Urteil des BGH vom 23.10.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 157/11
Verkündet am:
23. Oktober 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VO (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel-I-VO) Art. 22 Nr. 1
Macht ein Verbraucher gegenüber einem Reiseveranstalter Ansprüche aus einem
Vertrag geltend, in dem sich der Reiseveranstalter zur zeitweisen Überlassung eines
in einem anderen Vertragsstaat belegenen und einem Dritten gehörenden Ferien-
hauses verpflichtet hat, unterfällt der Rechtsstreit nicht der ausschließlichen Zustän-
digkeit des Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO.
BGB §§ 651a ff.
Auf Verträge, in denen sich der Reiseveranstalter gegenüber seinem Kunden allein
zur Bereitstellung einer Ferienunterkunft verpflichtet hat, sind die Vorschriften des
Reisevertragsrechts insgesamt entsprechend anzuwenden (Bestätigung von BGH,
Urteil vom 9. Juli 1992 - VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152).
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 - X ZR 157/11 - LG Schwerin
AG Schwerin
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 23. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
die Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Land-
gerichts Schwerin vom 16. November 2011 wird auf Kosten
der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte, die ihren Sitz in Dänemark hat, bietet in der Bundes-
republik Deutschland in einem Katalog Ferienhäuser an. Die in Deutsch-
land wohnhaften Kläger mieteten bei der Beklagten für die Zeit vom
21. Juli bis 4. August 2007 ein im Katalog näher beschriebenes Ferien-
haus in Belgien zum Preis von 758
€, das nicht der Beklagten, sondern
einem Dritten gehörte. Bei ihrer Anreise stellten die Beklagten fest, dass
das Ferienhaus erhebliche Mängel aufwies. Die Kläger zeigten die Mängel
der Beklagten an und teilten mit, dass sie den Aufenthalt in dem Ferien-
haus nicht für zumutbar hielten. Da die Beklagte keine Abhilfe leistete,
reisten die Kläger am Folgetag ab. Die Beklagte bot den Klägern die Er-
stattung des gezahlten Preises an, zahlte jedoch nicht.
Mit der Klage beim Amtsgericht ihres Wohnsitzes machen die Klä-
ger neben der Rückzahlung des Betrages von 758
€ die Erstattung nutz-
loser Aufwendungen für die An- und Abreise und von Telefonkosten sowie
eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Be-
klagten ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Beru-
fungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Aufhe-
bung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage erstrebt. Die Klä-
ger treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der
deutschen Gerichte zu Recht bejaht.
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1. Es hat dies wie folgt begründet:
a) Als das Gericht des Wohnsitzes der klagenden Verbraucher sei
das Amtsgericht gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 der Ver-
ordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 Nr. L 12 S. 1, ber.
ABl. Nr. L 307 S. 28 und ABl. 2010 Nr. L 328 S. 36; nachfolgend: Brüs-
sel-I-VO) zuständig. Die Verordnung gelte auf Grund des Abkommens
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-
ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 299
vom 16. November 2005, S. 62 bis 67; nachfolgend: Abkommen) auch im
Verhältnis zur Beklagten.
b) Die Klageansprüche unterfielen nicht der ausschließlichen Zu-
ständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO. In ihren in den Vertrag ein-
bezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen habe die Beklagte selbst
auf Regelungen des (deutschen) Reisevertragsrechts hingewiesen. Die-
sem Reisevertragsrecht liege, wie sich aus der Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs ergebe, die Annahme zugrunde, dass der Vermieter eines
Ferienhauses wie ein Reiseveranstalter hafte. Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO
setze demgegenüber voraus, dass der Rechtsstreit Verpflichtungen des
Vermieters und des Mieters aus einem Mietvertrag betreffe. Das Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Januar 2000 (C-8/98,
Slg. 2000, I-393 = NJW 2000, 2009 - Dansommer AS/Götz) stehe dem
nicht entgegen. Dort habe der Gerichtshof die Anwendbarkeit der Art. 22
Nr. 1 Brüssel-I-VO entsprechenden wortgleichen Vorgängerregelung des
Art. 16 Nr. 1 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Ent-
scheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (ABl.
Nr. L 99 vom 31. Dezember 1972, S. 32 ff.; nachfolgend: EuGVÜ) deshalb
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für anwendbar gehalten, weil der Ferienhausanbieter sich die Ansprüche
des Eigentümers habe abtreten lassen und Ansprüche allein oder in erster
Linie auf die abgetretenen Ansprüche des Eigentümers gestützt habe. So
liege der Fall hier nicht, da es hier nicht um Ansprüche des Eigentümers
gehe. Die zugrunde liegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen diffe-
renzierten zwischen dem Vertrag, den die Parteien abgeschlossen hätten,
und möglichen Ansprüchen (der Kläger) gegenüber dem Eigentümer des
Hauses. Die Beklagte vertrete daher nicht die Rechtsposition des Eigen-
tümers, sondern eine davon zu unterscheidende Rechtsposition, wobei es
wegen der gebotenen autonomen Auslegung nicht darauf ankomme, ob
der Vertrag nach deutschem Recht als Reisevertrag, Mietvertrag, ge-
mischter Vertrag oder Vertrag eigenen Typs einzuordnen sei.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die
internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 15 Abs. 1 Buchst.
c, Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-VO ergibt, die nach dem Abkommen für die
nach dem 1. Juli 2007 erhobene Klage im Verhältnis der Parteien gilt. Die-
se Zuständigkeit wird nicht durch die ausschließliche Zuständigkeit gemäß
Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO verdrängt.
a) Nach Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO sind für Klagen, die die Miete
von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des
Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ausschließ-
lich zuständig. Die ausschließliche Zuständigkeit hat ihren Grund in der
engen Verknüpfung von Miete und Pacht mit der rechtlichen Regelung des
Eigentums an unbeweglichen Sachen und mit den im allgemeinen zwin-
genden Vorschriften, die seine Nutzung regeln, wie z.B. die Rechtsvor-
schriften über die Kontrolle der Miet- und Pachthöhe und über den Schutz
der Mieter und Pächter (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-280/90,
Slg. 1992 I-1111 = NJW 1992, 1029 Rn. 28 - Hacker/Euro Relais GmbH,
zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ). Das Gericht des Belegenheitsstaats ist wegen
der räumlichen Nähe am besten in der Lage, sich durch Nachprüfungen,
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Untersuchungen und Einholung von Sachverständigengutachten genaue
Kenntnis des Sachverhalts zu verschaffen (EuGH - Dansommer AS/Götz,
aaO Rn. 27; Urteil vom 13. Oktober 2005 - C-73/04, Slg. 2005 I-8681
- Klein/Rhodos Management Ltd., ebenfalls zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ). Der
Begriff der Miete von unbeweglichen Sachen in Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO
ist autonom auszulegen. Dabei gilt Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO für alle Ver-
träge über die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen unabhängig
von ihren besonderen Merkmalen und damit auch für kurzfristige Verträge
und für solche, die sich nur auf die Gebrauchsüberlassung einer Ferien-
wohnung beziehen (EuGH, Urteil vom 15. Januar 1985 - C-241/83,
Slg. 1985, 99 = NJW 1985, 905 Rn. 24, 25 - Rösler/Rottwinkel zu Art. 16
Nr. 1 EuGVÜ).
b) Als Ausnahme von den allgemeinen Zuständigkeitsregeln darf
Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO allerdings nicht weiter ausgelegt werden, als es
das Ziel der Vorschrift erfordert, denn sie bewirkt, dass den Parteien die
ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in
bestimmten Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von
ihnen das Gericht ihres Wohnsitzes bzw. Sitzes ist (EuGH, Urteil vom
14. Dezember 1977 - C-73/77, Slg. 1977, 2283 = NJW 1978, 1107 Rn. 17
- Sanders/van der Putte, zu Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ; EuGH - Hacker/Euro
Relais GmbH, aaO, Rn. 12; EuGH - Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 21;
EuGH - Klein/Rhodos Management Ltd., aaO Rn. 15; BGH, Urteil vom
25. Juni 2008 - VIII ZR 103/07, NJW-RR 2008, 1381; Urteil vom 16. De-
zember 2009 - VIII ZR 119/08, NJW-RR 2010, 712). Nach der Rechtspre-
chung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist deshalb Art. 22 Nr. 1
Brüssel-I-VO bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Vertrag
nicht anwendbar, der zwischen einem gewerblichen Reiseveranstalter und
seinem Kunden an dem Ort geschlossen wird, an dem sie ihren Sitz bzw.
Wohnsitz haben. Unabhängig von seiner Bezeichnung bringt ein solcher
Vertrag nämlich, wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt
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hat, wenn auch die darin vorgesehene Leistung in der Überlassung des
Gebrauchs einer Ferienwohnung für einen kurzen Zeitraum besteht, weite-
re Leistungen mit sich. Er hat als solche in dem seiner Entscheidung zu-
grunde liegenden Rechtsstreit angesehen: Auskünfte und Ratschläge,
wenn der Reiseveranstalter dem Kunden eine Reihe von Ferienangeboten
unterbreitet, weiter die Reservierung einer Wohnung für den vom Kunden
gewählten Zeitraum, die Reservierung von Plätzen für die Beförderung,
den Empfang am Ort und gegebenenfalls eine Reiserücktrittsversicherung
(EuGH - Hacker/Euro Relais GmbH, aaO Rn. 14).
c) Auch im Streitfall hat sich die Beklagte, ein Reiseveranstalter,
gegenüber den Klägern zur Überlassung eines Ferienhauses für einen
kurzen Zeitraum verpflichtet und nicht lediglich den Abschluss des Miet-
vertrags zwischen den Klägern und dem Eigentümer des Ferienhauses
vermittelt.
aa) Reiseunternehmen können als Erbringer von Reiseleistungen in
eigener Verantwortung tätig werden, wobei sie sich Dritter als Leistungs-
träger bedienen können, sie können aber auch bloß Vermittler solcher
Reiseleistungen sein. Welche Art von Tätigkeit vorliegt, hängt vom Inhalt
und den weiteren Umständen der Vertragsverhandlungen ab. Hierbei ist
entscheidend darauf abzustellen, wie das Reiseunternehmen aus der
Sicht des Reisenden auftritt. Reiseveranstalter und damit Vertragspartner
des Reisevertrags ist derjenige, der aus der maßgeblichen Sicht eines
durchschnittlichen Reisekunden als Vertragspartei Reiseleistungen in ei-
gener Verantwortung erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2010
- Xa ZR 130/08, NJW 2011, 599).
bb) Die Abgrenzung der Vertragsstellung als Reiseveranstalter von
der eines Reisevermittlers unterliegt bei einer Individualvereinbarung dem
Tatrichter, der im Wege der Auslegung der Willenserklärungen die Ge-
samtumstände und die Interessen der Parteien zu würdigen hat, soweit
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sie erkennbar wurden. Das Revisionsgericht prüft nur, ob der Auslegungs-
stoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche Auslegungsregeln, Er-
fahrungssätze oder - sofern gerügt - Verfahrensvorschriften verletzt sind
(BGH - Xa ZR 130/08, aaO Rn. 10). Das Berufungsgericht hat sich mit der
Qualifikation des Vertragsverhältnisses jedoch nicht ausdrücklich befasst.
Seine Ausführungen lassen nicht eindeutig erkennen, ob es von einer
Vermittlung oder einer Vermietung des Ferienhauses durch die Beklagte
ausgegangen ist. Da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu
erwarten sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen. Danach
ergibt sich, dass nach der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen
Reisekunden anzunehmen ist, dass die Beklagte als Vertragspartei eine
Reiseleistung in eigener Verantwortung erbringen wollte.
cc) Die Beklagte hat Ferienhäuser in einem eigenen Ferienhauska-
talog angeboten, der auch Grundlage des Vertragsschlusses zwischen
den Parteien war. Das Angebot einer Vielzahl von Ferienunterkünften in
einem Katalog spricht aus Sicht eines Kunden bereits dafür, dass der Rei-
seunternehmer nicht für eine Vielzahl von verschiedenen Eigentümern der
Immobilien handeln will, sondern die Überlassung der Wohnungen in ei-
gener Verantwortung übernimmt, hierfür selbst einstehen will und eine ei-
gene Vertrauenswerbung entfaltet (vgl. zur Verwendung eines Katalogs
BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152, 160; Urteil
vom 17. Januar 1985 - VII ZR 163/84, NJW 1985, 906). Ausweislich der
den Klägern übersandten Buchungsbestätigung ist die Beklagte diesen
gegenüber auch als Vertragspartner der Gebrauchsüberlassung aufgetre-
ten. Denn auf der Buchungsbestätigung findet sich lediglich der Name der
Repräsentanz der Beklagten (vgl. Nr. 14 Abs. 2 der allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen). Ein Hinweis auf den Eigentümer der Immobilie als
Vertragspartner fehlt, so dass aus der Sicht eines durchschnittlichen Rei-
sekunden die Beklagte selbst sich zur Gebrauchsüberlassung der Immobi-
lie verpflichtet. Auch ist der Preis als einheitlicher Preis ausgewiesen, oh-
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ne dass eine Provision für eine Vermittlungsleistung ausgewiesen wäre
(vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152, 160).
Schließlich erwecken auch die dem Vertrag zugrunde liegenden allgemei-
nen Geschäftsbedingungen den Eindruck, dass die Beklagte und nicht ein
Dritter Vertragspartner des Gebrauchsüberlassungsvertrags werden sollte.
So kommt gemäß Nr. 1 die Buchung (allein) durch die Annahme der An-
meldung durch die Beklagte zustande, ohne dass ersichtlich ist, dass der
Vertragsschluss noch der Zustimmung oder Rücksprache mit dem Eigen-
tümer bedürfte; die Beklagte ist berechtigt, nach Nr. 1 Abs. 2 den Kunden
ein geändertes Angebot zu unterbreiten. In Nr. 2 Abs. 3 ist lediglich von
den Voraussetzungen der Leistungserbringung durch die Beklagte selbst
die Rede. In Nrn. 3.1.1 a aa, 3.1.2 a aa, c ca und 5 Abs. 3 wird der zwi-
schen den Parteien geschlossene Vertrag als Reisevertrag und nicht etwa
Vermittlungsvertrag bezeichnet. Nach Nr. 14 ist Veranstalter die Beklagte,
die sich für Kunden in Deutschland nach Abschluss des Vertrags der
Dienste ihrer deutschen Niederlassung (oder Tochter) bedienen kann.
Damit tritt allein die Beklagte als diejenige auf, die die Leistungen zu er-
bringen hat, ohne dass auf den Eigentümer hingewiesen wird. Zu keiner
anderen Beurteilung führt, dass in Nr. 2 Abs. 7, 4 und 9 von einem - von
der Beklagten zu unterscheidenden - Vermieter die Rede ist, der bestimm-
te Rechte hat, wie die Anforderung einer Kaution, die Abweisung überzäh-
liger Personen und die Abhilfe bei Mängeln. Diese dem Eigentümer oder
Hauptvermieter zugewiesenen Rechte sind begrenzt und haben nach den
Regelungen insbesondere keinen Einfluss auf Abschluss des Vertrags
und die Verpflichtung der Beklagten zur Leistungserbringung.
d) Da Gegenstand des Rechtsstreits damit Ansprüche aus einem
Vertrag sind, in dem sich die Beklagte als Reiseveranstalter gegenüber
den Klägern, ihren privaten Kunden, zur zeitweisen Überlassung eines
Ferienhauses, das in einem anderen Vertragsstaat belegen ist und einem
Dritten gehört, verpflichtet hat, unterfällt der Rechtsstreit auf der Grundla-
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ge der genannten Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Ha-
cker gegen Euro Relais GmbH nicht der ausschließlichen Zuständigkeit
des Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob die
zwischen den hiesigen Parteien ausweislich der Buchungsbestätigung
neben der Gebrauchsüberlassung vereinbarte Verpflichtung der Beklagten
zur Endreinigung mit den weiteren Leistungen vergleichbar ist, zu der sich
der Reiseveranstalter in dem Rechtsstreit verpflichtet hatte, der der Ent-
scheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Hacker gegen Euro Re-
lais GmbH zugrunde lag. Denn der Gerichtshof hat in der Rechtssache
Hacker gegen Euro Relais GmbH nicht auf
die „weiteren Leistungen“ als
solche, sondern darauf abgestellt, ob der Vertrag, auch wenn er sich nur
auf die zeitweise Überlassung eines Ferienhauses und damit auf eine ein-
zige Reiseleistung bezieht, zwischen einem gewerblichen Reiseveranstal-
ter und einem privaten Kunden geschlossen wird, weitere (Neben-)Lei-
stungen wie die dort
genannten „mit sich bringt“ (EuGH - Hacker/Euro Re-
lais GmbH, aaO Rn. 14) und damit nicht das Gepräge eines Mietvertrags
im Sinne des Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO trägt.
e) Aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom
27. Januar 2000 in der Rechtssache Dansommer AS gegen Götz ergibt
sich nichts anderes. In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof die ge-
nannte Rechtsprechung in der Rechtssache Hacker gegen Euro Relais
GmbH nicht aufgegeben oder auch nur relativiert, sondern ausgeführt,
dass sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits von dem der
Rechtssache Hacker gegen Euro Relais GmbH unterscheide (EuGH
- Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 32). Gegenstand des der Rechtssache
Dansommer AS gegen Götz zugrunde liegenden Ausgangsrechtsstreits
waren Ansprüche des Eigentümers eines Ferienhauses gegen den Mieter
(EuGH - Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 36). Der klagende gewerbliche
Reiseveranstalter trat beim dortigen Vertragsschluss nur als Vermittler auf
(EuGH - Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 8) und machte im dortigen
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Rechtsstreit aus abgetretenem Recht die Ansprüche des Eigentümers gel-
tend (EuGH - Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 12). Der Gerichtshof hob in
der Rechtssache Dansommer AS gegen Götz ausdrücklich hervor, dass
die Klägerin im Ausgangsverfahren nicht als gewerblicher Reiseveranstal-
ter handele, sondern so, als wäre sie selbst Eigentümerin der fraglichen
unbeweglichen Sache (EuGH - Dansommer AS/Götz, aaO Rn. 37). Damit
ergibt sich aus den Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache
Dansommer AS gegen Götz, dass für die Klage des Zessionars aus abge-
tretenem Recht des Eigentümers gegen den Mieter eines Ferienhauses
der ausschließliche Gerichtsstand gemäß Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO be-
stehen kann. Für den vorliegenden Streitfall, in dem - ebenso wie in dem
Rechtsstreit Hacker gegen Euro Relais GmbH - Ansprüche des Mieters
gegen den gewerblichen Reiseveranstalter im Streit stehen, der sich
selbst zur Überlassung des einem Dritten gehörenden Ferienhauses ver-
pflichtet hatte, ergibt sich damit aus dem Urteil des Gerichtshofs in der
Rechtssache Dansommer AS gegen Götz nicht die ausschließliche Zu-
ständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO.
f) Der Senat ist nicht gehalten, den Rechtsstreit gemäß Art. 267
Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung des
Art. 22 Nr. 1 Brüssel-I-VO vorzulegen. Diese Vorschrift entspricht der Vor-
gängervorschrift des Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ, deren Auslegung durch die
Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt ist; sie ist hier ledig-
lich auf den Einzelfall anzuwenden.
II. Im Ergebnis zur Recht hat das Berufungsgericht angenommen,
dass die geltend gemachten Ansprüche bestehen.
1. Das Amtsgericht hat die Klageansprüche für sachlich gerechtfer-
tigt erachtet. Das Berufungsgericht hat gemeint, einer sachlichen Prüfung
enthoben zu sein, da die Beklagte hiergegen keine Berufungsangriffe ge-
führt habe.
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2. Zwar hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Verpflichtung zur
sachlich-rechtlichen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils verneint, da
es hiervon nach § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO ungeachtet insoweit fehlender
Rügen der Berufung nicht enthoben war. Der revisionsrechtlichen Über-
prüfung hält die Zuerkennung der Klageansprüche jedoch stand.
a) Auf den Vertrag ist deutsches Recht anwendbar.
aa) Das anwendbare Recht bestimmt sich mangels zeitlicher An-
wendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuld-
verhältnisse anzuwendende Recht (Rom I, ABl. Nr. L 177 S. 6, ber. 2009
Nr. L 309 S. 87) nach Art. 27 ff. EGBGB aF.
bb) Aus dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt
ergibt sich, dass die Parteien gemäß Art. 27 EGBGB aF wirksam die An-
wendbarkeit deutschen Rechts vereinbart haben, so dass Art. 28 EGBGB
aF nicht anwendbar ist. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Be-
klagten, die in den Vertrag einbezogen wurden, sehen die Geltung der
deutschen Regelungen über den Reisevertrag vor. Nrn. 2 und 3 sehen die
Verpflichtung zur Übergabe eines Sicherungsscheins gemäß § 651d BGB
und den Abschluss einer entsprechenden Versicherung vor. In Nr. 6 Abs.
4 weist die Beklagte darauf hin, dass sie im Falle des Rücktritts eine an-
gemessene Entschädigung gemäß § 651j BGB verlangen könne, und
verweist auf § 651l Abs. 3 BGB. Nr. 9 Abs. 4 weist auf die besonderen
Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrags durch den Kunden in-
folge Mangels hin. Nach Nr. 9 Abs. 5 sind die Mängel unter Verweis auf
§ 651g BGB fristgerecht bei der Beklagten anzumelden. Damit ergibt sich
die Geltung deutschen Rechts für den Vertrag mit hinreichender Sicherheit
aus dessen Bestimmungen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aF).
b) Die geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung des Miet-
preises für das Ferienhaus, auf Erstattung nutzloser Aufwendungen für die
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An- und Abreise und von Telefonkosten sowie auf Entschädigung wegen
nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit stehen den Klägern entsprechend
§ 651e Abs. 3 Satz 1 und § 651f Abs. 1 und 2 BGB zu.
aa) Zwar stellt der auf die Bereitstellung des Ferienhauses gerichte-
te Vertrag keinen Reisevertrag im Sinne des § 651a BGB dar, da die Be-
klagte nicht eine Gesamtheit von Reiseleistungen zu erbringen hatte, son-
dern lediglich zur Überlassung der Wohnung verpflichtet war. Die Vor-
schriften der §§ 651a ff. BGB sind daher nicht unmittelbar anwendbar.
Doch sind auf Veranstaltungsverträge, die auf die Bereitstellung einer Fe-
rienunterkunft als alleinige Reiseleistung gerichtet sind, die Vorschriften
des Reisevertragsrechts insgesamt entsprechend anwendbar. Soweit sol-
che Verträge nicht unter § 651a ff. BGB fallen, liegt ausweislich der Ge-
setzesmaterialien eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vor.
Dem Gesetzgeber ging es in der Sache darum, den Reiseveranstaltungs-
vertrag als einen Vertrag mit gesteigerter Haftung und Verantwortung von
dem Reisevermittlervertrag abzugrenzen. Hierbei wurde der zu regelnde
Reiseveranstaltungsvertrag mit der Pauschalreise, bei der eine Gesamt-
heit von Leistungen geschuldet wird, gleichgesetzt und von der Vermitt-
lung von einzelnen Leistungen abgegrenzt. Übersehen wurde hierbei,
dass die wesentlichen Merkmale einer Reiseveranstalterreise auch dann
vorliegen können, wenn nur eine einzelne Reiseleistung gebucht wird. Die
entsprechende Anwendung der reiserechtlichen Vorschriften auf die bloße
Buchung einer Ferienunterkunft ist bei einem Veranstalter auch sachlich
gerechtfertigt, da die Interessenlage der Beteiligten unter allen wesentli-
chen Gesichtspunkten gleich gelagert ist: Ebenso wie der Veranstalter von
Aufenthalten in Ferienunterkünften ist der Veranstalter von Pauschalrei-
sen, der eine Gesamtheit von Leistungen erbringt, zwischen Kunden und
Leistungsträger geschaltet. Beide erbringen Leistungen in eigener Ver-
antwortung. Für den Kunden macht es keinen Unterschied, ob er bei ei-
nem Veranstalter lediglich eine Ferienunterkunft als einzelne Reiseleis-
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tung oder eine Gesamtheit von Reiseleistungen bucht (BGH, Urteil vom
9. Juli 1992 - VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152, 161-164).
bb) Die Kläger können nach wirksamer Kündigung des Reisever-
trags gemäß § 651e Abs. 3 Satz 1 BGB analog Rückzahlung des Miet-
preises verlangen. Die vom Amtsgericht als unstreitig festgestellten gro-
ben Mängel des Ferienhauses rechtfertigen ohne weiteres die Annahme,
dass das Haus für den beabsichtigten Ferienaufenthalt der Kläger untaug-
lich, die von der Beklagten versprochene Reiseleistung mithin erheblich
beeinträchtigt war und die Kläger deshalb zur Kündigung des Vertrages
berechtigt waren. Ihnen steht zudem entsprechend § 651f Abs. 1 BGB ein
Anspruch auf Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für An- und Abreise
sowie der durch die Versuche, von der Beklagten Abhilfe zu erlangen,
entstandenen Telefonkosten zu. Ferner haben die Kläger entsprechend
§ 651f Abs. 2 BGB Anspruch auf eine Entschädigung in Geld wegen nutz-
los aufgewendeter Urlaubszeit; gegen die Bemessung der Entschädigung
ist nichts zu erinnern.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Keukenschrijver
Mühlens
Grabinski
Bacher
Vorinstanzen:
AG Schwerin, Entscheidung vom 04.06.2010 - 14 C 636/07 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 16.11.2011 - 6 S 69/10 -
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