Urteil des BGH vom 11.07.2002

BGH (widerklage, höhe, vertrag, haus, garage, aufklärungspflicht, aufklärung, genehmigung, keller, hausmann)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 437/01
Verkündet am:
11. Juli 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2001 wird zu-
rückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien verlangen mit Klage und Widerklage gegenseitig Scha-
densersatz.
Die Kläger wollten ein von der Beklagten zu erstellendes Einfamilienhaus
erwerben. Die Garage sollte auf neun Meter verlängert und unterkellert werden,
da der Keller als Wohn- und Arbeitsraum genutzt werden sollte. Der Bereich der
unterkellerten Garage sollte eine Höhe von 2,30 m haben. Diese Sonderwün-
sche, für deren Ausführung die Kläger 71.700 DM zahlen sollten, wurden von
der Beklagten im Notartermin aufgelistet, jedoch nicht beurkundet.
Die Beklagte beantragte eine Genehmigung nur für eine auf sieben Me-
ter verlängerte Garage, eine Kellergeschoßhöhe von 2,10 m und nur teilweise
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Unterkellerung, weil das Bauordnungsamt in Vorgesprächen mitgeteilt hatte,
daß weitere Ausführungsänderungen nicht bewilligt würden. Die Kläger erklär-
ten die "Liquidation" des Vertrages, weil die Beklagte nicht in der Lage sei, ihre
Sonderwünsche zu erfüllen.
Die Kläger verlangen Schadensersatz, weil die Beklagte gewußt habe,
daß sie das Haus nur bei Realisierung der Sonderwünsche erwerben würden.
Die Beklagte hätte erkennen können, daß die Ausführung nicht genehmi-
gungsfähig war, wenn sie sich rechtzeitig informiert hätte. Sie behauptet, sie
habe auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vertraut. Sie verlangt ih-
rerseits Schadensersatz und Herausgabe einer zur Sicherung etwaiger Scha-
densersatzansprüche der Kläger gestellten Bürgschaft.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abge-
wiesen. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten in Höhe von
19.576,49 DM und die Abweisung der Widerklage bestätigt. Dagegen wendet
sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht die
Klage wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen durch die Beklagte für
begründet, die Widerklage für unbegründet erachtet.
Das maßgebende Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember
2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB; § 26 Nr. 7 EGZPO).
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I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Kläger hätten Anspruch auf
Schadensersatz in Höhe von 19.576,49 DM wegen Verschuldens bei Vertrags-
verhandlungen für die ihnen entstandenen Eintragungs-, Beurkundungs-, Dar-
lehens- und Zinskosten sowie den anteiligen Zinsverlust der verauslagten
Grunderwerbsteuer.
Der Vertrag sei wegen Formmangels gemäß §§ 125, 313 BGB nichtig,
weil die wesentlichen Sonderwünsche nicht beurkundet worden seien. Der Be-
klagten könne zwar nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie hätte die Wirksam-
keit des Vertrages treuwidrig vereitelt oder sonst eine besondere Treuepflicht
hinsichtlich der Beurkundung des Vertrages verletzt. Sie habe aber die Kläger
durch falsche bzw. unvollständige Angaben zum Vertragsschluß verleitet. Sie
wäre verpflichtet gewesen, auf die Notwendigkeit der Genehmigung und auf
Bedenken vor Abschluß des Vertrages hinzuweisen. Wäre sie ihrer Aufklä-
rungspflicht nachgekommen, hätten die Kläger angesichts der Bedeutung, wel-
che die Sonderwünsche für sie hatten, den Vertrag nicht geschlossen. Dies
werde schon dadurch deutlich, daß sie vorhergehende Vertragsangebote, bei
denen die Beklagte erklärt habe, die Sonderwünsche nicht realisieren zu kön-
nen, abgelehnt hätten. Die Beklagte habe den Klägern als Schaden die Auf-
wendungen zu ersetzen, die sie im Vertrauen auf die Erfüllbarkeit der Sonder-
wünsche gehabt hätten. Daran ändere die Formnichtigkeit des Vertrages nichts.
II.
Dagegen wendet sich die zulässige Revision ohne Erfolg.
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1. Die Revision ist gemäß §§ 545, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 ZPO
statthaft. Es ist zwar nicht erkennbar, daß die Rechtssache grundsätzliche Be-
deutung hat. Der Senat ist jedoch an die Zulassung durch das Berufungsgericht
gebunden.
2. Das Berufungsgericht erkennt unbeschadet der Formunwirksamkeit
des Vertrages (§ 313 Satz 1, § 125 Satz 1 BGB) den Klägern zu Recht den
geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei
Vertragsverhandlungen zu. Der Beklagten stehen folglich die mit der Widerkla-
ge geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
Die Beklagte hat die Kläger unter Verstoß gegen ihre Aufklärungspflicht
(vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1976 - VII ZR 119/71, BGHZ 60, 221; vom
6. April 2001 - VII ZR 402/99, NJW 2001, 2021) zum Abschluß eines, wenn
auch unwirksamen Vertrages veranlaßt, den diese bei der gebotenen Aufklä-
rung nicht geschlossen hätten. Die Beklagte hat gewußt, daß die Kläger an der
Errichtung des Einfamilienhauses nur dann Interesse hatten, wenn ihre erhebli-
chen Sonderwünsche realisiert werden konnten. Die Beklagte bot das Haus
entsprechend den Sonderwünschen an und erklärte noch drei Tage vor dem
Notartermin, daß eine Raumhöhe von 2,30 m für den Keller möglich sei. Da das
Haus mit diesen Sonderwünschen nicht erstellt werden konnte und die Beklagte
dies bei Beachtung der gebotenen Sorgfaltspflichten hätte erkennen können,
hat sie gegenüber den Klägern ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt.
Sie ist deswegen zum Ersatz des den Klägern dadurch entstandenen Schadens
verpflichtet.
Diese hätten den Vertrag bei Kenntnis der Nichtrealisierbarkeit der Son-
derwünsche nicht abgeschlossen. Die ihnen vom Berufungsgericht zuerkannten
Schäden, gegen deren Feststellung sich die Revision nicht wendet, wären bei
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gebotener Aufklärung nicht entstanden, unabhängig davon, daß der spätere
Vertragsschluß wegen Verstoßes gegen § 313 Satz 1 BGB gemäß § 125 Satz 1
BGB unwirksam ist.
Ullmann Hausmann Kuffer
Kniffka Bauner