Urteil des BGH vom 23.06.2006

Berichtigungsbeschluss

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 17/06 Verkündet
am:
23. Juni 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 467, 469
a) Werden mehrere mit einem Vorkaufsrecht belastete Grundstücke zu einem Ge-
samtpreis verkauft, so kann der Berechtigte die Ausübung des Vorkaufsrechts auf
ein Grundstück (oder mehrere Grundstücke) beschränken. Der Verpflichtete kann
in einem solchen Fall in entsprechender Anwendung des § 467 Satz 2 BGB ver-
langen, dass der Vorkauf auf alle Grundstücke erstreckt wird, die nicht ohne Nach-
teil für ihn ausgenommen werden können.
b) Werden zwei mit einem Vorkaufsrecht belastete Grundstücke unter der irrtümli-
chen Bezeichnung nur des einen Grundstücks verkauft, so läuft die Frist zur Aus-
übung des Vorkaufsrechts (§ 469 Abs. 2 BGB) hinsichtlich des nicht in dem Ver-
trag genannten Grundstücks erst nach Empfang der Mitteilung der Falschbezeich-
nung.
BGH, Urt. v. 23. Juni 2006 - V ZR 17/06 - LG Mönchengladbach
AG Erkelenz
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Klein und Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. Dezember 2005 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Eheleute S. waren zu je 1/6 Miteigentümer eines Hausgrund-
stücks und eines dahinter liegenden Gartengrundstücks in H. . Be-
lastet waren beide Grundstücke mit einem dinglichen Vorkaufsrecht des Klä-
gers.
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Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1996 erwarben die Beklagten
von den Eheleuten S. deren Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz für
85.000 DM. Dabei ist zur Kennzeichnung des Kaufgegenstands in dem Vertrag
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nur die Flurstücksbezeichnung des Hausgrundstücks, nicht auch des Garten-
grundstücks, genannt. Der Kläger, dem der Vertrag übersandt wurde, verzichte-
te auf sein Vorkaufsrecht "für das Hausobjekt W. 7".
Mit notariellem Vertrag vom 14. März 2002 überließen die Eheleute
S. den Beklagten auch den Miteigentumsanteil an dem Gartengrund-
stück, und zwar ohne Gegenleistung, weil - wie in dem Vertrag erläutert wird -
das Gartengrundstück an sich schon zu dem 1996 veräußerten Grundbesitz
gehöre und durch den damaligen Kaufpreis mit abgegolten sei.
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Dieser Vertrag wurde dem Kläger nicht angezeigt. Er erfuhr später davon
und machte mit Schreiben vom 30. September 2002 sein Vorkaufsrecht an dem
Gartengrundstück geltend.
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Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zur Eintragung des Klägers als
Eigentümer zu 1/3 Miteigentumsanteil an dem Gartengrundstück gerichtete
Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr Zug um Zug gegen Zahlung von
1.247,30 € (anteiliger Kaufpreis für das Gartenland) stattgegeben. Mit der von
dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger be-
antragt, erstreben die Beklagten die Wiederherstellung der erstinstanzlichen
Entscheidung.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass dem Kläger der geltend
gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Eigentumsumschreibung nach
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§§ 1098 Abs. 2, 888 Abs. 1 BGB aufgrund des dinglichen Vorkaufsrechts zu-
stehe.
Der Vorkaufsfall sei eingetreten. Die Übertragung des Anteils an dem
Gartengrundstück durch den Vertrag vom 14. März 2002 sei nicht unentgeltlich
erfolgt. Dieser Vertrag sei eine Ergänzung zu dem Kaufvertrag von 1996 gewe-
sen; es sei nur kein gesonderter Kaufpreis mehr vereinbart worden.
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Der Kläger habe sein Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt. Seine im Jahre
1996 abgegebene Verzichtserklärung stehe dem nicht entgegen, da sie nur auf
den damals mitgeteilten Kaufvertrag bezogen gewesen sei. Der Kläger müsse
bei einem einheitlichen Verkauf mehrerer mit Vorkaufsrechten belasteter
Grundstücke das Vorkaufsrecht nicht einheitlich ("ganz oder gar nicht") aus-
üben, sondern könne es gem. § 467 Satz 1 BGB auf ein Grundstück beschrän-
ken.
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Den Beklagten stehe allerdings ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des
auf den Miteigentumsanteil an dem Gartengrundstück entfallenden Kaufpreis-
anteils zu. Maßgebend für dessen Bestimmung seien die Wertverhältnisse im
Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts. Dieser Anteil betrage nach den
überzeugenden Feststellungen des eingeschalteten Gutachterausschusses
1.247,30 €. Einer beantragten mündlichen Anhörung von dessen Vorsitzendem
habe es nicht bedurft, nachdem der Gutachterausschuss zu den Einwendungen
gegen das Gutachten schriftlich Stellung genommen habe und die Beklagten
dagegen weitere Einwände nicht erhoben hätten.
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II.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
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1. Das angefochtene Urteil ist von Rechtsfehlern frei, soweit das Beru-
fungsgericht den geltend gemachten Anspruch nach §§ 1098 Abs. 2, 888 BGB
bejaht hat.
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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht dabei davon aus, dass der Vor-
kaufsfall mit Abschluss des Überlassungsvertrages vom 14. März 2002 einge-
treten ist. Dieser Vertrag diente nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
allein dem Zweck, den Fehler in dem Kaufvertrag vom 9. Dezember 1996 durch
eine zu enge, nicht dem Willen der Vertragsschließenden entsprechende Be-
zeichnung des Kaufgegenstands zu beheben, die sich auf den Miteigentumsan-
teil an dem Hausgrundstück beschränkte. Die Übertragung des Miteigentums-
anteils an dem Gartengrundstück erfolgte danach nicht unentgeltlich, sondern
war nach Auffassung der Parteien durch den im ursprünglichen Vertrag von
1996 vereinbarten Kaufpreis von 85.000 DM mit abgegolten. Für einen Willen
des Veräußerers, die Miteigentumsanteile an dem Gartengrundstück den Be-
klagten unentgeltlich im Wege einer Schenkung zu übereignen, fehlt es an je-
dem Anhaltspunkt.
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Die gegen diese Feststellungen von der Revision auf eine Verletzung
von § 398 Abs. 1 ZPO gestützten Angriffe sind unbegründet. Das Berufungs-
gericht ist zwar - anders als das Amtsgericht - davon ausgegangen, dass ent-
gegen der Aussage des nur in erster Instanz als Zeuge vernommenen Notars
die Miteigentumsanteile in dem Vertrag vom 14. März 2002 nicht unentgeltlich
veräußert werden sollten. Die Rüge der Revision, dass das Berufungsgericht
verpflichtet gewesen sei, diesen Zeugen nochmals zu vernehmen, weil es des-
sen protokollierte Aussage anders verstanden habe als das Amtsgericht (vgl.
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dazu: BGH, Urt. v. 2. Juni 1999, VIII ZR 112/98, NJW 1999, 2972, 2973), ist
gleichwohl nicht begründet. Dieser Grundsatz gilt dann, wenn die Entscheidung
des Berufungsgerichts auf einer Würdigung der Zeugenaussage beruht. Anders
ist es jedoch, wenn ein gemeinsamer Wille der Vertragsparteien nach dem in
der zweiten Instanz unstreitig gewordenen Parteivortrag festgestellt wird. So ist
es hier. Die Revision geht selbst, und zu Recht, im Hinblick auf die Erläuterung
in dem Überlassungsvertrag vom März 2002 davon aus, dass die Kaufpreisan-
teile für das Gartengrundstück bereits in dem im Vertrag aus dem Jahre 1996
vereinbarten Gesamtkaufpreis enthalten waren.
b) Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme, dass der Kläger das Vorkaufs-
recht wirksam ausgeübt hat.
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aa) Er hat die für die Ausübung des Rechts erforderliche Erklärung ge-
genüber dem früheren Eigentümer (§ 464 Abs. 1 Satz 1 BGB) in dem Schreiben
vom 30. September 2005 abgegeben, in dem er sein Vorkaufsrecht "verlangt"
hat.
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bb) Die Ausübung war weder durch den im November 1996 erklärten
Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen noch durch Ab-
lauf der in § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmten Ausschlussfrist erloschen.
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(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann zwar eine mit dem Grundsatz
von Treu und Glauben unzulässige Rechtsausübung sein, wenn der Berechtigte
sich vor Abschluss des Kaufvertrages dazu verpflichtet, dass er sein Recht
nach dem beabsichtigten Verkauf nicht ausüben werde (vgl. Senat, BGHZ 37,
147, 152). Ein solcher Einwand kommt nach den Feststellungen des Be-
rufungsgerichts indes nicht in Betracht. Die 1996 abgegebene Verzichtserklä-
rung ist auf den damaligen Vertrag über das Hausgrundstück beschränkt. Zwar
ist der Revision zuzugeben, dass - geht man von einem Irrtum der Vertragspar-
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teien aus - in der versehentlichen Falschbezeichnung des Kaufgegenstandes
nach den Grundsätzen der falsa-demonstratio-Lehre von einem schon 1996
geschlossenen Kaufvertrag über das Haus- und Gartengrundstück auszugehen
ist. Gleichwohl kann der Verzicht auf das Vorkaufsrecht - entgegen der Meinung
der Revision - nicht als ein beide Grundstücke betreffender Verzicht ausgelegt
werden, da die Falschbezeichnung für den Kläger nicht erkennbar war. Für ihn
stellte sich der Vertrag als ein Verkauf nur des Hausgrundstücks dar. Nur dar-
auf konnte sich folglich sein Verzicht beziehen, und zwar - entgegen der in der
mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Revision - auch bei objektiver
Betrachtung aus der Sicht des Empfängers, für den die eingeschränkte Ver-
ständnismöglichkeit des Vorkaufsberechtigten erkennbar war.
(2) Die Ausschlussfrist von zwei Monaten gem. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB
wird erst in Lauf gesetzt, wenn dem Vorkaufsberechtigten der richtige und voll-
ständige Inhalt des das Vorkaufsrecht auslösenden Kaufvertrages mitgeteilt
worden ist (RGZ 170, 208, 213; Senat, Urt. v. 29. Oktober 1993, V ZR 136/92,
NJW 1994, 315, 316). Das gilt - entgegen der Ansicht der Revision - auch dann,
wenn die Kaufvertragsparteien den Kaufgegenstand in dem mitgeteilten Vertrag
irrtümlicherweise falsch bezeichnet hatten, sich über dessen Umfang jedoch
einig waren und somit (s. o.) einen Vertrag mit diesem Inhalt, hier also über
beide Grundstücke geschlossen haben. Die Mitteilungspflicht nach § 469 Abs. 1
Satz 1 BGB beruht darauf, dass der Berechtigte den richtigen und vollständigen
Inhalt des Kaufvertrages für seine Entscheidung kennen muss (Senat, Urt. v.
29. Oktober 1993, V ZR 126/92, NJW 1994, 315). Er kennt ihn aber erst dann,
wenn der Vertragstext für ihn als Dritten den zutreffenden Inhalt offenbart.
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c) Zutreffend hält das Berufungsgericht einen Vorkaufsberechtigten, der
an mehreren Grundstücken (oder Miteigentumsanteilen daran) Vorkaufsrechte
hat, nicht für verpflichtet, das Recht einheitlich für alle verkauften Grundstücke
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auszuüben. Danach konnte der Kläger die Geltendmachung des Vorkaufsrechts
auf das Gartengrundstück beschränken. Das folgt aus einer entsprechenden
Anwendung des § 467 Satz 1 BGB.
aa) Das ist allerdings streitig. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (BWNotZ
1958, 218, 219) hat, ausgehend von § 505 Abs. 2 BGB a. F. (jetzt § 464 Abs. 2
BGB), wonach sich der Vorkaufsverpflichtete keine ungünstigeren Bestimmun-
gen gefallen lassen müsse, als die, die er mit dem Dritten vereinbart habe, die
Auffassung vertreten, der Vorkaufsberechtigte sei nicht befugt, bei einem Ver-
kauf mehrerer Grundstücke in einem Vertrag die Ausübung seines Rechtes
nach seinem Belieben auf einzelne Grundstücke zu beschränken (zust. Pa-
landt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 1094 Rdn. 2).
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Das Berufungsgericht ist demgegenüber der von dem Oberlandesgericht
Düsseldorf (NJW-RR 2003, 801, 802) vertretenen Ansicht gefolgt, dass § 467
Satz 1 BGB (entspricht § 508 Satz 1 BGB a. F.) eine Regelung enthalte, die
den Grundsatz des § 464 Abs. 2 BGB einschränke und hier entsprechend an-
wendbar sei (im Anschluss an Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 508 Rdn. 1a).
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bb) Letzteres hält der Senat für zutreffend. § 467 Satz 1 BGB sichert das
Interesse des Vorkaufsberechtigten an der Ausübung seines Rechts für den
Fall des Verkaufs mehrerer Gegenstände, die nur zum Teil dem Vorkaufsrecht
unterliegen (Mengenkauf). In diesen Fällen tritt der in § 464 Abs. 2 BGB be-
stimmte Grundsatz, nach dem die vertraglichen Bestimmungen in dem zwi-
schen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten abgeschlossenen Vertrag
mit dem durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen dem Verpflichteten
und dem Vorkaufsberechtigten zustande kommenden Vertrag übereinstimmen
müssen, im Interesse des Vorkaufsberechtigten zurück (vgl. RGZ 123, 265,
270). Diese Durchbrechung des Grundsatzes der sog. Vertragsidentität ist nach
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der § 467 BGB zugrunde liegenden Wertung für die Fälle des Verkaufs einer
Gesamtheit mehrerer Sachen, auf die sich mehrere Vorkaufsrechte beziehen,
entsprechend anzuwenden.
(1) Ob beim Mengenkauf dem Grundsatz der Vertragsidentität oder dem
Vorkaufsrecht Vorrang einzuräumen ist, war vor dem Inkrafttreten des Bürgerli-
chen Gesetzbuchs in den Landesrechten unterschiedlich geregelt und im Ge-
meinen Recht streitig (vgl. dazu die Zusammenstellung von v. Kübel, Vorlage
Nr. 32 zum Kauf, S. 68; angedruckt in Schubert [Hrsg.], Die Vorentwürfe der
Redaktoren zum BGB, Schuldrecht 2, S. 80). Der Streit ist im Gesetzgebungs-
verfahren durch die erste Kommission dahin entschieden worden, dass der
Vorkaufsberechtigte durch einen solchen Verkauf an der Ausübung seines
Rechts nicht gehindert sein solle (Motive II, S. 349). Ein in der Beratung der
zweiten Kommission gestellter Antrag, mit dem das gegenteilige Prinzip im Ge-
setz angeordnet werden sollte, ist abgelehnt worden. Aus Gründen der Billigkeit
ist allerdings die Regelung des (jetzigen) § 467 Satz 2 BGB aufgenommen wor-
den, nach der der Vorkaufsberechtigte die Übernahme sämtlicher Gegen-
stände unter der Voraussetzung verlangen kann, dass er den Nachweis er-
bringt, durch die Trennung einen Nachteil zu erleiden (Prot. II, Bd. II, S. 105).
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Danach bestimmt das Vorkaufsrecht, und nicht der den Vorkaufsfall aus-
lösende Kaufvertrag, welche Gegenstände der Berechtigte in der Ausübung
seines Rechtes erwerben kann. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den in
§ 467 Satz 1 BGB unmittelbar geregelten Fall eines Verkaufs einer Sachge-
samtheit zu beschränken, bei der nur einzelne Gegenstände von dem Vorkaufs-
recht erfasst werden, die Fälle, in denen alle Gegenstände mehreren Vorkaufs-
rechten unterliegen, jedoch nach dem gegenteiligen Prinzip zu behandeln, führ-
te zu einer Ungleichbehandlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sach-
verhalten.
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(2) Dem steht nicht entgegen, dass für das gesetzliche Vorkaufsrecht
nach § 4 RSG anderes gilt. Jenes Vorkaufsrecht kann bei einem Verkauf meh-
rerer Grundstücke auf Grund des begrenzten Zwecks der gesetzlichen Rege-
lung grundsätzlich nur ausgeübt werden, wenn alle verkauften Grundstücke
dem Vorkaufsrecht unterliegen (BGH, Urt. v. 14. Februar 1974, V BLw 1/73,
WM 1974, 539). Nach dem aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG folgenden Schutzge-
danken, landwirtschaftliche Besitzungen als Einheit verkaufen zu können, kann
dieses Vorkaufsrecht bei einem Verkauf mehrerer Grundstücke grundsätzlich
nur einheitlich ausgeübt werden (BGH, Beschl. v. 25. April 1961, V BLw 30/60,
RdL 1961, 148, 149; BGHZ 116, 348, 352). Diese Grundsätze beruhen indes
auf dem besonderen Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 4 RSG
und sind auf das durch Rechtsgeschäft begründete Vorkaufsrecht nicht über-
tragbar.
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(3) Gegen die entsprechende Anwendung des § 467 Satz 1 BGB kann
- entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht eingewandt werden, der
Interessenkonflikt der Beteiligten könne für den Verkäufer nicht angemessen
gelöst werden. Seine Rechte werden vielmehr durch Satz 2 der Norm gewahrt.
Er kann im Einzelfall einredeweise geltend machen, die Ausübung nur eines,
auf ein Grundstück (Miteigentumsanteil) bezogenes Vorkaufsrecht bedeute für
ihn einen Nachteil. Dass diese Möglichkeit in den Fällen der entsprechenden
Anwendung der Norm, verglichen mit dem unmittelbaren Anwendungsbereich,
keinen ausreichenden Schutz böte, ist nicht ersichtlich und wird von der Revisi-
on auch nicht aufgezeigt.
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(4) Unter welchen Voraussetzungen der Käufer berechtigt ist, dem Vor-
kaufsberechtigten gegenüber die Einrede geltend zu machen, die seinem Ver-
käufer als Vorkaufsverpflichtetem nach § 467 Satz 2 BGB gegenüber der auf
einen Teil des vereinbarten Kaufgegenstands beschränkten Ausübung seiner
Vorkaufsrechte zustehen, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. grund-
sätzlich Senat, Urt. v. 10. Juni 1966, V ZR 177/64, WM 1966, 893, 894). Jeden-
falls können die Befugnisse des Käufers nicht weiter gehen als die des Vor-
kaufsverpflichteten (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1990, III ZR 229/89, NJW-RR 1991,
293, 295). Die Beklagten haben indes eine entsprechende Einrede nicht erho-
ben. Sie haben nur die Unzulässigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts allein
für das Gartengrundstück gerügt, nicht aber, was erforderlich wäre, die Aus-
übung des Vorkaufsrechts auch im Hinblick auf ihr Hausgrundstück gefordert.
Darin liegt keine Geltendmachung der Einrede aus § 467 Satz 2 BGB durch die
Beklagten, die bei einer Annahme des Begehrens durch den Kläger den Verlust
auch des erworbenen Hausgrundstücks zur Folge hätte.
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2. Rechtlich zu beanstanden sind demgegenüber die Ausführungen des
Berufungsgerichts zur Bemessung des zu erstattenden anteiligen Kaufpreises,
auf den die Beklagten ihr Zurückbehaltungsrecht nach § 1100 BGB stützen.
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a) Unbegründet ist allerdings der Einwand der Revision, dass das von
dem Berufungsgericht dazu eingeholte Gutachten schon deshalb nicht verwert-
bar sei, weil es von dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte, und nicht
von dem von dem Gericht zum Sachverständigen bestellten Vorsitzenden er-
stellt worden sei. Unabhängig davon, ob der Beweisbeschluss, in dem der Gu-
tachtenauftrag an den nicht namentlich benannten Vorsitzenden des Gutach-
terausschusses erteilt wurde, nicht ohnehin dahin auszulegen ist, dass nicht die
Person, sondern der Ausschuss als Behörde gem. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
BauGB mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt wurde (dazu OLG Stutt-
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gart, RPfleger 1994, 183), ist das von dem Ausschuss durch den Stellvertreter
des Vorsitzenden und zwei ehrenamtliche Mitglieder erstattete Gutachten ver-
wertbar. Der Grundsatz, nach dem das auf Grund Delegation von einem ande-
ren als von dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen erstellte Gutach-
ten nicht zur Grundlage richterlicher Beweiswürdigung gemacht werden darf,
wenn mit dem Beschluss eine bestimmte Person mit besonderer Sachkunde
ausgewählt werden sollte (BVerwG NJW 1984, 2645, 2646), kommt hier nicht
zum Tragen, weil alle Mitglieder des Gutachterausschusses in der Ermittlung
von Grundstückswerten und sonstigen Wertermittlungen sachkundig und erfah-
ren sein müssen, da sie nur dann zu Mitgliedern der Gutachterausschüsse be-
stellt werden dürfen (§ 192 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
b) Begründet ist jedoch die Verfahrensrüge, dass das Berufungsgericht
dem Antrag der Beklagten auf Ladung und Anhörung des stellvertretenden Vor-
sitzenden des Gutachterausschusses als Sachverständigen mit Rücksicht auf
die eingeholte ergänzende schriftliche Stellungsnahme nicht gefolgt ist. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat eine Partei nach §§ 397,
402 ZPO zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf,
dass sie ihre Fragen und Einreden dem Sachverständigen zur mündlichen Be-
antwortung in einer Verhandlung vortragen kann. Dies gilt auch dann, wenn das
Gericht nach den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen selbst kei-
nen Erläuterungsbedarf mehr sieht (BGHZ 6, 398, 399; Urt. v. 28. Juni 1972, IV
ZR 61/71, VersR 1972, 927, 928; Urt. v. 18. Juni 1997, XII ZR 96/95, NJW-RR
1997, 1487, 1488; Urt. v. 29. Oktober 2002, VI ZR 353/01, NJW-RR 2003, 208,
209). Kommt das Gericht dem Antrag auf Anhörung nicht nach und wird das im
Revisionsverfahren gerügt, so kann das Revisionsgericht das von dem Verfah-
rensfehler betroffene Beweisergebnis nicht übernehmen (BGH, Urt. v. 28. Juni
1972, IV ZR 61/71, VersR 1972, 927, 928).
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c) Unabhängig von diesem Verfahrensfehler beruht - was die Revision zu
Recht geltend macht - die Bestimmung des von dem Kläger den Beklagten
nach § 1100 BGB zu erstattenden, auf das Gartengrundstück entfallenden An-
teiles am vereinbarten Kaufpreis auf einer Verletzung des § 467 Satz 1 2.
Halbs. BGB.
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Allerdings verkennt das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der
Revision - nicht grundsätzlich, dass der von dem Vorkaufsberechtigten zu zah-
lende Betrag dem auf den erworbenen Gegenstand entfallenden Anteil am ver-
einbarten Gesamtpreis entspricht. Es setzt, im Ansatz zutreffend, den Wert des
Miteigentumsanteils ins Verhältnis zu dem Wert des Anteils am Gesamtgrund-
stück und bestimmt danach den Anteil am vereinbarten Kaufpreis.
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Nicht zu beanstanden ist im Grundsatz auch, dass das Berufungsgericht
für die Ermittlung der Werte auf den Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufs-
rechts abstellt (Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 467 Rdn. 2). Dabei verbietet
sich aber eine schematische Anwendung; sie bedarf beispielsweise einer Kor-
rektur, wenn sich durch die Teilung des Kaufgegenstandes infolge der Aus-
übung des Vorkaufsrechts Wertverschiebungen ergeben (MünchKomm-
BGB/H.-P. Westermann, 4. Aufl., § 467 Rdn. 3; Staudinger/Mader, BGB [2004],
§ 467 Rdn. 3). Vorliegend ist - entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts - zu berücksichtigen, dass sich in dem hier langen Zeitraum von mehre-
ren Jahren zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages (1996) und der Aus-
übung des Vorkaufsrechts (2002) Wertverschiebungen durch bauliche Maß-
nahmen des Käufers ergeben haben. Diese den Wert des Hausgrundstücks
erhöhenden Maßnahmen müssen bei der Wertberechnung nach § 467 Satz 2
BGB unberücksichtigt bleiben. Dem kann, wie aber das Berufungsgericht meint,
nicht entgegen gehalten werden, dass man anderenfalls auch die Verwendun-
gen unberücksichtigt lassen müsse, die der Käufer in der Zeit zwischen Ver-
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tragsschluss und Ausübung des Vorkaufsrechts auf dem dem Vorkaufsrecht
unterliegenden Grundstück vorgenommen habe. Das eine hat mit dem anderen
nichts zu tun. Ob Verwendungsersatzansprüche bestehen, richtet sich allein
nach den Vorschriften der §§ 994 ff. BGB (vgl. Senat, BGHZ 75, 288, 293; 87,
296, 298; 144, 323). Für die Berechnung des nach §§ 467 Satz 1, 1100 BGB zu
erstattenden Kaufpreisanteils spielen sie keine Rolle.
III.
Der Verfahrensfehler wie auch der materielle Rechtsfehler führen zur
Aufhebung des Berufungsurteils insgesamt und zur Zurückverweisung an das
Berufungsgericht. Eine solch weitgehende Aufhebung ist auch dann möglich,
wenn das angefochtene Urteil nur in Bezug auf den Teil der Entscheidung
rechtsfehlerhaft ist, der die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung betrifft
(Senat, Urt. v. 30. Sept. 1966, V ZR 140/65, NJW 1966, 2356, 2357).
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Das Berufungsgericht wird bei der erforderlichen Neubewertung zu prü-
fen haben, ob nicht in dem Gutachten selbst - im Gegensatz zu den Aus-
führungen im Berufungsurteil - möglicherweise die nach § 467 Satz 2 BGB ge-
botene Korrektur bei der Bestimmung des Wertverhältnisses schon vorgenom-
men worden ist. Es könnte sein, dass die von den Beklagten nach dem Erwerb
des Hausgrundstücks vorgenommenen Werterhöhungen durch Renovierungen
und Instandsetzungen bereits abgezogen und bei der Ermittlung des Sachwer-
tes des Gebäudes berücksichtigt worden sind.
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Krüger Klein
zugleich für RiBGH
Dr. Lemke, der infolge
einer Auslandsdienstreise
an der Unterschrift gehindert
ist.
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Erkelenz, Entscheidung vom 28.11.2003 - 15 C 32/03 -
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 14.12.2005 - 4 S 188/03 -