Urteil des BGH vom 12.02.2001

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, einhaltung der frist, verschulden, berufungsfrist, anweisung, wiedereinsetzung, zpo, weisung, rechtsmittel, frist)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 5/00
vom
12. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Februar 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer und die Richterin Münke
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des
11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Hamburg vom 6. März 2000 wird auf Kosten der Kläger zu-
rückgewiesen.
Beschwerdewert: 240.000,-- DM
Gründe:
I.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 25. Februar 1999 das
Schadensersatzbegehren der Kläger gegen die Beklagten abgewiesen. Gegen
die ihrem Prozeßbevollmächtigten am 3. März 1999 zugestellte Entscheidung
haben die Kläger per Telefax am 22. April 1999 Berufung eingelegt und zu-
gleich wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags haben sie vorgebracht:
Ihr Prozeßbevollmächtigter habe das Urteil ebenso wie weitere sechs am sel-
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ben Tage in Parallelverfahren ergangene Urteile des Landgerichts ih-
rem Korrespondenzanwalt mit Schreiben vom 5. März 1999 unter Hin-
weis auf die am 6. April 1999 ablaufende Berufungsfrist übersandt. Trotz ent-
sprechender allgemeiner Anweisung habe die Sekretärin des Korrespondenz-
anwalts die Berufungsfrist nebst der dazu gehörigen Vorfrist nicht sogleich in
ihren Fristenkalender eingetragen. Das sei dem Korrespondenzanwalt jedoch
bei einer routinemäßigen Überprüfung bzw. anläßlich der Bearbeitung in einer
Parallelsache in der 11. Kalenderwoche (= 15. bis 21. März) 1999 aufgefallen.
Er habe seine Sekretärin daraufhin mündlich angewiesen, alle Berufungsfristen
der Urteile des Landgerichts vom 25. Februar 1999 noch zu notieren.
Der Anweisung sei die Sekretärin bei den anderen sechs Urteilen nachgekom-
men, nicht aber bei dem gegen die hiesigen Kläger ergangenen. Der Kor-
respondenzanwalt habe demzufolge nur in den sechs Parallelsachen am
31. März 1999 jeweils die Berufungsschrift diktiert. Ihrem Prozeßbevollmäch-
tigten, der an jenem Tage telefonisch an den Fristablauf am 6. April 1999 erin-
nert habe, habe der Korrespondenzanwalt erklärt, er werde die Berufungs-
schriftsätze noch am selben Tage per Fax erhalten, Berufung solle nur in dem
Umfang eingelegt werden, wie es sich aus den Schriftsätzen ergebe. An diese
Weisung habe sich ihr Prozeßbevollmächtigter gehalten und nur die ihm hin-
sichtlich der anderen sechs Fälle übermittelten Berufungsschriften am 6. April
1999 bei Gericht eingereicht. Ihr Korrespondenzanwalt habe den Fehler be-
merkt, als er am 8. April 1999 die ihm mit Schreiben vom 6. April 1999 von ih-
rem Prozeßbevollmächtigten übersandten Abschriften der Berufungsschriften
erhalten habe.
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Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 6. März 2000 den Wie-
dereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und ihre Berufung als unzu-
lässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger.
II.
Das in formeller Hinsicht einwandfreie Rechtsmittel ist nicht begründet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern mit Recht nicht ge-
währt worden, so daß ihre Berufung wegen Versäumung der Monatsfrist des
§ 516 ZPO verworfen werden mußte.
Nach § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung gegen die Versäu-
mung der Berufungsfrist zu bewilligen, wenn sie ohne ihr Verschulden an der
Einhaltung der Frist gehindert war. Verschulden ihrer Bevollmächtigten steht
dem Verschulden der Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO. Sowohl der bei den
Gerichten zugelassene Prozeßbevollmächtigte der Kläger als auch ihr
Korrespondenzanwalt ist in diesem Sinne Bevollmächtigter der Kläger.
Beide trifft an der Fristversäumung ein Verschulden.
Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hätte trotz der ihm am 31. März
1999 erteilten Weisung, Berufung nur in dem sich aus den ihm per Telefax zu-
gehenden Schriftsatzentwürfen ergebenden Umfang einzulegen, nachfragen
müssen, ob tatsächlich in einer der sieben Parallelsachen überhaupt keine Be-
rufung eingelegt werden sollte. Unter den gegebenen Umständen mußte sich
für ihn als mit allen Verfahren befaßter Rechtsanwalt nämlich der Verdacht
aufdrängen, es könne sich insoweit um ein Versehen handeln. Daß die Beru-
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fung in den anderen sechs Verfahren aus Kostengründen nicht hinsichtlich al-
ler Beklagten eingelegt wurde, war keine nachvollziehbare Erklärung dafür,
daß in dem siebten Verfahren nicht einmal einer von insgesamt elf Klägern
Rechtsmittel gegen einen Beklagten einlegen wollte. Die nach Sachlage ge-
botene Nachfrage hätte die fristgerechte Einlegung der Berufung ermöglicht,
selbst wenn sie erst in dem Telefonat vom 6. April 1999 erfolgt wäre, in dem
der Prozeßbevollmächtigte der Kläger auf die Anfrage des Büros des Korre-
spondenzanwalts den Erhalt der ihm am 31. März 1999 übermittelten Beru-
fungsschriften bestätigte.
Das Verschulden des Korrespondenzanwalts der Kläger liegt in der un-
zureichenden Überwachung seiner Sekretärin. Mit der bloßen Anweisung, die
Berufungsfristen noch zu notieren, genügte er seinen Anwaltspflichten nicht.
Mochte er auch bis zur 11. Kalenderwoche 1999 noch davon ausgehen dürfen,
daß seine Sekretärin eine geschulte und zuverlässige Rechtsanwalts- und
Notargehilfin war, so mußte er, nachdem er die fehlende Eintragung der Beru-
fungsfristen aller sieben Verfahren entdeckt hatte, sich von der Ausführung
seiner Anweisung durch Nachprüfung überzeugen. Denn zeitnah hatte er von
einem anderen Vorgang Kenntnis erhalten, der auf eine mangelnde Zuverläs-
sigkeit der Angestellten jedenfalls zu jener Zeit hinwies: Sie hatte nicht für die
in der Sozietät des Korrespondenzanwalts übliche Eintragung einer - bis zum
4. März 1999 verlängerten - Berufungsbegründungsfrist in der vorgesehenen
Weise gesorgt, so daß die Frist nicht eingehalten wurde. Hiervon erfuhr der
Korrespondenzanwalt durch am 16. März 1999 eingegangenes Schreiben des
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Oberlandesgerichts . Wenn er gleichwohl von einer
Überprüfung der Berufungsfristeintragungen in den sieben Parallelverfahren
absah, so rechtfertigt das ihm gegenüber ebenfalls den Vorwurf fahrlässigen
Verhaltens.
Röhricht
Goette
Kurzwelly
Kraemer Münke