Urteil des BGH vom 23.05.2000

BGH (stgb, schuld, schwere, reue, stv, hauptverhandlung, handlanger, bemessung, nachteil, wahl)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 193/00
vom
23. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Deggendorf vom 10. November 1999 im Ausspruch über die
besondere Schwere der Schuld aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen heimtückisch und aus
niedrigen Beweggründen begangenen Mordes an I. Z. zu lebenslanger
Freiheitsstrafe verurteilt und ausgesprochen, daß seine Schuld besonders
schwer wiege (§ 57a StGB).
Frau Z. hatte mit dem Angeklagten ein Verhältnis gehabt, sich aber
nach dessen Aufdeckung nicht für ihn, sondern für ihren Ehemann entschie-
den. Nachdem der Angeklagte geäußert hatte: "Wenn ich die I. nicht be-
komme, soll sie auch kein anderer haben", tötete er sie einige Tage später
hinterrücks mit zahlreichen Messerstichen.
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Während der Schuldspruch und der Strafausspruch aus den vom Gene-
ralbundesanwalt im einzelnen zutreffend dargelegten Gründen rechtsfehlerfrei
sind, hat die Sachrüge hinsichtlich des Ausspruchs über die besondere Schwe-
re der Schuld Erfolg.
Allerdings hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision
mit der Erwägung, die Tat sei "in ihrem objektiven Erscheinungsbild ... grausam
in dem Sinne ..., daß der Angeklagte in gefühlloser unbarmherziger Gesinnung
sein Opfer letztlich hinrichtete und mit den Schnitten in Hals und Gesicht ent-
würdigte", nicht auf das nicht festgestellte Mordmerkmal der Grausamkeit ab-
gestellt. Damit ist vielmehr rechtsfehlerfrei auf das gesamte objektive Tatbild
und die der Tat zu Grunde liegende Gesinnung abgestellt (vgl. Trönd-
le/Fischer, StGB 49. Aufl. § 57a Rdn. 7c m.w.N.).
Ebensowenig ist zu beanstanden, daß das Landgericht auf das Vorlie-
gen von zwei Mordmerkmalen sowie darauf abstellt, daß es sich - wie auch das
Mitbringen des Messers belegt - nicht um eine spontane Tat gehandelt hat.
Das Landgericht hat jedoch in diesem Zusammenhang auch folgendes
erwogen: "In der Hauptverhandlung zeigte der Angeklagte keine echte Reue.
Er versuchte sich als Handlanger von Selbstmordgedanken des Opfers darzu-
tun." Dem liegt zu Grunde, daß sich der Angeklagte mit dem Vorbringen vertei-
digt hatte, er habe Frau Z. , die ihre Situation nicht habe ertragen können,
auf ihren eigenen Wunsch getötet.
Für die Gewichtung der Schuldschwere i.S.d. § 57a StGB gelten die
gleichen Regeln wie für die Bemessung der Strafzumessungsschuld i.S.d. § 46
StGB (vgl. Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 57a Rdn. 3 b m.w.N.). Daher darf
auch in diesem Zusammenhang fehlende Reue einem die Tat leugnenden An-
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geklagten nicht nachteilig angelastet werden (BGH StV 1993, 639). Für einen
Angeklagten, der die Tat zwar nicht leugnet, wohl aber versucht, sie in einem
wesentlich milderen Licht - hier: Tötung auf Verlangen - darzustellen, gilt nichts
anderes. Daß das genannte Verteidigungsvorbringen sonst die Grenzen zuläs-
sigen Verteidigungsverhaltens überschritten hätte und daher zum Nachteil des
Angeklagten berücksichtigt werden könnte (vgl. BGH StV 1999, 536 f.), ist
ebenfalls nicht ersichtlich.
Darüber, ob die weiteren Erwägungen, auf die das Landgericht die An-
nahme besonderer Schuldschwere noch stützt, auch für sich genommen das
gefundene Ergebnis tragen könnten, hat der Senat, der die vom Tatrichter vor-
zunehmende Gesamtwertung nicht durch eine eigene ersetzen kann (BGH
NStZ 1999, 243 m.w.N.), nicht zu befinden.
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Tatsächliche Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler
nicht berührt. Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind, können die
Feststellungen des Urteils daher insgesamt bestehen bleiben. Ergänzende, zu
den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen
sind zulässig.
Maul Granderath Wahl
Boetticher Schluckebier