Urteil des BGH vom 29.04.2010

BGH (stand der technik, gas, bundesrepublik deutschland, patentanspruch, betrieb, fachmann, luft, patentgericht, lehre, gegenstand)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Xa ZR 124/06
URTEIL
Verkündet
am:
29. April 2010
Wermes,
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 29. April 2010 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Berger, Dr. Bacher und Hoffmann
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Juli 2006 verkün-
dete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatent-
gerichts im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert.
Das europäische Patent 0 570 546 wird mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt,
soweit Patentanspruch 1 über folgende Alternativfassungen hi-
nausgeht:
1a.
Wirbelschicht-Behandlungseinrichtung mit einem Gutbehäl-
terabschnitt (12), der nach unten über eine Gasverteilerplatte
oder ein Sieb (18) in eine Plenumkammer (16) mündet, wo-
bei die Gasverteilerplatte bzw. das Sieb (18) Öffnungen (20)
besitzt, um ein Verwirbelungsgas, insbesondere Luft, von
der Plenumkammer (16) nach oben in den Gutbehälterab-
schnitt (12) strömen zu lassen, um in diesem Teilchen (60)
zu verwirbeln und ein Wirbelbett zu bilden, wobei der Gutbe-
hälterabschnitt (12) eine Sprühdüse (32) enthält, dadurch
gekennzeichnet, dass Mittel vorhanden sind, die nahe der
Sprühdüse (32) angeordnet und ausgebildet sind, um beim
Betrieb einen die Sprühdüse (32) umgebenden Gasstrom zu
bilden, so dass die genannten Mittel und der Gasstrom beim
Betrieb das von der genannten Düse (32) gebildete An-
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fangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im Wirbel-
bett bewegenden Teilchen (60) abschirmen.
1b.
Wirbelschicht-Behandlungseinrichtung mit einem Gutbehäl-
terabschnitt (12), der nach unten über eine Gasverteilerplatte
oder ein Sieb (18) in eine Plenumkammer (16) mündet, wo-
bei die Gasverteilerplatte bzw. das Sieb (18) Öffnungen (20)
besitzt, um ein Verwirbelungsgas, insbesondere Luft, von
der Plenumkammer (16) nach oben in den Gutbehälterab-
schnitt (12) strömen zu lassen, um in diesem Teilchen (60)
zu verwirbeln und ein Wirbelbett zu bilden, wobei der Gutbe-
hälterabschnitt (12) eine Sprühdüse (32) enthält, dadurch
gekennzeichnet, dass Mittel vorhanden sind, die nahe der
Sprühdüse (32) angeordnet sind, so dass die genannten Mit-
tel beim Betrieb das von der genannten Düse (32) gebildete
Anfangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im Wir-
belbett bewegenden Teilchen (60) abschirmen.
1c.
Wirbelschicht-Behandlungseinrichtung mit einem Gutbehäl-
terabschnitt (12), der nach unten über eine Gasverteilerplatte
oder ein Sieb (18) in eine Plenumkammer (16) mündet, wo-
bei die Gasverteilerplatte bzw. das Sieb (18) Öffnungen (20)
besitzt, um ein Verwirbelungsgas, insbesondere Luft, von
der Plenumkammer (16) nach oben in den Gutbehälterab-
schnitt (12) strömen zu lassen, um in diesem Teilchen (60)
zu verwirbeln und ein Wirbelbett zu bilden, wobei der Gutbe-
hälterabschnitt (12) eine Sprühdüse (32) enthält, dadurch
gekennzeichnet, dass Mittel vorhanden sind, die ausgebildet
sind, um beim Betrieb einen die Sprühdüse (32) umgeben-
den Gasstrom zu bilden, so dass der Gasstrom beim Betrieb
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das von der genannten Düse (32) gebildete Anfangssprüh-
muster gegen das Eindringen von sich im Wirbelbett bewe-
genden Teilchen (60) abschirmt.
Die Unteransprüche 2 bis 9 beziehen sich jeweils auf die vorge-
nannten Patentansprüche zurück.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die Berufung der Klä-
gerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bun-
desrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 570 546 (Streitpa-
tents), das die Priorität einer US-Anmeldung vom 28. Oktober 1991 in Anspruch
nimmt. Das Streitpatent betrifft eine Wirbelschichtbehandlungseinrichtung und
Verfahren, um darin ein Gut zu granulieren oder zu beschichten. Es umfasst elf
Patentansprüche.
1
Die Patentansprüche 1 und 10 lauten in der Verfahrenssprache Englisch:
2
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1. Fluidized bed processor having a product container section (12) opening
downwardly into a plenum chamber (16) through a gas distribution plate or
screen (18) having openings (20) formed therethrough for upward flow of
fluidizing gas, particularly air, from the plenum chamber (16) into the prod-
uct container section (12) for fluidizing particles (60) therein so as to form a
fluidized bed, the product container section (12) including a spray nozzle
(32), characterised thereby, that a means is provided which is positioned
adjacent said spray nozzle (32) and/or adapted to form in operation a gas
stream that surrounds the spray nozzle (32) so that said means and/or
said gas stream shields in operation the initial spray pattern developed by
said nozzle (32) against the entrance of particles (60) moving through the
fluidized bed.
10. Method for granulating or coating a product in a fluidized bed in a proces-
sor (10) having a product container section (12) opening upwardly into an
expansion chamber (14) and downwardly into a plenum chamber (16)
through a generally horizontally disposed gas distribution plate or screen
(18) having openings (20) formed therethrough for upward flow of gas, par-
ticularly air, from the plenum chamber (16) into the product container sec-
tion (12), the latter including a substantially cylindrical partition (22) spaced
above the plate or screen (18) for dividing the product container section
(12) into an inner upbed area (30) and an outer downbed area (28), and an
upwardly discharging spray nozzle (32) mounted substantially coaxially
within said cylindrical partition (22), wherein gas, particularly air, is passed
upwardly through the plate or screen (18) and through the product con-
tainer section (12) so that the product forms the fluidized bed, character-
ised thereby, that a radially confined and shielded column of gas is made
to flow upwardly about the spray nozzle (32) from said plate or screen (18)
and to be freely discharged into said upbed area (30) at an elevation at
least equal in height to the upper extremity of the spray nozzle (32) and/or
that a cylindrical inner partition (40) is positioned adjacent the plate or
screen (18) so that the inner partition (40) surrounds the spray nozzle (32)
and extends from the plate or screen (18) upwardly to a level at least equal
in height to the upper extremity of the spray nozzle (32) and that gas pass-
ing upwardly through the plate or screen (18) is lead through a space en-
compassed by the cylindrical inner partition (40) about the spray nozzle
(32) to shield the initial spray pattern developed by said nozzle (32) against
the entrance of particles moving upwardly through said upbed area (30).
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lauten sie:
3
1. Wirbelschicht-Behandlungseinrichtung mit einem Gutbehälterabschnitt
(12), der nach unten über eine Gasverteilerplatte oder ein Sieb (18) in eine
Plenumkammer (16) mündet, wobei die Gasverteilerplatte bzw. das Sieb
(18) Öffnungen (20) besitzt, um ein Verwirbelungsgas, insbesondere Luft,
von der Plenumkammer (16) nach oben in den Gutbehälterabschnitt (12)
strömen zu lassen, um in diesem Teilchen (60) zu verwirbeln und ein Wir-
belbett zu bilden, wobei der Gutbehälterabschnitt (12) eine Sprühdüse (32)
enthält, dadurch gekennzeichnet, dass Mittel vorhanden sind, die nahe der
Sprühdüse (32) angeordnet und/oder ausgebildet sind, um beim Betrieb
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einen die Sprühdüse (32) umgebenden Gasstrom zu bilden, so dass die
genannten Mittel und/oder der Gasstrom beim Betrieb das von der ge-
nannten Düse (32) gebildete Anfangssprühmuster gegen das Eindringen
von sich im Wirbelbett bewegenden Teilchen (60) abschirmt.
10. Verfahren zum Granulieren oder Überziehen eines Gutes in einem Wirbel-
bett in einer Behandlungseinrichtung (10) mit einem Gutbehälterabschnitt
(12), der nach oben in eine Expansionskammer (14) und nach unten über
eine Gasverteilerplatte oder ein Sieb (18) in eine Plenumkammer (16)
mündet, wobei die Gasverteilerplatte bzw. das Sieb (18) im allgemeinen
horizontal angeordnet ist und Öffnungen (20) hat, um ein Gas, insbeson-
dere Luft, von der Plenumkammer (16) in den Gutbehälterabschnitt (12)
strömen zu lassen, wobei der letztere eine im wesentlichen zylindrische,
im Abstand von der Platte bzw. dem Sieb (18) oberhalb dieser bzw. die-
sem angeordnete Trennwand (22) zum Teilen des Gutbehälterabschnitts
(12) in eine innere Aufstiegsbettzone (30) und eine äussere Abstiegsbett-
zone (28) enthält, und mit einer nach oben sprühenden Sprühdüse (32),
die im wesentlichen koaxial innerhalb der genannten, zylindrischen Trenn-
wand (22) eingebaut ist, wobei Gas, insbesondere Luft, aufwärts durch die
Platte bzw. das Sieb (18) und den Gutbehälterabschnitt (12) geleitet wird,
so dass das Gut das Wirbelbett bildet, dadurch gekennzeichnet, dass man
eine radial eingeschlossene und abgeschirmte Säule von Gas von der
Platte bzw. dem Sieb aufwärts um die Sprühdüse (32) herum und auf ei-
nem Niveau frei in die genannte Aufstiegsbettzone (30) strömen lässt,
dessen Höhe mindestens gleich derjenigen des oberen Endes der Sprüh-
düse (32) ist, und/oder dass eine zylindrische innere Trennwand (40) die
Sprühdüse (32) umgibt und von der Platte bzw. dem Sieb (18) nach oben
in eine Höhe reicht, die mindestens gleich der Höhe des oberen Endes der
Sprühdüse (32) ist, und dass aufwärts durch die Platte bzw. das Sieb (18)
strömendes Gas durch einen von der inneren Trennwand (40) umschlos-
senen Raum um die Sprühdüse (32) herumgeleitet wird, um das von der
Sprühdüse (32) erzeugte Anfangssprühmuster gegen das Eindringen von
sich in der Aufstiegsbettzone (30) aufwärts bewegenden Teilchen abzu-
schirmen.
Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift ver-
wiesen.
4
Die Klägerin hat, gestützt auf die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen
Erweiterung, der unzureichenden Offenbarung und der mangelnden Patentfä-
higkeit, beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bun-
desrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte
ist dem entgegengetreten. Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für
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- 7 -
nichtig erklärt, soweit es über folgende (alternative) Fassungen von Patentan-
spruch 1 hinausgeht:
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“1a. Fluidized bed processor having a product container section (12) opening
downwardly into a plenum chamber (16) through a gas distribution plate
or screen (18) having openings (20) formed therethrough for upward flow
of fluidizing gas, particularly air, from the plenum chamber (16) into the
product container section (12) for fluidizing particles (60) therein so as to
form a fluidized bed, the product container section (12) including a spray
nozzle (32), characterised thereby, that a means is provided which is po-
sitioned adjacent said spray nozzle (32) and adapted to form in operation
a gas stream that surrounds the spray nozzle (32) so that said means
and said gas stream shields in operation the initial spray pattern devel-
oped by said nozzle (32) against the entrance of particles (60) moving
through the fluidized bed.
1b. Fluidized bed processor having a product container section (12) opening
downwardly into a plenum chamber (16) through a gas distribution plate
or screen (18) having openings (20) formed therethrough for upward flow
of fluidizing gas, particularly air, from the plenum chamber (16) into the
product container section (12) for fluidizing particles (60) therein so as to
form a fluidized bed, the product container section (12) including a spray
nozzle (32), characterised thereby, that a means is provided which is po-
sitioned adjacent said spray nozzle (32) so that said means shields in
operation the initial spray pattern developed by said nozzle (32) against
the entrance of particles (60) moving through the fluidized bed.”
und sich die Patentansprüche 2 bis 9 auf Patentanspruch 1 a oder 1 b rückbe-
ziehen.
Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien.
6
Die Klägerin erstrebt die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents
und beantragt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
7
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
Sie verteidigt das Streitpatent in der Fassung der drei aus dem Urteilstenor
ersichtlichen nebengeordneten Patentansprüche 1 a, 1 b und 1 c; hieran sollen
sich die Unteransprüche anschließen. Hilfsweise verteidigt sie Patentanspruch
1 des Streitpatents in der Fassung zweier Hilfsanträge, an die sich die erteilten
Patentansprüche 2 - 11 anschließen sollen.
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- 9 -
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. M. K. , Insti-
tut für thermische Verfahrenstechnik der Universität K. , ein schriftliches
Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung ergänzt und erläu-
tert hat.
9
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin istunbegründet. Die Berufung der
Beklagten hat mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag
in vollem Umfang Erfolg
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I. Das Streitpatent betrifft eine Wirbelschichtbehandlungseinrichtung und
Verfahren, um darin ein Gut zu granulieren, d.h., durch Anlagerung weiterer
Partikel zu größeren Teilchen (Agglomeraten) zu verfestigen, oder zu beschich-
ten, d.h., mit einer Überzugsflüssigkeit zu besprühen und anschließend zu
trocknen. In beiden Fällen ist zumindest eine übermäßige Agglomeration uner-
wünscht. Eine Wirbelschicht ist eine Schicht aus feinkörnigem oder pulverigem
Material, das von unten mit einem aufsteigenden Trägergas durchströmt wird,
so dass die einzelnen Teilchen angehoben werden und fein verteilt in der auf-
steigenden Strömung schweben. Das Material und das Trägergas sind dabei
innig vermischt. Dadurch wird eine Vermischung mit eingesprühten Flüssigkei-
ten oder anderen Materialien ermöglicht. Dies macht Wirbelschichten vielseitig
anwendbar. Beim Gegenstand des Streitpatents wird eine fein verteilte Flüssig-
keit in das Wirbelbett eingesprüht, deren Tröpfchen mit den Teilchen des Mate-
rials in Berührung kommen und diese benetzen oder überziehen. Von Bedeu-
tung ist dies insbesondere in der pharmazeutischen Industrie.
11
- 10 -
Die Streitpatentschrift schildert eingangs die aus der deutschen Offenle-
gungsschrift 33 23 418 bekannte Einrichtung zum Granulieren oder Überziehen
von Teilchen eines Guts. Diese weise eine Sprühdüse auf, die durch den gas-
durchlässigen Boden in den Gutbehälterabschnitt hineinrage und einen ober-
halb des Bodens angeordneten Auslass besitze. Die Behandlungseinrichtung
weise auch eine rohrförmige, im Gutbehälterabschnitt in einem gewissen Ab-
stand oberhalb des Bodens angeordnete Trennwand ("Steigrohr", "Wurster-
Zylinder") auf. Beim Betrieb dieser Behandlungseinrichtung werde zuerst ein
aus Teilchen bestehendes Ausgangsmaterial oder -gut in den Gutbehälterab-
schnitt eingebracht. Es werde ein aufwärts gerichteter Gasstrom erzeugt, der
die Teilchen verwirbele. Das durch die rohrförmige Abteilung hindurchströmen-
de Gas trage die Teilchen nach oben. Die Teilchen bewegten sich danach in
einer äußeren, die rohrförmige Trennwand umschließenden Zone nach unten
und träten beim unteren Ende der rohrförmigen Abteilung wieder in diese ein.
Die Sprühdüse zerstäube ein Sprühmaterial, das zum Überziehen oder Agglo-
merieren der Teilchen diene. Das Sprühmaterial bestehe normalerweise min-
destens zu einem großen Teil aus einer Flüssigkeit. Die Düse erzeuge einen
Flüssigkeitsstrahl, der in kleine Tröpfchen zerfalle. Diese Tröpfchen würden in
einer Wolke oder einem Sprühmuster mit der Form eines Konus verteilt. Die zu
überziehenden oder zu agglomerierenden Teilchen könnten sehr nahe bei der
Sprühdüse in das von der Sprühdüse erzeugte Sprühmuster eindringen, bevor
dieses sich voll entwickelt habe. Dies verursache eine unkontrollierte Tröpf-
chenbildung auf den eindringenden Teilchen, was wiederum dazu führe, dass
die Wirksamkeit der Behandlungseinrichtung vermindert und dadurch eine lan-
ge Prozessdauer verursacht werde. Außerdem könne dabei eine übermäßige
Agglomeration der Teilchen verursacht werden. Dies sei besonders nachteilig,
wenn die Teilchen nur überzogen werden, könne aber auch ungünstig sein,
12
- 11 -
wenn sie agglomeriert werden sollten. Die aus mehreren US-Patentschriften
bekannten Behandlungseinrichtungen hätten ähnliche Nachteile.
Demgegenüber soll durch das Streitpatent eine Einrichtung und ein Ver-
fahren angegeben werden, bei denen die Wirbelbettbehandlung des Materials
verbessert wird. Die weitergehende Formulierung, nach der vermieden werden
soll, dass die Teilchen zu früh in das Sprühmuster gelangen, enthält bereits ei-
nen Lösungsansatz, von dem die Formulierung des technischen Problems frei-
zuhalten ist (BGH, Urt. v. 22.11.1984 - X ZR 40/84, GRUR 1985, 369
- Körperstativ).
13
Patentanspruch 1 schlägt dazu eine Wirbelschichtbehandlungseinrich-
tung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
14
1.
Gutbehälterabschnitt
2.
Plenumkammer
3. über
eine
Gasverteilerplatte
besitzen,
3.1 um ein
Verwirbelungsgas,
insbesondere Luft, von der Ple-
strö-
men zu lassen
ein Wirbelbett zu bilden,
4.
Sprühdüse
5. wobei
Mittel
geordnet und/oder ausgebildet sind, um beim Betrieb einen
Gasstrom
6.
Mittel und/oder der Gasstrom
Anfangssprüh-
muster
abschirmen
Eine Ausgestaltung zeigt die verkleinert wiedergegebene Figur 1.
15
- 12 -
Das Patentgericht hat dem so gegliederten Patentanspruch 1 entnom-
men, dass dieser drei Abschirmvarianten lehre, nämlich:
16
Es sind Mittel vorhanden, die gestaltet sind, um beim Betrieb einen die
Sprühdüse umgebenden Gasstrom zu bilden, so dass der genannte Gasstrom
beim Betrieb das von der Sprühdüse gebildete Anfangssprühmuster gegen das
Eindringen von sich im Wirbelbett bildenden Teilchen abschirmt ("Gasstrom-
Variante"; in der Folge vom Patentgericht als Variante 1 c bezeichnet).
17
Es sind Mittel vorhanden, die nahe der Sprühdüse angeordnet sind, so
dass die genannten Mittel beim Betrieb das von der Sprühdüse gebildete An-
18
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fangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im Wirbelbett bildenden Teil-
chen abschirmen ("Trennwand-Variante"; in der Folge vom Patentgericht als
Variante 1 b bezeichnet).
Es sind Mittel nach Variante 1 und Variante 2 vorhanden ("Gasstrom-
und Trennwand-Variante"; in der Folge vom Patentgericht als Variante 1 a be-
zeichnet).
19
Im Ausführungsbeispiel sei die Variante
1
a, das heißt die
"und"-Verknüpfung der Varianten 1 und 2, enthalten. Die Abschirmung werde
bei Variante 1 b durch die die Sprühdüse umgebende Trennwand und bei
Variante 1 c durch den benachbart zur Sprühdüse aufsteigenden Gasstrom be-
wirkt, wobei letzterer nach der Beschreibung des Streitpatents aus dem von der
Plenumkammer kommenden Luftstrom gewonnen werde.
20
II. Das Patentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Variante 1 c des
Patentanspruchs 1 ("Gasstrom-Variante") für nichtig erklärt, die beiden weiteren
Varianten als Alternativansprüche bestehen lassen, die nachgeordneten Pa-
tentansprüche auf diese Alternativansprüche zurückbezogen und die Klage im
Übrigen abgewiesen. Seine Entscheidung hat es wie folgt begründet:
21
Der Gegenstand des Streitpatents gehe nicht über den Inhalt der interna-
tionalen Anmeldung WO 93/08923 A1 (K3) hinaus. Eine Wirbelschichtbehand-
lungseinrichtung mit den Merkmalen gemäß Variante 1 b sei durch Patentan-
spruch 6 der Anmeldung offenbart. Patentanspruch 6 der Anmeldung offenbare
auch eine Abschirmung der Sprühdüse durch einen Gasstrom, was Variante 1 c
entspreche. Die Verknüpfung der Varianten 1 b und 1 c in Variante 1 a sei Ge-
22
- 14 -
genstand des Ausführungsbeispiels der Anmeldung und somit ebenfalls offen-
bart.
Die Lehre des Streitpatents sei ausführbar. Der Fachmann, ein Diplom-
ingenieur mit Fachhochschulabschluss der Fachrichtung Maschinenbau/
Verfahrenstechnik mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung, könne die
auf den Varianten 1 b und 1 c basierenden Ausführungsformen verwirklichen.
Wie dazu die innere Trennwand auszugestalten bzw. der Gasstrom zu erzeu-
gen sei, könne er der Streitpatentschrift entnehmen. Entsprechendes gelte auch
für Anspruch 10.
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Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Variante 1 c beruhe je-
doch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. In der deutschen Offenlegungs-
schrift 33 23 418 (K6, "Naunapper") werde in Figur 7 linker Bildteil in Verbin-
dung mit Figur 1 eine Wirbelschichtbehandlungseinrichtung mit einem Gutbe-
hälterabschnitt gezeigt, der nach unten über den für Gas durchlässigen, d.h.
Öffnungen aufweisenden Boden in den die Funktionen der Plenumkammer
übernehmenden Rohrabschnitt münde. Mit dem über diesen Rohrabschnitt
kommenden Gas werde die Wirbelbewegung des Behandlungsguts bzw. der zu
beschichtenden Tabletten im Wesentlichen erzeugt. Damit weise die in der K6
beschriebene Wirbelschichtbehandlungseinrichtung alle Merkmale des Ober-
begriffs des Patentanspruchs 1 Variante 1 c auf. Neben der für die Sprühfunkti-
on erforderlichen Zufuhr von Flüssigkeit und Luft werde die Sprühdüse noch mit
einem Luftmantel beaufschlagt, der durch Luft, die aus einer die Sprühdüse mit
ihrem Endbereich berandenden Leitung austrete, erzeugt werde. Dieser Lei-
tungsendbereich sei ein Mittel, das beim Betrieb aus der ihn durchströmenden
Luft einen die Sprühdüse umgebenden Luftstrom bilde, der das von der Sprüh-
düse gebildete Anfangssprühmuster ummantele und somit gegen das Eindrin-
24
- 15 -
gen von sich im Wirbelbett bildenden Teilchen abschirme. Der einzige Unter-
schied zur Lehre des Streitpatents bestehe darin, dass die Wirbelschichtanlage,
wie sie die K6 zeige, eine in zwei Bereiche aufgeteilte Behandlungszone auf-
weise. Hierin könne jedoch kein schutzbegründender Unterschied gesehen
werden, da der Fachmann auf diese Möglichkeit durch die K6 hingewiesen wer-
de.
Demgegenüber sei der Gegenstand der Varianten 1 a und 1 b neu und
beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Der Fachmann erhalte aus der K6 nicht die
Anregung, auf den Gasstrom zu verzichten und stattdessen Mittel einzusetzen,
die nahe der Sprühdüse angeordnet seien und im Bereich des Anfangssprüh-
musters abschirmend gegen eindringende Teilchen wirkten. Eine solche Anre-
gung habe der Fachmann auch dem weiteren Stand der Technik nicht entneh-
men können. Dies gelte auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 Vari-
ante 1 a, der die Abschirmungsmittel nach Varianten 1 b und 1 c verknüpfe.
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Patentanspruch 10, dessen Gegenstand das Patentgericht ebenfalls ent-
sprechend der Aufgliederung von Patentanspruch 1 in die Varianten 10 a, 10 b
und 10 c eingeteilt hat, habe ebenfalls Bestand, weil aus keiner der zum Stand
der Technik genannten Druckschriften Verfahren zum Granulieren oder Über-
ziehen eines Guts mit jeweils allen Merkmalen dieser Anspruchsvarianten her-
vorgingen und diese im Übrigen auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Bei
der Wirbelschichtbehandlungseinrichtung nach der US-Patent- schrift 4 117 801
(K13) sei die Sprühdüse nicht innerhalb der Trennwand angeordnet, sondern
sie befinde sich zur Gänze außerhalb dieser Trennwand. Die Gestaltung nach
dem Streitpatent ergebe sich auch nicht aus dem weiteren Stand der Technik.
Damit vermöge der Stand der Technik für das
Verfahren nach Patentan-
spruch 10, Variante 10 c keine Anregung zu geben.
Variante 10 b sei nicht na-
26
- 16 -
hegelegt, weil die z.B. aus K6 und K8 ersichtlichen Behandlungseinrichtungen
nur eine äußere Trennwand aufwiesen. In der Anspruchsvariante 10 a seien die
Merkmale der Anspruchsvarianten 10 b und 10 c zusammengeführt, weshalb
auch diese Variante patentfähig sei.
III. Dies hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz nicht in vollem Um-
fang stand.
27
1. Für das Verständnis der Lehre des Streitpatents ausschlaggebend ist
die Auslegung des in drei Alternativen verteidigten Patentanspruchs 1 des
Streitpatents in dessen Merkmal 6. Danach soll das von der Düse ausgebildete
Anfangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im Wirbelbett bewegenden
Teilchen abgeschirmt sein. Im Sprühstrahl der Einrichtung werden die Teilchen
zunächst mit der versprühten Flüssigkeit befeuchtet. Je nach Anzahl der Sprüh-
tropfen, die sich auf einem Teilchen beim einmaligen Durchgang durch den
Sprühstrahl abspalten, ist ein solches Teilchen nur gering befeuchtet oder nass,
d.h. mit einer Flüssigkeitsschicht überzogen. Die Wirbelschichtbehandlungsein-
richtung wird mit erwärmtem Gas betrieben, welches in den als Plenumkammer
bezeichneten Apparateteil eingespeist wird. Dieses Gas tritt durch eine Gasver-
teilerplatte oder ein Sieb in den als Gutbehälterabschnitt bezeichneten Teil der
Wirbelschichtbehandlungseinrichtung ein und hat zwei Funktionen: Zum einen
soll es die im Gutbehälterabschnitt befindlichen und zu behandelnden Teilchen
zu einem so genannten Wirbelbett aufwirbeln. Zum anderen soll es die im
Sprühstrahl befeuchteten Teilchen noch vor ihrem Wiedereintritt in die Wirbel-
schicht so weit abtrocknen, dass diese auf ihrer Oberfläche nicht mehr nass
sind. Dadurch soll vermieden werden, dass es zur Ausbildung einer kapillaren
Flüssigkeitsbrücke zwischen den Teilchen kommt und die Teilchen aneinander
haften. Die übliche Maßnahme, um zu verhindern, dass solche unerwünschten
28
- 17 -
Agglomerate entstehen, ist es, die Sprühdüse bei gegebenen Betriebsbedin-
gungen nicht mit einem höheren als einem gewissen maximalen Flüssigkeits-
durchsatz zu betreiben. Nach der Lehre des Streitpatents soll die Agglomerati-
on dadurch verhindert werden, dass die Teilchen nicht "zu früh" in das Sprüh-
muster eindringen, nämlich bevor das Sprühmuster genügend entwickelt ist
("before the spray pattern is sufficiently developed", Beschr. Sp. 2 Z. 25 - 29).
Die zu überziehenden Teilchen sollen am Eintreten in das Sprühmuster bis zu
einer Zeit gehindert werden, in der die Tröpfchendichte des Sprühmusters we-
sentlich verkleinert wurde ("particles to be coated are prevented from entering
the spray pattern until such time as the droplet density of the spray pattern has
been substantially reduced", Beschr. Sp. 2 Z. 36 - 40). Daraus ergibt sich für
den Fachmann, als den der Senat in Übereinstimmung mit dem Patentgericht
einen Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau/Verfahrenstechnik mit
mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Wirbelschichtbehandlungs-
einrichtungen ansieht, dass der Bereich abgeschirmt werden soll, in dem sich
das Sprühmuster noch entwickelt. Unter Entwickeln sind dabei das Aufweiten
des Sprühmusters und insbesondere die Verkleinerung der Tröpfchendichte zu
verstehen.
2. Die Klägerin hat mit ihrer Berufung zunächst das Urteil des Patentge-
richts nicht angegriffen, soweit das Patentgericht angenommen hat, die Lehre
des Streitpatents sei in allen drei Varianten des Patentanspruchs 1 ausführbar
offenbart. Diesen erst mit Schriftsatz vom 8.6.2009 geführten Angriff hat die
Klägerin gegen die in der mündlichen Verhandlung verteidigte Anspruchsfas-
sung nicht mehr geltend gemacht. Anhaltspunkte, die Ausführbarkeit in Zweifel
zu ziehen, sind auch nicht ersichtlich. Allerdings gibt das Streitpatent die Mittel,
die die Abschirmung bewirken sollen, nicht jeweils im Detail an. Sie beschreibt
jedoch Abschirmmittel, wie eine innere zylindrische Trennwand, die um den
29
- 18 -
nach oben ragenden Sprühdüsenaufbau herum angeordnet ist (Beschr. Sp. 4
Z. 19 - 35). Sie gibt im Übrigen an, dass auch andere im Streitpatent nur bei-
spielhaft offenbarte Abschirmanordnungen verwendet werden könnten (Beschr.
Sp. 4 Z. 55 - 59). Als derartige Anordnungen kämen beispielsweise eine Luft-
wand/ein Luftstrom, der die Düse umgebe, oder Lenkbleche oder Abschirmun-
gen, die in die Sprühdüse selbst integriert seien, in Betracht. Der gerichtliche
Sachverständige hat überzeugend bestätigt, dass für den Fachmann danach
keine Fragen offen bleiben, wie er diese Gegenstände mit der vorgesehenen
Wirkungsweise verwirklichen konnte.
3. Alle drei Varianten des Patentanspruchs 1 sind in der ursprünglichen
Anmeldung WO 93/08923 (K 3) offenbart. Nach Variante 1 c sind Mittel vorhan-
den, die ausgebildet sind um beim Betrieb einen die Sprühdüse umgebenden
Gasstrom zu bilden, so dass der Gasstrom das von der Düse gebildete An-
fangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im Wirbelbett bewegenden
Teilchen abschirmt. Dies ist in der Anmeldung (K3) auf S. 6 Zeile 22 bis S. 7
Zeile 5 und auf S. 5 Zeilen 11 - 17 beschrieben.
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Nach Variante 1 b sind Mittel vorhanden, die nahe der Sprühdüse ange-
ordnet sind und das Anfangssprühmuster gegen das Eindringen von sich im
Wirbelbett bewegenden Teilchen abschirmen. Dies ist in der Anmeldung auf
S. 8 Zeilen 2 - 6 und S. 11 Zeile 2 - 9 beschrieben. Nach Variante 1 a sind Mittel
nach Varianten 1 b und 1 c vorhanden. Der Fachmann ersieht aus der Anmel-
dung S. 5 Zeile 20 bis S. 6 Zeile 11 und S. 8 Zeilen 2 - 8, dass die innere
Trennwand, die die Sprühdüse im unteren Bereich umgibt und den aufwärts
steigenden Gasmantel erzeugt, auch nach oben verschoben werden kann, so
dass die innere Trennwand und der aufsteigende Gasstrom zusammen das
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Anfangssprühmuster gegen eindringende Teilchen aus dem Wirbelbett ab-
schirmen. Dies hat der gerichtliche Sachverständige ebenso gesehen.
Ob sich aus der weiteren "und"-Verknüpfung in Patentanspruch 1 zusätz-
liche Anspruchsalternativen ergeben haben, wie dies die Klägerin bezüglich des
Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung angenommen hat, kann dahin-
stehen. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Anspruchsal-
ternativen in Patentanspruch 1 in durch die ursprüngliche Offenbarung jeden-
falls gedeckter Weise neu formuliert hat, sind etwaige weitere Alternativen nicht
mehr erfasst. Damit sind die auf eine vermeintliche unzulässige Erweiterung
gestützten Angriffe der Klägerin gegen derartige weitere Alternativen nunmehr
gegenstandslos.
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4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist in allen
Varianten neu (Art. 54 EPÜ). In keiner Entgegenhaltung ist die Lehre des
Streitpatents vollständig beschrieben. Die Klägerin hat sich in der mündlichen
Verhandlung insoweit vor allem auf die Entgegenhaltungen K6, K7, K8, K10 und
K29 bezogen.
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a) Die Wirbelschichtbehandlungs-Einrichtung nach der deutschen Offen-
legungsschrift 33 23 418 (K6) besteht aus einem Gutbehälterabschnitt mit ei-
nem als Siebplatte ausgebildeten Boden. Die Luftströmung zum Aufwirbeln des
Behandlungsguts wird über die Strömungszuführung und dem Rohrabschnitt
von unten durch die Siebplatte in den Behälter mit dem Behandlungsgut einge-
blasen. In der Mitte der Siebplatte ist die nach oben gerichtete Sprühdüse an-
geordnet. Diese Sprühdüse ist eine Dreistoffdüse mit drei konzentrischen Zu-
führungen und Ausströmöffnungen. Durch die innere Öffnung wird die Flüssig-
keit zugeführt, durch die nächste konzentrisch angeordnete Zuführung die Luft
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und über die äußere Zuführung der Luftmantel, den das Patentgericht als den
patentgemäßen Gasstrom angesehen hat, der das Eindringen von sich im Wir-
belbett bildenden Teilchen in das Anfangssprühmuster verhindere.
Über den Luftmantel sagt die K6 lediglich aus, dass dieser vorhanden ist
(S. 13 1. Abs.). Über seine Funktion und seine Ausdehnung verglichen zu dem
Sprühmuster sagt die K6 nichts aus. Demzufolge lässt sich der K6 nicht ent-
nehmen, dass das von der Sprühdüse gebildete Anfangssprühmuster mit einem
äußeren Luftstrom ummantelt wird. Der Entgegenhaltung lässt sich insbesonde-
re nicht entnehmen, dass der Luftmantel so ausgestaltet sein soll, dass er das
Eindringen von Teilchen des Behandlungsguts in das Anfangssprühmuster ver-
hindern soll oder dass dies tatsächlich der Fall ist.
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Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass - wie bei
den übrigen Vorrichtungen, bei denen Dreistoffdüsen zum Einsatz kommen, wie
vor allem bei der K7 und der K10 - der aus der äußeren Düse austretende Gas-
strom der besseren Verteilung der Tröpfchen im Raum dient, nachdem der aus
der inneren Düse austretende Strahl durch das aus der mittleren Düse austre-
tende Gas in Töpfchen zerrissen worden ist. Eine Abschirmwirkung bezogen
auf das Anfangssprühmuster stellt sich, wie der Sachverständige dargestellt
hat, dabei nicht ohne weiteres ein. Sie ist abhängig von der Geometrie und vom
Hinzutreten nicht offenbarter weiterer Parameter, die gegebenenfalls in experi-
mentellen Voruntersuchungen aufeinander abgestimmt werden müssen.
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b) Die japanische Offenlegungsschrift Hei 2-90957 (K7; "Kurita") be-
schreibt eine Wirbelschichtbehandlungseinrichtung mit einer Sprühdüse, mit der
gleichzeitig drei Fluidströme in die Wirbelschichtanlage eingetragen werden
können. Die Beschreibung führt dazu aus, dass aus dem auf der Außenseite
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des zweiten Düsenkörpers angeordneten dritte Düsenkörper ein Gas versprüht
werde, wodurch das Verhalten von Teilchen im Bereich um die Sprühöffnung
der Sprühdüse herum aktiviert werden könne, so dass die Bildung von groben
Teilchen und die Sekundäragglomeration von Teilchen verhindert werde. Au-
ßerdem schütze der dritte Fluidsprühkanal den vom ersten und zweiten erzeug-
ten feinen Nebel. Das von der Flüssigkeit und dem Primärgas gebildete Sprüh-
muster könne geschützt werden, weil der dritte Fluidsprühkanal ein Sekundär-
gassprühkanal sei, der auf der Außenseite des zweiten Fluidsprühkanals ange-
ordnet sei. Eine Abschirmung des Anfangssprühmusters gegen das Eindringen
von Teilchen im Sinne des Streitpatents wird damit nicht beschrieben. Der
Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass der Fachmann dem ge-
samten Inhalt dieser Entgegenhaltung nicht entnehmen könne, warum oder wo-
vor das Sprühmuster geschützt werden solle. Mangels weiterer Hinweise wisse
der Fachmann daher nicht, was mit dem Hinweis in der Beschreibung gemeint
sei, und werde ihr insbesondere nicht entnehmen, dass der Schutz des An-
fangssprühmusters vor dem Eindringen von Teilchen des Behandlungsguts ein
zu lösendes Problem darstelle; er werde vielmehr dieser Aussage, die ihm nicht
erläutert werde, keine weitere Bedeutung beimessen. Dem tritt der Senat bei.
c) Auch die japanische Offenlegungsschrift Sho 47-7442 ("Suzukawa",
K10) offenbart eine Wirbelschichtbehandlungsanlage mit einer Dreistoffdüse.
Auch in dieser Entgegenhaltung ist nicht davon die Rede, dass die Düse gegen
den vorzeitigen Eintritt von Teilchen in das Anfangssprühmuster abschirmt. Der
aus dem äußeren Rohr der vorgesehenen Dreifach-Rohrausstoßöffnung austre-
tende Gasstrom soll vielmehr die Flüssigkeitsmündung vor der Verstopfung mit
Pulver und anderem Material schützen (deutsche Übersetzung S. 9 Z. 4 - 13).
Eine Abschirmwirkung im Sinne der Lehre des Streitpatents träfe auch hier nur
bei Hinzutreten weiterer Parameter ein, die in K10 nicht offenbart sind.
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d) Die US-Patentschrift 3 110 626 (K8) offenbart eine Beschichtungsvor-
richtung, deren Beschichtungskammer in ihrem Basisbereich mit einem Rohr
verbunden ist. Dieses Rohr weist in seinem oberen Teil eine Verengung auf, in
der axial ein Gasstromlinienkörper-Führungselement positioniert ist, in dem die
Zerstäubereinheit oder Sprühdüsenanordnung angeordnet ist. Durch diese An-
ordnung soll das Verstopfen der Düseneinheit vermieden werden. Der Steuer-
konus und das Gasstromlinienkörperführungselement, welches die Sprühdüse
enthält, können in ihrem Abstand zueinander verändert werden. Dadurch kann
bewirkt werden, dass sich das Anfangssprühmuster mehr oder weniger weit
entwickelt hat, bis die zu behandelnden Teilchen in der Behandlungszone in
das Anfangssprühmuster eindringen. Dieser Effekt wird allerdings in der K8
nicht erwähnt. Vielmehr soll durch die Abschirmung, wie in Spalte 7 Zeilen 31 ff.
zu Figur 2 beschrieben neben dem Schutz der Düse vor Verklumpungen auch
gewährleistet werden, dass die Partikel maximale vertikale Geschwindigkeit
aufweisen, wenn sie mit dem zerstäubten Beschichtungsmaterial in Kontakt
treten. Die Abschirmung des Anfangssprühmusters im Sinne des Streitpatents
ist hingegen nicht intendiert und wird, wie der Sachverständige überzeugend
dargestellt hat, auch nicht notwendigerweise erreicht, wenn die Abschirmung so
ausgestaltet ist, dass sie den in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Zweck
erfüllt. Dass die Möglichkeit besteht, eine Abschirmung des Anfangssprühmus-
ters zu erreichen, erschließt sich dem Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung
deshalb nicht.
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e) Auch die Veröffentlichung "Überzogene Arzneiformen" von B. et al.
(K29) gibt für die Abschirmung des Anfangssprühmusters im Sinne des Streit-
patents nichts her. Danach bilden die Sprühstrahlen von Zweistoffdüsen nach
Verlassen der Düse Nutz-, Arbeits- und Streuzonen. Diese Begriffe werden je-
doch hinsichtlich der Ausdehnung dieser Zonen nicht definiert. Der Fachmann
kann der Veröffentlichung daher keine konkreten Aussagen über die Abstände
zwischen Düse und Gut entnehmen, durch die ein gleichmäßiges und ausrei-
chendes Befeuchten von möglichst vielen Kernen gewährleistet wird.
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Die übrigen in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen liegen
weiter ab. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auch keine Anhalts-
punkte dargelegt, die dafür sprechen könnten, dass diese den Gegenstand des
Streitpatents vorwegnähmen oder ihm näher kämen als die vorstehend erörter-
ten.
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5. Der Gegenstand des Streitpatents war dem Fachmann auch nicht na-
hegelegt (Art. 56 EPÜ). Aus keiner der Entgegenhaltungen konnte der Fach-
mann, wie vorstehend im einzelnen dargelegt, entnehmen, dass die Überfeuch-
tung der Substratoberfläche und dadurch die Rate der Gutagglomeration ver-
mindert werden kann, wenn der Kontakt des Substrats mit dem sich entwi-
ckelnden Sprühmuster verhindert wird. Soweit ein Gasstrom und/oder Mittel
vorhanden sind, die eine Abschirmwirkung erzielen, dienen diese anderen Zwe-
cken und wird damit nicht notwendigerweise zugleich eine Abschirmung der
Teilchen gegen das sich entwickelnde Sprühmuster im Sinne des Streitpatents
erreicht. Dazu bedarf es, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend
ausgeführt hat, vielmehr zielgerichteter Auslegung und Einstellung der gesam-
ten Anlage, die experimentelle Voruntersuchungen voraussetzt und unter Um-
ständen erst in der Inbetriebnahmephase erfolgen kann. Daraus folgt, dass die
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Kenntnis der durch das Streitpatent geschützten Lehre erforderlich ist, um dies
durch Abschirmmittel zu erreichen. Allein das Vorhandensein von Mitteln, die
als solche zu diesem Zweck prinzipiell geeignet sind und dazu eingesetzt wer-
den könnten, genügt nicht.
IV. Auch die übrigen Patentansprüche, insbesondere auch Patentan-
spruch 10, haben Bestand. Letzterer gibt Verfahren an, mit denen das Granulie-
ren oder Überziehen eines Guts in einer Behandlungseinrichtung nach Patent-
anspruch 1 erfolgt. Ohne Kenntnis der Lehre von Patentanspruch 1 waren sol-
che Verfahren nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ).
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 92,
97 ZPO.
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Keukenschrijver Mühlens
Berger
Bacher
Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.07.2006 - 2 Ni 10/05 (EU) -