Urteil des BGH vom 06.07.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 257/05
Verkündet
am:
6. Juli 2006
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RahmenVtr. 1974 § 11 Abs. 2, 3
Die Pflicht des Straßenbaulastträgers, nach § 11 Abs. 2, 3 RaV die Kosten für
die Änderung oder Sicherung einer längsverlegten Versorgungsleitung zur
Hälfte zu tragen, erfasst nur Leitungen, die typischerweise in einer Straße ver-
laufen müssen, um Anliegergrundstücke zu versorgen.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 - III ZR 257/05 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dörr, Galke und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 12. Oktober 2005 wird zu-
rückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Sie nimmt den beklag-
ten Landkreis auf Ersatz der hälftigen Kosten für die Verlegung ihrer seit 1928
in einer Kreisstraße unterirdisch geführten Gashochdruckleitung in Anspruch.
Der für die Versorgungslinie genutzte Teil dieser Straße führt unter anderem
durch die Ortschaft G. , die zunächst nicht an die Leitung angeschlos-
sen war. Diese diente vielmehr als Fernverbindung zwischen A. und
B. . 1995 oder 1996 wurde G. mit dem Gasnetz der Klägerin
verbunden. Seither wird der Ort aus der Hochdruckleitung mitversorgt. Das ihr
entnommene Gas wird in eine Umformstation geleitet und von dort in eine Mit-
teldruckleitung geführt, die streckenweise parallel zur Hochdruckleitung in der
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Kreisstraße verläuft und über Stichleitungen auch deren Anliegergrundstücke
versorgt.
Im Februar 1996 schlossen der Beklagte und die Rechtsvorgängerin der
Klägerin einen Rahmenvertrag zur Regelung der Mitbenutzungsverhältnisse
zwischen den Kreisstraßen und den Gasleitungen, dessen § 11 auszugsweise
lautet:
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(1) Das Unternehmen führt Änderungen oder Sicherungen der Anlage,
die die Straßenbauverwaltung wegen einer Verlegung, Verbreiterung
oder sonstigen Änderung der Straße oder wegen einer Unterhal-
tungsmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich
hält, nach schriftlicher Aufforderung durch die Straßenbauverwaltung
unverzüglich durch, damit Straßenbaumaßnahmen nicht behindert
werden (Folgepflicht). …
(2) Die Kosten dieser Änderung oder Sicherung der Anlage (Folgeko-
sten) tragen bei einer kreuzenden Leitung die Straßenbauverwaltung
und das Unternehmen je zur Hälfte. …
(3) Die Kostenregelung des Absatzes 2 Satz 1 gilt auch für längsverleg-
te Leitungen in Ortsdurchfahrten einschließlich der nicht in der Bau-
last der Straßenbauverwaltung stehenden Straßenflächen der Orts-
durchfahrt, wie z.B. Gehwege, Parkstreifen usw., soweit diese Lei-
tungen wegen der Versorgung der Anliegergrundstücke die Orts-
durchfahrten benutzen und nicht nur Durchleitungszwecken dienen.
(4) Die Kosten der Änderung oder Sicherung der sonstigen innerhalb der
Straßengrundstücke längsverlegten Leitungen trägt das Unterneh-
men. …
Aufgrund von Bauarbeiten an der Kreisstraße im Jahr 2004 veränderte
die Klägerin die Lage der Hochdruckleitung.
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Ihre auf Ersatz der Hälfte der hierfür angefallenen - bestrittenen - Kosten
gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei einer nicht allein an den techni-
schen Gegebenheiten, sondern auch an der interessengerechten wirtschaftli-
chen Betrachtung orientierten Auslegung des Rahmenvertrags komme es für
die Kostenbeteiligungspflicht des Beklagten darauf an, ob der Erhalt der Leitung
im einseitigen Interesse der Klägerin oder im beiderseitigen Interesse der Par-
teien liege. Ein die Kostenteilung rechtfertigendes Interesse des Trägers der
Straßenbaulast am Erhalt von umzuverlegenden Leitungen bestehe nur bei sol-
chen Versorgungslinien, von denen aus die Anliegergrundstücke unmittelbar
versorgt würden. Ein anderes Verständnis hätte zur Folge, dass eine Kostenbe-
teiligung des Straßenbaulastträgers bei jeder in einer Ortsdurchfahrt verlegten
Gasleitung erfolgen müsse, da jede Fernleitung mittelbar auch der örtlichen
Versorgung diene.
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II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1.
Die Frage, wer von den Teilnehmern einer Berührung zwischen einem
Verkehrsweg und einer Versorgungsleitung die Folgekosten für Baumaßnah-
men im Bereich der gemeinsamen Nutzung des Wegegrundstücks trägt, beur-
teilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nach
dem Vertrag, der die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verkehrswegeträger
und dem Versorgungsunternehmen regelt (z.B.: BGHZ 123, 256, 257; 114, 30;
Senatsurteil vom 17. Juni 2004 - III ZR 230/03 - BGHR StromkreuzungsRL
1956 § 9 Abs. 2 Mitveranlassung 1; Beschluss vom 29. Januar 2004 - III ZR
194/03 - WM 2004, 2318, 2319) und dessen Inhalt erforderlichenfalls durch
Auslegung zu ermitteln ist. Maßgebend für die Entscheidung, ob sich der Be-
klagte an den für die Verlegung der Gashochdruckleitung der Klägerin entstan-
denen Kosten beteiligen muss, ist deshalb der die Folge- und Folgekostenlast
regelnde § 11 des im Februar 1996 zwischen den Parteien geschlossenen
Rahmenvertrags (RaV).
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2.
Der Senat kann diesen Vertrag selbständig und ohne Bindung an die In-
terpretation des Berufungsgerichts auslegen.
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a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass das Revisionsgericht in
der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen, deren Anwendungsbereich
über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgeht, frei ist (BGHZ 144, 245,
248; BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - NJW 2005, 2919, 2921 jew.
m.w.N.). Gleiches gilt für typische, über den Bezirk eines Oberlandesgerichts
hinaus häufig verwendete Vertragsabreden sowie für ein im Rahmen einer ge-
werblichen Arbeitsgemeinschaft erarbeitetes Vertragswerk mit allgemeinen Ab-
reden zur Regelung einer Vielzahl von Einzelfällen und einem das gesamte
Bundesgebiet erfassenden Anwendungsbereich, auch wenn dieses nur auf-
grund der Unterzeichnung durch die Beteiligten zwischen ihnen Geltung erlangt
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(BGHZ aaO und Urteil vom 12. Juni 1989 - II ZR 230/88 - WM 1989, 1656,
1657). Entscheidend für die unbeschränkte Revisibilität der Auslegung derarti-
ger Regelwerke und Verträge ist die über den Bezirk eines Oberlandesgerichts
hinausgehende Bedeutung einer für zahlreiche einzelne Vertragsbeziehungen
relevanten Regelung und das damit verbundene Bedürfnis nach einheitlicher
Handhabung (BGHZ und BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 jew. aaO).
b) Der zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvertrag ist ein sol-
ches zur Regelung einer Vielzahl von Einzelfällen erarbeitetes Regelwerk, das
im gesamten Bundesgebiet Anwendung findet. Die Parteien haben mit ihrem
Vertrag den Text des Musters eines Rahmenvertrags zur Regelung der Mitbe-
nutzungsverhältnisse zwischen Bundesfernstraßen und Leitungen der öffentli-
chen Versorgung, das nach einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem
Bundesminister für Verkehr und den Verbänden der Versorgungswirtschaft
durch Rundschreiben des Bundesministeriums vom 9. Dezember 1974 (VkBl.
1975, 69 ff; ergänzt gemäß Rundschreiben vom 9. Juli 1976, VkBl. 1976, 486;
§ 4 Abs. 3 Satz 1 RaV nebst Erläuterungen hierzu geändert gemäß Allgemei-
nem Rundschreiben vom 22. Oktober 1986, VkBl. 1986, 641 f; siehe ferner
Nummer 2.3 der Hinweise zur Behandlung von Ver- und Entsorgungsleitungen
sowie Telekommunikationslinien bei Straßenbaumaßnahmen des Bundes,
VkBl. 2002, 111 ff) den für diese Straßen zuständigen Baulastträgern und den
Versorgungsunternehmen zur Anwendung im gesamten Bundesgebiet empfoh-
len wurde, bis auf vereinzelte unbedeutende Abweichungen übernommen.
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3.
Gemäß § 11 Abs. 3 RaV gilt die in Absatz 2 Satz 1 bestimmte hälftige
Kostenteilung zwischen Straßenbaulastträger und Versorgungsunternehmen
auch für längsverlegte Leitungen in Ortsdurchfahrten, soweit diese Leitungen
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wegen der Versorgung der Anliegergrundstücke die Ortsdurchfahrten benutzen
und nicht nur Durchleitungszwecken dienen.
§ 11 RaV enthält keine ausdrückliche Folgekostenregelung für die hier
bestehende Fallgestaltung, dass eine in einer Ortsdurchfahrt gelegene Hoch-
druckleitung zunächst ausschließlich der überörtlichen Durchleitung des Gases
dient, jedoch später über eine Umformstation und eine ebenfalls in der Gestat-
tungsstraße verlegte Mitteldruckleitung auch die Anliegergrundstücke versorgt.
Aus der Auslegung, die vom Wortlaut der Vertragsbestimmung auszugehen hat
(vgl. z.B.: BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urteil vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00 -
NJW 2001, 2535 m.w.N.), folgt jedoch unter Berücksichtigung der beidersei-
tigen Interessenlage der Parteien (vgl. BGHZ 137, 69, 72; 109, 19, 22; BGH,
Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 - NJW 2000, 2099 jew. m.w.N.) und des
Regelungszwecks, dass der Träger der Straßenbaulast in diesen Fällen nicht
gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 RaV verpflichtet ist, sich an den Kosten
für die Verlegung der Hochdruckleitung zu beteiligen, da diese die Ortsdurch-
fahrt nicht wegen der Versorgung der Anliegergrundstücke nutzt. Vielmehr hat
das Versorgungsunternehmen den Aufwand nach § 11 Abs. 4 Satz 1 RaV
selbst zu tragen. Hierbei ist es unmaßgeblich, ob, wie die Klägerin unter Be-
zugnahme auf die in Anlage 3 des Musters des Rahmenvertrages enthaltenen
Erläuterungen geltend macht, die hier in Rede stehende Hochdruckleitung das
Versorgungsgut zu einer Verteilerstation führt.
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a) Nach dem Text des § 11 Abs. 3 RaV genügt es nicht, dass die Leitung
objektiv (auch) der Versorgung der Anliegergrundstücke der Ortsdurchfahrt
dient. Wäre dies der Fall, hätte die Vertragsregelung darauf beschränkt werden
können zu bestimmen, dass § 11 Abs. 2 Satz 1 RaV anzuwenden ist, wenn die
in der Ortsdurchfahrt verlegte Leitung auch die Anliegergrundstücke versorgt
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und nicht allein der Durchleitung dient. § 11 Abs. 3 RaV enthält jedoch die hier-
von abweichende, weitergehende Voraussetzung, dass die Leitung "wegen der
Versorgung der Anliegergrundstücke die Ortsdurchfahrt benutzt". Das Wort
"wegen" weist auf das Erfordernis einer Verknüpfung zwischen der Funktion der
Leitung, die Anlieger zu versorgen, und der Trassenführung in der Straße hin.
Die Leitung muss den betreffenden Streckenabschnitt der Straße gerade im
Hinblick auf ihren Zweck, die Anliegergrundstücke zu versorgen, nutzen.
b) Dieser aus dem Vertragswortlaut abgeleitete Ansatz wird durch die
Berücksichtigung des mit dem Rahmenvertrag beabsichtigten Interessenaus-
gleichs zwischen Straßenbaulastträgern und Versorgungsunternehmen bestä-
tigt und konkretisiert.
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aa) Nach § 23 Abs. 4 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt
(StrG LSA) vom 6. Juli 1993 (GVBl. S. 334, zuletzt geändert durch Gesetz vom
22. Dezember 2004, GVBl. S. 856) in Verbindung mit § 18 Abs. 4 Satz 3 und 4
StrG LSA trägt, soweit eine vertragliche Regelung nicht besteht, das Versor-
gungsunternehmen die Kosten für die auf Verlangen des Straßenbaulastträgers
vorzunehmende Änderung seiner Anlagen (so auch für Bundesfernstraßen § 8
Abs. 2a, 8 und 10 FStrG). Dies ist Ausfluss dessen, dass Straßen in erster Linie
dem öffentlichen Verkehr dienen und die Interessen der Versorgungsunterneh-
men grundsätzlich dahinter zurücktreten (vgl. Senatsurteile BGHZ 144, 29, 45;
138, 266, 274 f).
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bb) Der Rahmenvertrag weicht in seinem § 11 von diesem Grundsatz ab.
Dies beruht auf der Erwägung, dass auch die Versorgungsunternehmen eine
wichtige Aufgabe des Gemeinwohls wahrnehmen und deshalb die Rechte und
Pflichten der Beteiligten paritätisch ausgestaltet werden sollen, soweit dies von
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der Sache her vertretbar erscheint (Art. 1 der Vereinbarung zwischen dem Bun-
desminister für Verkehr und den Verbänden der Versorgungswirtschaft, VkBl.
1975, 69, 70; siehe ferner Kodal/Krämer/Bauer, Straßenrecht, 6. Aufl. Kap. 27,
Rn. 53). Für die zur Konkretisierung dieses Grundsatzes in Absatz 2 und 3 be-
stimmte Kostenbeteiligung des Trägers der Straßenbaulast war ausschlagge-
bend, dass Kreuzungen und Längsverlegungen innerhalb der Ortsdurchfahrten
zur Versorgung der Anlieger in der Regel unausweichlich sind und deshalb eine
möglichst pauschale Regelung gefunden werden sollte (Kodal/Krämer/Bauer
aaO). In diesen Fällen vervollständigen die Versorgungslinien im Interesse des
allgemeinen Wohls die vom Baulastträger zu gewährleistende Erschließungs-
funktion der Straße (siehe hierzu Kodal/Krämer/Grote, aaO, Kap. 25, Rn. 3 ff).
Um diesen - letztlich auch im Interesse des Straßenbaulastträgers liegenden -
Gemeinwohlbelang befriedigen zu können, sind die Versorgungsunternehmen
auf die Inanspruchnahme des Straßenraums angewiesen, so dass die hälftige
Kostenteilung bei der erforderlichen pauschalierten Betrachtung angemessen
ist.
Diese die in § 11 Abs. 3 RaV bestimmte Privilegierung rechtfertigenden
Umstände fehlen hingegen bei Leitungen, die zur Erfüllung ihres Versorgungs-
zwecks nicht zwangsläufig in der Ortsdurchfahrt liegen müssen. Nutzen sie
gleichwohl die Straße, kommen dem Versorgungsunternehmen vielmehr bereits
einseitig die sich hieraus ergebenden Vorteile zugute. Anders als bei Leitungs-
verlegungen im freien Feld müssen nicht verschiedene Grundstückseigentümer
mit ungewissem Ausgang um Zustimmung gebeten werden (vgl. demgegen-
über die weitgehende Zustimmungspflicht der Straßenbaulastträger gemäß § 2
Abs. 1 Satz 2 RaV). Überdies wird ein ansonsten in aller Regel zu zahlendes
Benutzungsentgelt nicht geschuldet (§ 15 RaV). Hieraus folgt, dass die Kosten-
beteiligungspflicht des Straßenbaulastträgers nach § 11 Abs. 3 RaV nicht für
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solche Leitungen gilt, die ihren Versorgungszweck auch ohne Inanspruchnahme
der Ortsdurchfahrt erfüllen können.
cc) Für die Bestimmung ob eine Leitung im vorbezeichneten Sinn die
Ortsdurchfahrt wegen der Versorgung der Anliegergrundstücke nutzt, ist ein
abstrakter Maßstab anzulegen, so dass es auf die konkreten technischen und
topografischen Verhältnisse nicht ankommt. Da der Rahmenvertrag, wie die
Revision insoweit mit Recht anführt, zur Vereinfachung der Verwaltungshand-
habung und Entlastung der Beteiligten für die Mitbenutzungsverhältnisse pau-
schalierte Regelungen enthält, die unter Berücksichtigung der Vertragsdauer
und aller erfassten Fälle auf das Ganze betrachtet zu angemessenen Ergebnis-
sen führen (vgl. Nr. 2.3.1 Abs. 2 der Hinweise zur Behandlung von Ver- und
Entsorgungsleitungen sowie Telekommunikationslinien bei Straßenbaumaß-
nahmen des Bundes, aaO), kommt es auf die im Einzelfall bestehenden wech-
selseitigen Belange nicht an. Vielmehr ist die abstrakte Sach- und Interessenla-
ge entscheidend. Maßgeblich für die Anwendung von § 11 Abs. 3 RaV ist des-
halb, ob es sich bei der betroffenen Leitung um eine solche handelt, die typi-
scherweise in einer Straße verlaufen muss, um Anliegergrundstücke zu versor-
gen. Hierunter fallen nicht Hochdruckleitungen, die Gas überörtlich transportie-
ren, auch wenn ihnen, wie im vorliegenden Fall, Gas zur Versorgung von in ih-
rem Verlauf gelegenen Ortschaften entnommen und über Umformstationen in
diese geleitet wird. Derartige Leitungen können bei typisierender Betrachtung
ihre beiden Zwecke, die überörtliche Weiterleitung von Gas und die örtliche
Versorgung, auch erfüllen, wenn sie außerhalb des Straßenraums verlaufen.
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4.
Da die betroffene Hochdruckleitung aus diesen Gründen nicht unter § 11
Abs. 3 RaV fällt, hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf
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Erstattung der Hälfte der für die Verlegung der Versorgungslinie im Jahr 2004
angefallenen Kosten.
Schlick Wurm
Dörr
Galke
Herrmann
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 07.04.2005 - 4 O 2722/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 12.10.2005 - 12 U 40/05 -