Urteil des BGH vom 14.12.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 115/06
vom
14. Dezember 2006
in der Notarkostensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
KostO § 154 Abs. 2
Kann der Kostenberechnung aufgrund der Bezeichnung der berechneten Ausla-
gen eindeutig entnommen werden, auf welchem Absatz oder welchem Gliede-
rungspunkt der jeweils mit ihrem Paragraphen benannten gesetzlichen Vorschrift
die angesetzten Kosten beruhen, ist die Angabe des Absatzes
oder Gliederungspunktes der Vorschrift entbehrlich.
BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2006 - V ZB 115/06 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Dezember 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkam-
mer des Landgerichts Duisburg wird auf Kosten der Beteiligten
zu 1 zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde
beträgt 51.709,96 €.
Gründe:
I.
Der Kostengläubiger fertigte zu Beginn des Jahres 2001 im Auftrag der
Kostenschuldnerin verschiedene Vertragsentwürfe. Mit Berechnung vom
7. November 2003 stellte er der Kostenschuldnerin die hierfür entstandenen
Gebühren und Auslagen in Rechnung. In der Kostenberechnung heißt es u. a.:
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"Dokumentenpauschale §§ 136, 152 I KostO '02 27,85 €
(69 Seiten)
Postauslagen §§ 137, 152 II KostO '02 7,70 €"
Die Kostenschuldnerin hat gegen die Kostenberechnung Beschwerde
eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zuge-
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lassenen weiteren Beschwerde verfolgt die Kostenschuldnerin ihren Antrag auf
Aufhebung der Kostenberechnung weiter. Das Oberlandesgericht möchte die
weitere Beschwerde zurückweisen. Es sieht sich hieran durch den Beschluss
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 31. März 2000, OLGR 2000, 272, ge-
hindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2
FGG). Das vorlegende Oberlandesgericht ist der Ansicht, dass es das Zitierge-
bot von § 154 Abs. 2 KostO bei dem Ansatz von Auslagen nicht verlangt, die
jeweils zur Anwendung kommenden Absätze und Untergliederungen der Vor-
schriften der Kostenordnung zu nennen, wenn die Benennung der Auslagen
dem Kostenschuldner die Prüfung der Berechnung des Notars ermöglicht.
Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Oldenburg in der Vergleichsent-
scheidung die Auffassung, die Angabe der Untergliederungen der angewende-
ten Vorschriften der Kostenordnung sei für die Rechtmäßigkeit der Kostenbe-
rechnung unentbehrlich.
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III.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
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1. Gemäß § 154 Abs. 2 KostO hat die Notarkostenberechnung über den
Betrag der verlangten Kosten hinaus die Kostenvorschriften, eine kurze Be-
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zeichnung des jeweiligen Geschäftsgegenstandes und die Bezeichnung der
angesetzten Auslagen zu enthalten. Durch diese Angaben soll die Kostenbe-
rechnung transparent gemacht (BT-Drucks. 12/6962 S. 92, 102) und der Kos-
tenschuldner in die Lage versetzt werden, den Kostenansatz zu prüfen (Bay-
ObLGZ 1981, 349, 351; OLG Hamm ZfNotP 2000, 407 f. mit Anm. Tiedtke).
Hierzu wird es in Rechtsprechung und Literatur teilweise für notwendig erachtet,
dass nicht nur der jeweilige Paragraph der angewendeten Vorschrift der Kos-
tenordnung angegeben wird, sondern auch deren maßgeblicher Absatz und
eine Gliederungsnummer, soweit die Vorschrift in dieser Weise gegliedert ist
und mehrere Gebührentatbestände enthält (OLG Köln JurBüro 1982, 1876,
1877; OLG Düsseldorf JurBüro 1983, 1244, 1245; OLG Zweibrücken MDR
1986, 1038; OLG Hamm MDR 1992, 716; JurBüro 1997, 100; OLG Branden-
burg DNotZ 1997, 248, 249; OLG Düsseldorf RNotZ 2001, 174, 175; LG Han-
nover JurBüro 1995, 102 m. Anm. Mümmler; Schmidt, FGPrax 1996, 41; a.M.
KG DNotZ 1974, 505, 506; OLG Düsseldorf JurBüro 1975, 810, 811; OLG
Braunschweig MDR 1976, 411, 412; OLG Hamm FGPrax 2005, 45, 46; Delp,
JurBüro 1976, 733, 734).
2. Das Erfordernis der Angabe des Gebührentatbestandes besteht in-
dessen nicht um seiner Selbst willen. Es darf nicht von dem Zweck des Zitier-
gebotes gelöst werden. Soweit in die Kostenberechnung Auslagen des Notars
aufgenommen werden können, sind diese in der Kostenordnung allgemein be-
zeichnet. Um die Kostenberechnung nachzuvollziehen, bedarf es insoweit kei-
ner Subsumtion unter einen abstrakt formulierten Tatbestand. Kann der Kos-
tenberechnung aufgrund der Bezeichnung der berechneten Kosten eindeutig
entnommen werden, auf welchem Absatz oder welchem Gliederungspunkt der
jeweils mit ihrem Paragraphen benannten gesetzlichen Vorschrift die angesetz-
ten Auslagen beruhen, ermöglicht die Kostenberechnung dem Kostenschuldner
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die Prüfung der angesetzten Kosten. Damit ist der Zweck von § 154 Abs. 2
KostO erreicht. Die Angabe des Absatzes oder Gliederungspunktes der Vor-
schrift ist entbehrlich (vgl. BayObLGZ 1990, 275, 278; KG FGPrax 1996, 157,
158 m. Anm. Schmidt; OLG Hamm, FGPrax 2005, 45, 46; Bengel/Tiedtke in
Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 154 Rdn. 8).
So verhält es sich hier.
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a) Soweit der Kostengläubiger für die Erstellung des Vertragsentwurfs
eine Dokumentenpauschale angesetzt hat, kommt als Grundlage des Ansatzes
allein § 136 Abs. 1 Nr. 1 KostO in Betracht. Einem Zweifel dahin, dass der An-
satz auf § 136 Abs. 1 Nr. 2 KostO beruhen könnte, fehlt jede Grundlage. Die
Vorschriften des § 136 Abs. 2, 3 KostO betreffen die Höhe der ansetzbaren
Auslagen und kommen als Gebührentatbestand nicht in Betracht. § 136 Abs. 4
KostO regelt einen Ausnahmetatbestand, bei dessen Vorliegen der Ansatz von
Auslagen gemäß § 136 Abs. 1 Nr. 1 KostO entfällt. Der für 69 Seiten von dem
Kostengläubiger angesetzte Betrag ergibt sich unmittelbar aus § 136 Abs. 2
KostO.
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b) Nicht anders verhält es sich, soweit der Kostengläubiger 7,70 €
"Postauslagen" in die Kostenberechnung aufgenommen hat. § 152 Abs. 2
KostO erweitert den Anspruch der Gebührennotare auf Auslagenersatz gegen-
über § 137 KostO. Dass § 152 Abs. 2 Nr. 1 KostO Grundlage des Kostenansat-
zes ist, ergibt sich aus der von dem Kostengläubiger gewählten Bezeichnung
"Postauslagen".
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3. Eine strengere Auslegung von § 154 Abs. 2 KostO ist auch nicht des-
halb geboten, weil § 155 KostO es dem Notar ermöglicht, ohne ein gerichtliches
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Verfahren die Zwangsvollstreckung aus der Kostenberechnung gegen den Kos-
tenschuldner zu betreiben (a.M. BayObLGZ 1962, 280, 287; 1980, 100, 105;
1981, 349, 351; 1990, 275, 277; BayObLG JurBüro 1984, 1228, 1229; OLG
Zweibrücken MDR 1986, 1038; LG Hannover JurBüro 1995, 102; Gött-
lich/Mümmler/Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl. Stichwort "Kostenberech-
nung" Anm. 2.2.2). Die vollstreckbare Kostenberechnung steht einer gerichtli-
chen Entscheidung nicht gleich (Senat, Beschl. v. 7. Juli 2004, NJW-RR 2004,
1578, 1579). Die Vollstreckbarkeit eines Urteils beruht auf § 704 Abs. 1 ZPO.
Die Anforderungen an die Begründung des Urteils werden durch § 313 Abs. 2,
3 ZPO bestimmt. Eine Aussage, welche Anforderungen für den Inhalt der No-
tarkostenberechnung gelten, kann diesen Regelungen nicht entnommen wer-
den.
Der Kostenanspruch des Notars ist öffentlich-rechtlicher Natur (BGHZ
108, 268, 269). Leistungsansprüche aus dem öffentlichen Recht sind dadurch
gekennzeichnet, dass es zu ihrer zwangsweisen Durchsetzung grundsätzlich
keines gerichtlichen Verfahrens bedarf, sondern ein Verwaltungsakt hierzu aus-
reicht und eine gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots
erst nachfolgend stattfindet, vgl. §§ 42 VwGO, § 40 FGO, Art. XI § 1 KostÄndG
1957. Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich, ist er unter Angabe der wesentli-
chen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die zu seinem Erlass geführt ha-
ben, zu begründen, vgl. § 39 Abs. 1 VwVfG, § 121 Abs.1 AO. Soweit das Gebot
der Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit dies nicht erfordert, besteht keine
Verpflichtung, die gesetzlichen Regelungen nach Absatz und Gliederungsnum-
mer der angewendeten Paragraphen zu zitieren (vgl. Kopp/
Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 39 Rdn. 18 ff; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl.
§ 121 Rdn. 2). Dass der Verwaltungsakt ohne vorherige gerichtliche Kontrolle
der Vollstreckung zugänglich ist, ist insoweit ohne Bedeutung. Tatsächlich kann
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die Zitierung eines Paragraphen nach Absatz und Gliederungsnummer sogar
irreführend sein, weil bei einer sorgfältigen gesetzlichen Regelung einzelne Ab-
sätze und erst recht Gliederungspunkte nicht aus ihrem Zusammenhang geris-
sen werden dürfen (vgl. KG DNotZ 1974, 505, 506).
IV.
Soweit das Landgericht auch die weitergehende Beschwerde zurückge-
wiesen hat, erhebt die Kostenschuldnerin im Verfahren der weiteren Beschwer-
de keine Einwendungen. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
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V.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG, 31
Abs. 1 Satz 1 KostO.
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Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 15.02.2006 - 11 T 73/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.08.2006 - I-10 W 33/06 -