Urteil des BGH vom 08.08.2005

BGH (menge, weiterverkauf, eigenverbrauch, heroin, stpo, pauschale, rauschgift, tag, einfuhr, grenze)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 46/06
vom
14. März 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
zu Ziff. 2. bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 14. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bielefeld vom 8. August 2005 mit den Fest-
stellungen zum Eigenverbrauch der Angeklagten und zu
den zum Eigenverbrauch bestimmten Teilmengen der
erworbenen Betäubungsmittel aufgehoben; die übrigen
Feststellungen zum äußeren und inneren Sachverhalt
bleiben bestehen.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen bandenmäßi-
gen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln [richtig: bandenmäßigen Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge] in vier Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt; den Angeklagten S. hat es
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
ger Menge in vier Fällen sowie wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiteren vier Fällen zu
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einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Für beide Angeklagte
hat es zudem die Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen
dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie
die Verletzung sachlichen Rechts rügen; der Angeklagte S. erhebt dar-
über hinaus auch eine Verfahrensbeschwerde. Die Rechtsmittel haben auf die
Sachrügen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im
Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben, soweit das Land-
gericht sie nach den getroffenen Feststellungen der - in den Fällen II. 3 bis 5
der Urteilsgründe bandenmäßig begangenen - Beschaffung und Einfuhr von
Heroin für schuldig befunden hat. Dennoch kann der Schuldspruch insgesamt
nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen zum Eigenverbrauchsanteil der
erworbenen Betäubungsmittel lückenhaft sind. Nach den insoweit rechtsfehler-
frei getroffenen Feststellungen waren die jeweils beschafften Betäubungsmit-
telmengen, die in allen Fällen die Grenze der nicht geringen Menge (für Heroin
BGHSt 32, 162) überschritten, teils zum Eigenverbrauch, teils zum gewinnbrin-
genden Weiterverkauf bestimmt. Hinsichtlich der jeweiligen Anteile beschränkt
sich das Urteil jedoch auf die pauschale Feststellung, "ein zahlenmäßig nicht
genau bezifferbarer Anteil" der eingeführten Betäubungsmittel (UA 19) sei zum
Eigenkonsum bzw. sei das erworbene Rauschgift "jedenfalls zu beträchtlichen
Teilen zum gewinnbringenden Weiterverkauf" (UA 32) bestimmt gewesen. Die-
se pauschale Feststellung erlaubt dem Senat nicht die Überprüfung, ob das
Landgericht den Angeklagten zu Recht auch das Handeltreiben mit Heroin je-
weils in nicht geringer Menge angelastet hat, wie dies die angewandten Straf-
vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes voraussetzen. Das Landgericht
durfte nicht offen lassen, welcher Teil der von den Angeklagten beschafften Be-
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täubungsmittel zum Weiterverkauf und welcher zum Eigenverbrauch bestimmt
war. Denn die entsprechenden Teilmengen und ihr Verhältnis zueinander wir-
ken sich sowohl bei der rechtlichen Einordnung der Taten als auch bei der Ge-
wichtung der Erwerbstaten im Rahmen der Strafzumessung aus; sie sind daher
- notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes durch Schätzung - festzustellen
(st. Rspr.; BGH StV 2002, 255; BGH, Beschluss vom 27. April 2004 - 3 StR
116/04). Das gilt vorliegend umso mehr, als die zum Konsumverhalten der An-
geklagten und weiterer Beteiligter für den Tatzeitraum getroffenen Feststellun-
gen (der Angeklagte S. durchschnittlich zwei bis vier Gramm Heroin pro
Tag; der Angeklagte P. Mengen von über fünf Gramm am Tag; der ge-
sondert verfolgte T. durchschnittlich zwei bis drei Gramm pro Woche, in
"Spitzenzeiten" die gleiche Menge in zwei bis drei Tagen; UA 6, 10, 20) nicht
ausschließen, dass die zum Weiterverkauf verbleibenden Anteile jedenfalls in
Einzelfällen die Grenze der nicht geringen Menge unterschritten. Hinzu kommt,
dass das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten P. nicht auszuschlie-
ßen vermochte, dass er das ihm überlassene Rauschgift insgesamt für den ei-
genen Konsum verbrauchte (UA 20).
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt die Feststellungen - mit Ausnahme
derjenigen zum Konsumverhalten der Angeklagten und der jeweiligen Eigen-
verbrauchsanteile der beschafften Betäubungsmittel - zum äußeren und inneren
Sachverhalt unberührt. Dies schließt insoweit ergänzende Feststellungen,
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die zu den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, durch
den neuen Tatrichter nicht aus.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible