Urteil des BGH vom 03.11.2003

BGH (zpo, einzelrichter, sache, kollegium, zulassung, sicherung, fortbildung, beschwerde, hauptsache, gerichtskosten)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 35/02
vom
3. November 2003
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. November 2003
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dr. h.c. Röhricht
und
die
Richter
Prof. Dr. Goette, Münke, Dr. Gehrlein und Dr. Strohn
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß der
Beschwerdekammer (Einzelrichter) des Landgerichts München I
vom 24. Oktober 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht
(Einzelrichter) zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben.
Beschwerdewert: 700,00
Gründe:
I. Der Kläger hat die Beklagte auf Herausgabe von Handakten in An-
spruch genommen. Nachdem die Beklagte die Akten herausgegeben hat, ha-
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ben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erle-
digt erklärt und streiten nur noch über die Kostentragungspflicht. Das Amtsge-
richt hat der Beklagten durch Beschluß nach § 91 a ZPO die Kosten des
Rechtsstreits auferlegt. Das Landgericht hat die hiergegen erhobene sofortige
Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen gehen davon
aus, daß das Herausgabeverlangen des Klägers bis zur Erledigung der Haupt-
sache zulässig und begründet war und die Voraussetzungen des § 93 ZPO
nicht erfüllt sind. Mit ihrer - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Be-
klagte ihr Begehren, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,
weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-
scheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil entgegen § 568
Satz 2 Nr. 2 ZPO der Einzelrichter anstelle des Kollegiums des Beschwerdege-
richts entschieden hat (BGH, Beschl. v. 13. März 2003 - IX ZB 134/02, ZIP
2003, 1561).
Nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO hätte der Einzelrichter das Verfahren dem
Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Be-
setzung zur Entscheidung übertragen müssen, weil er der Sache, wie sich aus
seiner Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde mit dem Hinweis auf
§ 574 Abs. 2 ZPO ergibt, Grundsatzbedeutung beimaß. Daß er mit diesem
Hinweis erkennen ließ, er halte die Zulassung nicht allein wegen Grundsätzlich-
keit für geboten, sondern auch, weil die Fortbildung des Rechts und die Siche-
rung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerde-
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gerichts erforderten, änderte an seiner Verpflichtung zur Übertragung des Ver-
fahrens auf das Kollegium nichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs ist der Begriff der Grundsätzlichkeit im weitesten Sinne zu verstehen
und umfaßt auch die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 13. März 2003
aaO; v. 11. September 2003 - XII ZB 188/02, z.V.b.).
2. Die angefochtene Entscheidung kann jedoch keinen Bestand haben,
weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters
(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen und damit objektiv willkürlich ist. Der Ein-
zelrichter hat nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO in Fällen grundsätzlicher Bedeutung
keine eigene Entscheidungskompetenz. Diese liegt allein bei dem Kollegium.
3. Der Senat kann eine Entscheidung in der Sache nicht treffen, sondern
hat sie gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an den Einzelrichter des Beschwerde-
gerichts zurückzuverweisen, damit dieser nach § 568 Satz 2 ZPO über die
Übertragung des Verfahrens auf das Kollegium entscheiden kann.
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Die durch die Rechtsbeschwerde ausgelösten Gerichtskosten werden
nicht erhoben, § 8 GKG.
Röhricht
Goette
Münke
Gehrlein
Strohn