Urteil des BGH vom 28.02.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 164/12
vom
28. Februar 2013
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZVG § 69 Abs. 4
Eine Sicherheitsleistung kann auch durch eine Bareinzahlung auf ein bei einem
Kreditinstitut geführten Konto der Gerichtskasse erbracht werden. Allerdings
muss der Betrag vor dem Versteigerungstermin gutgeschrieben sein und ein
Nachweis hierüber im Termin vorliegen.
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 - V ZB 164/12 - LG Stralsund
AG Stralsund
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss
des Landgerichts Stralsund, 2. Kammer (Beschwerdekammer),
vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt für die
Gerichtskosten 550.000 € und 555.000 € für die Vertretung der
Beteiligten zu 2.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 4 betreibt die Zwangsversteigerung der im Eingang die-
ses Beschlusses bezeichneten Grundstücke der Beteiligten zu 1.
In dem Versteigerungstermin vor dem Amtsgericht Stralsund am 17. Ja-
nuar 2012, der um 11 Uhr begonnen hatte, gab die Beteiligte zu 2 mit 555.000 €
das höchste Gebot ab. Dieses wurde von dem Vollstreckungsgericht nicht zu-
gelassen, weil es die von dem Vertreter der Beteiligten zu 4 verlangte Sicher-
heitsleistung als nicht erbracht ansah.
Für die Beteiligte zu 2 war am 17. Januar 2012 um 11.30 Uhr eine Bar-
Einzahlung in Höhe von 76.300 € auf einem bei der Deutschen Bundesbank,
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Filiale Rostock, geführten Konto der Landeszentralkasse Mecklenburg-
Vorpommern vorgenommen worden. Das Konto ist für bei dem Amtsgericht
Stralsund zu erbringende Sicherheitsleistungen eingerichtet. Im Versteigerungs-
termin lag eine um 11.36 Uhr per Telefax übermittelte
„Zahlschein-Quittung“ der
Kasse der Deutschen Bundesbank, Filiale Rostock, vor. Als Zahlungsempfän-
ger ist das Amtsgericht Stralsund angegeben. Bei dem Verwendungszweck fin-
den sich das Aktenzeichen des hier in Rede stehenden Zwangsversteigerungs-
verfahrens, der Begriff Bietsicherheit sowie die Firma der Beteiligten zu 2.
Die Beteiligte zu 2 widersprach der Zurückweisung ihres Gebots. Nach
Ablauf der Bietstunde stellte das Vollstreckungsgericht fest, dass die Beteiligte
zu 3 Meistbietende mit
einem Gebot von 550.000 € sei. In dem Verkündungs-
termin vom 30. Januar 2012 hat es der Beteiligten zu 3 den Zuschlag erteilt. Die
hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist erfolglos geblie-
ben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 2 wei-
terhin die Erteilung des Zuschlags an sich.
II.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist für die Wirksamkeit einer
durch Einzahlung erbrachten Sicherheitsleistung entscheidend, dass der Betrag
der Gerichtskasse vor dem Versteigerungstermin gutschrieben worden ist und
ein Nachweis hierüber im Termin vorliegt. Dies ergebe sich aus § 69 Abs. 4
ZVG. Die vorgelegte Telefax-Kopie der Zahlschein-Quittung der Deutschen
Bundesbank stelle keinen ausreichenden Zahlungsnachweis dar. Maßgeblich
sei nicht, dass die Deutsche Bundesbank die Einzahlung auf ein Konto der
Landeszentralkasse bestätigt habe. Entscheidend sei vielmehr, dass ein Ein-
zahlungsnachweis der Landeszentralkasse im Versteigerungstermin nicht vor-
gelegt worden sei.
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III.
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übri-
gen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Be-
schwerdegericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zu Recht zurückge-
wiesen, da der Zuschlag auf das von ihr abgegebene Gebot nicht erteilt werden
konnte.
2. Der Zuschlag ist nach § 81 Abs. 1 ZVG dem Meistbietenden zu ertei-
len. Meistbietender ist, wer das höchste wirksame Gebot abgegeben hat. Dies
war die Beteiligte zu 3, da das Gebot der Beteiligten zu 2 nach § 70 Abs. 2 Satz
3 ZVG vom Vollstreckungsgericht zu Recht wegen Nichterbringens einer den
Anforderungen des § 69 ZVG entsprechenden Sicherheitsleistung zurückge-
wiesen worden ist.
a) Die Sicherheitsleistung war von dem Vollstreckungsgericht nach § 70
Abs. 1 ZVG anzuordnen. Die Beteiligte zu 4 hatte gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1
ZVG sofort nach Abgabe des Gebots eine Sicherheitsleistung verlangt. Dazu
war sie als Gläubigerin berechtigt, da ihr Recht durch die Nichterfüllung des
Gebots beeinträchtigt würde. Hat ein Beteiligter zulässigerweise Sicherheit ver-
langt, so muss das Vollstreckungsgericht bei seiner nach § 70 Abs. 1 ZVG so-
fort zu treffenden Entscheidung diese auch anordnen; ein Ermessensspielraum
steht ihm nicht zu (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2012 - V ZB 130/11, NJW
2012, 3376, 3377 Rn. 9; Beschluss vom 12. Januar 2006 - V ZB 147/05, NJW-
RR 2006, 715 Rn. 12; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 70 Rn. 2).
b) Die Beteiligte zu 2 hat die angeordnete Sicherheit nicht entsprechend
den Vorgaben des § 69 Abs. 4 ZVG erbracht.
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aa) Allerdings ist dies nicht schon deshalb der Fall, weil die Beteiligte zu
2 eine in § 69 ZVG nicht ausdrücklich vorgesehene Bareinzahlung auf ein Kon-
to der Gerichtskasse vorgenommen hat.
§ 69 ZVG in der Neufassung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung
der Justiz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I 3416) schließt in seinem Absatz 1
eine Sicherheitsleistung durch Barzahlung aus und sieht in seinen Absätzen 2
bis 4 nur bestimmte Formen der Sicherheitsleistung vor. Als Sicherheitsleistung
kommen neben Bundesbankschecks und Verrechnungsschecks (§ 68 Abs. 2
ZVG) auch unbefristete, unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaften eines
Kreditinstituts (§ 69 Abs. 3 ZVG) in Betracht, die jeweils bestimmten Anforde-
rungen entsprechen müssen. Ferner kann nach § 69 Abs. 4 ZVG eine Sicher-
heitsleistung durch Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse erbracht wer-
den, wenn der Betrag vor dem Versteigerungstermin gutgeschrieben ist und ein
Nachweis hierüber im Termin vorliegt.
Ob diese Regelung abschließend ist, ist umstritten. Dies wird teilweise im
Hinblick auf den Wortlaut der Norm und deren Entstehungsgeschichte ange-
nommen. Das Zweite Gesetz zur Modernisierung der Justiz habe durch die Ab-
schaffung von Sicherheitsleistungen durch Bareinzahlung eine Anpassung des
Gesetzes an die modernen Zahlungsmethoden vornehmen und die Sicherheit
an den Gerichtskassen erhöhen wollen. Auch die Systematik des Gesetzes
spreche für eine abschließende Regelung in § 69 Abs. 4 ZVG. Wie sich aus
§ 49 Abs. 3 ZVG ergebe, seien Bareinzahlungen nur im Fall einer ausdrückli-
chen Zulassung möglich. Aus § 1 Abs. 3 ZahlVGJG folge nichts anderes. Da-
nach sei eine Bareinzahlung in einem Eilfall möglich. Ein solcher könne jedoch
bei einer Sicherheitsleistung im Zwangsversteigerungsverfahren im Hinblick auf
die Bekanntmachungsfristen des § 43 Abs. 1 ZVG praktisch nicht angenommen
werden. Schließlich gewährleiste eine solche Auslegung auch, dass der Geld-
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wäsche durch Bareinzahlung bei den dem Geldwäschegesetz nicht unterlie-
genden Gerichtskassen Einhalt geboten werde (LG Berlin, Urteil vom 22. Juli
2009 - 86 O 74/09, juris Rn. 12 ff., 16).
Demgegenüber wird der Standpunkt bezogen, dass, wie bei § 49 Abs. 3
ZVG, auch im Rahmen des § 69 Abs. 4 ZVG eine Einzahlung auf ein Konto der
Gerichtskasse möglich sei (Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 69 Rn. 5). Darüberhinaus-
gehend wird eine Bareinzahlung der Sicherheitsleistung bei der Gerichtskasse
für möglich angesehen, wenn diese das Geld entgegennimmt und eine Quittung
darüber erstellt (LG Berlin, RPfleger 2008, 660; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., §§ 67
- 70 Rn. 45; Hk-ZVG/Stumpe, 2. Aufl., § 69 Rn. 13).
Der Senat entscheidet diese Streitfrage dahingehend, dass eine Sicher-
heitsleistung durch eine vorherige Bareinzahlung auf ein Konto der Gerichts-
kasse möglich ist. Zwar spricht der Wortlaut des § 69 Abs. 4 ZVG wie auch je-
ner des § 70 Abs. 2 Satz 2 ZVG auf den ersten Blick gegen ein solches Ver-
ständnis, da nur die Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse genannt
wird. Allerdings zeigt gerade die Regelung des § 49 Abs. 3 ZVG, dass das Ge-
setz im Zusammenhang mit der Entrichtung des Bargebots ausdrücklich auch
eine Einzahlung auf ein Konto der Gerichtskasse vorsieht. Aus der Erwähnung
dieser Alternative nur in § 49 Abs. 3 ZVG kann nicht geschlossen werden, dass
diese Möglichkeit der Erbringung der Sicherheitsleistung im Rahmen des § 69
Abs. 4 ZVG ausgeschlossen sein soll. Weder die Entstehungsgeschichte der
Norm noch deren Sinn und Zweck geben in dieser Richtung einen Anhalts-
punkt. Der unbare Zahlungsverkehr soll vor allem den notwendigen Sicher-
heitsaufwand im Bereich der Justiz reduzieren, aber auch die Abwicklung von
Vorgängen erleichtern (BT/Drs. 16/3038 S. 2, 27). Diese Ziele werden durch
eine Bareinzahlung auf ein bei einem Kreditinstitut geführten Konto der Ge-
richtskasse nicht beeinträchtigt. Hier wird Bargeld nicht zum Versteigerungs-
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termin in das Gerichtsgebäude, sondern zu einem als Zahlstelle der Gerichts-
kasse fungierenden Kreditinstitut gebracht. Ist der für die Sicherheitsleistung
erforderliche Geldbetrag auf einem Konto der Gerichtskasse gutgeschrieben, so
ist kein sachgerechter Grund ersichtlich, die Sicherheit als nicht erbracht anzu-
sehen. Gleiches gilt, wenn die Gerichtskasse - ohne hierzu verpflichtet zu sein -
eine Bareinzahlung entgegen nimmt.
bb) Die Beteiligte zu 2 hat die danach zulässige Bareinzahlung auf ein
Konto der Gerichtskasse jedoch nicht rechtzeitig bewirkt. Zudem lag kein ord-
nungsgemäßer Nachweis über die Erbringung der Sicherheitsleistung vor.
§ 67 Abs. 4 ZVG bestimmt, dass bei einer Überweisung der Betrag dem
Konto der Gerichtskasse vor dem Versteigerungstermin gutgeschrieben sein
und ein Nachweis hierüber im Termin vorliegen muss. Stellt man die Bareinzah-
lung auf ein Konto der Gerichtskasse der Überweisung gleich, gilt für sie nichts
anderes. Auch sie muss so rechtzeitig bewirkt werden, dass eine Gutschrift auf
dem Konto vor dem Versteigerungstermin erfolgt ist und über diese Gutschrift
ein Nachweis im Versteigerungstermin vorliegt. Dies belegt ein Blick auf § 49
Abs. 3 ZVG. Diese Vorschrift, die im Fall der Entrichtung des Bargebots neben
der Überweisung ausdrücklich auch die Einzahlung auf ein Konto der Gerichts-
kasse nennt, stellt bei beiden Alternativen jeweils auf die Gutschrift und den
Nachweis hierüber ab (Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 49 Rn. 4; Hornung, NJW 1999,
460). Neben der systematischen Auslegung sprechen auch teleologische Ge-
sichtspunkte für die Heranziehung dieser Kriterien bei einer Sicherheitsleistung
durch eine Bareinzahlung auf das Konto der Gerichtskasse. Das Gesetz knüpft
mit der Erforderlichkeit der Gutschrift vor dem Versteigerungstermin und dem
Nachweis hierüber bewusst an rein formelle Kriterien an. Diese können einer
einfachen und schnellen Prüfung unterzogen werden; tragen also der Formali-
sierung des Zwangsversteigerungsverfahrens Rechnung. Dies gilt nicht nur im
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Rahmen des § 49 Abs. 3 ZVG, sondern in noch stärkerem Maß für die Frage,
ob die Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 4 ZVG ordnungsgemäß erbracht
worden ist. Erklärt das Gericht die Sicherheit für erforderlich, so ist sie nach
§ 70 Abs. 2 Satz 1 ZVG sofort zu leisten. Dies geschieht bei den in § 69 Abs. 2
und 3 ZVG vorgesehenen Formen der Sicherheitsleistung durch Vorlage eines
Schecks oder der Bürgschaftsurkunde. Für den in § 69 Abs. 4 ZVG vorgesehe-
nen Fall ordnet § 70 Abs. 2 Satz 2 ZVG nochmals ausdrücklich an, dass die
Sicherheitsleistung durch Überweisung auf ein Konto der Gerichtskasse bereits
vor dem Versteigerungstermin erfolgen muss. Vor diesem Hintergrund sind kei-
ne sachgerechten Gründe ersichtlich, für eine Bareinzahlung auf ein Konto der
Gerichtskasse andere Anforderungen zu stellen. Gleiches gilt für eine Barein-
zahlung, sofern diese von der Gerichtskasse angenommen wird. Auch diese
muss vor dem Vollstreckungstermin erfolgt sein, und es muss ein Nachweis
hierüber vorliegen.
Diesen Anforderungen entspricht die von der Beteiligten zu 2 angebote-
ne Sicherheitsleistung nicht. Zum einen erfolgte die Bareinzahlung nicht vor,
sondern während des schon laufenden Versteigerungstermins. Zum anderen
fehlte es an dem Nachweis der Gutschrift auf dem Konto der Gerichtskasse.
Aus dem Zahlschein ergibt sich lediglich die Einzahlung eines Betrages an der
Kasse der Filiale der Deutschen Bundesbank, nicht aber die Gutschrift auf dem
Konto. Eine Zahlungsanzeige der Gerichtskasse lag nicht vor.
An dieser Bewertung ändert auch der von der Beteiligten zu 2 angeführte
Umstand nichts, dass dem Vollstreckungsgericht nach Ende der Bietstunde,
aber vor Verkündung der Zuschlagsentscheidung die schriftliche Zahlungsan-
zeige der Landeszentralkasse, der Originalzahlschein und die Originalbestäti-
gung der Deutschen Bundesbank vorlagen. Die Sicherheit ist nach § 70 Abs. 2
Satz 1 ZVG sofort zu stellen und kann daher nach Abschluss des Versteige-
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rungstermins nicht mehr erbracht werden (Senat, Beschluss vom 20. Juli 2006
- V ZB 164/05, NJW-RR 2007, 143).
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Senat, Beschluss vom
1. Juli 2010 - V ZB 94/10, NJW-RR 2010, 1458, 1459 Rn. 17 und 19). Der Ge-
genstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich für die Ge-
richtskosten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags.
Dieser wiederum entspricht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG dem Meistgebot der
Ersteher. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten der Beteilig-
ten zu 2 bemisst sich gemäß § 26 Nr. 3 RVG nach dem Betrag des höchsten für
den Auftraggeber abgegebenen Gebots.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Vorinstanzen:
AG Stralsund, Entscheidung vom 30.01.2012 - 12 K 48/09 -
LG Stralsund, Entscheidung vom 31.07.2012 - 2 T 40/12 + 2 T 48/12 -
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