Urteil des BGH vom 31.05.2006

BGH (erhöhung des grundkapitals, eintragung, zielgesellschaft, veröffentlichung, kontrolle, höhe, zeitpunkt, vorsätzlich, unwirksamkeit, erhöhung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 78/06
2 AR 8/06
vom
31. Mai 2006
in dem Bußgeldverfahren
gegen
Verteidiger:
wegen Ordnungswidrigkeit nach dem Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz - WpÜG -
Az.: WpÜG-OWi 1/04 Oberlandesgericht Frankfurt am Main
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 31. Mai 2006 be-
schlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. November 2005
wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tra-
gen.
Gründe:
I.
Die Betroffene ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Allein-
vorstand H. ist.
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Die I. AG beschloss am 27. August 2002 in Aus-
übung genehmigten Kapitals die Erhöhung des Grundkapitals von 4,84 Millio-
nen Euro um bis zu 2,4 Millionen Euro bis auf 7,24 Millionen Euro. Die Betroffe-
ne zeichnete durch ihren Alleinvorstand H. am 18. September 2002
sämtliche 2,4 Millionen Stück neue Inhaberaktien im Nennbetrag von je 1,00
Euro. Die Eintragung der Kapitalerhöhung verzögerte sich wegen einer anhän-
gigen Anfechtungsklage.
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Unter dem 20. Januar 2003 unterzeichnete die Betroffene durch den Al-
leinvorstand drei Abtretungsverträge, wonach sie von diesen gezeichneten
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neuen Aktien 354.760 Stück an Herrn N., 246.160 Stück an Herrn St. und
354.760 Stück an Frau Dr. H. abtrat.
Die Durchführung der Kapitalerhöhung wurde am 24. Januar 2003 in das
Handelsregister eingetragen und am 22. Februar 2003 im Bundesanzeiger be-
kannt gemacht.
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Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung erhöhte sich die Beteiligung der
Betroffenen an der I. AG unter Berücksichtigung bereits
zuvor gehaltener Aktien sowie der 2,4 Millionen Stück neuer Inhaberaktien auf
insgesamt ca. 43,1 %; bei Abzug der in den Abtretungsverträgen genannten
insgesamt 955.680 Stück neuer Inhaberaktien hätte sie bei 29,92 % und damit
knapp unter der Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG gelegen.
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Nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Fol-
genden: BaFin) im Juni 2003 Ermittlungen zur Überwachung der Einhaltung der
Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebotes nach § 35 WpÜG eingeleitet hatte,
teilte die Betroffene auf Anforderung mit Schreiben vom 3. Juli 2003 mit, unter
Berücksichtigung der gezeichneten 2,4 Millionen Stück Aktien hätte sie mit der
Eintragung der Kapitalerhöhung am 24. Januar 2003 in der Tat die Schwelle
von 30 % der Stimmrechtsanteile überschritten. Dazu sei es jedoch nicht ge-
kommen, weil sie bereits zuvor am 20. Januar 2003 so viele Ansprüche auf
neue Aktien an Dritte abgetreten habe, dass sie bei Eintragung der Kapitaler-
höhung nur auf eine Beteiligung in Höhe von 29,9 % des Kapitals der
I. AG gekommen sei.
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Mit Schreiben vom 26. August 2003 teilte die BaFin der Betroffenen mit,
sie sei nach Auswertung der Auskünfte zu dem vorläufigen Ergebnis gelangt,
dass diese mit Eintragung der Kapitalerhöhung am 24. Januar 2003 die Kon-
trollschwelle von 30 % der Stimmrechte überschritten habe und wies auf § 191
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AktG und die hieraus folgende Unwirksamkeit der vor der Eintragung der Kapi-
talerhöhung vereinbarten Abtretungen hin. Des Weiteren richtete sie mit Schrei-
ben vom selben Tage Auskunftsersuchen nach § 40 Abs. 3 WpÜG an die drei
Erwerber.
Die Betroffene veröffentlichte am 3. September 2003 über die Deutsche
Gesellschaft für Ad hoc-Publicität mbH (DGAP) dass sie seit dem 27. August
2003 insgesamt 2,4 Millionen Aktien, das heißt 33,149 % der Stimmrechte an
der I. AG und mit diesem Zeitpunkt die Kontrolle über diese Gesell-
schaft erlangt habe.
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Am 31. März 2004 setzte die BaFin gegen die Betroffene eine Geldbuße
in Höhe von 100.000 € fest, die sich aus einer Geldbuße in Höhe von 25.000 €
wegen der leichtfertig nicht rechtzeitigen Veröffentlichung der Erlangung der
Kontrolle über eine Zielgesellschaft und aus einer Geldbuße in Höhe von
75.000 € wegen der vorsätzlich nicht richtigen Veröffentlichung der Erlangung
der Kontrolle über eine Zielgesellschaft zusammensetzt.
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Hiergegen hat die Betroffene Einspruch eingelegt und Entscheidung im
gerichtlichen Verfahren begehrt.
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Der zuständige Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlan-
desgerichts Frankfurt am Main hat daraufhin durch Beschluss vom
30. November 2005 gegen die Betroffene wegen einer von ihrem Alleinvorstand
vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der unrichtigen Veröffentlichung
der Kontrollerlangung über eine Zielgesellschaft eine Geldbuße von 75.000 €
festgesetzt (§§ 35 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Nr. 1 a) und Abs. 3 WpÜG, §§ 17
Abs. 1 und 4, 30 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 OWiG).
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Das Oberlandesgericht hat zwar den Vorwurf der nicht rechtzeitigen Ver-
öffentlichung für nicht gegeben erachtet, da die Betroffene lediglich fahrlässig,
aber nicht leichtfertig gehandelt habe.
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Das Oberlandesgericht hat aber die Überzeugung gewonnen, dass die
Betroffene die verspätete Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über die
Zielgesellschaft bedingt vorsätzlich unrichtig vorgenommen hat hinsichtlich des
Zeitpunktes der Kontrollerlangung.
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Gegen die Verhängung der Geldbuße hat die Betroffene form- und frist-
gerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese begründet.
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Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu ver-
werfen. Der Vorstand der Betroffenen hat hierauf erwidert.
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II.
Die Beschwerde war als unbegründet zu verwerfen. Die angefochtene
Entscheidung des Oberlandesgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Betroffenen auf.
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1. Die Mitteilung der Betroffenen, sie habe erst am 27. August 2003 die
Kontrolle im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 29 Abs. 2 WpÜG über die
I. AG erlangt, war objektiv unrichtig. Zutreffend weisen das
Oberlandesgericht in der angefochtenen Entscheidung und der Generalbun-
desanwalt in seiner Zuschrift vom 10. Februar 2006 darauf hin, dass die Abtre-
tungsverträge keine Wirkung entfalten konnten. Nach § 189 AktG wird eine Ka-
pitalerhöhung nach der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grund-
kapitals in das Handelsregister wirksam. Vor dem Zeitpunkt dieser Eintragung
können nach § 191 AktG die neuen Anteilsrechte nicht übertragen und neue
Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Entgegen diesem Ver-
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bot vorher ausgegebene neue Aktien und Zwischenscheine sind nichtig. Dies
gilt gemäß § 203 Abs. 1 AktG auch im Falle einer Kapitalerhöhung aus geneh-
migtem Kapital.
Deshalb konnte durch die drei Abtretungsverträge vom 20. Januar 2003
eine Übertragung von Aktien, neuen Anteilsrechten oder der Position aus der
vorausgegangenen Aktienzeichnung vom 18. September 2002 nicht bewirkt
werden. Vielmehr führte die Handelsregistereintragung vom 24. Januar 2003
dazu, dass zu diesem Zeitpunkt in der Person der Betroffenen die neuen Mit-
gliedschaftsrechte aus der zuvor von ihr gezeichneten 2,4 Millionen Stück neuer
Inhaberaktien entstanden waren. Die Betroffene hatte daher bereits am
24. Januar 2003 - und nicht wie von ihr veröffentlicht am 27. August 2003 - die
Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt.
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2. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass die Betroffene bedingt
vorsätzlich einen unrichtigen Zeitpunkt der Kontrollerlangung über die Zielge-
sellschaft veröffentlicht hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, wie der General-
bundesanwalt zutreffend dargelegt hat. Die Beschwerdeführerin versucht inso-
weit lediglich, ihre eigene Wertung an die Stelle der Würdigung des Oberlan-
desgerichts zu setzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Der angefochtene
Beschluss setzt sich mit allen erörterungsbedürftigen Fragen ausführlich aus-
einander, insbesondere auch damit, dass dem Auskunftsersuchen der BaFin an
die drei Vertragspartner der Abtretungsverträge vom 26. August 2003 keines-
wegs entnommen werden kann, dass Zweifel an der Unwirksamkeit dieser Ver-
träge bestanden.
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Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass der Betroffenen durch Schrei-
ben der BaFin vom 26. August 2003 die Rechtslage so verdeutlicht wurde, dass
sie die Unrichtigkeit ihrer beabsichtigten Veröffentlichung jedenfalls für möglich
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hielt und von ihr auch billigend in Kauf genommen wurde, ist nachvollziehbar
und möglich; das genügt.
3. Die Höhe der festgesetzten Geldbuße lässt keinen Rechtsfehler er-
kennen. Insbesondere ist kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrund-
satz zu erkennen.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 46 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.
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Rissing-van Saan Rothfuß Appl