Urteil des BGH vom 13.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 259/09 Verkündet
am:
16. Juni 2010
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 288 Abs. 2; HGB § 89b
a) Eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB liegt unter Berücksich-
tigung des Ziels der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Ge-
schäftsverkehr (ABl. EG Nr. L 200 S. 35) vor, wenn die Forderung auf die
Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte
oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern
oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (Anschluss an BGH, Urteil
vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08). Einer synallagmatischen Verknüpfung
zwischen der Leistung des Gläubigers und der Zahlung durch den Schuldner
bedarf es nicht.
b) Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist Entgeltforderung im Sinne des
§ 288 Abs. 2 BGB.
BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 259/09 - KG Berlin
LG
Berlin
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Hermanns
sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 23. Zivil-
senats des Kammergerichts vom 27. August 2009 aufgehoben
und das Urteil der Zivilkammer 105 des Landgerichts Berlin vom
18. Februar 2009 geändert, soweit für die Zeit ab dem 25. April
2008 hinsichtlich des Zinssatzes zum Nachteil des Klägers er-
kannt worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von
weiteren drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
3.883,96 € seit dem 25. April 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Der Kläger war aufgrund eines Tankstellenverwaltervertrages für die Be-
klagte als Handelsvertreter tätig. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung ver-
langt er von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Ausgleichs gemäß § 89b
HGB.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Berufungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklag-
te verurteilt, an den Kläger 3.883,96 € nebst fünf Prozent Zinsen aus 6.273,14 €
vom 1. Dezember 2007 bis zum 24. April 2008 sowie Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 € seit dem 25. April 2008
zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seinen Antrag auf Zahlung von Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus 3.883,96 € seit dem 25. April 2008 weiter.
3
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht (KG, Urteil vom 27. August 2009 - 23 U 52/09, ju-
ris) hat - soweit hier von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung aus-
geführt:
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Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters stelle keinen Entgeltan-
spruch dar, so dass § 288 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sei.
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Der in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB genannte Begriff der "Entgelt-
forderung" gehe zurück auf die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs
im Rechtsverkehr. Diese Richtlinie sei, wie sich aus ihrem Erwägungsgrund 13
ergebe, auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen be-
schränkt und betreffe nach ihrem Art. 1 alle Zahlungen, die als Entgelt im Ge-
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schäftsverkehr anzusehen seien. Als Geschäftsverkehr definiere Art. 2 der
Richtlinie Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unter-
nehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder
Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führten. Mit der Verwendung
des Begriffes "Entgeltforderung" in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB habe
der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie umsetzen und den Anwendungsbe-
reich der Vorschriften auf Entgeltforderungen im Sinne der genannten Richtlinie
beschränken wollen. Dementsprechend seien Entgeltforderungen im Sinne des
§ 288 Abs. 2 BGB und des § 286 Abs. 3 BGB solche Forderungen, die auf Zah-
lung eines Entgelts für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leis-
tung gerichtet seien, wobei die zu beurteilende Forderung zu der Leistung des
Gläubigers in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen müsse.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe komme dem Ausgleichsan-
spruch des Handelsvertreters kein Entgeltcharakter zu. Zwar sei der Aus-
gleichsanspruch nicht - was einer Einordnung als Entgeltforderung entgegen-
stünde - als Entschädigungs-, sondern als Vergütungsregelung anzusehen.
§ 89b HGB habe zum Inhalt, dass der Handelsvertreter für einen auf seiner
Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnis-
ses nicht mehr vergüteten Vorteil, wie er in der Schaffung eines Kundenstam-
mes liege, eine Gegenleistung erhalte. Ferner scheitere der Entgeltcharakter
nicht an dem Umstand, dass der Ausgleichsanspruch kein reiner Vergütungs-
anspruch sei, sondern auch von Billigkeitsgesichtspunkten abhänge. Der Han-
delsvertreterausgleichsanspruch sei aber deshalb keine Entgeltforderung im
Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, weil die Leistung des Handelsvertreters, die damit
abgegolten werden solle, zu dem Zahlungsanspruch nicht im Gegenseitigkeits-
verhältnis stehe, es insoweit also an einer synallagmatischen Verknüpfung zwi-
schen den Ansprüchen fehle. Gegenleistung und Entgelt für die nach § 86 HGB
geschuldete Leistung des Handelsvertreters sei nicht der Ausgleichsanspruch
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nach § 89b HGB, sondern allein der Provisionsanspruch nach § 87 HGB. Der
Handelsvertreter vermittle Geschäfte, um hierfür Provisionen zu erhalten, und
nicht, um nach Beendigung des Vertrages einen Ausgleich nach § 89b HGB zu
bekommen. Der Ausgleich gehe über die durch die Vermittlungstätigkeit ver-
dienten Provisionen hinaus, ohne dass der Handelsvertreter hierfür eine zusätz-
liche Leistung zu erbringen habe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Verzugszinsen nur in
Höhe von fünf und nicht in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszins-
satz zugesprochen. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist als Entgeltfor-
derung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB zu qualifizieren.
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1. Der in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB verwendete Begriff der Ent-
geltforderung geht, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, auf die Richt-
linie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni
2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr. L
200 S. 35) zurück. Diese Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 auf alle Zahlungen, die
als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden, wobei als Ge-
schäftsverkehr in Art. 2 der Richtlinie die Geschäftsvorgänge zwischen Unter-
nehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen definiert sind, die
zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen
Entgelt führen. Ziel ist es ausweislich der Erwägungsgründe 7 und 16 sicherzu-
stellen, dass die Folgen des Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zah-
lungsfristen abschrecken, und so der Gefahr der Insolvenz von Unternehmen
und dem Verlust von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Zu den Unternehmen
gehören nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie auch Einzelpersonen, sofern diese eine
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unabhängige wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit ausüben. Nach Art. 3
Abs. 1d der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Höhe der Ver-
zugszinsen mindestens sieben Prozentpunkte über dem dort näher definierten
Bezugszinssatz liegt.
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Der deutsche Gesetzgeber wollte bei der Umsetzung der Richtlinie den
sich aus ihr ergebenden hohen Zinssatz nur für den Anwendungsbereich der
Richtlinie und damit für Entgeltzahlungen vorsehen (Stellungnahme des Bun-
desrates zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes
zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 14/6857, S. 14; aufgegriffen in
der Gegenäußerung der Bundesregierung, aaO, S. 51 und der Beschlussemp-
fehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drs. 14/7052, S. 187).
Eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB liegt nach diesen
Ausführungen daher dann vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Ent-
gelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende
Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von
Dienstleistungen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08,
juris, Tz. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rdnr. 27, § 288 Rdnr. 8;
Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2009), § 286 Rdnr. 95, § 288 Rdnr. 17;
Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 286 Rdnr. 39, § 288 Rdnr. 5;
MünchKommBGB/Ernst, 5. Aufl., § 286 Rdnr. 75).
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2. Nicht gefolgt werden kann indessen der Ansicht des Berufungsge-
richts, für die Qualifikation einer Forderung als Entgeltforderung sei über die
dargestellten Voraussetzungen hinaus zu verlangen, dass zwischen der Leis-
tung des Gläubigers und der Zahlung durch den Schuldner eine synallagmati-
sche Verknüpfung bestehe (so aber auch MünchKommBGB/Ernst, aaO). Der
Begriff der Entgeltlichkeit ist nicht mit dem Begriff des Synallagmas gleichzuset-
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zen. Entgeltlichkeit liegt nicht nur bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen im
Sinne der §§ 320 ff. BGB vor, sondern auch dann, wenn die Leistung des einen
Teils Bedingung für die Entstehung der Verpflichtung des anderen Teils ist (sog.
konditionelle Verknüpfung, vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1951 - II ZR 18/50,
NJW 1951, 268, unter I; vom 11. November 1981 - IVa ZR 182/80, NJW 1982,
436, unter I; Palandt/Grüneberg, aaO, Einf. v. § 320 Rdnr. 7; Soergel/Gsell,
BGB, 13. Aufl., Vor § 320 Rdnr. 6; MünchKommBGB/Emmerich, aaO, Vor
§ 320 Rdnr. 10). Auch in den letztgenannten Fällen stellt sich die Zahlung wirt-
schaftlich als Entgelt für die Leistung dar (Soergel/Gsell, aaO).
3. Nach diesen Maßstäben ist der Handelsvertreterausgleichsanspruch
nach § 89b HGB als Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB zu quali-
fizieren (so auch OLG Hamm, Urteil vom 29. Mai 2008 - 18 U 164/07, juris,
Tz. 91; OLG München, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 7 U 3114/08, juris,
Tz. 37; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2009 - 6 U 60/08,
juris, Tz. 161; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 89b Rdnr. 337).
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a) Der Bundesgerichtshof sieht in dem Ausgleichsanspruch in Überein-
stimmung mit der im Schrifttum weit überwiegenden Auffassung einen Vergü-
tungsanspruch, der dem Handelsvertreter die restliche, durch Provisionszah-
lungen bis zum Vertragsende noch nicht abgegoltene Gegenleistung für einen
auf seiner Vermittlungstätigkeit beruhenden Vorteil verschaffen soll, der in der
Schaffung des Kundenstamms besteht (st. Rspr.; BGHZ 24, 214, 220 ff.; 29,
275, 278 f.; 41, 129, 133; 45, 268, 270 f.; 45, 385, 386; BGH, Urteile vom
10. Mai 1984 - I ZR 36/82, NJW 1985, 58, unter A II 2; vom 6. Februar 1985
- I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, unter II 1; Senatsurteile vom 6. August 1997
- VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71 unter B I 1 b; vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 58/00,
NJW-RR 2002, 1548, unter B I 1 a, II 1; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/
Strohn, HGB, 2. Aufl., § 89b Rdnr. 2; Staub/Emde, aaO, § 89b Rdnr. 14 ff.;
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MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 89b Rdnr. 5; Roth in:
Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., § 89b Rdnr. 1; Baumbach/Hopt, HGB,
34. Aufl., § 89b Rdnr. 2; Oetker/Busche, HGB, § 89b Rdnr. 1; K. Schmidt, Han-
delsrecht, 5. Aufl., § 27 V 2; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., § 15 VII 1;
Küstner, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 3. Aufl., S. 31 f.; Thu-
me, BB 2009, 1026, 1028; Ball in: Saenger/Schulze, Der Ausgleichsanspruch
des Handelsvertreters, 2000, S. 17 ff.; vgl. auch die amtliche Begründung zu
§ 89b HGB, BT-Drs. I/3856, S. 33, 35). Ausgangspunkt dieses Verständnisses
ist die Provisionsregelung des § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach welcher dem Han-
delsvertreter für jeden von ihm vermittelten Einzelabschluss eine Provision zu-
steht. Die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters führt jedoch über den Ab-
schluss einzelner Geschäfte hinaus zum Aufbau eines Kundenstammes. Dieser
Erfolg wird während der Dauer des Handelsvertretervertrages zum einen durch
die bei Stammkunden häufig erleichterte Vermittlung von den Provisionsan-
spruch nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB begründenden Geschäftsabschlüs-
sen und zum anderen durch den Provisionsanspruch für Folgegeschäfte nach
§ 87 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 HGB abgegolten. Soweit die durch den Handelsvertre-
ter geschaffenen Kundenbeziehungen das Ende des Vertragsverhältnisses
überdauern, hat - jenseits der engen Voraussetzungen des Provisionsan-
spruchs nach § 87 Abs. 3 HGB - aber allein der Unternehmer den Nutzen, für
den er dem Handelsvertreter als Gegenleistung ein Entgelt zahlen muss (vgl.
Staub/Emde, aaO, Rdnr. 14 ff.; Ball, aaO, S. 18).
b) Der Ausgleichsanspruch ist allerdings kein reiner Vergütungsan-
spruch, weil sowohl die Entstehung als auch die Bemessung des Anspruchs
weitgehend durch Aspekte der Billigkeit beeinflusst werden (st. Rspr.; BGHZ 24,
214, 222; 45, 268, 270 f.; 45, 385, 386; vgl. auch BVerfG, NJW 1996, 381;
Staub/Emde, aaO, Rdnr. 16 f.; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, aaO,
Rdnr. 6; Baumbach/Hopt, aaO, Rdnr. 3; Schnabl, NJW 2009, 955). Dabei dür-
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fen diese Billigkeitsaspekte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Eu-
ropäischen Gemeinschaften zu Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des
Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (künftig Handels-
vertreterrichtlinie; ABl. EG Nr. L 382 S. 17), der der Gesetzgeber durch die Neu-
fassung des § 89b Abs. 1 HGB mit Wirkung vom 5. August 2009 Rechnung ge-
tragen hat (Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei
Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durch-
setzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli
2009, BGBl. I 2512), zwar nicht ausschließlich zu einer Anpassung des Aus-
gleichsanspruchs nach unten führen (EuGH, Urteil vom 26. März 2009
- Rs. C-348/07, EuZW 2009, 304, Rdnr. 23 - Turgay Semen/Deutsche Tamoil
GmbH; Thume, BB 2009, 2490, 2493; Emde, DStR 2009, 1478, 1482 f.). Den-
noch darf der Anspruch auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung
nicht allein auf Billigkeitserwägungen gestützt werden (so zur Rechtslage vor
Erlass des EuGH-Urteils: Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 22/96,
NJW 1997, 655, unter B I 1 a bb m.w.N.; Ball, aaO, S. 19; zur neuen Rechtsla-
ge: Thume, aaO; Emde, aaO, S. 1483; vgl. auch den Bericht der Kommission
der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung von Artikel 17 der
Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaa-
ten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, KOM 96, 364 endg., S. 1 ff.).
Denn sowohl Art. 17 Abs. 2a Spiegelstrich 1 der Handelsvertreterrichtlinie als
auch § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HGB knüpfen das Bestehen eines Aus-
gleichsanspruchs an die Voraussetzung, dass der Handelsvertreter für den Un-
ternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vor-
handenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Ge-
schäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht.
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c) Der Umstand, dass es sich bei § 89b HGB um einen Mischtatbestand
handelt, der aus einer Entgelt- und einer Billigkeitskomponente besteht, hindert
seine Qualifikation als Entgeltforderung nicht (aA Schnabl, NJW 2009, 955 ff.).
§ 288 Abs. 2 BGB verfolgt in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2000/35/EG
den Zweck sicherzustellen, dass die Folgen des Zahlungsverzugs von der
Überschreitung der Zahlungsfristen im Geschäftsverkehr abschrecken, und so
der Gefahr von Insolvenzen von Unternehmen und dem Verlust von Arbeits-
plätzen vorzubeugen. Dieser Sinn erfordert die Einbeziehung einer Geldforde-
rung entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung schon dann, wenn sie
auch - wenn auch nicht ausschließlich - die Vergütung einer vom Gläubiger er-
brachten oder zu erbringenden Gegenleistung darstellt. Dem steht nicht entge-
gen, dass der Handelsvertreter durch die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bei
Vertragsende ein Entgelt erhält, welches er im Falle der Vertragsfortsetzung
nicht sofort, sondern erst in Form von Provisionen aus weiteren Geschäftsab-
schlüssen erhalten hätte. Diesem Vorteil wird bereits durch die vorzunehmende
Abzinsung (vgl. Senatsurteil vom 6. August 1997, aaO, unter B I 4 m.w.N.)
Rechnung getragen.
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III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung kei-
nen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren Feststellun-
gen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563
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Abs. 3 ZPO). Dem Kläger stehen gemäß § 288 Abs. 2 BGB Verzugszinsen in
Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu.
Ball
Hermanns
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 18.02.2009 - 105 O 83/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.08.2009 - 23 U 52/09 -