Urteil des BGH vom 13.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 13/09
vom
1. März 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG (i.d.F. vor 1. November 2008) §§ 30, 31
Darlehen, die ein Gesellschafter aufgrund eines Versprechens im Gesellschaftsver-
trag neben der Einlage gewährt hat ("gesplittete Einlage"), sind in der Überschul-
dungsbilanz zu passivieren, soweit nicht ausdrücklich ein - bis zum Inkrafttreten des
MoMiG sog. qualifizierter - Rangrücktritt erklärt ist.
BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZR 13/09 - OLG Köln
LG Aachen
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. März 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Goette und die Richter Dr.
Strohn,
Dr. Reichart, Dr. Drescher und Bender
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat
beabsichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss ge-
mäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht
vor und sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).
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I.
Ein Zulassungsgrund besteht nicht.
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1. Soweit das Berufungsgericht (ZIP 2009, 315) die Revision im
Hinblick auf die Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln für Darlehens-
rückzahlungen vor Inkrafttreten des MoMiG zugelassen hat, ist der Zulas-
sungsgrund entfallen. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils be-
reits mehrfach entschieden, dass die Rechtsprechungsregeln jedenfalls
dann weiterhin gelten, wenn das Insolvenzverfahren vor dem 1. November
2008 eröffnet wurde (BGHZ 179, 249 Tz. 15 ff. "Gut Buschow"; BGHZ 179,
285 Tz. 8; Urt. v. 6. April 2009 - II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273; v. 20. Juli
2009 - II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806). Ob ein Zulassungsgrund besteht, ist
nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts, nicht dem
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Erlass des Berufungsurteils zu beurteilen (BGH, Urt. v. 20. Januar 2005
- I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650).
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2. Auch zur Frage, ob im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Darlehen
der Gesellschafter ("gesplittete Einlage") zu passivieren sind, besteht kein
Zulassungsgrund.
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Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO
hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungs-
bedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbe-
stimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deshalb das abstrakte
Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handha-
bung des Rechts berührt, wobei insbesondere erforderlich ist, dass die
betreffende Rechtsfrage in einem gewissen Umfang umstritten ist
(st. Rspr. siehe nur BGHZ 154, 288, 291).
Eine solche klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt sich nicht. Der
Senat hat bereits entschieden, dass auf das erfüllte Finanzplankreditver-
sprechen die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts angewandt werden und
der Finanzplankredit keine eigenständige Kategorie des Eigenkapitaler-
satzrechts ist, vielmehr für die Qualifizierung von Darlehen, die auf Grund
einer Vereinbarung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden, die
allgemeinen Grundsätze über eigenkapitalersetzende Leistungen gelten
(BGHZ 142, 116, 122). Für eigenkapitalersetzende Darlehen ist geklärt,
dass sie in der Überschuldungsbilanz als Verbindlichkeiten zu passivieren
sind, außer es liegt ein sog. qualifizierter Rangrücktritt vor (BGHZ 146,
264, 271). Dementsprechend sind auch dann, wenn eine so genannte
gesplittete Einlage vereinbart ist, die Darlehensrückzahlungsansprüche zu
passivieren, soweit nicht ausnahmsweise ein solcher qualifizierter Rang-
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rücktritt erklärt ist (Roth/Altmeppen, GmbHG 6. Aufl. § 32a a. F. Rdn. 79;
Altmeppen, FS Sigle, S. 211, 216; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl.
§§ 32 a, 32 b Rdn. 101; Habersack in Ulmer/Winter, GmbHG §§ 32 a, b
Rdn. 249 unter Aufgabe von ZHR 161 [1997], 457, 490; Michalski/
Heidinger, GmbHG §§ 32 a, 32 b Rdn. 393; Sieger/Aleth, GmbHR 2000,
462, 470; a.A. Ekkenga, WM 2006, 1986, 1989).
II.
Die Revision hat auch keinen Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht ist zur Recht davon ausgegangen, dass die
Rechtsprechungsregeln noch anwendbar sind, wenn - wie hier - das Insol-
venzverfahren vor dem 1. November 2008 eröffnet wurde.
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2. Der Kläger kann entsprechend § 31 GmbHG a.F. Erstattung der
auf das Darlehen des Erblassers in den Jahren 2002 bis 2004 zurückbe-
zahlten 122.367,20 € verlangen. Das Darlehen war eigenkapitalersetzend.
Die Gesellschaft war überschuldet, weil die mit den Mitgesellschaftern be-
reits im Gesellschaftsvertrag vereinbarten, valutierten Darlehen zu passi-
vieren waren.
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a) Die im Rahmen einer so genannten gesplitteten Einlage gewähr-
ten Darlehen der Gesellschafter waren als Verbindlichkeiten der Gesell-
schaft zu passivieren. Auch wenn eine Kündigung durch den Gesellschaf-
ter ausgeschlossen ist, ist rechtlich ein Darlehen vereinbart, für das eine
Rückzahlungspflicht besteht und das als Verbindlichkeit im Überschul-
dungsstatus zu passivieren ist, sofern nicht ein - hier nur in Gestalt einer
"qualifizierten" Erklärung in Betracht kommender - Rangrücktritt erklärt ist.
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Der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Ausschluss des Kündigungsrechts
des Gesellschafters kann grundsätzlich wieder aufgehoben und das Dar-
lehen damit fällig gestellt werden. Dass die Darlehen nur zusammen mit
der Gesellschafterstellung gekündigt werden können, schließt eine Rück-
zahlung ebenfalls nicht aus. So kommt eine Kündigung bei Ausscheiden
aus der Gesellschaft in Frage, etwa durch die jedenfalls ab 31. Dezember
2010 mögliche Kündigung der Gesellschafterstellung, bei Ausschluss oder
bei Einziehung. Schließlich darf die Gesellschaft das Darlehen unter Um-
ständen ihrerseits kündigen oder kann es auch ohne vorherige Kündigung
zurückzahlen.
b) Ein qualifizierter Rangrücktritt ist nicht erklärt. Eine ausdrückliche
Rangrücktrittserklärung fehlt. Dass das Darlehen bereits im Gesellschafts-
vertrag vereinbart ist und nicht ohne die Gesellschafterstellung gekündigt
werden kann, bedeutet noch keinen qualifizierten Rangrücktritt und ersetzt
die ausdrückliche Rangrücktrittserklärung nicht.
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Damit, dass der Gesellschafter ein solches Darlehen auch ohne
Krise der Gesellschaft belassen muss, ist der Rang seiner Rückzahlungs-
forderung in der Insolvenz noch nicht bestimmt, insbesondere ist kein
Nachrang vereinbart. Aber selbst wenn der Ausschluss der Kündigung bis
zur Insolvenzeröffnung nicht aufgehoben wird und darin eine konkludente
Nachrangvereinbarung zu sehen wäre, wäre eine Rückzahlung noch vor
dem Liquiditationserlös im Rang jedenfalls des § 39 Abs. 2 InsO a.F. ge-
schuldet (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 95).
Ein Rücktritt in den Rang von § 39 Abs. 2 InsO a.F. genügt jedoch den
Anforderungen an einen qualifizierten Rangrücktritt solange nicht, wie der
Gesellschafter in dieser Klasse nicht an die letzte Stelle tritt (vgl. Sen.Urt.
v. 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Tz. 10). Dass die Darlehen
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der Mitgesellschafter bei ihrem Ausscheiden nach § 14 Nr. 6 des Gesell-
schaftsvertrags in drei Jahresraten zurückzuzahlen waren, führt entgegen
der Revision schon materiell nicht zu einem Nachrang, da mit der Insol-
venzeröffnung die Gesamtforderung als fällig gilt (§ 41 InsO).
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Die rechtliche Einordnung als nachrangige Forderung reicht eben-
falls nicht aus, um die Passivierung in der Überschuldungsbilanz zu ver-
meiden. Auch bei materiellem Nachrang ist eine ausdrückliche Rangrück-
trittserklärung notwendig, um den Rangrücktritt außer Streit zu stellen und
dem Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Berurtei-
lungsgrundlage zu geben (BGHZ 146, 264, 273). Das gilt auch für die
gesplittete Einlage (Habersack in Ulmer/Winter, GmbHG §§ 32 a, b
Rdn. 249).
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3. Zusätzlich kann der Kläger von der Beklagten nach §§ 30, 31
GmbHG a.F. die Rückzahlung der während einer Unterbilanz durch den
Erblasser entnommenen 17.500,00 € verlangen.
Goette Strohn Reichart
Drescher
Bender
Hinweis:
worden.
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 13.07.2007 - 43 O 10/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 11.12.2008 - 18 U 138/07 -