Urteil des BGH vom 17.01.2003

BGH (zahlung, kaufpreis, kaufvertrag, konto, verkehrswert, inhalt, ablösung, vertrag, vorkaufsrecht, treffen)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 127/02
Verkündet am:
17. Januar 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 5. März 2002 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten
der Streithilfe, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Durch einen von dem Streithelfer der Beklagten am 30. Januar 1996
beurkundeten Vertrag kauften die Kläger von der beklagten Stadt eine Eigen-
tumswohnung, die sie bereits auf Grund eines Mietvertrages bewohnten. Zum
vereinbarten Kaufpreis findet sich in Anlage 1 der Urkunde unter Nr. 4 folgen-
de Regelung:
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"4.1 Der Kaufpreis beträgt
a) für das Wohnungseigentum
52.835,00 DM
in Worten ...
b) für das Teileigentum (KFZ-Stellplatz)
4.000,00 DM
in Worten ...
c) für den Baukostenzuschuß Heizhaus 8.441,00 DM
insgesamt somit
65.276,00 DM
in Worten ...
Darüber hinaus sind vom Käufer zu übernehmen die Vorfälligkeits-
entschädigung, diese betragen bei Ablösung durch den Mieter
DM 575/Qm, insgesamt also 40.446,00 DM.
Der Gesamtkaufpreis beträgt somit
105.722,00 DM
...
4.2 Die Kaufpreiszahlung erfolgt auf das Konto bei der ..."
Der Vertrag wurde "in Ansehung der gesetzlichen Vorkaufsrechte" der
Kläger geschlossen. Grund hierfür war der am 28. November 1995 notariell
beurkundete Vertrag, mit dem die Beklagte an den Zeugen B. 123 Woh-
nungseigentumseinheiten - darunter auch die später an die Kläger veräußerte
Wohnung - verkauft hatte. Die Regelung des Kaufpreises für diese Wohnung
stimmt in beiden Kaufverträgen nur bis zur Angabe der Summe von
65.276,00 DM überein. Im Anschluß daran bestimmt der Kaufvertrag zwischen
der Beklagten und B. :
"4.1 ...
Darüber hinaus sind vom Käufer zu übernehmen die Vorfällig-
keitsentschädigung, die auch durch Beibringung einer Freistel-
lungserklärung für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung
(...) für die Darlehen bei der D. erfolgen kann; diese betra-
gen bei Ablösung durch den Mieter
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DM 575/Qm, insgesamt also 40.446,00 DM
zahlbar auf das unter Ziff. 4.2 benannte Konto der Stadt B. L. ...
Der Käufer hat der Verkäuferin entsprechendes Attestat der Finan-
zierungsgläubigerin bis zum 15. März 1996 beizubringen. Der Notar
belehrt über das Zustimmungserfordernis der Gläubigerin. Hat der
Käufer durch Zahlung der Ablösung auf das Konto der Stadt B.
L. die Ablösung bewirkt, entfällt die Verpflichtung zur Beibrin-
gung des entsprechenden Attestat.
4.2 Die Kaufpreiszahlung erfolgt auf das Konto bei der ..."
Die Kläger zahlten den Betrag von 105.722 DM auf das vereinbarte
Konto der Beklagten. In der Folgezeit stellte sich heraus, daß die Gläubiger-
bank, deren Belastungen die Beklagte aus dem Verkauf der Wohnungen vor-
zeitig ablöste, keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangte, weil ihr eine solche
nicht zustand.
Die Kläger verlangen die Rückzahlung der 40.446 DM, die in der Ver-
tragsurkunde als Anteil der Vorfälligkeitsentschädigung ausgewiesen sind. Sie
sind der Ansicht, dieser Betrag sei nicht als Teil des Kaufpreises zu leisten,
sondern nur für den Fall geschuldet, daß die Vorfälligkeitsentschädigung bei
der Beklagten auch tatsächlich anfalle. Ihre Klage ist in beiden Tatsachenin-
stanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat wegen der objektiven In-
nendivergenz des Berufungsurteils zum Berufungsurteil in V ZR 137/02 zuge-
lassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und ihr Streithelfer be-
antragen, verfolgen die Kläger ihr Ziel der Klagestattgabe weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Rückzahlungsanspruch, weil die
Kläger nicht nachgewiesen hätten, daß die im Kaufvertrag mit der Beklagten
aufgeführte Vorfälligkeitsentschädigung nur bei tatsächlichem Anfall geschul-
det sei. Der Wortlaut der Vertragsurkunde spreche eindeutig für die Vereinba-
rung eines Gesamtkaufpreises unter Einschluß des Betrages für die Vorfällig-
keitsentschädigung. Für eine Auslegung, die zu einem anderen Ergebnis füh-
re, sei danach kein Raum. Zwar hätten die Kläger behauptet, bei
Vertragsschluß sei davon ausgegangen worden, daß eine Vorfälligkeitsent-
schädigung nur dann zu zahlen sei, wenn sie auch tatsächlich anfalle. Der
hierfür allein benannte Zeuge B. habe diese Behauptung aber nicht bestä-
tigt.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die
Beklagte nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB) zu einer Rückzahlung an die Kläger verpflichtet ist.
a) An einem Rechtsgrund für die Zahlung des umstrittenen Geldbetra-
ges fehlt es nicht schon deshalb, weil nach dem wirklichen Willen der Parteien,
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der Anteil in Höhe von 40.446 DM nur für den Fall geschuldet sein sollte, daß
die Beklagte tatsächlich mit einer entsprechenden Forderung der Gläubiger-
bank belastet wird. Einen solchen vom Inhalt der Vertragsurkunde abweichen-
den übereinstimmenden Willen der Parteien, dem Vorrang gegenüber dem
Wortlaut der Urkunde zukommen würde (Senat, Urt. v. 7. Dezember 2001,
V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039), hat das Berufungsgericht nicht festge-
stellt. Dies läßt Rechtsfehler nicht erkennen; auch die Revision wendet sich
lediglich dagegen, daß das Berufungsgericht die Aussage des - von den Klä-
gern selbst benannten - Zeugen B. als glaubhaft angesehen hat. Selbst
ein Erfolg dieser Rüge könnte jedoch nichts an dem Ergebnis ändern, daß die
insoweit beweisbelasteten Kläger (vgl. BGH, Urt. v. 11. September 2000,
II ZR 34/99, NJW 2001, 144, 145; Urt. v. 13. November 2000, II ZR 115/99,
NJW-RR 2001, 421) den Nachweis für einem vom Wortlaut der Vereinba-
rungen abweichenden Willen beider Vertragsparteien nicht erbracht haben.
b) Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich der zwischen den Par-
teien geschlossene Kaufvertrag auch nicht dahin auslegen, daß die Kläger
den auf die Vorfälligkeitsentschädigung entfallenden Zahlungsanteil nur im
Fall einer tatsächlichen Inanspruchnahme der Beklagten durch die Darlehens-
geberin schulden.
aa) Zwar kann nicht mit dem Berufungsgericht schon die Auslegungs-
bedürftigkeit des Kaufvertrages verneint werden; denn bei der Annahme eines
eindeutig vereinbarten Kaufpreises wird außer acht gelassen, daß ein Teil der
Zahlungen ausdrücklich zur "Ablösung" der "zu übernehmen(den) ... Vorfällig-
keitsentschädigung" zu leisten ist. Da das Berufungsgericht den maßgeblichen
Auslegungsstoff nicht vollständig berücksichtigt hat, ist der Senat an dessen
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Verständnis nicht gebunden. Das Ergebnis der hiernach dem Senat ermög-
lichten Auslegung (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 124, 39, 44 f; Senat, Urt. v.
14. Dezember 1990, V ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181) weicht jedoch nicht
von dem des Berufungsgerichts ab.
bb) In der Urkunde ist die Summe, die unter Einschluß des auf die Vor-
fälligkeitsentschädigung zu zahlenden Anteils ermittelt wird, ausdrücklich als
"Gesamtkaufpreis" gekennzeichnet. Dieser Betrag war nach Eintritt der Fällig-
keitsvoraussetzungen auf das Konto der Beklagten zu zahlen. Daß ein Zah-
lungsanteil der Vorfälligkeitsentschädigung zugewiesen ist, bleibt ohne Be-
deutung, weil es sich hierbei nur um eines von mehreren in der Urkunde auf-
geführten Einzelelementen handelt, aus denen sich neben den Anteilen für
das Wohnungseigentum, für das Teileigentum und für den Baukostenzuschuß
zum Heizhaus der Kaufpreis zusammensetzt. Hinweise dafür, daß die Zah-
lungsverpflichtung der Kläger hinsichtlich des fraglichen Betrages von dem
tatsächlichen Entstehen eines Anspruchs der Gläubigerbank auf Zahlung einer
Vorfälligkeitsentschädigung durch die Beklagte abhängig sein sollte, finden
sich nicht. Das gilt auch bei Beachtung des Grundsatzes einer beiderseits inte-
ressengerechten Auslegung (vgl. Senat, Urt. v. 16. April 1999, V ZR 37/98,
WM 1999, 1715, 1716). Vielmehr waren die Belange der Kläger als Käufer
gewahrt, weil für sie bereits bei Vertragsschluß kein Zweifel daran bestehen
konnte - und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch tatsächlich
nicht bestand -, daß der als "Gesamtkaufpreis" ausgewiesene Betrag von
105.722 DM von ihnen als Gegenleistung für den Eigentumserwerb aufzubrin-
gen war, während sich das Interesse der Beklagten auf die Erzielung eines
möglichst hohen Kaufpreises bei uneingeschränkter Verfügungsfreiheit über
die vereinnahmten Gelder richtete. Es verbleibt demnach dabei, daß es grund-
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sätzlich dem Verkäufer überlassen bleibt, in welcher Weise er mit dem von ihm
vereinnahmten Kaufpreis, der Teil seines Vermögens geworden ist, verfährt;
dies gilt selbst dann, wenn er entsprechende Absichten über die Verwendung
der Gelder bei Vertragsschluß offenbart.
c) Hiernach scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung ebenfalls aus.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn ein Vertrag wegen einer planwidrigen
Unvollständigkeit eine Regelungslücke aufweist (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ
127, 138, 142 m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Stand der Beklag-
ten die gesamte Summe von 105.722 DM uneingeschränkt als Kaufpreis zu, so
brauchten die Parteien für den Fall einer nicht geschuldeten Vorfälligkeitsent-
schädigung keine Regelung zu treffen.
d) Ein Bereicherungsanspruch steht den Klägern auch nicht wegen ei-
ner Reduzierung des geschuldeten Kaufpreises nach den Regeln des Weg-
falls der Geschäftsgrundlage zu. Zwar kommt diese Anspruchsgrundlage nach
dem hier weiterhin anwendbaren Recht aus der Zeit vor dem 1. Januar 2002
(Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) in Betracht (vgl. BGHZ 109, 139, 144), ihre Vor-
aussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Die Parteien mö-
gen die gemeinsame Erwartung geteilt haben, daß die Beklagte mit einer Vor-
fälligkeitsentschädigung belastet werde, auf dieser Vorstellung baut jedoch
nicht - wie für die Annahme einer Geschäftsgrundlage erforderlich (BGHZ 128,
230, 236; 135, 333, 338) - der gemeinschaftliche Geschäftswille der Parteien
auf. Die Kläger haben nichts anderes getan, als die von der Beklagten offen-
gelegte Kalkulation, nach der ein bestimmter Teil des Kaufpreises zur Zahlung
einer Vorfälligkeitsentschädigung benötigt werden soll, zur Kenntnis zu neh-
men. Die Motivation der Beklagten, den Kaufpreis nach bestimmten Aufwen-
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dungen aus Anlaß einer vorzeitigen Darlehensablösung zu bemessen, war für
den Geschäftswillen der Kläger, die sich auf die Zahlung des geforderten
Geldbetrages einlassen wollten, ohne Bedeutung.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, daß den Klägern ge-
genüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zustehen kann, der auf
Zahlung der 40.446 DM gerichtet ist, die für die Vorfälligkeitsentschädigung
ausgewiesen wurden.
a) Ihre rechtliche Grundlage findet diese Forderung in einer positiven
Vertragsverletzung des Mietvertrages, der zwischen den Parteien vor dem
Verkauf des Wohnungseigentums bestand (vgl. Staudinger/Sonnenschein,
BGB [1997], § 570b Rdn. 43; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 7. Aufl.,
§ 570b BGB Rdn. 40; auch RGZ 170, 208, 213).
aa) Die Voraussetzungen eines Mietervorkaufsrechts der Kläger nach
§ 570b BGB a.F. waren unstreitig gegeben. Mithin traf die Beklagte als Ver-
mieterin nach §§ 570b Abs. 2, 510 BGB a.F. bei Eintritt des Vorkaufsfalls die
vertragliche Nebenpflicht, die Kläger über ihr Vorkaufsrecht zu unterrichten
und ihnen den Inhalt des mit dem Zeugen B. geschlossenen Kaufvertra-
ges mitzuteilen. Zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht mußte die Beklagte den
Klägern den richtigen und vollständigen Inhalt des Vertrages zur Kenntnis
bringen (vgl. Senat, Urt. v. 29. Oktober 1993, V ZR 136/92, NJW 1994, 315;
BGH, Urt. v. 23. Mai 1973, VIII ZR 57/72, NJW 1973, 1365; auch Heintz, Vor-
kaufsrecht des Mieters, 1998, Rdn. 393). Erforderlich war insbesondere eine
erschöpfende Information der Kläger über die mit dem Drittkäufer vereinbarte
Gegenleistung (vgl. Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 510 Rdn. 3).
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bb) Insoweit ist die Beklagte ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht
nachgekommen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielten die
Kläger wegen ihres Vorkaufsrechts lediglich einen Entwurf des später mit ih-
nen abgeschlossenen Kaufvertrages durch den Streithelfer zugesandt, der als
Notar hierzu ersichtlich von der Beklagten beauftragt worden war. Das ent-
spricht der - vom Berufungsgericht angeführten - Aussage des Zeugen B.
und läßt auch im übrigen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Gegenrüge des
Streithelfers, wonach die behauptete Übersendung von Fotokopien des Ver-
trages mit dem Drittkäufer übergangen worden sei, geht damit ins Leere.
Der den Klägern hiernach zur Kenntnis gebrachte Vertragsentwurf wich
in einem maßgeblichen Punkt von dem Kaufvertrag ab, der zuvor zwischen der
Beklagten und dem Drittkäufer, dem Zeugen B. , zustande gekommen
war. Nach der Regelung des Kaufpreises in diesem Vertrag mußte der Dritt-
käufer zwar auch die Vorfälligkeitsentschädigung "übernehmen". Zur Erfüllung
dieser Verpflichtung war der Drittkäufer jedoch nicht zur Zahlung der später mit
den Klägern vereinbarten 40.446 DM verpflichtet. Dieser Betrag wird aus-
drücklich für eine "Ablösung durch den Mieter" genannt, sollte also - unter Au-
ßerachtlassung der Unwirksamkeit von Verträgen zu Lasten Dritter (vgl. BGHZ
61, 359, 361; 78, 369, 375) nur die Mieter bei Ausübung ihres Vorkaufsrecht
treffen. Die "Übernahme" der Vorfälligkeitsentschädigung konnte den Dritt-
käufer mithin nur zur Zahlung des Betrages an die Beklagte verpflichten, den
diese tatsächlich zur Erfüllung einer entsprechenden Forderung der Gläubi-
gerbank benötigte. Zudem war dem Drittkäufer die Möglichkeit eingeräumt
worden, sich durch "Beibringung einer Freistellungserklärung" einer Zahlungs-
verpflichtung wegen der Vorfälligkeitsentschädigung zu entziehen: Legte der
Drittkäufer innerhalb vereinbarter Frist ein "Attestat der Finanzierungsgläubi-
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gerin" vor, mit dem diese die Beklagte von Forderungen wegen der vorzeitigen
Kreditablösung befreite, so brauchte er über 65.276 DM hinaus keine Kauf-
preiszahlungen mehr an die Beklagte zu erbringen. Weder diese Alternative
noch eine - gemäß § 508 BGB a.F. anteilige - Zahlungsverpflichtung in Höhe
des tatsächlich für eine Vorfälligkeitsentschädigung benötigten Betrages findet
sich in dem Vertragsentwurf, der den Klägern zu ihrer Information gemäß
§§ 570b Abs. 2, 510 BGB a.F. zugesandt wurde. Damit wurden die Kläger über
den Inhalt des mit dem Drittkäufer geschlossenen Kaufvertrages unvollständig
unterrichtet; denn sie konnten die Übersendung des Vertragsentwurfes im
Hinblick auf ihr Vorkaufsrecht nur dahin verstehen, daß beide Verträge inhalt-
lich übereinstimmen sollten. Nachdem die Beklagte auf diese Weise ihre Mit-
teilungspflicht aus § 510 Abs. 1 BGB a.F. verletzte, bedarf es keiner Entschei-
dung darüber, ob sie daneben auch noch ihre mietvertragliche Pflicht zur Un-
terrichtung über das Vorkaufsrecht (§ 570b Abs. 2 BGB a.F.) mißachtete, als
sie den Klägern mit der Zusendung des Entwurfs den Abschluß eines eigenen
Kaufvertrages nahelegte, während nach § 505 Abs. 1 BGB a.F. zur Ausübung
des Vorkaufsrechts eine - formlose (BGHZ 144, 357, 360) - Erklärung gegen-
über der Beklagten genügt hätte.
cc) Das Verschulden ihres Streithelfers, der nicht auf eine vollständige
Information der Vorkaufsberechtigten achtete, muß sich die Beklagte nach
§ 278 BGB zurechnen lassen. Er war mit der Erfüllung der Verpflichtungen der
Beklagten aus §§ 570b Abs. 2, 510 BGB a.F. betraut und wurde deshalb als
ihr Erfüllungsgehilfe tätig (vgl. Senat, BGHZ 62, 119, 121).
b) Die geschilderte Pflichtverletzung kann zu einem Schaden der Kläger
in Gestalt des um 40.446 DM erhöhten Kaufpreises geführt haben.
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aa) Wegen der ungenügenden Unterrichtung durch die Beklagte haben
sich die Kläger auf einen gesonderten Vertragsschluß zu eigenen Konditionen
eingelassen. Sie wurden mithin gehindert, von dem ihnen als Vorkaufsberech-
tigten zustehenden Gestaltungsrecht (vgl. Senat, BGHZ 67, 395, 398)
Gebrauch zu machen und durch eine Erklärung nach § 505 BGB a.F. einen
Kaufvertrag mit der Beklagten mit dem Inhalt des Vertrages mit dem Drittkäufer
zustande zu bringen. Wäre ein Kaufvertrag zwischen den Parteien zu den Be-
dingungen des Vertrages mit dem Drittkäufer B. begründet worden, so
wäre die Verpflichtung der Kläger zur anteiligen Übernahme der Vorfälligkeits-
entschädigung ins Leere gegangen und hätte für sie keinen weiteren finan-
ziellen Aufwand zur Folge gehabt. Über die 65.276 DM hinaus hätten sie näm-
lich nur dann Zahlungen an die Beklagte geschuldet, wenn diese gegenüber
ihrer Darlehensgeberin tatsächlich zur Leistung einer Vorfälligkeitsentschädi-
gung verpflichtet gewesen wäre. An einer solchen Verpflichtung der Beklagten
fehlte es aber unstreitig. Zudem hätte für die Kläger bei den Konditionen des
Vertrages mit dem Drittkäufer die Möglichkeit bestanden, durch Vorlage einer
Freistellungserklärung der Gläubigerbank die Kaufpreiszahlung auf 65.276 DM
zu begrenzen. Da es der Beklagten bei Abschluß des Vertrages mit dem Dritt-
käufer allein darum ging, vor einer Inanspruchnahme wegen der vorzeitigen
Kreditablösung gesichert zu sein, reichte hierfür die vorliegende Erklärung der
Gläubigerbank aus, daß für die Rückzahlung des betreffenden Darlehens eine
Vorfälligkeitsentgelt nicht berechnet werde.
bb) Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien ist die Pflichtverlet-
zung der Beklagten für einen Schaden der Kläger in Höhe der streitgegen-
ständlichen 40.446 DM ursächlich geworden. Es ist davon auszugehen, daß
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die Kläger bei Mitteilung des vollständigen Vertragsinhalts von ihrem Vorkaufs-
recht Gebrauch gemacht hätten. Die Mitteilungspflicht des Vorkaufsverpflich-
teten aus § 510 BGB a.F. stellt eine vertragliche Aufklärungspflicht dar, die
dazu bestimmt ist, den Berechtigten eine sachgerechte Entscheidung über be-
stimmte Geschäfte - nämlich über die Ausübung des Vorkaufsrechts - zu er-
möglichen. Bei Verletzung solcher Pflichten spricht eine Vermutung für "aufklä-
rungsrichtiges" Verhalten (BGHZ 111, 75, 81; 124, 151, 160; Senat, Urt. v.
26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303). Demnach ist es Sa-
che der Beklagten darzulegen und zu beweisen, daß der Kaufvertrag zwischen
ihr und den Klägern mit dem vorliegenden (nachteiligen) Inhalt auch bei Mit-
teilung des vollständigen (vorteilhaften) Inhalts des Vertrages mit dem Dritt-
käufer zustande gekommen wäre. Allein aus den Umständen ergibt sich ein
solcher Entschluß der Kläger noch nicht. Selbst wenn die Kläger annehmen
mußten, die Gläubigerbank werde eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen
können, stellte sich für sie ein Vertragsschluß zu den Konditionen des Dritt-
kaufes als günstiger dar. Insbesondere brauchten sie nicht zu befürchten, von
der Beklagten auf Zahlung des vollen Betrages einer Vorfälligkeitsentschädi-
gung in Anspruch genommen zu werden. Da der Vertrag zwischen der Be-
klagten und dem Drittkäufer den Verkauf von 123 Eigentumseinheiten zum
Gegenstand hatte, konnte die Kläger bei Erwerb nur einer dieser Wohnungen
nach § 508 BGB a.F. auch nur eine - nach dem Verhältnis der Kaufpreise er-
mittelte (vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 508 Rdn. 3) - anteilige
Verpflichtung zur Zahlung auf die Vorfälligkeitsentschädigung treffen.
3. Das angefochtene Urteil hat danach keinen Bestand (§ 562 Abs. 1
ZPO). Es ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Von der im vorliegenden
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Fall durch § 563 Abs. 4 ZPO eröffneten Möglichkeit, in der Sache selbst zu
entscheiden, sieht der Senat ab.
a) Ein Schadensersatzanspruch der Kläger besteht nur dann, wenn der
zwischen der Beklagten und dem Drittkäufer B. am 28. November 1995
geschlossene Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist. Da auch bei
§ 570b BGB a.F. der Vorkaufsfall erst bei Wirksamkeit des Vertrages mit dem
Dritten gegeben ist (Heintz, aaO, Rdn. 308), hätte für die Beklagte im Fall der
Unwirksamkeit des Kaufvertrages mit B. schon keine Mitteilungspflicht
nach §§ 570b Abs. 2, 510 BGB a.F. bestanden.
b) Vorliegend kommt eine Unwirksamkeit des Drittkaufes nach § 134
BGB in Betracht.
aa) Auch eine Vorschrift des Landesrechts kann ein Verbotsgesetz im
Sinne von § 134 BGB darstellen (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 134
Rdn. 5). Die Beklagte könnte mit dem Verkauf der Wohnung an B. zu ei-
nem - wie sie selbst behauptet - Preis deutlich unter dem Verkehrswert gegen
ihre Verpflichtung aus § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 der Thüringer Gemeinde-
und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung - ThürKO -) in der hier
maßgebenden Fassung vom 16. August 1993 (GVBl. 1993, 501) verstoßen
haben, Vermögensgegenstände der Gemeinde in der Regel nur zum vollen
Wert zu veräußern und Gemeindevermögen nicht zu verschenken. Ob diese
Regelungen ein Verbotsgesetz enthalten, beantwortet sich - weil die Thüringer
Kommunalordnung nur im Bezirk des Thüringer Oberlandesgerichts gilt - ge-
mäß § 545 Abs. 1 ZPO nicht nach revisiblem Recht, (vgl. BGH, Urt. v. 4. April
1966, VIII ZR 102/64, LM § 354 HGB Nr. 5 zu § 71 Abs. 2 Satz 2 der Hessi-
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schen Gemeindeordnung vom 25. Februar 1952; Urt. v. 15. April 1998, VIII ZR
129/97, NJW 1998, 3058, 3059 zu § 56 Abs. 2 der Brandenburgischen Land-
kreisordnung). Auch der Umstand, daß Gesetze anderer Bundesländer ver-
gleichbare Vorschriften enthalten (vgl. z. B. § 109 Abs. 1 Satz 2 der Hessi-
schen Gemeindeordnung in der ab 1. April 1993 geltenden Fassung, GVBl.
1992 I, 534; § 90 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen in der Fassung vom 14. Juli 1994, GV NRW 1994, 666; Art. 75
Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der
Fassung vom 22. August 1998, GVBl. 1998, 796) macht § 67 Abs. 1 Satz 2
und Abs. 5 ThürKO 1993 nicht revisibel. Hierfür müßte die Übereinstimmung
bewußt und gewollt zum Zwecke der Vereinheitlichung herbeigeführt worden
sein (BGHZ 118, 295, 298; BGH, Urt. v. 15. April 1998, aaO). Hingegen genügt
die vorliegende nur tatsächliche Übereinstimmung selbst dann nicht, wenn aus
der Gesetzgebung eines anderen Landes Rechtssätze oder Rechtsgedanken
übernommen wurden, wie dies in den neuen Bundesländern häufig geschehen
ist (BGH, Urt. v. 15. April 1998, aaO). Da es den Umständen nach zumindest
nicht unwahrscheinlich ist, daß ohnehin weitere tatsächliche Feststellungen
des Berufungsgerichts erforderlich sein werden, bleibt diesem aus Gründen
der Prozeßökonomie (vgl. Senat, BGHZ 36, 348, 356) die Auslegung von § 67
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 ThürKO 1993 gemäß § 563 Abs. 4 ZPO überlassen.
bb) Das Berufungsgericht wird demnach zunächst prüfen müssen, ob
§ 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 ThürKO 1993 ein Verbotsgesetz im Sinne des
§ 134 BGB entnommen werden kann. Von der Rechtsprechung wurde dies be-
reits für vergleichbare Regelungen in Art. 75 der Gemeindeordnung für den
Freistaat Bayern grundsätzlich bejaht (BayObLGZ 1983, 85, 91; 1995, 225,
226; 2001, 54, 56 f). Zudem hat es der Bundesgerichtshof für unentgeltliche
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Zuwendungen aus staatlichem (nicht kommunalem) Vermögen als naheliegend
erachtet, daß der allgemeine Grundsatz, wonach der Staat nichts "verschen-
ken" dürfe, als Verbotsgesetz anzusehen sei (BGHZ 47, 30, 39 f).
(1) Fehlt - wie hier - eine ausdrückliche Regelung, so ist die Frage, ob
der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, nach Sinn und
Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob
das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluß des Rechtsgeschäfts wendet,
sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen sei-
nen wirtschaftlichen Erfolg (BGHZ 118, 142, 144). Letzteres und damit das
Vorliegen eines Verbotsgesetzes wird von der Rechtsprechung regelmäßig
bejaht, wenn beide Vertragsparteien mit dem Vertragsschluß ein gesetzliches
Verbot verletzen (BGHZ 78, 269, 271; 115, 123, 125; 143, 283, 287). Die Prü-
fung des Berufungsgerichts hat sich daher auf die Frage zu erstrecken, ob hier
ein Verbot mißachtet ist, das sich nicht nur an die Gemeinde, sondern an bei-
de Vertragsteile richtet. Sollte das Verbot nur die Gemeinde treffen, so führt
ein Verstoß nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB,
wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des
ganzen Rechtsgeschäfts erfordert (BGHZ 78, 269, 271; 89, 369, 373; 143,
283, 287).
(2) Falls das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund ein Verbotsge-
setz bejaht, so sind dessen Voraussetzungen im einzelnen zu ermitteln. Bleibt
der Kaufpreis nur geringfügig hinter dem Verkehrswert zurück, wird auch unter
Berücksichtigung öffentlicher Interessen die Rechtsfolge einer Nichtigkeit
schwerlich zu rechtfertigen sein. So hat auch der Bundesgerichtshof seine Er-
- 17 -
wägungen zum Vorliegen eines Verbotsgesetzes bei unentgeltlichen Zuwen-
dungen aus staatlichem Vermögen auf der Grundlage einer Veräußerung zu
einem "erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis" angestellt (BGHZ
47, 30, 39). Auf der anderen Seite kann jedenfalls eine Veräußerung unterhalb
des "vollen Wertes" (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 ThürKO 1993) nicht voraussetzen,
daß ein besonders grobes Mißverhältnis - mithin ein Verkehrswert, der knapp
doppelt so hoch ist wie der Kaufpreis - vorliegt. Diesen Maßstab zieht die
Rechtsprechung heran, um bei Prüfung eines wucherähnlichen, nach § 138
Abs. 1 BGB nichtigen Rechtsgeschäfts auf das subjektive Merkmal einer ver-
werflichen Gesinnung zu schließen (vgl. Senat, BGHZ 148, 298, 302 m.w.N.).
Er taugt nicht, wenn es gilt, das Verschleudern von Vermögen der öffentlichen
Hand zu verhindern, weil hier ein persönlich vorwerfbares Verhalten des Be-
günstigten keine Bedeutung erlangt.
(3) Gelangt das Berufungsgericht zu der Annahme eines inhaltlich nä-
her bestimmten Verbotsgesetzes, so wird es dessen Verletzung im konkreten
Fall zu prüfen haben. Hierbei wird es sich mit den Auswirkungen der auf-
sichtsbehördlichen
Genehmigung
(§ 67
Abs. 3
ThürKO
1993)
vom
7. Dezember 1995 auseinandersetzen und ggf. - unter Beachtung des Beweis-
angebotes der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu
dem von ihr behaupteten Verkehrswert in Höhe von 1.500 DM/m² - Feststel-
lungen zum Verkehrswert des Wohnungseigentums zum Zeitpunkt des Ver-
tragsschlusses mit B. treffen müssen.
Wenzel
Krüger
Klein
Gaier
Schmidt-Räntsch