Urteil des BGH vom 30.10.2013

BGH: rechtliches gehör, abweisung, nachlässigkeit, erfüllungsgehilfe, verjährungsfrist, offenkundig, werkmangel, baustelle, wohnhaus, geschäftsführer

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 339/12
vom
30. Oktober 2013
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
Richter Dr. Eick, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion wird teilweise stattgegeben.
Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karls-
ruhe vom 20. November 2012 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Abweisung der auf
Leistung von Schadensersatz wegen Fehlens der Außendäm-
mung im Bereich der Kelleraußentreppe nebst Zinsen gerichteten
Klage bestätigt worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzu-
lassung der Revision zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbe-
schwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 128.726,15
€, des stattgebenden Teils: 40.768,15 €
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Gründe:
1. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Vorschuss
zur Mängelbeseitigung wegen angeblich mangelhafter Errichtung eines Kellers.
Den betreffenden Keller errichtete die Beklagte auf zwei dem Kläger ge-
hörenden Grundstücken in P., die im Jahr 2004 mit einem Wohnhaus, einem
Bürogebäude und einem Musterhaus bebaut wurden. Zwischen den Parteien ist
streitig, ob der Auftrag zur Errichtung des Kellers vom Kläger oder von der A. H.
GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, erteilt wurde.
Das Objekt war Ende September 2004 bezugsfertig und wurde im Okto-
ber 2004 vom Kläger bezogen. Ende 2009 stellte der Kläger Feuchtigkeit an
dem Objekt fest. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Außendämmung
im Bereich der Kelleraußentreppe fehlt. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2009
beanstandete der Kläger unter anderem das Fehlen einer Dämmung im Bereich
der Kelleraußentreppe, und setzte eine Frist zur Mangelbehebung bis
22. Dezember 2008 (richtig: 22. Dezember 2009). Die Beklagte nahm bezüglich
der fehlenden Außendämmung keine Mängelbeseitigungsarbeiten vor.
Der Kläger verlangt mit der ursprünglich erhobenen Klage Schadenser-
satz wegen der fehlenden Außendämmung im Bereich der Kelleraußentreppe
sowie der fehlenden bzw. unsachgemäßen Abdichtung der Kehle Sohlenplat-
te/Wandelement; er macht geltend, für die Beseitigung dieser Mängel fielen
Kosten in Höhe von 40.768,15
€ netto an. Außerdem verlangt der Kläger mit
der in erster Instanz vorgenommenen Klageerweiterung einen Kostenvorschuss
für die Beseitigung weiterer Mängel in Höhe von 87.958
€ netto. Der Kläger hat
in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
128.726,15 € zu bezahlen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
hat das Berufungsgericht mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückge-
wiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde
des Klägers, mit der er seine Zahlungsanträge in voller Höhe weiterverfolgt.
2. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einem
Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, Art. 103
Abs. 1 GG, soweit die Abweisung der auf Leistung von Schadensersatz wegen
Fehlens der Außendämmung im Bereich der Kelleraußentreppe nebst Zinsen
gerichteten Klage bestätigt worden ist.
a) Das Berufungsgericht hält es mit dem Landgericht nicht für erwiesen,
dass die Beklagte die Anbringung der Außendämmung des Kellers schuldete.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe vertraglich die Außendämmung
übernommen und zum Beweis dafür, dass diese auch grundsätzlich von Mitar-
beitern der Beklagten angebracht worden sei, mit dem - vom Landgericht nicht
nachgelassenen - Schriftsatz vom 10. Januar 2012, Seite 2 sowie mit der Beru-
fungsbegründung vom 15. März 2012, Seite 4 den Zeugen F. S. benannt,
nachdem der vom Landgericht vernommene Zeuge R. E. diesen als Polier der
Beklagten auf der Baustelle bezeichnet hatte. Das Berufungsgericht hat diesen
Beweisantrag unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewie-
sen, weil es dem Kläger hätte angesonnen werden können, sich bereits wäh-
rend des erstinstanzlichen Verfahrens bei der Beklagten darüber zu erkundigen,
welche Mitarbeiter vor Ort eingesetzt worden seien.
b) Bleibt ein Angriffsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil
der Tatrichter es in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvor-
schrift wie des § 531 Abs. 2 ZPO zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zu-
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gleich das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, der Partei verletzt (vgl. BGH,
Beschluss vom 8. Juli 2013 - VII ZR 1/12, juris Rn. 8 m.w.N.).
Ein derartiger Fall liegt hier vor. Die vom Berufungsgericht gegebene Be-
gründung, ein rechtzeitiger Beweisantritt im ersten Rechtszug sei lediglich auf-
grund Nachlässigkeit des Klägers unterblieben, weil dieser sich nicht bei der
Beklagten danach erkundigt habe, welche Mitarbeiter von ihr damals vor Ort
eingesetzt worden seien, ist nicht tragfähig. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs liegt eine Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 ZPO nur dann vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht
verstoßen hat. Die Parteien sind aufgrund dieser Pflicht zu konzentrierter Ver-
fahrensführung gehalten. Insbesondere dürfen sie Vorbringen grundsätzlich
nicht aus prozesstaktischen Erwägungen zurückhalten (vgl. BGH, Beschluss
vom 10. Juni 2010 - Xa ZR 110/09, NJW-RR 2011, 211 Rn. 28 m.w.N.). Eine
Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die der Partei nicht bekannt sind, erst zu
ermitteln, ist daraus jedoch grundsätzlich nicht abzuleiten (vgl. BGH, Beschluss
vom 10. Juni 2010 - Xa ZR 110/09, aaO Rn. 28; ferner BGH, Beschluss vom
17. Dezember 2009 - III ZR 61/08, juris Rn. 13 m.w.N.); sie kann allenfalls
durch besondere Umstände begründet werden (vgl. BGH, Beschluss vom
10. Juni 2010 - Xa ZR 110/09, aaO Rn. 28). Solche Umstände hat das Beru-
fungsgericht nicht festgestellt, sie sind auch nicht ersichtlich.
Auf dieser Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör
kann der angefochtene Beschluss, soweit die Abweisung der auf Leistung von
Schadensersatz wegen Fehlens der Außendämmung im Bereich der Kellerau-
ßentreppe nebst Zinsen gerichteten Klage bestätigt worden ist, auch beruhen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Ver-
nehmung des Zeugen F. S. zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Anbrin-
gung einer Außendämmung im Bereich der Kelleraußentreppe von der Beklag-
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ten geschuldet war und dass das Fehlen dieser Dämmung einen der Beklagten
zuzurechnenden Werkmangel darstellt. Des Weiteren kann nicht ausgeschlos-
sen werden, dass Verjährung insoweit deshalb nicht eingetreten ist, weil die
Beklagte den Mangel dann arglistig verschwiegen hätte. Der Kläger hat durch
Vernehmung des Zeugen F. S. auch unter Beweis gestellt, dass diesem das
Fehlen der Dämmung im Bereich der Kelleraußentreppe nicht verborgen ge-
blieben sein konnte (Schriftsatz vom 15. November 2012, Seite 1). Zu Recht hat
der Kläger darauf hingewiesen, dass dieser Zeuge ein Erfüllungsgehilfe bei der
Offenbarungspflicht der Beklagten, über Mängel aufzuklären, sein könnte (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 1973 - VII ZR 184/72, BGHZ 62, 63, 68). Es
kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Verjährung wegen An-
wendbarkeit der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 3 i.V.m.
§ 195 BGB durch die Erhebung der Klage im ersten Halbjahr 2011 rechtzeitig
gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) worden ist. Sollte der Zeuge F. S. Erfül-
lungsgehilfe bei der Offenbarungspflicht der Beklagten gewesen sein und be-
merkt haben, dass die Kelleraußentreppe von Mitarbeitern der Beklagten trotz
Fehlens einer Außendämmung angebracht worden ist, so hätte im Übrigen, wo-
rauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, die Beklagte einen
Mangel ihrer Leistung auch dann arglistig verschwiegen, wenn sie die Anbrin-
gung der Außendämmung gar nicht schuldete. Denn dann wäre ihr Werk man-
gelhaft gewesen, weil die Kelleraußentreppe nicht ohne die Außendämmung
hätte angebracht werden dürfen. Sie hätte den Kläger darüber aufklären müs-
sen, dass dies gleichwohl geschehen ist. Muss sie sich die Kenntnis des Zeu-
gen F. S. zurechnen lassen und hat sie nicht aufgeklärt, so handelte sie arglis-
tig. Im Übrigen kann beim derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlos-
sen werden, dass der Kläger für vertragliche Mängelansprüche aktivlegitimiert
ist.
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3. Soweit die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts im Übrigen
zurückgewiesen worden ist, wird von einer Begründung abgesehen, weil sie
nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter de-
nen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Kniffka
Safari Chabestari
Eick
Kartzke
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.01.2012 - 3 O 210/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.11.2012 - 19 U 23/12 -
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