Urteil des BGH vom 13.07.2005

BGH (essen, staatsanwaltschaft, stpo, gerichtliche zuständigkeit, wohnung, bezirk, anordnung, sitz, durchsuchung, antrag)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 184/05
2 AR 106/05
vom
13. Juli 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Unterhaltspflichtverletzung
Az.: 21 Js 683/03 Staatsanwaltschaft Essen
Az.: 44 Gs 2693/05 Amtsgericht Essen
Az.: 4 Gs 102/05 Amtsgericht Waldbröl
Az.: 2 Gs 62/05 Amtsgericht Duisburg-Ruhrort
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts am 13. Juli 2005 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Antrag der Staatsan-
waltschaft Essen ist das Amtsgericht Essen.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Essen beantragte mit Verfügung vom 31. Januar
2005, beim Amtsgericht eingegangen am 9. Februar 2005, die Durchsuchung
einer Wohnung des Beschuldigten in D. , K. -Straße . Der Er-
mittlungsrichter erließ den beantragten Beschluß am 12. Februar 2005. Die
Durchsuchung konnte nicht durchgeführt werden, weil sich der Beschuldigte
bereits unter dem 9. Februar 2005 nach R. umgemeldet hatte. Das für
R. zuständige Amtsgericht Waldbröl lehnte den Erlaß eines Durchsu-
chungsbeschlusses für die neue Wohnung des Beschuldigten mit Beschluß
vom 18. März 2005 ab, weil bereits der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts
Duisburg-Ruhrort tätig geworden sei und mit dem neuen Antrag der Staatsan-
waltschaft gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Zuständigkeitskonzentration
bei dem Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft eintrete. Das Amtsgericht
Essen erklärte sich durch Beschluß vom 25. April 2005 ebenfalls für unzustän-
dig. Es hält das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort für zuständig, weil nach § 162
Abs. 2 StPO die Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht durch eine nach der An-
tragstellung eintretende Veränderung der die gerichtliche Zuständigkeit be-
gründenden Umstände berührt werde. Das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort hat
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den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses ebenfalls wegen örtlicher Unzu-
ständigkeit abgelehnt und die Sache durch Beschluß vom 9. Mai 2005 dem
Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
1. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung durch den
Bundesgerichtshof gemäß § 14 StPO sind gegeben. Der Bundesgerichtshof ist
als gemeinsames oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits
berufen, weil die streitbefangenen Amtsgerichte Duisburg-Ruhrort, Waldbröl
und Essen im Zuständigkeitsbereich verschiedener Oberlandesgerichte liegen
(Oberlandesgerichte Düsseldorf, Köln und Hamm).
2. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:
"Das Amtsgericht Essen ist gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO für den Er-
lass des beantragten Durchsuchungsbeschlusses örtlich zuständig. Spätestens
mit dem zweiten Antrag auf Anordnung einer richterlichen Untersuchungshand-
lung in demselben Ermittlungsverfahren tritt die vom Gesetzgeber gewollte Zu-
ständigkeitskonzentration im Sinne von § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO bei dem
Amtsgericht ein, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Die
Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Fäl-
le, in denen sich nach einer Entscheidung eines Amtsgerichts gemäß § 162
Abs. 1 Satz 1 StPO die Notwendigkeit eines weiteren Antrags auf Anordnung
richterlicher Untersuchungshandlungen ergibt, führt zur Vermeidung verfah-
rensverzögernder Zuständigkeitsstreitigkeiten. Das Gericht am Sitz der Staats-
anwaltschaft ist dann ausschließlich für die Anordnung von Untersuchungs-
handlungen örtlich zuständig (Senat, BGHSt 48, 23). Die beantragte richterli-
che Anordnung auf Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten im Bezirk
des Amtsgerichts Waldbröl betrifft somit eine Untersuchungshandlung 'in mehr
als einem Bezirk', nachdem der Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses für
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eine Wohnung des Beschuldigten im Bereich des Amtsgerichts Duis-
burg/Ruhrort ins Leere gegangen war. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO ist
deshalb das Amtsgericht Essen als Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die
antragstellende Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat."
Dem schließt sich der Senat an. Ein Fall des § 162 Abs. 2 StPO liegt
nicht vor. Das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort hatte den Durchsuchungs-
beschluß wie beantragt erlassen, damit war seine Zuständigkeit beendet. Es
hätte die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten in R. anord-
nen können, wenn der Umzug des Beschuldigten nach Antragstellung, aber vor
Erlaß des Beschlusses bekannt geworden wäre. Für die erst nach Erlaß des
Beschlusses ermittelte neue Wohnanschrift des Beschuldigten ist hingegen
eine erneute Antragstellung der Staatsanwaltschaft erforderlich, die, weil die
neue Wohnanschrift in einem anderen Amtsgerichtsbezirk liegt, den Eintritt der
Zuständigkeitskonzentration gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 zur Folge hat.
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