Urteil des BGH vom 23.11.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 270/07 Verkündet
am:
12. November 2008
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 307 Abs. 1 Bb, 557a Abs. 3 Satz 1
Ein formularmäßig erklärter, einseitiger Verzicht des Mieters von Wohnraum auf sein
ordentliches Kündigungsrecht benachteiligt den Mieter nicht unangemessen, wenn
der Kündigungsausschluss zusammen mit einer nach § 557a BGB zulässigen Staf-
felmiete vereinbart wird und seine Dauer nicht mehr als vier Jahre seit Abschluss der
Staffelmietvereinbarung beträgt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. November
2005 - VIII ZR 154/04, NZM 2006, 256).
BGH, Urteil vom 12. November 2008 - VIII ZR 270/07 - LG München II
AG
Dachau
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter
Dr. Achilles
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil der 12. Zivilkam-
mer des Landgerichts München II vom 25. September 2007 auf-
gehoben und das Urteil des Amtsgerichts Dachau vom 30. Januar
2007 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 497,57 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
13. Juli 2006 zu zahlen. Die Widerklage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte war Mieter einer Wohnung der Klägerin in K. .
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In § 2 des Formularmietvertrages heißt es:
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"1. Das Mietverhältnis beginnt am 15.8.2004 und wird auf unbestimmte
Dauer geschlossen. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen für
Wohnraum.
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Der Mieter verzichtet unwiderruflich auf sein ordentliches gesetzliches
Kündigungsrecht für die ersten 24 Monate der Mietzeit. Sein außeror-
dentliches gesetzliches Kündigungsrecht bleibt davon unberührt."
Ferner ist in § 3 des Vertrags zur Miete vereinbart:
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"1. Der Mietzins, ausgenommen Betriebskosten, über die nach § 4 des
Mietvertrags gesondert abzurechnen ist, beträgt bei Beginn des Miet-
verhältnisses 310 €.
2. Staffelmiete
Darüber hinaus wird folgende Staffelmiete vereinbart:
Datum Wohnungsmiete
1. ab dem 1.9.2005 bis 31.8.2006 319,30
2. ab 1.9.2006 bis 31.8.2007 328,90
3. ab 1.9.2007 bis 31.8.2008 338,70
… ."
Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit einem bei der Klägerin am
29. September 2005 eingegangenen Schreiben zum 31. Dezember 2005 und
zog aus. Die Klägerin begehrt Miete für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 15. Ap-
ril 2006, da sie die Wohnung erst zu diesem Zeitpunkt anderweit vermieten
konnte. Im vorliegenden Rechtsstreit macht sie einen Betrag von 497,57 €
nebst Verzugszinsen geltend, der nach Verrechnung mit der Mietkaution unter
Berücksichtigung weiterer unstreitiger Beträge zu ihren Gunsten verbleibt. Der
Beklagte begehrt Klageabweisung und im Wege der Widerklage Zahlung eines
Betrages von 899,98 €, der sich bei der Kautionsabrechnung ohne Berücksich-
tigung der zwischen den Parteien streitigen Miete für die Zeit vom 1. Januar bis
15. April 2006 zu seinen Gunsten ergibt.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattge-
geben. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebe-
gehren und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Das Amtsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin die
geltend gemachte Miete für den Zeitraum vom 1. Januar bis 15. April 2006 nicht
zustehe, denn die Kündigung des Beklagten vom 29. September 2005 habe
das Mietverhältnis zum 31. Dezember 2005 beendet.
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Bei der in § 2 des Formularmietvertrags enthaltenen Klausel über den
Kündigungsausschluss handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Insbesondere sei die Klausel nicht handschriftlich oder in sonstiger Weise ein-
gefügt, die einen Rückschluss auf eine Individualvereinbarung zulassen würde.
Der Kündigungsausschluss sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemes-
sener Benachteiligung des Mieters unwirksam, weil er nur für den Mieter gelte;
ein derartiger einseitiger Kündigungsausschluss könne nicht in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vereinbart werden.
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II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Mietverhältnis
der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 29. September 2005
gemäß § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB zum 31. Dezember 2005 beendet worden.
Die Kündigung ist nicht zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden, weil das Recht
des Beklagten, das Mietverhältnis ordentlich mit einer Frist von drei Monaten zu
kündigen (§ 573c Abs. 1 Satz 1 BGB) im Mietvertrag wirksam für die Dauer von
24 Monaten ausgeschlossen worden ist. Entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts hält der in § 2 des Mietvertrags formularmäßig vereinbarte einsei-
tige Kündigungsverzicht des Mieters der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1
BGB stand.
1. Zutreffend und von der Revision unangegriffen ist das Berufungsge-
richt davon ausgegangen, dass es sich bei der Vertragsklausel in § 2 des Miet-
vertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.
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2. Entgegen der von der Revisionserwiderung erhobenen Gegenrüge
scheitert die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag nicht an § 305c Abs. 2
BGB. Selbst wenn die Klausel, wie die Revisionserwiderung meint, nicht ein-
deutig regelte, ob das Mietverhältnis erstmals zum Ablauf von zwei Jahren ge-
kündigt oder die Kündigungserklärung erstmals nach Ablauf dieses Zeitraums
abgegeben werden kann, hätte eine diesbezügliche Mehrdeutigkeit nach § 305c
Abs. 2 BGB lediglich zur Folge, dass die Klägerin die ihr ungünstigste Ausle-
gungsvariante gegen sich gelten lassen müsste; auch danach wäre das Miet-
verhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 29. September 2005 aber
erst nach dem Zeitpunkt beendet worden, für den die Klägerin im vorliegenden
Rechtsstreit Miete begehrt.
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3. Der formularmäßige Kündigungsausschluss in § 3 des Mietvertrags
hält auch der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB stand.
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a) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 23. November 2005 (VIII ZR
154/04, NZM 2006, 256, Tz. 13 ff.) entschieden hat, benachteiligt ein formular-
mäßig erklärter, einseitiger Kündigungsverzicht des Mieters von Wohnraum auf
sein ordentliches Kündigungsrecht den Mieter nicht unangemessen, wenn er
zusammen mit einer Staffelmiete vereinbart wird und einen Zeitraum von vier
Jahren nicht überschreitet. Dies gilt auch dann, wenn der Mietvertrag – wie
hier – auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist (Senatsurteil vom 23. November
2005, aaO, Tz. 15). Hieran hält der Senat fest.
Die Vereinbarung einer Staffelmiete soll beiden Parteien Kalkulationssi-
cherheit geben; sie ist auch für den Mieter insoweit vorteilhaft, als Mieterhöhun-
gen nach §§ 558 bis 559b BGB ausgeschlossen sind (§ 557a Abs. 2 Satz 2
BGB). Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht in § 557a Abs. 3 BGB bei der Staffel-
miete ausdrücklich vor, dass das Kündigungsrecht des Mieters für höchstens
vier Jahre seit Abschluss der Staffelmietvereinbarung ausgeschlossen werden
kann. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist es für die Wirksamkeit
des Kündigungsausschlusses nicht erforderlich, dass dieser wechselseitig auch
für den Vermieter gilt. Der Gesetzgeber hat Staffelmietvereinbarungen, die ei-
nen einseitigen Ausschluss des Kündigungsrechts enthalten, bis zur Grenze
von vier Jahren billigen wollen und durch die Bestimmung des § 557a Abs. 3
BGB zugelassen (Senatsurteil vom 23. November 2005, aaO, Tz. 19). Ein for-
mularvertraglicher Kündigungsausschluss, der – wie auch hier – der gesetzli-
chen Regelung des § 557a Abs. 3 BGB nachgebildet ist, beinhaltet deshalb im
Regelfall keine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von
§ 307 Abs. 1 BGB (Senatsurteil, aaO, Tz. 14). Eine Abweichung von wesentli-
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chen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) liegt
entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung gerade nicht vor.
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b) Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung ferner, dass die Regelung
des Kündigungsausschlusses in § 2 des Mietvertrags nicht hinreichend klar und
verständlich sei und den Mieter unter diesem Gesichtspunkt unangemessen
benachteilige (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein verständiger, nicht juristisch vor-
gebildeter Mieter vermag den Regelungsgehalt der Klausel ohne weiteres zu
erfassen, auch wenn dafür, wie oben dargelegt, mehrere Auslegungsvarianten
in Betracht kommen mögen.
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-
ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Fest-
stellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563
Abs. 3 ZPO). Der Beklagte ist in Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zur
Zahlung des von der Klägerin geltend gemachten Betrages von 497,50 € nebst
Zinsen zu verurteilen, der nach Verrechnung der Kaution mit der vom Beklagten
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für den Zeitraum von 1. Januar bis 15. April 2006 geschuldeten Miete zu Gun-
sten der Klägerin noch verbleibt. Die Widerklage ist abzuweisen.
Ball
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Dachau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 2 C 1153/06 -
LG München II, Entscheidung vom 25.09.2007 - 12 S 1829/07 -