Urteil des BGH vom 13.08.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 389/12
Verkündet am:
13. August 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
StVG § 11 Satz 1
a) Verursacht der Schädiger die Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten, so hat er
nicht nur den entgangenen Verdienst aus abhängiger Arbeit, sondern grund-
sätzlich auch den auf den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit
entfallenden Anteil des Urlaubsentgelts zu ersetzen. Dieser Anspruch geht
gemäß § 6 Abs. 1 EntgFG auf den Arbeitgeber über, soweit dieser dem Ge-
schädigten für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bezahlten
Urlaub gewährt hat.
b) Zur Berechnung des vom Schädiger zu ersetzenden Urlaubsentgelts.
BGH, Urteil vom 13. August 2013 - VI ZR 389/12 - LG Limburg
AG Weilburg
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 15. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den
Richter Wellner, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richte-
rin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Limburg vom 10. August 2012 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als das Landgericht auf die Berufung
der Beklagten die Klage auf Ersatz anteiligen Urlaubsentgelts in
Höhe von 1.178,30
€ nebst Zinsen und die Klage auf Ersatz vor-
gerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 86,64
€ nebst Zinsen ab-
gewiesen hat. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts Weilburg vom 13. März 2012 wird auch insoweit zu-
rückgewiesen.
Die weitergehende Revision und die Anschlussrevision werden zu-
rückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 13 %
und die Beklagte 87 %. Von den Kosten der Rechtsmittelzüge tra-
gen der Kläger 15 % und die Beklagte 85 %.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer aus übergegan-
genem Recht seiner früheren Angestellten B. auf Schadensersatz nach einem
Verkehrsunfall in Anspruch.
Am 18. Oktober 2009 fuhr ein bei der Beklagten versicherter PKW auf
das Fahrzeug, in dem B. als Beifahrerin saß, auf. Die volle Haftung der Beklag-
ten steht dem Grunde nach außer Streit. Im Anschluss an den Unfall war B.
arbeitsunfähig. Der Kläger zahlte das B. zustehende Gehalt bis zum
10. Dezember 2009 fort. Die von ihm zu tragenden Aufwendungen für die Ent-
geltfortzahlung beliefen sich auf 1.258,55
€. Vom 11. Dezember 2009 bis
14. November 2010 bezog B. Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis zwischen
dem Kläger und B. wurde mit Wirkung zum 31. März 2011 beendet.
Mit der Klage begehrt der Kläger den Ersatz seiner Aufwendungen für
die Entgeltfortzahlung in der Zeit vom 19. Oktober bis 10. Dezember 2009 in
Höhe von 1.258,55
€, Ersatz des auf die krankheitsbedingt ausgefallenen Ar-
beitstage entfallenden Urlaubsentgelts für die Jahre 2009 und 2010 in Höhe von
4.289,64
€ nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von
489,45
€. Nachdem die Beklagte erstinstanzlich die Entgeltfortzahlungskosten
für die Zeit vom 19. Oktober bis 30. November 2009 in Höhe von 953,22
€ ge-
zahlt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für
erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf
die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil ab-
geändert und die Klage auf Ersatz anteiligen Urlaubsentgelts in Höhe von
1.880,89
€ und die Klage auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von
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86,64
€ nebst Zinsen abgewiesen. Die weitergehende Berufung hat das Land-
gericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision be-
gehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Mit ihrer
Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
A.
Nach Auffassung des Landgerichts steht dem Kläger aus übergegange-
nem Recht der B. ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Entgelt-
fortzahlung in der Zeit vom 1. bis 10. Dezember 2009 in Höhe von 305,33
nebst Zinsen aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG, § 6 Abs. 1 EntgFG zu. Der Klä-
ger habe den Beweis gemäß § 286 ZPO geführt, dass B. infolge des Unfalls
eine HWS-Distorsion erlitten habe. Die Überzeugung des Gerichts ergebe sich
aus den Aussagen der Geschädigten B. und dem Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen Prof. Dr. M. . Danach habe sich bei der Geschädigten
eine klinisch stumme degenerative Vorschädigung der HWS durch den Unfall
bemerkbar gemacht und nicht nur vorübergehende Beschwerden ausgelöst, die
über den 30. November 2009 hinaus zur Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Dem
Kläger stehe auch ein Anspruch auf anteiliges Urlaubsentgelt für die Jahre 2009
und 2010 in Höhe von 2.408,75
€ zu. Denn soweit der Arbeitgeber für die Zeit
einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bezahlten Urlaub gewähre, sei der
Schädiger verpflichtet, den auf diesen Zeitraum entfallenden Teil des Urlaubs-
entgelts zu ersetzen. Das Amtsgericht habe zu Recht angenommen, dass die
Geschädigte B. infolge der bei dem Unfall erlittenen HWS-Distorsion bis zum
14. November 2010 arbeitsunfähig gewesen sei. Die Frage der Unfallursäch-
lichkeit von gesundheitlichen Beschwerden im Zusammenhang mit einer Verlet-
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zung der Halswirbelsäule sei eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität,
die sich nach § 287 ZPO beurteile. Die Geschädigte B. müsse als Physiothera-
peutin körperlich schwere Arbeit leisten. Dass sie hierzu unfallbedingt über ei-
nen sehr langen Zeitraum nicht in der Lage gewesen sei und erst ihre Reha-
Maßnahme im August 2010 Besserung gebracht habe, sei nicht von der Hand
zu weisen. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der Rehaklinik folge nichts
Gegenteiliges. Die Entlassung sei ausweislich des Berichts noch in arbeitsunfä-
higem Zustand erfolgt. Die schriftliche Aussage des Dr. S., die den weiteren
Verlauf bis 15. November 2010 beschreibe, sei absolut stimmig.
B.
Die Revision des Klägers hat zum Teil Erfolg und führt zur teilweisen
Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts. Dagegen ist die Anschlussre-
vision der Beklagten unbegründet.
I.
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen allerdings nicht
durch.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein absoluter Revisions-
grund nicht deshalb gegeben, weil die Einzelrichterin entschieden und die Revi-
sion zugelassen hat. Zwar sind die Voraussetzungen eines absoluten Revisi-
onsgrundes im Sinne des § 547 Nr. 1 ZPO zu bejahen, wenn der Einzelrichter
unbefugt allein entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2001 - X ZR
21/00, BGHZ 147, 397, 398; Urteil vom 26. Juni 2006 - II ZR 43/05, NJW 2007,
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515 Rn. 8, insoweit in BGHZ 168, 201 nicht abgedruckt). Eine derartige Fallge-
staltung liegt hier aber nicht vor. Die Einzelrichterin war befugt, anstelle des Kol-
legiums zu entscheiden, da ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom
28. Juni 2012 gemäß § 526 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung übertragen worden
war. Dies stellt die Revision auch nicht in Frage.
Ohne Erfolg rügt die Revision, die Einzelrichterin habe das Verfahren
wegen der von ihr bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ge-
mäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer zur
Entscheidung über eine Übernahme vorlegen müssen. Denn gemäß § 526
Abs. 3 ZPO kann ein Rechtsmittel nicht auf eine unterlassene Vorlage an die
Kammer gestützt werden (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 99, 89 f.; Senatsurteil
vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, BGHZ 170, 180 Rn. 5). Eine Ausnahme
von diesem Grundsatz kommt nur unter den engen Voraussetzungen der Will-
kür in Betracht, da in einem solchen Fall eine Verletzung des Anspruchs auf
den gesetzlichen Richter und damit ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG gegeben wäre (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, aaO
mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Mit ihrer Ent-
scheidung hat die Einzelrichterin insbesondere nicht die Beurteilung der grund-
sätzlichen Bedeutung der Sache dem Kollegium als dem gesetzlich zuständi-
gen Richter entzogen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB
134/02, BGHZ 154, 200, 202; vom 27. Oktober 2005 - III ZB 66/05, NJW-RR
2006, 286 Rn. 3). Die Kammer hatte die grundsätzliche Bedeutung vielmehr
bereits mit Beschluss vom 28. Juni 2012, mit dem sie die Rechtssache der Ein-
zelrichterin zur Entscheidung übertragen hatte, verneint. Anders als dem origi-
nären Einzelrichter im Rahmen des § 568 ZPO ist dem nicht originären Einzel-
richter im Rahmen des § 526 Abs. 1 ZPO, der ihm zugewiesene Rechtssachen
von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht oh-
ne weiteres an das Kollegium zurückübertragen kann, die Entscheidung von
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Rechtssachen mit grundsätzlicher Bedeutung nicht versagt (vgl. Senatsurteile
vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, aaO; vom 5. Februar 2013 - VI ZR
290/11, VersR 2013, 515 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB
134/02, aaO; vgl. zu § 348 ZPO: Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11,
GesR 2013, 405, Rn. 15; anders dagegen BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011
- II ZB 20/10, NJW 2011, 2974 Rn. 18 - jeweils obiter dicta).
2. Die Revision beanstandet im Ergebnis auch ohne Erfolg, dass das Be-
rufungsgericht die Angaben der Zeugin S. nicht protokolliert hat. Zwar ist es
gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO an sich geboten, die Aussagen der Zeugen in
das Protokoll über die mündliche Verhandlung aufzunehmen. Nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die an sich notwendige Pro-
tokollierung des Inhalts der Beweisaufnahme aber durch deren Wiedergabe im
Urteil ersetzt werden, wenn bei der Wiedergabe klar zwischen dem Inhalt und
der Würdigung der Aussage unterschieden wird und wenn der gesamte Inhalt
der Aussagen, soweit er irgendwie für die Entscheidung von Bedeutung sein
kann, ohne weiteres erkennbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2003
- VI ZR 309/02, VersR 2003, 1556; BGH, Urteil vom 18. September 1986 - I ZR
179/84, NJW 1987, 1200, 1201 jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind im
vorliegenden Fall erfüllt. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich dem
angegriffenen Urteil zweifelsfrei entnehmen, welche Äußerungen die Zeugin S.
in der mündlichen Verhandlung zu den vom Berufungsgericht als entschei-
dungserheblich angesehenen Punkten gemacht hat. Das Berufungsgericht hat
bei der Wiedergabe auch deutlich zwischen dem Inhalt und der rechtlichen
Würdigung der Aussage unterschieden. Durch die Formulierung, die Zeugin S.
habe "angegeben", wird klar, dass nachfolgend ihre Aussage inhaltlich wieder-
gegeben wird. Die Würdigung liegt in der Qualifizierung der wiedergegebenen
Angaben als "glaubhaft". Dass die Würdigung der Aussage durch die Einfügung
des Attributs "glaubhaft" in den Satz erfolgt ist, mit dem die Wiedergabe der
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Aussage eingeleitet wird, begründet unter den Umständen des Streitfalles keine
unzulässige Vermischung der Darstellung der Aussage und ihrer Würdigung.
II.
In der Sache selbst ist die Revision des Klägers teilweise begründet,
während die zulässige Anschlussrevision der Beklagten erfolglos bleibt. Dem
Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus übergegangenem Recht sei-
ner früheren Angestellten B. auf Ersatz des von dieser in der Zeit vom 1. bis
10. Dezember 2009 bezogenen Bruttogehalts zuzüglich der Arbeitgeberanteile
zur Sozialversicherung in Höhe von 305,33
€ nebst Verzugszinsen sowie ein
Anspruch auf Ersatz anteiligen Urlaubsentgelts für die Jahre 2009 und 2010 in
Höhe von 3.587,05
€ zu (§ 7 Abs. 1, § 11 Satz 1 StVG, § 115 VVG, § 6
EntgFG).
1. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien nicht beanstandet geht das
Berufungsgericht davon aus, dass B. bei dem Verkehrsunfall vom 18. Oktober
2009 eine Halswirbelsäulen-Distorsion erlitten hat und dass die Beklagte ihr für
diesen Schaden und die hieraus folgenden Beeinträchtigungen ersatzpflichtig
ist (§ 7 Abs. 1 StVG, § 11 Satz 1 StVG, § 115 VVG).
2. Ohne Erfolg beanstandet die Anschlussrevision die Beurteilung des
Berufungsgerichts, wonach die Verletzung der Halswirbelsäule der B. gesund-
heitliche Beeinträchtigungen in Form von Nervenwurzelreizerscheinungen mit
einem cervicocephalen Syndrom hervorgerufen hat, die zu ihrer Arbeitsunfähig-
keit bis einschließlich 14. November 2010 geführt haben. Die Beweiswürdigung
des Berufungsgerichts lässt entgegen der Auffassung der Anschlussrevision
Rechtsfehler nicht erkennen.
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a) Die Beweiswürdigung kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin
überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286
ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und wider-
spruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und
rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze ver-
stößt (vgl. Senatsurteil vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, GesR 2013, 346,
Rn. 13 mwN). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdi-
gung, die - wie hier im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität - nach
§ 287 ZPO vorzunehmen ist. Diese Vorschrift stellt nämlich lediglich geringere
Anforderungen an das Maß für eine Überzeugungsbildung des Tatrichters, ist
aber hinsichtlich der revisionsrechtlichen Überprüfung keinen anderen Maßstä-
ben als die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO unterworfen (vgl.
Senatsurteil vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946 mwN).
b) Derartige Rechtsfehler sind vorliegend nicht gegeben. Das Berufungs-
gericht hat entgegen der Auffassung der Anschlussrevision insbesondere nicht
in unzulässiger Weise Sachkunde für sich in Anspruch genommen, die es nicht
ausgewiesen hat. Soweit es ausgeführt hat, es sei "auch nicht untypisch und
deshalb in vollem Umfang nachvollziehbar, dass bei degenerativen Vorschädi-
gungen der HWS, die durch einen Verkehrsunfall eine Beeinträchtigung erfährt,
Beschwerden länger andauern bzw. nie ganz verschwinden, weil sie chronisch
werden", handelt es sich nicht um eine selbständige Feststellung, sondern um
eine abschließende Gesamtwürdigung der Angaben des gerichtlichen Sachver-
ständigen und der Geschädigten B., die als solche nicht zu beanstanden ist.
Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision hat das Berufungsgericht auch
nicht Einwände der Beklagten in der Berufungsbegründung unter Verletzung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Den Entlassungsbericht der
Reha-Klinik vom 11. August 2010 hat das Berufungsgericht ersichtlich berück-
sichtigt. Es war dagegen nicht verpflichtet, auf jedes einzelne Verteidigungsmit-
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tel ausführlich einzugehen (vgl. BGH, Urteile vom 30. September 2003 - XI ZR
232/02, NJW-RR 2004, 45, 46; vom 13. Januar 2005 - III ZR 238/04, NJW-RR
2005, 568, 569). Die Anschlussrevision beanstandet auch ohne Erfolg, dass der
gerichtliche Sachverständige in Bezug auf die Dauer der behaupteten Arbeits-
unfähigkeit keine belastbaren Feststellungen getroffen habe. Denn auf die An-
gaben des Sachverständigen hat das Berufungsgericht seine Überzeugung von
der Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht gestützt. Für seine Überzeugungsbildung
maßgeblich war vielmehr der ärztliche Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom
11. August 2010 sowie die schriftliche Aussage des Zeugen Dr. S.
3. Ohne Rechtsfehler und von den Parteien nicht beanstandet, ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte der Geschädigten B.
sowohl den infolge ihrer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entgangenen Ver-
dienst aus abhängiger Arbeit als auch grundsätzlich den auf den Zeitraum ihrer
unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallenden Anteil des Urlaubsentgelts zu
ersetzen hat. Es hat auch zutreffend angenommen, dass der Anspruch auf Zah-
lung von Urlaubsentgelt gemäß § 6 Abs. 1 EntgFG auf den Kläger übergegan-
gen ist, soweit dieser der Geschädigten für die Zeit ihrer unfallbedingten Ar-
beitsunfähigkeit bezahlten Urlaub gewährt hat (vgl. Senatsurteile vom 4. Juli
1972 - VI ZR 114/71, BGHZ 59, 109, 111 ff.; vom 13. Mai 1986 - VI ZR 80/85,
VersR 1986, 968, 969; vom 7. Mai 1996 - VI ZR 102/95, BGHZ 133, 1, 9).
a) Ohne Erfolg macht die Anschlussrevision geltend, das Berufungsge-
richt habe im Rahmen der Berechnung des anteiligen Urlaubsentgelts die von
ihm zugrunde gelegten drei Urlaubstage aus dem Jahr 2009 nicht berücksichti-
gen dürfen, da der diesbezügliche Urlaubsanspruch der Klägerin gemäß § 7
Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des 31. März 2010 verfallen sei. Die Anschlussrevision
hat übersehen, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Grün-
den an seiner Arbeitsleistung gehindert ist, seine gesetzlichen Urlaubsansprü-
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che aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG
erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, d.h. erst am 31. März des zwei-
ten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen (vgl. EuGH, Urteil
vom 22. November 2011 - C 214/10 - KHS, NJW 2012, 290 Rn. 44; BAG, NJW
2012, 3529; DB 2013, 1418 Rn. 11). Nach diesen Grundsätzen konnte B. den
ihr gesetzlich zustehenden Urlaub von 20 Arbeitstagen (vgl. § 3 BUrlG) für das
Jahr 2009 bis zum 31. März 2011 nehmen.
b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Berechnung des von
der Beklagten zu ersetzenden anteiligen Urlaubsentgelts. Bei der Berechnung
des vom Schädiger zu erstattenden anteiligen Urlaubsentgelts ist der Gesamt-
jahresverdienst auf die Jahresarbeitstage unter Abzug der Urlaubstage umzule-
gen. Das hat seinen Grund darin, dass während der Urlaubszeit nicht gearbeitet
wird und der Jahresverdienst daher an den restlichen Arbeitstagen zu verdie-
nen ist. War der Arbeitnehmer in einem Urlaubsjahr nur zeitweilig arbeitsunfä-
hig, muss das Urlaubsentgelt auf das ganze Jahr verrechnet und entsprechend
auf die Jahresarbeitstage aufgeteilt werden, wobei die Urlaubszeit in Abzug zu
bringen ist (vgl. Senatsurteile vom 4. Juli 1972 - VI ZR 114/71, aaO, S. 115;
vom 7. Mai 1996 - VI ZR 102/95, aaO). In einem ersten Schritt ist dementspre-
chend das auf ein Urlaubsjahr entfallende Urlaubsentgelt zu ermitteln wie folgt:
In einem zweiten Schritt ist der anteilige Betrag bei zeitweiliger Arbeits-
unfähigkeit zu ermitteln wie folgt:
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Diese Berechnung geht davon aus, dass der Geschädigte den gesamten
ihm zustehenden Jahresurlaub genommen hat. Hat er lediglich - wie die Ge-
schädigte B. im Jahr 2009 - einen Anteil davon genommen, ist der im zweiten
Schritt ermittelte Betrag entsprechend zu reduzieren.
Im Streitfall ergibt sich daher folgende Berechnung für das Jahr 2009:
1. Schritt:
2. Schritt:
Da die Geschädigte B. von den ihr grundsätzlich zustehenden 30 Ur-
laubstagen nur drei Tage genommen hat, ist ein Zehntel des Betrages, d.h.
74,57
€ anzusetzen.
Für das Jahr 2010 ergibt sich folgende Berechnung:
1. Schritt:
2. Schritt:
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Insgesamt ergibt sich daher ein von den Beklagten zu ersetzender Be-
trag in Höhe von 3.587,05
€. Das Landgericht hat bei seiner Berechnung über-
sehen, dass die Geschädigte B. in den Jahren 2009 und 2010 unfallbedingt
nicht 44 bzw. 211 tage, sondern 44 bzw. 211 Jahrestage ausge-
fallen war. Es hat rechtsfehlerhaft im zweiten Schritt der Berechnung unfallbe-
dingt ausgefallene tage zu tagen ins Verhältnis gesetzt.
4. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Höhe der ihr vom
Berufungsgericht zuerkannten Anwaltskosten. Da dem Kläger vor der während
des Rechtsstreits erfolgten Zahlung durch die Beklagten ein Anspruch auf Er-
satz entgangenen Verdienstes in Höhe von 1.258,55
€ sowie auf anteiliges Ur-
laubsentgelt in Höhe von 3.587,05
€ d.h. insgesamt 4.845,60 € zustand, beläuft
sich die geschuldete 1,3-Geschäftsgebühr unter Berücksichtigung der Pauscha-
le und gesetzlicher Mehrwertsteuer auf 489,45
€ nebst Zinsen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91a, 92, 97 Abs. 1 ZPO.
Galke
Wellner
Diederichsen
Pauge
von Pentz
Vorinstanzen:
AG Weilburg, Entscheidung vom 13.03.2012 - 5 C 741/10 -
LG Limburg, Entscheidung vom 10.08.2012 - 3 S 86/12 -
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