Urteil des BGH vom 26.11.2013

Profilstrangpressverfahren Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 3/13
Verkündet am:
26. November 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Profilstrangpressverfahren
BGB § 204 Abs. 1 Nrn. 4 und 12; ArbEG §§ 28, 29, 37
Die Anrufung der durch das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingerichteten Schiedsstelle hemmt die Verjährung nicht
nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, wohl aber in entsprechender Anwendung des § 204
Abs. 1 Nr. 4 BGB. Die Schiedsstelle steht insoweit einer durch die Landesjustizver-
waltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle gleich.
BGH, Urteil vom 26. November 2013 - X ZR 3/13 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher und Hoffmann und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das am 12. Dezember 2012 verkünde-
te Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Kos-
tenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Abwei-
sung der Vergütungsansprüche, die die Kläger für die Nutzung der dem
deutschen Patent 196 05 885 zugrunde liegenden Diensterfindung bis
zur Umstellung des Verfahrens im Jahre 2005 geltend gemacht haben,
zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger zu 1 und 3 waren und die Kläger zu 2 und 4 sind weiterhin Arbeit-
nehmer der Beklagten. Sie machten während ihrer Tätigkeit für die Beklagte gemein-
sam eine Diensterfindung, die die Beklagte unbeschränkt in Anspruch nahm und für
die sie das am 21. August 1997 erteilte, ein Verfahren zum Strangpressen eines Pro-
fils betreffende deutsche Patent 196 05 885 erwirkte.
Die Beklagte verwertete das erfindungsgemäße Verfahren nach Umbau einer
Presse gegen Ende 1998 unstreitig bis ins Jahr 2005 als ein Regelverfahren bei der
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eigenen Produktion. Im Jahr 2005 stellte die Beklagte das Produktionsverfahren um.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Beklagte seither noch von der Lehre
des Klagepatents Gebrauch gemacht hat.
Nachdem die Kläger mit Schreiben vom 8. Mai 2003 von der Beklagten eine
Vergütung der Erfindung verlangt hatten, führten die Parteien Verhandlungen über
die Höhe der Ansprüche. Mit Schreiben vom 4. Mai 2007 teilte die Beklagte mit, sie
sehe die Verhandlungen als gescheitert an, und setzte die Vergütung fest. Dem Eini-
gungsvorschlag vom 20. November 2008 der von den Klägern am 16. Mai 2007 an-
gerufenen Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt widersprachen
beide Seiten.
Das Landgericht hat die am 21. Mai 2010 eingereichte und der Beklagten am
28. Mai 2010 zugestellte Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung
der Kläger zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre
Klageforderung beschränkt auf den Zeitraum bis einschließlich des Jahres 2005 wei-
ter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Kläger führt im weiter verfolgten Umfang zur Aufhebung des
Berufungsurteils und Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
I.
Das Berufungsgericht hat die mit der Revision allein weiterverfolgten An-
sprüche der Kläger auf Vergütung der Nutzung der Diensterfindung in den Jahren
1999 bis 2005 als verjährt angesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Mit Zugang der wirksamen Inanspruchnahmeerklärung sei der Vergütungsan-
spruch der Kläger dem Grunde nach entstanden. Er sei auch fällig geworden, nach-
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dem die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung festgestanden habe, je-
denfalls drei Monate nach der Aufnahme der Benutzung durch die Beklagte im Jahr
1998. Die Fälligkeit der Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung hänge nicht davon
ab, dass deren Art und Höhe durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und
dem Arbeitnehmer festgestellt oder vom Arbeitgeber einseitig festgesetzt werde, da
der Arbeitnehmer nach Inanspruchnahme auch die Möglichkeit habe, den Arbeitge-
ber sofort auf Zahlung einer Vergütung in Anspruch zu nehmen. Die für die Fälligkeit
maßgebende Leistungszeit werde mangels einer Vergütungsregelung durch die Um-
stände bestimmt. Entsprechend den Maßstäben der Nr. 40 der Richtlinien für die
Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst und verbreiteter Praxis
sei die Vergütung für eine fortdauernde Nutzung der Erfindung grundsätzlich jährlich
fällig und abzurechnen. So verhalte es sich auch im Streitfall.
Die Vergütungsansprüche der Kläger für die Jahre 1999 bis 2005 seien bei
Klageerhebung im Mai 2010 verjährt gewesen. Die jeweilige dreijährige Verjährungs-
frist sei zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abgelaufen gewesen, da die Kläger
jedenfalls seit ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 auch Kenntnis von allen anspruchs-
begründenden Tatsachen gehabt hätten und die durch die Verhandlungen der Par-
teien bewirkte Hemmung der Verjährung in der Zeit vom 8. Mai 2003 bis zum 4. Mai
2007 mithin am Eintritt der Verjährung vor Klageeinreichung nichts ändere.
Eine weitere Hemmung der Verjährung durch das Schiedsstellenverfahren
nach § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB zugunsten der Kläger zu 2 und 4 scheitere daran,
dass diese die Klage nicht innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Schieds-
stellenverfahrens erhoben hätten. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1
Nr. 4 BGB durch das Schiedsstellenverfahren sei ebenso wenig eingetreten, weil die
Schiedsstelle keine Gütestelle im Sinne dieser Norm sei. Eine (analoge) Anwendung
von § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB habe das Landgericht ebenfalls zu Recht verneint; die
Schiedsstelle sei kein Schiedsgericht im Sinn der Vorschrift, da ihr keine materielle
Entscheidungsbefugnis zustehe. Schließlich sei die Verjährung während des
Schiedsstellenverfahrens auch nicht nach § 203 BGB gehemmt gewesen, da die Be-
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klagte nicht zu erneuten Verhandlungen mit den Klägern bereit gewesen sei. Der
Umstand, dass sie sich dem Schiedsstellenverfahren nicht von vornherein entzogen
habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen
Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Anschluss an das Landgericht an-
genommen, dass die Vergütungsansprüche der Kläger mit Inanspruchnahme der
Erfindung durch die Beklagte dem Grunde nach entstanden und jeweils jährlich ab-
zurechnen waren. Die für die Fälligkeit maßgebliche Leistungszeit richtet sich, wenn
es - wie hier - an einer gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung fehlt, nach den
jeweiligen Umständen (§ 271 Abs. 1 BGB). Nach Nr. 40 Absatz 1 der Richtlinien für
die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst und verbreiteter Pra-
xis (Bartenbach/Volz, ArbEG, 5. Aufl., 2013, § 9 Rn. 24) erfolgt bei Ansprüchen auf
Arbeitnehmererfindungsvergütung eine jährliche Abrechnung, wenn die Vergütungs-
höhe - wie die Kläger im Streitfall geltend gemacht haben - von dem erfassbaren be-
trieblichen Nutzen abhängig ist und zweckmäßigerweise nachkalkulatorisch errech-
net wird. Nichts anderes gilt, wenn - wie nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs regelmäßig der Fall (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. März 2012 - X ZR 104/09,
GRUR 2012, 959 Rn. 18 - antimykotischer Nagellack mwN) - der wirtschaftliche Wert
der Nutzung der Diensterfindung und damit die Höhe des Vergütungsanspruchs im
Wege der Lizenzanalogie zu ermitteln ist und demgemäß die jährlichen Umsätze des
Arbeitgebers mit Erzeugnissen, die erfindungsgemäß ausgebildet sind oder bei de-
ren Herstellung von der Erfindung Gebrauch gemacht worden ist, den in die Vergü-
tungsermittlung einzustellenden wirtschaftlichen Wert der Diensterfindung bestim-
men.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf den Einigungsvorschlag der Schieds-
stelle, in dem diese im Hinblick darauf, dass es sich bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren um eine kleinere, wirtschaftlich eher unbedeutende Erfindung handele,
vorgeschlagen hat, die Benutzung durch eine Einmalzahlung für die gesamte Zeit der
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Benutzung durch die Beklagte zu vergüten. Auf eine solche Vergütung hätten sich
die Parteien aus Gründen der Praktikabilität verständigen können, und aus diesen
Gründen hat sie die Schiedsstelle vorgeschlagen. Für die Fälligkeit des gesetzlichen
Anspruchs der Kläger ist hieraus nichts herzuleiten.
Unbehelflich ist ferner die Rüge der Revision, die nachschüssige Zahlung des
durch die Erfindung vermittelten wirtschaftlichen Vorteils könne erst erfolgen, wenn
der Arbeitgeber seinen Jahresabschluss erstellt habe, und daher trete die Fälligkeit
erst ein, wenn der Arbeitgeber seinen Jahresabschluss erstellt habe oder bei An-
wendung der erforderlichen Sorgfalt habe erstellen können, was regelmäßig erst drei
bis sechs Monate nach Jahresende in Betracht komme. Dies mag zutreffen, aber
hierauf kommt es nicht an. Denn auch wenn die Verjährungsfrist für die zuletzt fällig
gewordenen Ansprüche für das Jahr 2005 erst mit Ablauf des Jahres 2006 begonnen
hätte, wäre die Verjährung unter Berücksichtigung ihrer Hemmung durch die Ver-
handlungen der Parteien in der Zeit vom 1. Januar bis zum 4. Mai 2007 am 4. Mai
2010 und damit vor Klageeinreichung abgelaufen, wenn nicht - entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts - ein weiterer Hemmungstatbestand verwirklicht worden
wäre.
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, die Verjährungsfrist sei
während des Schiedsstellenverfahrens nach § 203 BGB gehemmt gewesen.
Nach § 203 BGB wird die Verjährung durch schwebende Verhandlungen über
den Anspruch und die den Anspruch begründenden Umstände gehemmt. Das Beru-
fungsgericht hat insbesondere im Hinblick auf die klare Äußerung der Beklagten im
Schreiben vom 4. Mai 2007 dem Umstand, dass es die Beklagte nicht abgelehnt hat,
sich auf das Verfahren vor der Schiedsstelle einzulassen, nicht die erneute Bereit-
schaft der Beklagten entnommen, in Verhandlungen mit den Klägern einzutreten.
Dies ist eine mögliche und daher das Revisionsgericht bindende tatrichterliche Be-
wertung. Indem die Revision dem entgegenhält, das Einlassen der Beklagten auf das
Verfahren vor der Schiedsstelle zeige trotz der Äußerungen im Schreiben vom 4. Mai
2007 weitere Verhandlungsbereitschaft, setzt sie lediglich ihre Bewertung an die
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Stelle der Beurteilung des Berufungsgerichts, ohne insoweit einen Rechtsfehler auf-
zuzeigen. Gleiches gilt im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 19. Juli
2007, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls zu keinen er-
neuten Verhandlungen über die Vergütungsansprüche der Kläger geführt hat.
3. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin beigetreten werden, dass
das Schiedsstellenverfahren auch sonst keinen Hemmungstatbestand ausfüllt.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Hemmung der Verjäh-
rungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB verneint.
Die Vorschrift setzt den Beginn eines schiedsrichterlichen Verfahrens voraus.
Daran fehlt es selbst bei der Anrufung eines Schiedsgerichts, wenn die Parteien die-
ses nicht zum Zwecke der Streitentscheidung anrufen, sondern als Güte- oder
Schlichtungsstelle, um einen Vergleichsvorschlag zu erhalten, wie der Senat bereits
zu § 220 Abs. 2 BGB aF, der durch § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB nF ersetzt worden ist,
entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1992 - X ZR 123/90, GRUR
1993, 469 - Mauerrohrdurchführungen). Entsprechend kann auch in dem Verfahren
vor der Schiedsstelle kein schiedsrichterliches Verfahren gesehen werden. Denn
dieses ist auf einen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle ausgerichtet, der nur dann
als angenommen und eine entsprechende Vereinbarung als zustande gekommen
gilt, wenn die Parteien nicht innerhalb eines Monats widersprechen (§ 34 Abs. 3
ArbEG). Entgegen einer im Schrifttum erwogenen Ansicht (Bartenbach/Volz, aaO,
§ 31 ArbEG Rn. 19), die sich die Revision zu eigen macht, kommt deshalb auch kei-
ne analoge Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB in Betracht.
b) Im Ergebnis ebenso zutreffend geht das angefochtene Urteil davon aus,
dass die Anrufung der Schiedsstelle die Verjährung der Klageansprüche nicht nach
§ 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB gehemmt hat.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, das die Anwendung der Vor-
schrift nur hinsichtlich der Kläger zu 2 und 4 in Betracht gezogen hat, weil insoweit
die Zulässigkeit der Klage ein Verfahren vor der Schiedsstelle voraussetzte (§ 37
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Abs. 1 ArbEG), ergibt sich dies allerdings nicht daraus, dass die Klage nicht inner-
halb von drei Monaten nach Beendigung des Verfahrens erhoben wurde. Denn § 204
Abs. 1 Nr. 12 BGB erfasst das Verfahren vor der Schiedsstelle überhaupt nicht.
Auf die Ansprüche der aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschiedenen Klä-
ger zu 1 und 3 ist § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB, wie auch das Berufungsgericht nicht ver-
kannt hat, schon deshalb nicht anwendbar, weil die Zulässigkeit der Klage nicht von
der vorherigen Anrufung der Schiedsstelle abhängig war (§ 37 Abs. 2 Nr. 3 ArbEG).
Dies zeigt bereits, dass die Vorschrift auf das Verfahren vor der Schiedsstelle nicht
passt, denn es wäre schwer verständlich, warum die Anrufung der Schiedsstelle, die
das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen für alle Streitfälle zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer auf Grund dieses Gesetzes zulässt, damit diese ihrem gesetzli-
chen Auftrag gemäß versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen (§ 28 ArbEG),
nur dann einen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist haben sollte, wenn diese
Anrufung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist. Weitere Ungereimtheiten
ergäben sich aus der Vorschrift des § 37 Abs. 2 Nr. 2 ArbEG, nach der Absatz 1 der
Vorschrift keine Anwendung findet und die Klage mithin zulässig ist, wenn seit der
Anrufung der Schiedsstelle sechs Monate vergangen sind.
Diese Schwierigkeiten, die sich aus der komplexen gesetzlichen Verknüpfung
zwischen Anrufung der Schiedsstelle und Zulässigkeit der Klage in § 37 ArbEG er-
geben, verdeutlichen, dass das für die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB
maßgebliche Kriterium in dem Tatbestandsmerkmal der Vorentscheidung einer Be-
hörde liegt, von der die Zulässigkeit der Klage abhängt. Entscheidend ist mithin, dass
der Behörde - nicht anders als dem Schiedsgericht - eine Entscheidungskompetenz
zukommen muss. Die Schiedsstelle trifft jedoch - wie bereits ausgeführt - keine Ent-
scheidung, sondern macht den Parteien einen Vorschlag für eine gütliche Einigung.
c) Zu Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht eine Hem-
mung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB verneint hat.
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Die nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen beim Deutschen Patent-
und Markenamt eingerichtete Schiedsstelle ist zwar keine durch die Landesjustiz-
verwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle, weshalb § 204 Abs. 1 Nr. 4
BGB nicht unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Die Schiedsstelle steht einer
solchen Gütestelle jedoch aufgrund ihrer rechtlichen Stellung und Funktion gleich,
weshalb § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB entsprechend anwendbar ist.
Die Schiedsstelle ist auf gesetzlicher Grundlage beim Deutschen Patent- und
Markenamt als einer selbständigen Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz (§ 26 Abs. 1 PatG) errichtet (§ 29 Abs. 1 ArbEG). Das
vor ihr geführte Schiedsverfahren ist nicht anders als ein vor einer durch die Landes-
justizverwaltung eingerichteten Gütestelle eingeleitetes Güteverfahren auf die gütli-
che Einigung des Streitfalles ausgerichtet (§ 28 Satz 2 ArbEG). Zu diesem Zweck
macht die Schiedsstelle den Beteiligten einen Einigungsvorschlag (§ 34 Abs. 2
ArbEG). Das Verfahren ist erfolglos beendet, wenn einer der Beteiligten zu erkennen
gibt, dass er zu einer gütlichen Einigung nicht bereit ist, indem er sich zu dem Antrag,
mit dem die Schiedsstelle angerufen ist, nicht äußert, es ablehnt, sich auf das Ver-
fahren einzulassen oder dem Einigungsvorschlag schriftlich widerspricht (§ 35 Abs. 1
Nrn. 1 bis 3 ArbEG). Die (erfolglose) Durchführung eines Verfahrens vor der
Schiedsstelle ist grundsätzlich ebenso Voraussetzung für eine nachfolgende Klage
(§ 37 Abs. 1 ArbEG), wie durch Landesgesetz bestimmt werden kann, dass die Er-
hebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem ein Güteversuch vor einer durch die
Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle erfolgt ist (§ 15a
Abs. 1 EGZPO). Dass in den in § 37 Abs. 2 bis 5 ArbEG vorgesehenen Fällen Rech-
te oder Rechtsverhältnisse nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen auch
ohne vorheriges Schiedsverfahren eingeklagt werden können, steht der Vergleich-
barkeit der Schiedsstelle mit den durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten
oder anerkannten Gütestellen nicht entgegen. Denn die Anwendung des § 204 Abs.
1 Nr. 4 BGB ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Güteversuch Prozessvo-
raussetzung für die Klageerhebung ist (Palandt/Ellenberger, 73. Aufl., 2014, § 204
BGB Rn. 19; vgl. aber auch Staudinger/Eidenmüller, NJW 2004, 23, 24).
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Nach alledem gibt es keine sachliche Rechtfertigung, die vor der Schiedsstelle
als einer gesetzlich eingerichteten Gütestelle eingeleiteten Schiedsverfahren im Hin-
blick auf die verjährungshemmende Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB anders zu
behandeln als die vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten Güte-
stellen eingeleiteten Güteverfahren.
Dass der Gesetzgeber Verfahren vor der Schiedsstelle nicht ausdrücklich in
den Anwendungsbereich des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB einbezogen hat, ist nur da-
durch erklärbar, dass er die Notwendigkeit einer solchen Regelung nicht erkannt und
ungewollt eine Regelungslücke geschaffen hat. Gegenteiliges folgt auch nicht aus
§ 14 Abs. 8 UrhWG. Danach ist zwar ausdrücklich vorgesehen, dass durch die Anru-
fung der nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz beim Deutschen Patent- und
Markenamt eingerichteten Schiedsstelle die Verjährung in gleicher Weise wie durch
Klageerhebung gehemmt wird. Das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift im Ge-
setz über Arbeitnehmererfindungen lässt aber nicht den Schluss zu, dass die Verjäh-
rung bei Anrufung der nach diesem Gesetz beim Deutschen Patent- und Markenamt
eingerichteten Schiedsstelle vom Gesetzgeber nicht gewollt war. § 14 Abs. 8 UrhWG
hat im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetz § 14 Abs. 7 UrhWG aF er-
setzt, der - in Anlehnung an die Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmoder-
nisierungsgesetzes nach § 209 Abs. 1 BGB aF - bei Anrufung der Schiedsstelle die
Unterbrechung der Verjährung in gleicher Weise wie durch Klageerhebung vorgese-
hen hatte. Demgegenüber enthielt das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen auch
schon vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes keine Vorschrift,
die - entsprechend § 14 Abs. 7 UrhWG aF - eine verjährungsunterbrechende Wir-
kung an die Anrufung der Schiedsstelle knüpfte, was dadurch erklärbar ist, dass Ver-
gütungsansprüche nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen damals noch
der regelmäßigen Verjährung von dreißig Jahren nach § 195 BGB aF unterlagen und
für einen Unterbrechungstatbestand daher keine Notwendigkeit bestand. Ein Anhalt
dafür, dass es nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die nach dem Gesetz
über Arbeitnehmererfindungen vorgesehene Schiedsstelle einer durch die Landes-
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justizverwaltung eingerichteten Gütestelle nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gleichzustel-
len, ergibt sich aus alledem nicht.
Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die analoge
Anwendung von Vorschriften des Verjährungsrechts im Hinblick auf dessen formalen
Charakter und die damit verbundene Funktion, den Rechtsfrieden und die Rechtssi-
cherheit zu bewahren, grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil
vom 30. September 2003 - XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 243 f. mwN). Eine analo-
ge Anwendung ist insoweit aber auch nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. et-
wa BGH, Urteile vom 14. Mai 1986 - VIII ZR 99/85, BGHZ 98, 59, 63; vom 11. Feb-
ruar 1988 - III ZR 221/86, BGHZ 103, 242, 246). Dem hohen Maßstab wird die ana-
loge Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB auf die nach dem Gesetz über Arbeit-
nehmererfindungen beim Deutschen Patent- und Markenamt eingerichtete Schieds-
stelle gerecht, weil ein vor der Schiedsstelle eingeleitetes Schiedsverfahren mit ei-
nem vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten Gütestelle eingeleite-
ten Güteverfahren unter dem Gesichtspunkt der Verjährungshemmung durch
Rechtsverfolgung in jeder Hinsicht vergleichbar und der der entsprechenden Anwen-
dung der Vorschrift unterworfene Tatbestand klar und eindeutig umrissen ist.
4. Bei der danach gebotenen entsprechenden Anwendung von § 204 Abs. 1
Nr. 4 BGB sind die von den Klägern mit der Revision allein weiterverfolgten Ansprü-
che auf Vergütung der Nutzung ihrer Diensterfindungen in den Jahren 1999 bis 2005
bis zur Umstellung des Verfahrens noch nicht verjährt.
Nach den dem Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen des
Berufungsgerichts ist die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB hinsichtlich der
Vergütungsansprüche für die Jahre 1999 bis 2003 frühestens mit Ablauf des 31. De-
zember 2003, für das Jahr 2004 frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2004 und
für das Jahr 2005 frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2005 in Gang gesetzt
worden (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB, § 195 BGB). Die Verjährung dieser An-
sprüche war im Hinblick auf die zwischen den Parteien zwischen dem 8. Mai 2005
und dem 4. Mai 2007 geführten Verhandlungen zunächst bis zum 4. Mai 2007 ge-
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hemmt (§ 203 BGB). Die Verjährung wurde sodann erneut durch Anrufung der
Schiedsstelle durch die Kläger am 16. Mai 2007 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB).
Die Hemmung endete sechs Monate, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom
29. Januar 2009 (wie später auch die Kläger mit Schriftsatz vom 12. Februar 2009)
frist- und formgemäß Widerspruch gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle
vom 20. November 2008 eingelegt hatte, womit das Schiedsverfahren erfolglos be-
endet wurde (§ 34 Abs. 3 ArbEG), am 29. Juli 2009 (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da-
nach waren die von den Klägern geltend gemachten Vergütungsansprüche bei Ein-
reichung der der Beklagten sieben Tage später zugestellten (§ 167 ZPO) Klage am
21. Mai 2010 noch nicht verjährt.
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III. Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben. Der Senat kann den Rechts-
streit nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht (aus seiner Sicht folgerich-
tig) keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, ob den Klägern die gegen
die Beklagte geltend gemachten Vergütungsansprüche für die Zeit bis zur Umstel-
lung des Verfahrens im Jahre 2005 zustehen. Das Berufungsgericht wird die ent-
sprechende Prüfung nachzuholen haben.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 20.05.2011 - 7 O 117/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.12.2012 - 6 U 80/11 -
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