Urteil des BGH vom 13.03.2017

BGH (zpo, entwurf, antrag, fortbildung, schuldner, kenntnis, straftat, vorschrift, treuhänder, gesetz)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 127/09
vom
21. Januar 2010
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Pape
am 21. Januar 2010
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover vom 22. April 2009 wird auf Kosten
des weiteren Beteiligten zu 1 als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € fest-
gesetzt.
Gründe:
Auf Eigenantrag vom 30. April 2003 hin wurde am 10. Juni 2003 das
Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet.
Mit Beschlüssen vom 12. Mai 2004 wurde die Restschuldbefreiung angekündigt
und das Verfahren aufgehoben. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Treu-
händer bestellt.
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Unter dem 6. Mai 2008 hat der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubiger)
die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, weil der Schuldner - insoweit
unstreitig - in seinem Eröffnungsantrag wahrheitswidrig erklärt habe, in den dem
Antrag vorangegangenen zwei Jahren keine Vermögensgegenstände an nahe-
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stehende Personen veräußert zu haben. Tatsächlich habe er mit notariellem
Vertrag vom 11. Dezember 2001 den hälftigen Miteigentumsanteil an einem
Grundstück an seine Mutter verkauft. Außerdem sei er - ebenfalls unstreitig -
Inhaber eines Gesellschaftsanteils an einer E. L. GmbH gewesen; diesen
Vermögensbestandteil habe er ebenfalls nicht angegeben.
Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag zurückgewiesen. Die
sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechts-
beschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Versagungsantrag weiter.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssa-
che hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entschei-
dung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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Die Vorinstanzen haben den Versagungsantrag des Gläubigers für un-
begründet gehalten, weil § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO nur eine Obliegenheitsver-
letzung des Schuldners während der Laufzeit der Abtretungserklärung betreffe;
das Fehlverhalten des Schuldners - das Verschweigen der Veräußerung des
Miteigentumsanteils sowie des Gesellschaftsanteils - habe zuvor stattgefunden.
Den Grundsatz, dass die Vorschriften der §§ 295, 296 InsO erst ab Aufhebung
des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung gelten,
zieht die Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Zweifel (vgl. auch BGH, Beschl.
v. 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07, NZI 2009, 191 f Rn. 7 ff). Sie hält jedoch
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die Vorschrift des § 290 Abs. 1 InsO für entsprechend anwendbar und beruft
sich auf den Zulässigkeitsgrund der grundsätzlichen Bedeutung wegen der Fra-
ge, ob ein Gläubiger mit der nachträglichen Geltendmachung von Versagungs-
gründen nach § 290 Abs. 1 InsO selbst dann präkludiert sei, wenn der geltend
gemachte Versagungsgrund zugleich eine Straftat darstelle und nicht ausge-
schlossen werden könne, dass ohne deren Begehung bzw. bei deren Kenntnis
das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre; hilfsweise sei insoweit eine
Fortbildung des Rechts erforderlich.
Der geltend gemachte Zulässigkeitsgrund liegt nicht vor. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen auf die Gründe des § 290
InsO gestützte Versagungsanträge im Schlusstermin gestellt werden. Ein nach
dem Schlusstermin gestellter Antrag, mit dem einer der Versagungsgründe des
§ 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO geltend gemacht wird, ist unzulässig (BGH,
Beschl. v. 18. Mai 2006 - IX ZB 103/05, NZI 2006, 538; v. 23. Oktober 2008
- IX ZB 53/08, NZI 2009, 64 Rn. 9; vgl. auch Beschl. v. 12. Februar 2009 - IX ZB
158/08, NZI 2009, 327 Rn. 6). Das gilt auch dann, wenn die Obliegenheitsver-
letzung des Schuldners zugleich einen Straftatbestand erfüllt. Die gegenteiligen
Entscheidungen des Amtsgerichts Leipzig aus dem Jahre 2007 (ZVI 2007, 138,
140; ZVI 2007, 141, 142 f; ZVI 2007, 143, 145; vgl. auch Büttner, ZVI 2007,
116, 118 unter 3.2) sind vereinzelt geblieben. Eine Klarstellung ist insofern nicht
erforderlich. Der Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Perso-
nen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestig-
keit von Lizenzen vom 5. Dezember 2007 (BT-Drucks. 16/7416), der in Ab-
schnitt I Nr. 28 eine Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Versa-
gungsgründe nach § 290 Abs. 1 InsO vorsah (vgl. BT-Drucks. 16/7416, S. 10 f,
38 f), ist nicht Gesetz geworden. Der Entwurf beruht im Übrigen auf der An-
nahme, dass das geltende Recht eine Berücksichtigung nachträglich bekannt
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gewordener Versagungsgründe nicht zulässt (BT-Drucks. 16/7416, S. 38). Der
Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat bewusst entschieden, dass auf § 290
InsO gestützte Versagungsanträge nur zulässig sind, wenn sie im Schlusster-
min gestellt werden (BT-Drucks. 12/2443, S. 189 zu § 237 RegE). Ist einem
Schuldner rechtskräftig die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt wor-
den, soll ein Fehlverhalten in der Vergangenheit keine Rolle mehr spielen (BT-
Drucks. 12/2443, S. 191 zu § 240 RegE). An diese Entscheidung des Gesetz-
gebers haben sich die Gerichte zu halten.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO
abgesehen.
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Ganter Raebel Vill
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 03.03.2009 - 906 IK 241/03-5 -
LG Hannover, Entscheidung vom 22.04.2009 - 6 T 22/09 -