR 18/03, WM 2004, 2349, 2352 und vom 17. Juni
2005 - V ZR 78/04, WM 2005, 1764, 1765).
20
b) Aus den allgemeinen Regeln über die Duldungs- und An-
scheinsvollmacht ergibt sich entgegen der Auffassung der Revisionser-
widerung keine andere rechtliche Beurteilung. Dem steht schon entge-
gen, dass der Beklagte - wie auch die Klägerin - zum Zeitpunkt des Ab-
schlusses des Darlehensvertrages im Jahre 1990 von der Wirksamkeit
des umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages sowie der Treuhand-
vollmacht ausgegangen sind und damals für etwaige Wirksamkeitszwei-
fel kein begründeter Anlass bestand. Dem Beklagten kann daher nicht
vorgeworfen werden, den Anschein einer Vollmachtserteilung vorsätzlich
oder fahrlässig hervorgerufen zu haben (siehe dazu Senatsurteil vom
21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1522). Dass die Klägerin
bei Auszahlung des Darlehensbetrages auf das Notaranderkonto nicht
nur auf die Wirksamkeit der umfassenden notariellen Vollmacht des
Treuhänders vertraut, sondern das vorvertragliche Verhalten des Beklag-
ten für ein "Dulden" des Vertreterhandelns im Sinne der Rechtsfigur der
Duldungsvollmacht gehalten hat, ist von ihr in den Tatsacheninstanzen
auch nicht geltend gemacht worden.
c) Da der Treuhänder mangels wirksamer Bevollmächtigung kein
Recht besaß, die Notariatssekretärin mit den für den Erwerb der Eigen-
tumswohnung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Handlungen im Namen
des Beklagten zu beauftragen und ihr die dafür notwendige Untervoll-
macht zu erteilen, handelte sie bei Abgabe der streitigen Anweisungser-
klärung als vollmachtlose Vertreterin. Auch gibt es keinen sachlichen
Grund, der es rechtfertigt, dem Beklagten ihr diesbezügliches Handeln
21
- 12 -
unter allgemeinen Rechtsscheingesichtspunkten oder aus anderen recht-
lichen Erwägungen zuzurechnen.
22
2. Die Berufung des Beklagten auf die Unwirksamkeit der Zah-
lungsanweisung stellt schließlich auch keine unzulässige und damit ge-
gen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver-
stoßende Rechtsausübung dar. Zwar ist mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Beklagte den Kreditbetrag
ebenfalls zur Zahlung des Kaufpreises für die erworbene Eigentumswoh-
nung verwandt hätte. Daraus vermag die Klägerin aber im Ergebnis
schon deshalb nichts für sich herzuleiten, weil davon auszugehen ist,
dass auch der Kaufvertrag mangels wirksamer Bevollmächtigung des
Treuhänders unwirksam ist und der Klägerin ein eigener Bereicherungs-
anspruch gegen den Zahlungsempfänger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
BGB in Höhe der ausgezahlten Darlehensvaluta zusteht. Einen weiterge-
henden Anspruch hätte sie auch gegen den Beklagten nicht.
IV.
Das Berufungsurteil musste daher aufgehoben werden (§ 562
Abs. 1 ZPO). Da der Klägerin mangels Valutierung des Darlehens kein
Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG gegen den Beklagten zusteht, ist
dessen Kostenforderung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
nicht durch Aufrechnung erloschen. Auf die Revision des Beklagten war
23
- 13 -
daher in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und
die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des
Landgerichts zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Ellenberger Schmitt
Vorinstanzen:
LG Frankfurt, Entscheidung vom 17.05.2002 - 2/7 O 388/01 -
OLG Frankfurt, Entscheidung vom 29.04.2003 - 9 U 93/02 -