Urteil des BGH vom 08.05.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 219/13
Verkündet am:
8. Mai 2014
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
RVG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und 2
Beauftragen Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds einen
Rechtsanwalt, den Initiator gemeinsam zu verklagen, um Schadensersatzan-
sprüche wegen Prospekthaftung geltend zu machen, kann gebührenrechtlich
dieselbe Angelegenheit gegeben sein, auch wenn die Klageaufträge einzeln
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und zeitlich versetzt erteilt werden. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschaf-
ter den Anwalt nacheinander beauftragen, gegen das klageabweisende erstin-
stanzliche Urteil Berufung einzulegen.
BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - IX ZR 219/13 - LG Bremen
AG Bremen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Vill, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landge-
richts Bremen vom 6. September 2013 wird auf Kosten der Kläge-
rin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Rechtsanwaltssozietät, vertritt die rechtsschutzversi-
cherte Beklagte in einem Schadensersatzprozess wegen Prospekthaftung im
Zusammenhang mit einem geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer
BGB-Gesellschaft gegen die Initiatorin des Projekts. Die Klage wurde als Sam-
melklage im Namen der Beklagten und weiterer 36 Gesellschafter, die jeweils
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eigene Schadensersatzansprüche geltend machen, sukzessive vom 29. De-
zember 2006 bis zum 12. November 2008 eingereicht. Gegen das die Klage
abweisende Urteil des Landgerichts legte die Klägerin im Auftrag der Beklagten
und weiterer 16 Kläger Berufung ein. Die Beklagte ist an dem Wert des Beru-
fungsverfahrens in Höhe von 2.582.530,19
€ (Summe sämtlicher geltend ge-
machten Einzelansprüche) mit einem Teilbetrag in Höhe von 125.062
€ (Zah-
lungsantrag: 48.572,73
€; Feststellungsantrag: 76.489,27 €) beteiligt. Das Beru-
fungsverfahren läuft noch.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten durch Kostenrechnung vom
27. Januar 2010 für das Berufungsverfahren einen Vorschuss und berechnet
ihn wie folgt:
1,6-Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 RVG,
Nr. 3200 VV RVG aus dem Gegenstandswert
von 125.062
€:
./. Rabatt wegen
„AAA-Mitgliedschaft":
Auslagenpauschale:
Zwischensumme:
Umsatzsteuer (19 %):
2.412,80 €
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482,56 €
20,00 €
1.950,24
+ 370,55 €
2.320,79
Die Rechtsschutzversicherung der Beklagten zahlte auf die Vorschuss-
rechnung 1.061,98
€ (4,8 % einer 2,0-Gebühr aus dem Gesamtstreitwert zuzüg-
lich Umsatzsteuer). Die verbleibende Differenz in Höhe von 1.258,91
€ macht
die Klägerin mit der Klage als weiteren Vorschuss geltend. Sie vertritt dabei die
Ansicht, dass vorliegende Sammelklage gebührenrechtlich so zu behandeln sei,
als sei in 17 getrennten Verfahren Berufung eingelegt worden. Demgegenüber
will die Beklagte sich an den aus dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfah-
rens zu berechnenden Rechtsanwaltskosten im Verhältnis ihres Anteils am Ge-
samtstreitwert beteiligen.
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Das Amtsgericht hat die Klage ab- und das Berufungsgericht hat die Be-
rufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die vom Beru-
fungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Verurteilung der
Beklagten erreichen will.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei zulässig; die Klägerin
könne nicht auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG verwie-
sen werden, weil sich diese Regelung nur auf die Anwaltsvergütung, nicht aber
auf die Vorschussforderung nach § 9 RVG beziehe. Die Klage sei jedoch unbe-
gründet, weil es sich bei den 17 Berufungen um eine einheitliche Angelegenheit
im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG handele.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Vorschussklage der Klägerin ist zulässig. Allerdings ist eine Vergü-
tungsklage unzulässig, soweit eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG in
Betracht kommt, weil es insoweit an dem Rechtsschutzinteresse für eine förmli-
che Klage fehlt (BGH, Urteil vom 20. November 1980 - III ZR 182/79, NJW
1981, 875, 876; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 11
Rn. 350; Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, 6. Aufl., § 11 Rn. 4; Baumgärtel in Baum-
gärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 11 Rn. 6). Das Vergütungsfest-
setzungsverfahren bietet eine einfachere und kostengünstigere Möglichkeit,
zum begehrten Rechtsschutzziel zu gelangen (N. Schneider, aaO). Doch hätte
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die Klägerin den begehrten Vorschuss nicht nach § 11 RVG gerichtlich festset-
zen lassen können. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG kann, soweit hier von Bedeu-
tung, nur die gesetzliche Vergütung festgesetzt werden. Mit der Beanspruchung
eines Vorschusses nach § 9 RVG macht der Anwalt jedoch diese gesetzliche
Vergütung noch nicht geltend, sondern lediglich eine Vorauszahlung hierauf
(vgl. N. Schneider in Schneider/Wolff, AnwK RVG, 7. Aufl., § 9 Rn. 77;
Mayer/Kroiß/Klees, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn. 34; Klüsener in Bischof/Jungbauer/
Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn. 41; Burhoff,
RVGreport 2011, 365, 368).
2. Die Klägerin kann, soweit sie die 1,6-Verfahrensgebühr Nr. 3200
VV RVG als Vorschuss nach § 9 RVG verlangt, keine weitere Zahlung von der
Beklagten verlangen.
a) Nach dieser Regelung kann ein Rechtsanwalt von seinem Auftragge-
ber für die entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gebühren ei-
nen angemessenen Vorschuss fordern. Grundlage und Grenze der Vorschuss-
forderung bilden mithin die voraussichtlich anfallenden Gebühren (BGH, Urteil
vom 29. September 1988 - 1 StR 332/88, BGHSt 35, 357, 362; OLG Bamberg,
NJW-RR 2011, 935, 936; Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben,
RVG, 16. Aufl., § 9 Rn. 10; Klüsener in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/
Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn. 25; Gerold/Schmidt/Mayer,
RVG, 21. Aufl., § 9 Rn. 7; Burhoff, RVGreport 2011, 365, 367). Deswegen kann
ein Rechtsanwalt jedenfalls in Höhe der bereits entstandenen, wenn auch we-
gen § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG noch nicht fälligen Gebühren einen Vorschuss ver-
langen (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 9 Rn. 45).
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Die Klägerin kann von der Beklagten als Vorschuss die 1,6-Verfahrens-
gebühr nach Nr. 3200 VV RVG zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteu-
er verlangen, weil sie von der Beklagten den Auftrag erhalten hat, Berufung ge-
gen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Berlin einzulegen, die Ge-
bühr mithin entstanden ist (N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK RVG,
7. Aufl., VV 3200 Rn. 6; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 6. Aufl. Nrn. 3200 bis 3205
VV Rn. 2).
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts zur Höhe der als Vorschuss
geltend gemachten Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG begegnet unter
den Umständen des Streitfalls keinen Bedenken.
aa) Nach § 7 Abs. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der in derselben An-
gelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühr nur einmal. Gemäß
§ 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts anderes
bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledi-
gung der Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die
Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Nach § 15 Abs. 5
Satz 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der, nachdem er in einer Angelegenheit
tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu
werden, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornhe-
rein hiermit beauftragt worden wäre. Mithin hängt die Beantwortung der Frage,
ob die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten die 1,6-Verfahrensgebühr nach
Nr. 3200 VV RVG aus dem Gegenstandswert, mit dem diese an dem Verfahren
beteiligt ist, also in Höhe von 125.062
€, in Gänze verdient hat oder ob die Ver-
fahrensgebühr sich aus dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens be-
rechnet, der sich aus der Addition sämtlicher geltend gemachter Einzelansprü-
che der am Berufungsverfahren beteiligten Kläger ergibt, und die Beklagte an
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dieser Gebühr nur im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesamtstreitwert beteiligt
ist, davon ab, ob die geltend gemachten Ansprüche der Kläger im Ausgangs-
verfahren eine Angelegenheit im Sinne der genannten Vorschriften sind.
Dies lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berück-
sichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt
des erteilten Auftrags maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche
Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen
ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in
der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen
Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme
einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der
Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen
Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr auch dann gesprochen wer-
den, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschie-
dene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundla-
gen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn
unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Ge-
schäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll.
Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.
Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit
abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf
das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere
Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der
anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen
Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können,
dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vor-
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gehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu be-
jahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und
unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des
Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH, Urteil vom 21. Juni 2011
- VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167 Rn. 9 f; vgl. auch BGH, Urteil vom
11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045; vom 29. Juni 1978
- III ZR 49/77, JZ 1978, 760, 761).
Der Annahme derselben Angelegenheit steht nicht entgegen, dass der
Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann näm-
lich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt
wird, wobei gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der
Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen
gesondert tätig werden soll. Die Annahme derselben Angelegenheit kommt
dann in Betracht, wenn dem Schädiger eine gleichgerichtete Verletzungshand-
lung vorzuwerfen ist. Der Bundesgerichtshof hat solches insbesondere für den
Fall bejaht, dass ein Rechtsanwalt zur Abwehr von Persönlichkeitsrechtsverlet-
zungen in einer Presseberichterstattung getrennte Abmahnungen für mehrere
Anspruchssteller verfasst und die Abmahnungen einen identischen oder zumin-
dest weitgehend identischen Inhalt haben (BGH, Urteil vom 21. Juni 2011, aaO
Rn. 11).
bb) Vorliegend ist von einer Angelegenheit in diesem Sinne, wenn auch
von mehreren Gegenständen, auszugehen.
(1) Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Kläger
des Ausgangsverfahrens die Klägerin beauftragt haben, sie in einem "Sammel-
klageverfahren" zu vertreten. Die Klägerin und ihre Mandanten hätten sich ent-
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schieden, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens als Streitgenossen einer
Sammelklage auftreten und die Einzelansprüche gemeinsam einklagen sollten.
Mithin haben die Beklagte und die anderen Kläger des Ausgangsverfahrens die
Klägerin zu einem gemeinsamen Vorgehen beauftragt. Diese hätte nicht ohne
Zustimmung aller Streitgenossen von sich aus verschiedene Auftragsverhält-
nisse in einer Sammelklage zu einer Angelegenheit verbinden und den Um-
stand der Beauftragung durch die jeweils anderen Kläger und die von ihren
Mandanten erworbenen Informationen in den jeweils anderen Prozessverhält-
nissen offenlegen dürfen (Volpert in Schneider/Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 7
Rn. 26). Das gemeinsame Vorgehen in einer Sammelklage kann sowohl pro-
zesswirtschaftlich wie auch prozesstaktisch sinnvoll sein. Gegebenenfalls war
die Klägerin gegenüber ihren Mandanten sogar verpflichtet, zu einem solchen
Vorgehen zu raten, wenn das Gebühreninteresse der Auftraggeber eine ge-
meinsame Klageerhebung ratsam erscheinen ließ (vgl. BGH, Urteil vom
11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045). Wenn aber die
Kläger des Ausgangsverfahrens sich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen
die Initiatorin bereit gefunden haben, musste ihnen auch klar sein, dass sie,
sofern und soweit sie - vertreten durch die Klägerin - gegen das klageabwei-
sende erstinstanzliche Urteil vorgehen wollten, wiederum gemeinsam auftreten
mussten. Sofern sie deswegen die Klägerin damit beauftragt haben, für sie Be-
rufung einzulegen, waren sie damit einverstanden und ist ihr Auftrag in diesem
Sinne zu verstehen, dass auch das Berufungsverfahren gemeinsam mit denje-
nigen Streitgenossen durchgeführt werden sollte, die das erstinstanzliche Urteil
ebenfalls nicht hinnehmen wollten. Das ergibt sich auch aus dem Formular, mit
dem die Klägerin ausdrücklich beauftragt wurde, "in Sachen Sammelklage" Be-
rufung einzulegen.
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Dass der Klageauftrag und der Auftrag, Berufung gegen das klageabwei-
sende Urteil einzulegen, von den Mandanten nicht zeitgleich und gemeinsam
und gegebenenfalls nicht nach einer Absprache zwischen ihnen der Klägerin
erteilt worden ist, ist rechtlich unerheblich. Auch wenn die Beklagte der Klägerin
den Prozessauftrag viel später als die anderen erteilt hat - sie ist dem Rechts-
streit erst durch die Klageerweiterung vom 12. November 2008 beigetreten -,
kann eine Angelegenheit vorliegen, wie der Bundesgerichtshof bereits ent-
schieden hat (BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 - VI ZR 73/10, NJW 2011, 3167
Rn. 14). Hier war die Beklagte damit einverstanden, dem schon rechtshängigen
Rechtsstreit zu dem relativ späten Zeitpunkt noch als Streitgenossin beizutre-
ten, wollte also, wie die anderen Streitgenossen, gerade nicht ein gesondertes
Tätigwerden der Klägerin, sondern ein gemeinsames Vorgehen zusammen mit
den anderen Geschädigten des wirtschaftlich erfolglosen Immobilienfonds. Dies
gilt auch für das Berufungsverfahren, soweit sich neben der Beklagten noch
weitere Streitgenossen dazu entschließen sollten, Berufung einzulegen.
(2) Auch der erforderliche innere Zusammenhang besteht und die von
der Klägerin zu erbringenden Leistungen stimmten sowohl inhaltlich als auch in
der Zielsetzung so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen
der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann, wie von der Revision auch
nicht in Zweifel gezogen wird. Denn die Kläger des Ausgangsverfahrens ma-
chen der Initiatorin des geschlossenen Immobilienfonds falsche Angaben in
dem Prospekt zum Vorwurf. Insoweit muss der Vortrag der Klägerin für alle
Kläger des Ausgangsverfahrens sowohl in tatsächlicher wie auch rechtlicher
Hinsicht einheitlich sein. Diese werfen der Initiatorin vor, in dem Prospekt ver-
schwiegen zu haben, dass es sich bei dem beworbenen Grundstück um ein
Altlastengrundstück handele, falsch behauptet zu haben, die künftige öffentliche
Förderung der Immobilie sei gesichert, und die Haftungsrisiken der Gesellschaf-
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ter dadurch verharmlost zu haben, dass der Immobilienwert und die Schulden-
höhe falsch angegeben worden seien. Die Berufungsbegründung, die die Klä-
gerin für die Berufungskläger des Ausgangsverfahrens gefertigt hat, enthält
deswegen auch für alle Berufungskläger einheitliche Ausführungen zu den fal-
schen Angaben in dem Prospekt und zu den Feststellungen des Landgerichts.
Nur die Berufungsanträge sind individuell auf die konkreten Ansprüche des ein-
zelnen Berufungsklägers des Ausgangsverfahrens bezogen.
Zwar machen die Kläger des Ausgangsverfahrens individuelle Ansprüche
gegen die Initiatorin geltend. Auch muss die Klägerin konkret bezogen auf die
einzelnen Kläger des Ausgangsverfahrens zu deren Beitritt zur BGB-
Gesellschaft, zu deren Beteiligungen und dazu vorgetragen haben, ob ihnen
der beanstandete Prospekt bei der Anlagenentscheidung vorgelegt worden ist.
Auch musste zu den individuellen Schadensersatzansprüchen vorgetragen
werden, mussten diese berechnet und beziffert und für jeden klagenden Gesell-
schafter ein konkreter Antrag gestellt werden. Das bedeutet jedoch nur, dass
hier im Hinblick auf die unterschiedlichen individuellen Ansprüche der jeweiligen
Kläger des Ausgangsverfahrens unterschiedliche Gegenstände vorliegen, was
dem Vorliegen derselben Angelegenheit jedoch nicht entgegensteht.
cc) Zu Unrecht meint die Revision, der Gesetzeszweck der Begrenzung
des anwaltlichen Gebührenanspruchs in §§ 7, 15 RVG passe auf Fälle wie den
vorliegenden nicht. Der Gesetzgeber wollte die Vergütung des Anwalts mög-
lichst daran orientieren, wie die Justiz für ihre Leistungen entschädigt wird. Das
unterstreichen der Aufbau des Gesetzes mit seinem Vergütungsverzeichnis und
die neue Struktur der Regelgebühren. Deswegen bestimmen § 7 Abs. 1, § 15
Abs. 1, § 22 RVG, dass sich die Gebühren allein nach dem sachlichen Gegen-
stand oder der Anzahl der Gegenstände einer Angelegenheit richten, nicht hin-
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gegen nach der Anzahl der daran beteiligten Personen (Volpert in Schneider/
Wolf, AnwK RVG, 7. Aufl., § 7 Rn. 27). Die Angelegenheit als solche umschreibt
den Abgeltungsbereich der Gebühren; jede Angelegenheit lässt die Regelge-
bühren erneut anfallen. Deshalb ist es für die Vergütung des Anwalts in erster
Linie von Bedeutung, um wie viele Angelegenheiten es geht. Das kann er ins-
besondere bei mehreren Auftraggebern mitbeeinflussen, weil er als deren Ver-
tragspartner auch darüber zu entscheiden hat, ob er für sie zusammen oder in
getrennten Vorgängen tätig werden will (Volpert, aaO Rn. 28).
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erkennt allerdings an, dass ein
Anwalt, wenn er durch mehrere Auftraggeber beauftragt wird, mutmaßlich zu-
sätzlichen Aufwand hat (Volpert, aaO Rn. 29). Wenn ihn mehrere Auftraggeber
mit der Erledigung derselben Angelegenheit und des nämlichen Gegenstands
beauftragen, erhält er zwar die Gebühr nur einmal, zusätzlich erhöht sich je-
doch nach Nr. 1008 VV RVG die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr um 0,3 für
jede weitere Person bis höchstens 2,0. Bezieht sich der Auftrag mehrerer Auf-
traggeber auf eine Angelegenheit, die mehrere Gegenstände umfasst, wird der
Mehraufwand des Anwalts dadurch vergütet, dass sich durch die Beauftragung
mehrerer Auftraggeber der Streitwert durch die Addition der Einzelansprüche
erhöht (§ 22 Abs. 1 RVG). Das gilt auch für das dieser Vergütungsklage zu-
grunde liegende Ausgangsverfahren, das sich durch nichts von anderen Verfah-
ren unterscheidet, in denen ein Anwalt für mehrere Auftraggeber in derselben
Angelegenheit, aber mit verschiedenen Gegenständen tätig wird.
c) Eine anders lautende Honorarvereinbarung haben die Parteien entge-
gen der Ansicht der Revision nicht getroffen. Die Beklagte hat die Klägerin auf
einem von dieser vorbereiteten Formular mit der Einlegung der Berufung beauf-
tragt, und zwar auch für den Fall, dass die Rechtsschutzversicherung die
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Deckung ablehne. Sie hat weiter erklärt, sich darüber im Klaren zu sein, dass
sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert richten und dieser sich
nach ihrem persönlichen Streitwertanteil bestimme. Diesem von der Klägerin
gestellten Formular war für die Beklagte nicht eindeutig zu entnehmen, dass sie
mit der Klägerin eine von den gesetzlichen Gebühren abweichende Gebühren-
vereinbarung treffen sollte. Gegen eine solche Auslegung spricht schon, dass
auch die Mandanten, die Rechtsmittel nur einlegen wollten, wenn ihre Rechts-
schutzversicherung diese Kosten übernehme, die entsprechende Erklärung ab-
geben sollten, auch wenn sie nach den Versicherungsbedingungen die An-
waltsgebühren, soweit sie die gesetzlichen Gebühren überstiegen, von der
Rechtsschutzversicherung nicht erstattet erhielten (vgl. Harbauer/Bauer,
Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., § 5 ARB 2000 Rn. 22). Gegen diese Ausle-
gung spricht zudem, dass die Klägerin selbst auch heute noch der Ansicht ist,
ihre Berechnung entspreche den gesetzlichen Gebühren. Mithin wollten beide
Seiten keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Gebührenvereinba-
rung treffen.
d) Demnach kann die Klägerin von der Beklagten als Vorschuss nur ei-
nen Bruchteil der 1,6-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert für das Be-
rufungsverfahren in Höhe von 2.582.530,19
€ verlangen, wobei der Bruchteil
der Höhe ihres Anteils an dem Gesamtstreitwert entspricht (4,8426 %;
14.973,60
€ + 20 € zuzüglich 19 % = 17.723,38 €, davon 4,8426 % macht
858,27
€). Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, auf die sich die Klä-
gerin hilfsweise berufen hat, fällt vorliegend nicht an, weil es sich bei den Ein-
zelansprüchen der Kläger im Ausgangsverfahren um unterschiedliche Gegen-
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stände handelt. Mithin hat die Beklagte durch die Zahlung ihrer Rechtsschutz-
versicherung in Höhe von 1.061,98
€ den geltend gemachten Vorschuss ge-
zahlt.
Kayser
Vill
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 13.12.2012 - 9 C 105/12 -
LG Bremen, Entscheidung vom 06.09.2013 - 4 S 13/13 -