Urteil des BGH vom 15.02.2006

BGH (zpo, gerichtskosten, sache, sicherung, gkg, gebrauch, frist, mandat, räumung, herausgabe)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 112/04
vom
15. Februar 2006
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Ball, Wiechers und Dr. Frellesen
sowie die Richterin Hermanns
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der
7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 15. Oktober
2004 aufgehoben.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die übrigen
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.215,20 €
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe eines
von ihnen im Wege der Zwangsversteigerung erworbenen Hausgrundstücks in
Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage durch Urteil vom 13. August 2004
stattgegeben, das der Beklagten persönlich am 13. August 2004 und ihrem
erstinstanzlichen Rechtsbeistand am 16. August 2004 zugestellt worden ist.
Dagegen hat die Beklagte am 13. September 2004 durch Schriftsatz eines
Rechtsanwalts Berufung eingelegt; dieser hat anschließend das Mandat nie-
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dergelegt. Da der bereits am 13. Oktober 2004 bei Gericht eingegangene Beru-
fungsbegründungsschriftsatz eines neuen anwaltlichen Prozessbevollmächtig-
ten der Beklagten zunächst nicht zu den Akten gelangt war, hat das Berufungs-
gericht die Berufung durch Beschluss vom 15. Oktober 2004 mangels rechtzei-
tiger Berufungsbegründung verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit
ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet; die angefochtene
Entscheidung ist deshalb aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entschei-
dung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und genügt den formellen Anforderungen des § 575
ZPO. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil das
Berufungsgericht dadurch, dass es die rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbe-
gründungsfrist eingegangene Berufungsbegründung nicht beachtet und zudem
der Beklagten keine Gelegenheit gegeben hat, sich zur Frage der Versäumung
der Begründungsfrist zu äußern, das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf
Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, denn die Beklagte hat durch den
am 13. Oktober 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ihres zweitinstanz-
lichen Prozessbevollmächtigten die Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die
Berufungsbegründung gewahrt.
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Hinsichtlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Gerichts-
kosten hat der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG
Gebrauch gemacht.
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Dr. Deppert
Ball
Wiechers
Dr. Frellesen
Hermanns
Vorinstanzen:
AG Idstein, Entscheidung vom 13.08.2004 - 3 C 204/04 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 15.10.2004 - 7 S 39/04 -