Urteil des BGH vom 14.08.2008

BGH (vollstreckung der strafe, antrag, auslegung, strafkammer, staatsanwaltschaft, stgb, stpo, kredit, begehren, höhe)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 181/08
vom
14. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
10. Juli 2008 in der Sitzung am 14. August 2008, an denen teilgenommen ha-
ben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
von Lienen,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung vom 10. Juli 2008 -,
Staatsanwalt
- bei der Verkündung am 14. August 2008 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
- in der Verhandlung vom 10. Juli 2008 -,
Justizamtsinspektor
- bei der Verkündung am 14. August 2008 -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft ge-
gen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 1. November
2007 werden verworfen.
Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die Staats-
kasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die
der Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in zwölf Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der
Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staats-
anwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt
vertreten wird. Sie beanstandet in sachlich-rechtlicher Hinsicht die Ablehnung
gewerbsmäßigen Handelns der Angeklagten und wendet sich gegen die Aus-
setzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Die Angeklagte macht mit ihrer Re-
vision die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend.
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Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
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I. Nach den Feststellungen befindet sich die Angeklagte seit dem Jahr
1991 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Im Jahr 1999 gab sie die ei-
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desstattliche Versicherung ab. Der Erwerb eines Anwesens, auf dem sie ein
Gestüt betrieb, scheiterte, weil sie den Kaufpreis in Höhe von 1,7 Millionen DM
nicht finanzieren konnte. Das Grundstück musste sie im März 2000 räumen.
Daraufhin pachtete die Angeklagte im September 2000 von der Zeugin
M. das "Rittergut O. ", das sich in einem baulich desolaten Zustand be-
fand. Es war von vorneherein geplant, dass die Angeklagte das Gut zu einem
Preis erwerben sollte, der die Grundstücksbelastungen in Höhe von 6,8 Millio-
nen € abdeckte. Da die Angeklagte über keine nennenswerten Barmittel, Ein-
künfte oder sonstiges Vermögen verfügte, wurde ihr der Pachtzins gestundet,
der später mit dem Kaufpreis verrechnet werden sollte. Im August 2002 schloss
die Angeklagte mit der Eigentümerin einen notariellen Kaufvertrag über den Er-
werb des Ritterguts für 6,8 Millionen €.
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Bereits im Jahr 2001 hatte ein Kreditvermittler der Angeklagten angebo-
ten, mittels eines "selbsttilgenden Kredits" den Erwerb des Anwesens zu finan-
zieren. Das Konzept sah vor, auf "den internationalen Geldmärkten" einen Kre-
dit in Höhe des doppelten Kaufpreises zu niedrigen Zinsen aufzunehmen. Mit
einem Teil des Kreditbetrags sollte der Kaufpreis für das Rittergut finanziert, der
andere Teil sollte hoch verzinst so angelegt werden, dass mit der erzielten
Rendite der gesamte Kredit bedient werden konnte. Im August 2001 erteilte die
U. -Bank der Angeklagten eine Zusage für eine Zwischenfinanzierung über 25
Millionen US-Dollar, verlangte jedoch für die Auszahlung des Kredits die Vorla-
ge einer Bankgarantie. Diese konnte die Angeklagte trotz intensiver Bemühun-
gen nicht erlangen. Die von ihr bei Dritten geborgten 500.000 US-Dollar oder
Euro (das Urteil ist insoweit nicht eindeutig), die sie an zwei eingeschaltete
Rechtsanwälte zur Beschaffung der Bankgarantie weiterleitete, wurden von die-
sen veruntreut. Der Kreditvermittler hielt die Angeklagte, auch unter Vorlage
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gefälschter Bestätigungsschreiben über die bevorstehende Gewährung des
Kredits, über längere Zeit hin. Zu einer Auszahlung des Kredits kam es nicht.
Vor diesem Hintergrund schloss die Angeklagte in der Zeit zwischen De-
zember 2000 und März 2004 im wesentlichen zum Zwecke des Umbaus und
der Renovierung des Gutes 11 Werk- bzw. Dienstverträge und in einem Fall
einen Kaufvertrag mit verschiedenen Vertragspartnern ab, wobei sie jeweils den
Anschein erweckte, die zu erbringenden Leistungen bezahlen zu können. Dabei
nahm sie zumindest billigend in Kauf, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht
nachkommen zu können. Bei Nachfragen zu ihrer Zahlungsfähigkeit, gab sie
ihren Vertragspartnern gegenüber u. a. etwa wahrheitswidrig an, Geldbeträge in
Millionenhöhe aus einer Erbschaft oder aus frei werdenden Festgeldern zu er-
warten. Die für die Leistungen in Rechnung gestellten Beträge zwischen 350
und 19.000 € bezahlte sie nicht oder nicht vollständig, so dass ihren Vertrags-
partnern ein Schaden in Höhe von insgesamt etwa 100.000 € entstand.
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II. Revision der Angeklagten.
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1. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte beanstandet, das Landge-
richt habe durch die Zurückweisung eines Beweisbegehrens gegen § 244 Abs.
3 Satz 2, Abs. 6 StPO verstoßen, dringt im Ergebnis nicht durch.
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a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, den "Sachbe-
arbeiter" des Finanzamts zum Beweis dafür zu vernehmen, dass die Angeklag-
te "im angeklagten Zeitraum insgesamt 939.475 € aus eigenen Mitteln für den
Unterhalt und den Betrieb des Ritterguts ausgegeben", namentlich Krankenkas-
senbeiträge und Lohnsteuern beglichen und Handwerkerrechnungen in bar be-
zahlt habe. Die entsprechenden Summen seien durch Steuer- und Umsatz-
steuerprüfungen rechtskräftig festgestellt worden. Von einer vollständigen Zah-
lungsunfähigkeit der Angeklagten könne deshalb nicht ausgegangen werden.
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Die beantragte Beweiserhebung hat das Landgericht mit der Begründung
abgelehnt, es fehle an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweistatsache
und Beweismittel. Der Sachbearbeiter des Finanzamts prüfe lediglich die steu-
errechtliche Relevanz der ihm vorgelegten Unterlagen und befasse sich nicht
mit den Hintergründen von Geldflüssen. Auch der "von ihm" gefertigte Steuer-
bescheid sage nichts über die Bewegungen auf den Konten der Angeklagten
aus.
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b) Hiergegen wendet sich die Revision letztlich ohne Erfolg.
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Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO liegt - unabhängig davon, ob es
sich bei dem Beweisbegehren um einen Beweisantrag handelte oder nicht -
schon deswegen nicht vor, weil das Landgericht über das Begehren im Be-
schlusswege entschieden hat.
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Jedenfalls auf der Grundlage der Auslegung des Antrags, wie sie das
Landgericht vorgenommen hat (Vernehmung des "Steuerfestsetzungsbeam-
ten"), ist es nicht zu beanstanden, dass es dem Begehren den Charakter eines
Beweisantrags abgesprochen hat. Dabei kann dahinstehen, ob mit dem Begriff
der "Konnexität" ein eigenständiges konstitutives Element eines Beweisantrags
benannt oder lediglich die notwendige Konkretisierung der Beweistatsache um-
schrieben wird. In der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die den
Begriff der Konnexität gebraucht, wird dieser allein in dem letztgenannten Sinne
verwendet (BGHSt 40, 3, 6). Danach genügt es namentlich beim Antrag auf
Zeugenbeweis nicht, nur das Beweisziel zu benennen; vielmehr sind in der Be-
weisbehauptung exakt die Tatsachen zu bezeichnen, die Gegenstand der eige-
nen Wahrnehmung des Zeugen gewesen sein sollen, da ansonsten die Ableh-
nungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auf das Beweisbegehren nicht
sinnvoll und exakt angewendet werden können (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.).
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Erst in späteren Judikaten ist ihm allmählich ein darüber hinausgehendes Ver-
ständnis beigelegt und daraus das Erfordernis abgeleitet worden, der Antrag
müsse im Einzelfall noch zusätzliche Umstände darlegen, aus denen sich erge-
be, "warum" der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beobachtung gemacht ha-
ben könne; andernfalls ermangele dem Begehren die Qualität eines Beweisan-
trags (BGHSt 43, 321, 329 ff.; BGH NStZ 1998, 97; 1999, 522; 2000, 437, 438;
2001, 604, 605; NStZ-RR 2001, 43, 44; sehr weitgehend zuletzt BGH, Urt. vom
10. Juni 2008 - 5 StR 38/08; vgl. Fezer in FS für Meyer-Goßner S. 636: "Konne-
xität im weiteren Sinn"; offengelassen von BGH NStZ 2006, 585, 586).
Auf diese Fragen kommt es hier indessen nicht an; denn das Landgericht
hat dem Begriff der Konnexität kein weitergehendes Verständnis als das in
BGHSt 40, 3, 6 umschriebene beigelegt. Aus seinem Ablehnungsbeschluss
wird deutlich, dass ihm im Kern nicht ersichtlich war, was zu den im Antrag be-
haupteten Tatsachen letztlich der eigenen Wahrnehmung des Veranlagungsbe-
amten unterlegen haben soll, und es sich daher an einer sinnvollen Prüfung des
Antrags am Maßstab des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gehindert sah.
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Dies hat die Revision - zumindest in der schriftlichen Rechtsmittelbe-
gründung - auch nicht näher beanstandet. Sie hat vielmehr gerügt, der Antrag
sei tatsächlich nicht auf die Vernehmung des zuständigen Veranlagungsbeam-
ten, sondern auf diejenige des für die Außenprüfung zuständigen Finanzbeam-
ten gerichtet gewesen. Dieser verfüge kraft Gesetzes - was das Landgericht
verkannt habe - über weitergehende Prüfungsbefugnisse und Erkenntnismög-
lichkeiten als der Veranlagungsbeamte, sei insbesondere nicht auf die Prüfung
der ihm vorgelegten Unterlagen beschränkt und deshalb in der Lage, zu den
unter Beweis gestellten Tatsachen Angaben zu machen. Hiermit kann die An-
geklagte in der Revision indessen nicht mehr gehört werden.
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Es mag zwar zutreffen, dass dem im Rahmen einer Außenprüfung täti-
gen Finanzbeamten grundsätzlich weitergehende Erkenntnismöglichkeiten zur
Ermittlung der steuerlich relevanten Umstände zur Verfügung stehen als dem
für die steuerliche Veranlagung zuständigen Beamten (vgl. Dreßler in
Pump/Leibner, AO § 194 Rdn. 2 a, § 199 Rdn. 23). Ob vor diesem Hintergrund
allein durch die eindeutige Benennung des zuständigen Außenprüfers als Zeu-
gen bei sinngerechter Auslegung des weiteren Inhalts des Antrags die Beweis-
tatsache im notwendigen Umfang (genauer Inhalt der Wahrnehmung des Au-
ßenprüfers) konkretisiert und dem Begehren daher der Charakter eines Be-
weisantrags verliehen worden wäre, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn
der Antrag ist insoweit jedenfalls nicht derart klar, dass die Auslegung des
Landgerichts, es solle der Veranlagungsbeamte vernommen werden, als von
vornherein unverständlich und damit offensichtlich rechtsfehlerhaft zu qualifizie-
ren wäre. Die eigentliche Beweisbehauptung, die Angeklagte habe "aus eige-
nen Mitteln" insgesamt 939.475,00 € ausgegeben, benennt ersichtlich nur ein
Beweisziel; denn diese Umstände waren offenkundig nicht Gegenstand unmit-
telbarer Wahrnehmung eines Finanzbeamten. Auch war der zu vernehmende
Zeuge nicht über Namen oder Funktionsbezeichnung individualisiert ("Zeugnis
des Sachbearbeiters des Finanzamts Os. "). Die notwendige Kon-
kretisierung von Beweisbehauptung und Beweismittel war daher nur durch eine
Auslegung des Begehrens unter Heranziehung der Antragsbegründung zu ge-
winnen. Aber auch aus dieser ergibt sich zumindest nicht eindeutig, dass der
zuständige Außenprüfer vernommen werden sollte. Eine entsprechende Zu-
ständigkeitsbezeichnung befindet sich im Antrag an keiner Stelle. Zwar ist dort
von "Steuerprüfungen inklusive Umsatzsteuersonderprüfungen" die Rede, was
auf die Benennung des Außenprüfers hindeuten könnte. Andererseits wird aber
auch auf die rechtskräftige Feststellung entsprechender Summen bzw. Zahlun-
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gen hingewiesen; derartige, der Bestandskraft fähige Feststellungen trifft aber
gerade nicht der Außenprüfer, sondern der den Prüfungsbericht auswertende
Veranlagungsbeamte (vgl. Dreßler aaO § 202 Rdn. 2, 14). Vor diesem Hinter-
grund ist es daher jedenfalls nicht unverständlich, dass das Landgericht den
Antrag dahin verstanden hat, es solle der Veranlagungsbeamte vernommen
werden, wobei nicht hinreichend präzisiert sei, was dessen eigene unmittelbare
Wahrnehmung zu den behaupteten Zahlungen der Angeklagten und der Her-
kunft der dafür eingesetzten Gelder sein soll.
Bei dieser Sachlage hätte es dem Antragsteller, dem durch den Inhalt
des Ablehnungsbeschlusses die Auslegung des Antrags durch das Landgericht
offenbar geworden ist, oblegen, noch in der Hauptverhandlung das - vermeintli-
che - Missverständnis aufzuklären und durch einen entsprechenden Hinweis
oder einen neuen Beweisantrag den von ihm benannten Zeugen sowie dessen
genaue Wahrnehmung zu den aus seiner Sicht beweisrelevanten Umständen
zu konkretisieren; denn jedenfalls dann, wenn die unzutreffende Auslegung ei-
nes Beweisantrags auch auf dessen missverständlicher Formulierung durch
den Antragsteller beruht (vgl. BGH StV 2008, 227, 228), ist dieser gehalten, das
Missverständnis des Gerichts noch in der Hauptverhandlung auszuräumen (vgl.
BGH NStZ 2003, 381, 382; wistra 2007, 259, 260; BGHR StPO § 244 Abs. 3
Rügerecht 2; § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3, 30, 42). Unterlässt er dies, so ist es
ihm verwehrt, die unzutreffende Auslegung des Beweisantrags und dessen
darauf beruhende rechtsfehlerhafte Ablehnung mit der Revision zu beanstan-
den. So liegt es hier.
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c) Der Senat kann darüber hinaus auch ausschließen, dass das Urteil auf
der unterbliebenen Beweiserhebung beruht.
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Die Angeklagte hat eingeräumt, nicht über ausreichende Geldmittel ver-
fügt zu haben, um einen für den Kauf und die Renovierung des Rittergutes er-
forderlichen Kredit bedienen zu können. Deshalb sei ihr das Konzept des
"selbsttilgenden Kredits" als die einzige Möglichkeit erschienen, das Vorhaben
zu finanzieren. Selbst wenn die Beweiserhebung das im Antrag benannte Be-
weisziel bestätigt hätte, kann in Anbetracht dieser Einlassung der Angeklagten
ausgeschlossen werden, dass das Landgericht vor dem Hintergrund des Er-
gebnisses der weiteren Beweisaufnahme (insbesondere Täuschung ihrer Ver-
tragspartner und Gläubiger über die ihr zu Gebote stehenden Finanzquellen) zu
der Überzeugung gelangt wäre, die Angeklagte habe ernsthaft darauf vertraut,
auch ohne Auskehrung des "selbsttilgenden Kredits" alle von ihr in Bezug auf
das Rittergut eingegangenen Verbindlichkeiten in vollem Umfang begleichen zu
können.
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2. Auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht weist das Urteil keinen Rechts-
fehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
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III. Revision der Staatsanwaltschaft.
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Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg ebenfalls versagt.
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1. Die Begründung, mit welcher die Strafkammer das Vorliegen beson-
ders schwerer Fälle des Betrugs nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB abge-
lehnt hat, hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat die
Anwendung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit "nicht für angezeigt"
gehalten, da nicht mit der erforderlichen Sicherheit habe festgestellt werden
können, dass die Angeklagte beabsichtigt habe, ihren Lebensunterhalt alleine
oder überwiegend aus der Begehung von Straftaten zu bestreiten, sondern die
Taten nur begangen habe, um für sich, ihre Mutter und die Pferde eine "be-
wohnbare Unterkunft" zu erlangen.
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Der Revision ist zuzugeben, dass diese Begründung Anlass gibt zu be-
sorgen, das Landgericht könnte die an das Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit zu
stellenden Anforderungen überspannt und verkannt haben, dass das Ge-
winnstreben des gewerbsmäßig handelnden Täters nicht darauf gerichtet sein
muss, seinen Lebensunterhalt "allein" oder "überwiegend" durch die Begehung
von Straftaten zu bestreiten (vgl. BGH NStZ 2004, 265, 266).
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Indes lassen die Ausführungen des Urteils noch hinreichend deutlich er-
kennen, dass die Strafkammer die Verwirklichung des Regelbeispiels nicht etwa
- wie die Revision meint - aufgrund der Anwendung eines rechtlich unzutreffen-
den Maßstabs von vorneherein abgelehnt hat, sondern im Grundsatz von ge-
werbsmäßigem Handeln der Angeklagten ausgegangen ist, jedoch im Rahmen
des ihr zustehenden Ermessens von der Annahme einer Regelwirkung im Sinne
des § 263 Abs. 3 StGB abgesehen hat. Der einschränkenden, auf die Aus-
übung von Ermessen hinweisenden Formulierung, die Strafkammer halte die
Anwendung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB "nicht für angezeigt", hätte es
nicht bedurft, wenn das Landgericht bereits die Voraussetzungen der Ge-
werbsmäßigkeit für nicht gegeben erachtet hätte.
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Die Ermessensentscheidung des Landgerichts ist tragfähig begründet.
Die Indizwirkung eines Regelbeispiels kann durch besondere strafmildernde
Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so
schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere
Fälle unangemessen erscheint (BGH NStZ 2004, 265, 266 m. w. N.). Als einen
solchen besonders strafmildernden Umstand hat das Landgericht gewertet,
dass die Angeklagte die Dienst- und Werkleistungen nur deshalb in Auftrag
gab, um für sich, ihre Mutter und ihre Tiere eine "bewohnbare Unterkunft" zu
schaffen, mit anderen Worten also nur deshalb betrügerisch handelte, um drin-
gende und lebensnotwendige Bedürfnisse zu befriedigen.
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Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Erwägung widerspricht ins-
besondere nicht den getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der er-
brachten Leistungen. Soweit die Beschwerdeführerin die Begründung des
Landgerichts in tatsächlicher Hinsicht als unzutreffend erachtet, beruft sie sich
auf urteilsfremdes und deshalb im Revisionsverfahren unbeachtliches Vorbrin-
gen. Dass die Strafkammer im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Gesamt-
würdigung frühere Verurteilungen der Angeklagten zu Geldstrafen außer Acht
gelassen hat, kann der Senat ausschließen.
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2. Auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung weist
keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
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Nach dem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hat
die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB Bestand.
Soweit die Strafkammer dabei maßgeblich darauf abgestellt hat, der Schuldge-
halt der Taten wiege durch die zumindest vage bestehende Hoffnung der Ange-
klagten auf Auszahlung des "selbsttilgenden Kredits" weniger schwer, ist dies
vor dem Hintergrund der festgestellten Bemühungen der Angeklagten um den
Kredit und der Tatsache, dass sie in diesem Zusammenhang letztlich selbst
Opfer eines Betrugs geworden ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung die vom Generalbundesanwalt
aufgeführten Umstände außer Acht gelassen hat, kann der Senat ausschließen.
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Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB hat das Landgericht eben-
falls mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verneint.
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Becker Miebach Pfister
von Lienen Sost-Scheible