Urteil des BGH vom 04.02.2010

BGH (rechtliches gehör, irreführung, koch, kenntnis, offenkundig, prozessrecht, therapie, wirksamkeit, sache, verhandlung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 159/08
vom
4. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Februar 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil
des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
24. Juli 2008 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
Die Beklagte macht zu Recht eine entscheidungserhebliche Verletzung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer vom Kläger bean-
standeten Broschüre unter Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG den Eindruck
einer therapeutischen Wirksamkeit ihrer KernspinResonanzTherapie erweckt,
die dieser Therapie fehlt oder zumindest wissenschaftlich nicht hinreichend ge-
sichert ist.
2
Das Landgericht hatte angenommen, dass die Aushändigung der Bro-
schüre an Patienten nicht ausgeschlossen sei und der der Broschüre nach dem
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Vortrag der Beklagten beigefügte Aufklärungshinweis die Irreführung der Pati-
enten nicht beseitigte.
4
Das Berufungsgericht hat demgegenüber zugunsten der Beklagten un-
terstellt, dass die beanstandete Broschüre nur an Ärzte zum Zwecke der Wei-
terleitung an die Krankenkassen ausgegeben werde, und die Frage, ob der
Aufklärungshinweis entsprechend dem Vortrag der Beklagten die vom Kläger
geltend gemachte Irreführung verhinderte, offen gelassen. Es hätte auf dieser
- vom Standpunkt des Landgerichts abweichenden - Grundlage dann aber dem
unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten nachgehen müssen, dass
(auch) die Ärzte von dem Aufklärungshinweis (schon vorab) in einer Weise
Kenntnis erhielten, die eine Irreführung ausschließe. Die Nichterhebung dieses
Beweises ist daher offenkundig unrichtig und verletzt, da sie im Prozessrecht
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keine Stütze findet, den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (vgl.
BVerfGE 69, 141, 143 f.; 69, 145, 149; 75, 302, 312; BVerfG, Kammerbeschl. v.
5.11.2008 - 1 BvR 1822/08, juris Tz. 3 f. m.w.N.).
Bornkamm
Pokrant
Büscher
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 19.07.2007 - 2/3 O 643/06 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.07.2008 - 6 U 169/07 -