Urteil des BGH vom 22.11.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 17/08
Verkündet
am:
5. März 2009
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 675 Abs. 2
Zur Pflicht eines auf den Vertrieb von Beteiligungen an Windkraftanlagen
spezialisierten Anlagevermittlers, den Emissionsprospekt auf Plausibilität zu
überprüfen.
BGH, Urteil vom 5. März 2009 - III ZR 17/08 - OLG Hamm
LG Münster
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Hucke, Seiters und Schilling
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. November 2007 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an den 28. Zivilsenat
des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Ver-
letzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage.
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Zum Jahresende 2001 gab der Kläger seinen landwirtschaftlichen Be-
trieb auf. Dies führte zur Aufdeckung stiller Reserven, die hohe Steuerforderun-
gen nach sich zu ziehen drohten. Auf Anraten seines Steuerberaters suchte der
Kläger deshalb eine Möglichkeit zu einer langfristigen Geldanlage mit hohen
Verlustzuweisungen, um seine Steuerlast zu reduzieren. Durch Werbebroschü-
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ren, die im Büro des Steuerberaters auslagen, stieß der Kläger auf den Beklag-
ten, dessen Geschäftstätigkeit ausweislich seiner Visitenkarte unter anderem
die "Vermittlung von Beteiligungen an Windparks" war. Nach einem ersten Kon-
takt beteiligte sich der Kläger auf Vermittlung des Beklagten, der von Haus aus
Landwirt ist, mit einer Einlage von 100.000 DM an dem Windpark P. I.
Nach Rücksprache mit seinem Steuerberater wollte der Kläger seine Beteili-
gung aufstocken. Dies war jedoch bei diesem Windpark nicht mehr möglich.
Deshalb wies der Beklagte den Kläger auf ein anderes Windparkprojekt bei
O. hin und übersandte ihm am 1. Dezember 2001 einen Prospekt über
dieses Vorhaben. Am 10. Dezember 2001 zeichnete der Beklagte eine Beteili-
gung von 50.000 €.
Der Windpark O. nahm am 30. April 2002 seinen Betrieb auf. Die
tatsächlichen Erträge blieben erheblich unter den prognostizierten. Die Betrei-
bergesellschaft wurde zahlungsunfähig und beantragte am 25. April 2005 die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Windkraftanlage
wurde abgebaut und anderweitig verwertet.
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Der Kläger behauptet, der über den Windpark O. erstellte Emis-
sionsprospekt weise eine Reihe von Mängeln auf, die dem Beklagten bei einer
Plausibilitätsprüfung hätten auffallen müssen.
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Gemeinsam mit 39 weiteren Anlegern hat der Kläger 14 mit der Konzep-
tion, Vermittlung und Durchführung des Projekts befasste Personen, zu denen
auch der Beklagte gehört, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. In ei-
nem vor dem Landgericht Osnabrück geschlossenen Vergleich hat die Pros-
pektverantwortliche die Verpflichtung übernommen, an den Kläger 22.547,70 €
zu zahlen. Der Beklagte, der sich in einem weiteren Vergleich verpflichtet hatte,
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an den Kläger weitere 7.515,90 € zu zahlen, hat hingegen von dem ihm vorbe-
haltenen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht.
Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verurteilung des
Beklagten zur Zahlung von 27.558,30 € verlangt hat, abgewiesen. Das Beru-
fungsgericht hat den Beklagten nach einer Reduzierung der Klageforderung zur
Zahlung von 23.352,06 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Be-
teiligung verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision
des Beklagten.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-
fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt, der Beklagte hafte dem Kläger aus positiver Vertragsverletzung (in Ver-
bindung mit Art. 229 § 5 EGBGB) im Zusammenhang mit einem Anlagebera-
tungs- oder Anlagevermittlungsvertrag. Kapitalanlagevermittler seien unabhän-
gig davon, ob sie besonderes Vertrauen genössen, verpflichtet, das Konzept
der Anlage, die sie empfehlen wollten und bezüglich derer sie Auskunft erteilen
sollten, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere auf die wirtschaftliche Trag-
fähigkeit hin, selbst zu prüfen. Verfüge der Anlagevermittler nicht über objektive
eigene Kenntnisse, etwa weil er eigene Informationen nicht eingeholt oder keine
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Prüfungsmöglichkeit gehabt habe, so dass er sich bei seiner Empfehlung aus-
schließlich auf nicht überprüfte Informationen des Kapitalsuchenden stütze,
müsse er dies dem Interessenten offen legen. Der Beklagte habe eine Plausibi-
litätsprüfung unterlassen. Er habe sich vielmehr auf die Angaben im Emissions-
prospekt einschließlich der darin enthaltenen unzutreffenden Ertragsberech-
nungen verlassen, dies dem Kläger jedoch nicht offenbart. Was eine Plausibili-
tätsprüfung ergeben hätte, könne offen bleiben. Die bestehenden Mitteilungs-
pflichten habe der Beklagte jedenfalls fahrlässig verletzt. Die schuldhafte
Pflichtverletzung sei auch ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers
geworden. Soweit der Beklagte behaupte, der Kläger hätte die Anlage auch
dann gezeichnet, wenn er ihn auf sämtliche geltend gemachten Prospektmän-
gel hingewiesen hätte und sich der Beklagte insoweit auf das Zeugnis des
Steuerberaters des Klägers berufe, sei dies kein geeigneter Beweisantritt. Es
sprächen keine objektiven Umstände dafür, dass der Kläger die Absicht gehabt
habe, sein Geld allein um der steuerlichen Vorteile willen unabhängig von den
Risiken in den Windpark O. zu investieren. Der Kläger sei auch nicht
durch den vor dem Landgericht Osnabrück abgeschlossenen Vergleich gehin-
dert, die Restforderung von 23.352,06 € in voller Höhe geltend zu machen. Die-
sem habe erkennbar keine Gesamtwirkung im Verhältnis zum Beklagten zu-
kommen sollen. Eine endgültige Regelung habe nur im Verhältnis der Parteien
eintreten sollen, die an der Bereinigung mitgewirkt hätten.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die
vorstehenden Erwägungen rechtfertigen noch nicht die Verurteilung des Be-
klagten zur Leistung von Schadensersatz an den Kläger.
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1.
Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass
der Beklagte zumindest als Anlagevermittler tätig geworden ist. Dies nimmt
auch die Revision hin.
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2.
a) Als Anlagevermittler schuldete der Beklagte dem Kläger nach Maßga-
be der in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze eine richtige und
vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den
Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung waren (z.B.:
BGHZ 158, 110, 116; Urteil vom 12. Juli 2007 - III ZR 145/06 - NJW-RR 2007,
1692 Rn. 8 jew. m.w.N.). Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüg-
lich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirt-
schaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerech-
ten Auskünfte erteilen (z.B.: Senatsurteile vom 12. Mai 2005 - III ZR 413/04 -
WM 2005, 1219, 1220 und vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99 - WM 2000, 426,
427; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 - III ZR 230/07 - juris Rn. 5). Unter-
lässt er diese Prüfung, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf
hinweisen (z.B.: Senatsurteile vom 12. Mai 2005 und vom 13. Januar 2000 jew.
aaO).
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In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter anerkannt,
dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Interessenten statt
einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs
ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form
und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und ver-
ständlich zu vermitteln, und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertrags-
schluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden
kann (z.B.: Senatsurteil vom 12. Juli 2007 aaO, Rn. 9; BGH, Urteil vom
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21. März 2005 - II ZR 140/03 - WM 2005, 833, 837 m.w.N.). Vertreibt der Ver-
mittler, wie hier, die Anlage anhand eines Prospekts, muss er aber, um seiner
Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitäts-
prüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges
Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen In-
formationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage
ist, sachlich vollständig und richtig sind (Senatsurteile BGHZ aaO und vom
22. März 2007 - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925 Rn. 4; Senatsbeschluss
vom 21. Mai 2008 aaO). Ist die Plausibilitätsprüfung des Prospekts unterblie-
ben, hat der Anlagevermittler den Interessenten hierauf ebenfalls hinzuweisen
(vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2007 aaO, S. 1693 Rn. 14 und vom 12. Mai
2005; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 jew. aaO).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterließ der Beklag-
te schuldhaft sowohl die Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts für den
Windpark O. als auch die Aufklärung des Klägers über diesen Um-
stand. Damit verstieß er zwar gegen seine aus dem Vertrag mit dem Kläger
folgenden Pflichten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt
dies jedoch noch nicht, um eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten
gegenüber dem Kläger zu begründen. Der Schutzzweck der Prüfungs- bezie-
hungsweise Offenbarungspflicht des Anlagevermittlers ist nicht betroffen, wenn
der Prospekt einer Plausibilitätsprüfung in den für die Anlageentscheidung we-
sentlichen Punkten standgehalten hätte (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2007
aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 - XI ZR 89/07 - NJW 2008,
3700, 3701, Rn. 14). Hiernach ist jeweils festzustellen, ob eine (hypothetische)
Untersuchung des Prospekts auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass
zu Beanstandungen gegeben hätte. Hierzu hat das Berufungsgericht jedoch
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keine Feststellungen getroffen. Dies ist nachzuholen, da der Kläger mehrere
Prospektmängel vorgetragen hat.
c) Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, dass der Emissionspros-
pekt fehlerhaft war, stellt sich die weitere Frage, ob der Beklagte die Mängel bei
einer Plausibilitätsprüfung hätte erkennen müssen. Insoweit obliegt ihm die Dar-
legungs- und Beweislast, da er die gebotene Prüfung nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts unterließ und er damit seine Pflichten gegenüber dem
Kläger verletzte. Will er einwenden, die (etwaigen) Fehler des Prospekts seien
für ihn auch bei der hypothetischen Plausibilitätsprüfung nicht zu entdecken
gewesen, ist dies nicht mehr ein Problem des Schutzzwecks der Prüfungs- und
Offenbarungspflicht, da dieser gerade bei Vorliegen von Prospektmängeln ein-
greift. Vielmehr würde der Beklagte den Einwand des rechtmäßigen Alternativ-
verhaltens erheben. Für dessen tatsächliche Voraussetzungen ist derjenige
darlegungs- und beweisbelastet, der ihn geltend macht (z.B.: BGHZ 29, 176,
187; BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - NJW 1993, 520,
521 m.w.N.)
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Hinsichtlich der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob sich die Prü-
fungspflicht des Beklagten auch auf das den Energieertragsberechnungen im
Prospekt zugrunde liegende Windgutachten erstreckte, weist der Senat für das
weitere Verfahren auf folgendes hin: Die Plausibilitätsprüfung kann auch in ge-
wissem Umfang Ermittlungspflichten einschließen, wenn es um Umstände geht,
die nach der vorauszusetzenden Kenntnis des Anlagevermittlers Zweifel an der
inneren Schlüssigkeit einer im Prospekt mitgeteilten Tatsache zu begründen
vermögen. Andererseits dürfen an die Pflichten eines Anlagevermittlers keine
übertriebenen Anforderungen gestellt werden; der mit der notwendigen Über-
prüfung verbundene Aufwand muss ihm zumutbar sein (vgl. Senatsurteile
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BGHZ aaO und vom 22. März 2007 aaO; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008
aaO). Wo die Grenzen einer Prüfungspflicht im Einzelfall zu ziehen sind, hängt
weit gehend davon ab, welche Informationen der Anleger konkret abfragt und
welches Vertrauen der Vermittler in Anspruch nimmt (Senatsbeschluss vom
21. Mai 2008 aaO).
Für die Beurteilung der Streitsache wird insoweit zu berücksichtigen sein,
dass sich der Beklagte speziell als Vermittler von "Beteiligungen an Windparks"
bezeichnete. In solchen Fällen erwartet der Anleger regelmäßig nicht nur all-
gemeine wirtschaftliche Kenntnisse des Vermittlers, sondern weitergehendes,
auch technisches Wissen im Zusammenhang mit diesem besonderen Wirt-
schaftszweig, zumal die Rentabilität der Anlage entscheidend von den tech-
nisch-meteorologischen Vorbedingungen abhängt. Einer etwaigen Überforde-
rung kann der Vermittler ohne weiteres dadurch begegnen, dass er wahrheits-
gemäß unzureichende Kenntnisse offen legt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Mai
2008 aaO).
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Der Anleger wird deshalb regelmäßig erwarten können, dass der spezia-
lisierte Anlagevermittler die Plausibilität der Prospektangaben über die zu er-
wartende Windausbeute überprüft. Dabei wird der Vermittler, wenn ihm nicht
andere gleichwertige Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen, die Pros-
pektangaben mit den Ergebnissen der ihnen zugrunde liegenden Windgutach-
ten abzugleichen haben. Ob er darüber hinaus verpflichtet ist, die Schlüssigkeit
des Windgutachtens selbst zu überprüfen, hängt davon ab, welche Anforderun-
gen dies stellt und welche Qualifikation der Anlagevermittler für sich in An-
spruch genommen hat. Sofern der Vermittler sich nicht einer entsprechenden
Ausbildung berühmt, kann von ihm regelmäßig nicht erwartet werden, dass er
eine umfassende Überprüfung des Windgutachtens vornimmt, wenn und soweit
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dies ein meteorologisches oder sonstiges naturwissenschaftliches Studium vor-
aussetzt. Die - wie der Senat nicht verkennt, schwierige - Abgrenzung zwischen
den Wissensanforderungen, die an einen auf die Vermittlung von Beteiligungen
an Windparks spezialisierten Anlagevermittler zu stellen sind, und den weiter-
gehenden Kenntnissen, die der Anleger bei einem Vermittler ohne naturwissen-
schaftliche Ausbildung nicht mehr erwarten kann, obliegt im wesentlichen dem
Tatrichter. Gleiches gilt für die Beurteilung, ob die Überprüfung der dem Emis-
sionsprospekt zugrunde liegenden Windgutachten eine wissenschaftliche Aus-
bildung erfordert.
3.
Weiterhin ist für das neue Verfahren vor dem Berufungsgericht auf fol-
gende Gesichtspunkte hinzuweisen.
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a) Die Rüge der Revision, die Vorinstanz habe die Vernehmung des als
Zeugen angebotenen Steuerberaters des Klägers O. zu Unrecht unter
Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG abgelehnt, ist unbegründet. Der Beklagte hat
in seiner Berufungserwiderung den Steuerberater als Zeugen für die Behaup-
tungen angeboten, für den Kläger habe Ende 2001 keine steuerlich vernünftige
Alternative zur Anlage der 50.000 € in dem Windparkprojekt O. bestan-
den, und der Kläger hätte sich deshalb auch bei einer Aufklärung über die von
ihm nunmehr geltend gemachten Risiken zu der Beteiligung entschlossen. Das
Berufungsgericht hat die Zeugenvernehmung des Steuerberaters mit der Be-
gründung abgelehnt, es sprächen keine objektiven Umstände dafür, dass der
Kläger die Absicht gehabt habe, sein Geld allein um der steuerlichen Vorteile
willen unabhängig von den Risiken der Anlage in den Windpark O.
zu investieren. Der Beklagte habe nicht behauptet, der Kläger habe ge-
genüber seinem Steuerberater erklärt, er wolle die ihm vorgeschlagene Beteili-
gung unabhängig von den wirtschaftlichen Gefahren aus steuerlichen Gründen
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in jedem Fall eingehen. Über die steuerlichen Auswirkungen der Beteiligung an
dem Windpark O. für den Kläger sei der Steuerberater nicht zu ver-
nehmen, da das Interesse des Klägers an einer steuergünstigen Anlage nach
der Lebenserfahrung allein noch nicht besage, dass es ihm ansonsten gleich-
gültig gewesen sei, wie es um die Rentabilität und die Sicherheit der Beteiligung
bestellt gewesen sei.
Diese Erwägungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein
substantiierter Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen setzt zwar, wie der
Revision zuzugestehen ist, nicht voraus, dass der Beweisführer sich auch dar-
über äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des
Zeugen gestellten Behauptungen hat (Senatsbeschluss vom 1. August 2007
- III ZR 35/07 - juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 67/87 -
NJW-RR 1988, 1529). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht aller-
dings, wenn ein Zeuge über innere Vorgänge einer anderen Person vernom-
men werden soll, da solche Tatsachen einer direkten Wahrnehmung durch Drit-
te entzogen sind. In einem solchen Fall kann der Zeuge nur äußere Umstände
bekunden, die einen Rückschluss auf den zu beweisenden inneren Vorgang
zulassen. Es handelt sich deshalb um einen Indizienbeweis, bei dem der Rich-
ter vor der Beweiserhebung prüfen darf und muss, ob der Beweisantritt schlüs-
sig ist (z.B.: Senat aaO; BGH, Urteile vom 30. April 1992 - VII ZR 78/91 - NJW
1992, 2489 und vom 13. Juli 1988 aaO).
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Der vom Beklagten behauptete Entschluss des Klägers, die Beteiligung
an dem Windpark O. unabhängig von den wirtschaftlichen Risiken der
Anlage einzugehen, ist eine innere Tatsache, die lediglich einem Indizienbeweis
zugänglich ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht herausgestellt, dass der
Beklagte eine entsprechende Äußerung des Klägers gegenüber seinem Steu-
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erberater, die ein starkes Indiz für die vorgebrachte Haupttatsache gewesen
wäre, nicht behauptet hat. Soweit das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat,
aus dem Umstand, dass die Beteiligung an dem Windpark O. die ein-
zige realistische noch in Betracht kommende, steuerlich vernünftige Anlage ge-
wesen sei, lasse sich nicht schließen, dass der Kläger diese ungeachtet der
wirtschaftlichen Risiken vorgenommen hätte, handelt es sich um die Würdigung
der Aussagekraft einer vom Beklagten vorgebrachten - in das Wissen des
Steuerberaters gestellten - Hilfstatsache. Bei einem auf Indizien gestützten Be-
weis ist der Tatrichter grundsätzlich frei, welche Aussagekraft er den Hilfstat-
sachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung
beimisst. Er stellt die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und
somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen fest (BGH, Urteil vom
13. Juli 2004 - VI ZR 136/03 - NJW 2004, 3423, 3424). Revisionsrechtlich ist
erprüfen, ob er alle
Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungs-
sätze verstoßen hat (z.B.: BGH, Urteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03 -
NJW-RR 2005, 558 m.w.N. und vom 13. Juli 2004 aaO; vgl. auch Senatsurteil
vom 13. Dezember 2007 - III ZR 163/07 - NJW 2008, 651, 652 Rn. 24). Unter
Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs sind die Ausfüh-
rungen der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Ihre Würdigung ist möglich, wi-
derspruchsfrei, nachvollziehbar und lässt keine in dem Rechtsstreit vorgebrach-
ten Tatsachen außer Acht (vgl. im Übrigen auch Senatsurteil vom 9. Februar
2006 - III ZR 20/05 - WM 2006, 668, 671).
b) Unbegründet ist weiterhin die Rüge der Revision, der Auffassung des
Berufungsgerichts, der Kläger sei auch nicht durch den vor dem Landgericht
Osnabrück abgeschlossenen Vergleich gehindert, seine Restforderung von
23.352,06 € in voller Höhe geltend zu machen, liege ein falsches Verständnis
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des Sachverhalts zugrunde. Die Revision bemängelt, anders als das Beru-
fungsgericht meine, habe eine "Privilegierung" des Beklagten in der Weise,
dass er wegen des Vergleichs nur in Höhe von 15 % der Schadenssumme haf-
te, nicht in Rede gestanden. Vielmehr habe der Beklagte einen Erlass in Höhe
von lediglich 40 % der ursprünglichen Klagesumme durch den Vergleichsab-
schluss behauptet. Die Darstellung der Revision und der Sachverhalt, von dem
das Berufungsgericht ausgegangen ist, widersprechen einander nicht. Nach
dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts Osnabrück, der von den Prospekt-
verantwortlichen angenommen worden ist, sollten die Anleger insgesamt 60 %
ihrer Investitionen zurückerstattet erhalten. Hiervon sollten, soweit Anlagever-
mittler eingeschaltet waren, diese 15 Prozentpunkte übernehmen und die Pros-
pektverantwortlichen 45 Prozentpunkte (Protokoll der Sitzung der 7. Zivilkam-
mer des Landgerichts Osnabrück vom 29. Mai 2006, S. 173 der Gerichtsakten).
Durch den Vergleich sollten demnach den seinerzeitigen Beklagten 40 % der
gegen sie gerichteten Forderungen "erlassen" werden. Von den verbleibenden
60 % sollte der hiesige Beklagte als Anlagevermittler 15 Prozentpunkte tragen.
c) Soweit die Revision unter Hinweis auf andere oberlandesgerichtliche
Entscheidungen (OLG Dresden BauR 2005, 1954, 1955; OLG Hamm [11. Zivil-
senat] NJW-RR 1998, 486, 487; OLG Hamm [2. Zivilsenat] BauR 1997, 1056)
die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht beanstandet, nach
der die Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten nicht be-
grenzt werden, ist folgendes anzumerken: Welche Wirkungen ein Vergleich mit
einem Gesamtschuldner auch im Verhältnis zu anderen, nicht an ihm beteiligten
Gesamtschuldnern hat, ist eine Frage der Interpretation im Einzelfall (OLG
Hamm jeweils aaO), die als Auslegung eines Individualvertrags dem Tatrichter
obliegt. Revisionsrechtlich relevante Fehler bei der Auslegung des vor dem
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Landgericht Osnabrück geschlossenen Vergleichs durch das Berufungsgericht
sind nicht ersichtlich.
3.
In dem neuen Verfahren wird sich der 28. Zivilsenat des Berufungsge-
richts, an den der Senat die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwiesen
hat, auch mit den weiteren Beanstandungen der Revision zu befassen haben,
auf die einzugehen im derzeitigen Verfahrensstadium kein Anlass besteht.
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Schlick Herrmann Hucke
Seiters
Schilling
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 22.01.2007 - 15 O 477/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 22.11.2007 - 4 U 30/07 -